Marx hatte die Idee einer menschlicheren Gesellschaft, die seiner kritischen Betrachtung der kapitalistischen Produktion zu einer Vision nach dem Fall der Profitrate verhalf. Er hoffte, wahrscheinlich war Marx sogar überzeugt davon, dass auf lange Sicht die Prozesse der Konzentration und mehr noch der Zentralisation bei Großunternehmen die Probleme der Akkumulation stärker werden lassen als bei KuMs.
Die Formel: je größer die Menge des angehäuften Kapitals desto stärker sinkt die Kapitalrentabilität mag zwar prinzipiell gelten, aber wir haben gesehen, dass dies nicht der tatsächlichen Entwicklung in der Vergangenheit, besonders der Jahre nach dem Zweiten Welktkrieg entsprach.
Ebenso ging es Marx nicht nur um die Überwindung der Kapitalwidersprüche, sondern auch um die Überwindung der damit verbundenen ideologischen Widersprüche, wie sie in der bürgerlichen Existenz und Gesellschaft auftreten. Marx fand in seiner Analyse der Arbeit heraus, dass der Mensch bei der Arbeit sowohl konkrete wie abstrakte Arbeit verrichtet, Arbeit also wie die Ware einen „Doppelcharakter“ besitzt.
Die konkrete Arbeit, so Marx, produziert qualitativ verschiedene Gebrauchswerte. Mit der konkreten Arbeit eignet sich der Mensch die Gegenstände der Natur zur Befriedigung seiner Bedürfnisse an. Hier stehe also der Mensch nicht als Einzel (Begriff der Privatarbeit)- oder Gruppenwesen im Fokus der Betrachtung, sondern die Bedürfnisbefriedigung des einzelnen Menschen wie die der Gruppe (Sippe oder andere Formen der Gemeinschaft).
Die abstrakte Arbeit produziert anders als die konkrete Arbeit Tauschwerte, wobei hier der Fokus weniger auf den Tauschvorgang als auf den Vorgang der Wertschöpfung liegt. Abstrakte Arbeit beinhaltet nach Marx ganz grundsätzlich und wesentlich eine Naturalisierung und Entindividualisierung menschlicher Arbeit. Naturalisierung insofern menschliche Arbeit reduziert wird auf die bloße „Verausgabung menschlicher Arbeitskraft im physiologischen Sinn“1, Entindividualisierung, insofern menschliche Arbeit im Sinne gesamtgesellschaftlicher Wertschöpfung auf das Maß gesellschaftlich notweniger Arbeitszeit reduziert wird.
Bleiben wir an dieser Stelle im ganz Allgemeinen solcher Denkansätze, so halten wir fest, dass Marx die Befreiung der menschlichen Arbeit allein in der Überwindung ihrer Entfremdung sieht. Also darin, dass Arbeit auf eine individuelle Wertschöpfung wieder zurückgeführt wird, die im Kapitalismus unmöglich ist. Im Sinne einer konkreten, individuellen Arbeit läßt sich der gesamte Arbeitsprozess auch als „zweckmäßige Tätigkeit zur Herstellung von Gebrauchswerten, Aneignung des Natürlichen für menschliche Bedürfnisse, allgemeine Bindung des Stoffwechsels zwischen Mensch und Natur, ewige Naturbedingung des menschlichen Lebens“2 verstehen.
Im Kapitalismus bleibt das Ergebnis der Arbeit, das Produkt, das Eigentum des Kapitalisten und nicht des unmittelbaren Produzenten, also des Arbeiters: „Der Kapitalist zahlt z.B. den Tageswert der Arbeitskraft. Ihr Gebrauch, wie der jeder andren Ware, z.B. eines Pferdes, das er für einen Tag gemietet, gehört ihm also für den Tag. Dem Käufer der Ware gehört der Gebrauch der Ware, und der Besitzer der Arbeitskraft gibt in der Tat nur den von ihm verkauften Gebrauchswert, indem er seine Arbeit gibt. Von dem Augenblicke, wo er in die Werkstätte des Kapitalisten trat, gehörte der Gebrauchswert seiner Arbeitskraft, also ihr Gebrauch, die Arbeit, dem Kapitalisten.“3
Hierin sieht Marx den Kern der „Entfremdung“ menschlicher Arbeit, denn durch den kapitalistischen Produktionsprozess einschließlich der industriellen Arbeitsteilung wird der Arbeiter zu einer Sache erniedrigt, naturalisiert. Das Produkt seiner Arbeit wird ihm entzogen und ihm wird nur ein Teil des Gegenwertes seiner Arbeit als Lohn ausbezahlt.
Seine Arbeit und mithin das von dieser geschaffene Produkt gehört ihm also nicht mehr ganz, wird entindividualisiert. Der Tauschwert schaffende Teil der menschlichen Arbeit, also jener Teil, der mit der menschlichen Arbeit zwar substanziell mit geschaffen wird, seinen wahren Wert aber erst in der Wertschöpfung auf den Waren- bzw. Tauschmärkten erhält, der „Mehrwert“, fließt dem Unternehmer zu.
Wollen wir also Marx nicht ganz aus den Augen verlieren, so halten wir für die folgenden Überlegungen fest: In der Vorstellung von Marx ist Arbeit bestimmt als individuelle Wertschöpfung. Der Wert ist ein Gebrauchswert zur Bedürfnisbefriedigung und dieser wird innerhalb der notwendigen Aneignung natürlicher Ressourcen durch den Menschen hervorgebracht.
Gleichwohl in dieser Bestimmung menschlicher Arbeit die Natur als Ressource aufgefasst wird, steht Natur nicht als ubiquitärer Verwertungszusammenhang der menschlichen Arbeit zur Verfügung. Verwertung und damit Verbrauch von natürlichen Ressourcen sind begrenzt in der Bedarfswelt menschlicher Bedürfnisse. Nach Marx ist eine Befreiung menschlicher Arbeit aus der Entfremdung durch kapitalistische Produktion demnach auch eine Rückkehr zur Gebrauchswertproduktion und damit zu einem zirkulär-dynamischen Prozess der Werschöpfung im Gegensatz zum expansiv-dynamischen Prozess der Tauschproduktion.
Der Mensch schießt demnach nur so viele Büffel, wie er und seine Sippe zur Subsitenzsicherung – und kleinerer kultureller Freuden – benötigt. Die Art und Weise, also der Produktionsprozess, wie Subsistenzwirtschaft bzw. die „Produktion des absoluten Mehrwerts“ grundsätzlich funktioniert, hat bei Marx sehr viel Nähe zu den Vorstellungen der antiken griechischen Philosophen, bis in einzelne Formulierungen hinein.
So bestimmt Marx den Begriff Arbeit im Geister der Antike wenn er schreibt: „Am Ende des Arbeitsprozesses kommt ein Resultat heraus, das beim Beginn desselben schon in der Vorstellung des Arbeiters, also schon ideell vorhanden war. Nicht daß er nur eine Formveränderung des Natürlichen bewirkt; er verwirklicht im Natürlichen zugleich seinen Zweck, den er weiß, der die Art und Weise seines Tuns als Gesetz bestimmt und dem er seine Willen unterordnen muß. Und diese Unterordnung ist kein vereinzelter Akt. Außer der Anstrengung der Organe, die arbeiten, ist der zweckmäßige Wille, der sich als Aufmerksamkeit äußert, für die ganze Dauer der Arbeit erheischt, und um so mehr, je weniger sie durch den eignen Inhalt und die Art und Weise ihrer Ausführung den Arbeiter mit sich fortreißt, je weniger er sie daher als Spiel seiner eignen körperlichen und geistigen Kräfte genießt.“4
Zirkulär ist der Wertschöpfungsprozess auf dieser grundsätzlichen Ebene seiner Bestimmung insofern, als „im Arbeitsprozeß bewirkt also die Tätigkeit des Menschen durch das Arbeitsmittel eine von vornherein bezweckte Veränderung des Arbeitsgegenstandes. Der Prozeß erlischt im Produkt. Sein Produkt ist ein Gebrauchswert, ein durch Formveränderung menschlichen Bedürfnissen angeeigneter Naturstoff. Die Arbeit hat sich mit ihrem Gegenstand verbunden. Sie ist vergegenständlicht, und der Gegenstand ist verarbeitet. Was auf seiten des Arbeiters in der Form der Unruhe erschien, erscheint nun als ruhende Eigenschaft, in der Form des Seins, auf seiten des Produkts. Er hat gesponnen, und das Produkt ist ein Gespinst.“5
Dynamisch ist der Wertschöpfungsprozess gleich grundsätzlich, „(B)betrachtet man den ganzen Prozeß vom Standpunkt seines Resultats, des Produkts, so erscheinen beide, Arbeitsmittel und Arbeitsgegenstand, als Produktionsmittel und die Arbeit selbst als produktive Arbeit.
Wenn ein Gebrauchswert als Produkt aus dem Arbeitsprozeß herauskommt, gehn andre Gebrauchswerte, Produkte frührer Arbeitsprozesse, als Produktionsmittel in ihn ein. Derselbe Gebrauchswert, der das Produkt dieser, bildet das Produktionsmittel jener Arbeit. Produkte sind daher nicht nur Resultat, sondern zugleich Bedingung des Arbeitsprozesses.“6
Eine nicht-entfremdete Arbeit wäre also ganz grundsätzlich aus der Vorstellung bestimmt, eine nicht von der Bedürfnisbefriedigung im Sinner der Subsistenzerhaltung des Menschen als Einzel- und als gesellschaftliches Wesen getrennte Tätigkeit zu sein. Ihre geistige Entsprechung liegt demnach in einer, dieser Subsitenzwirtschaft inneliegenden Zweckrationalität.
Wir werden etwas weiter voran auf den homo oeconomicus bei Marx und in der modernen Ökonomik zurückkommen.
Nun aber bleibt kein anderer Weg als – den Ausweg von Marx im Gedächtnis zu behalten – in die weitere Vertiefung in jene gesellschaftlichen Verhältnisse, die als Begriff des Kapitalismus bzw. der Marktwirtschaft unser Denken und Handeln maßgeblich mit bestimmen. Und dabei ist das Feld auf dem sich Denk- und Handlungszusammenhänge überhaupt erst formieren bzw. final ergeben das Feld der Arbeit, dies allerdings in seiner konkret erlebbaren Struktur, dem Wettbewerb.
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[title]Begriffe – Anmerkungen – Titel – Autoren[/title]
konkrete und abstrakte Arbeit – Naturalisierung und Entindividualisierung menschlicher Arbeit
1 MEW 23, S. 61
2 MEW 23, Dritter Abschnitt, S. 192 – 213
3 ebenda
4 ebenda S. 193
5 ebenda S. 195
6 ebenda S. 196
4
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