Des Kaiser’s neue Kleider – Zentralbankzinsen

Oft werden die Zentralbankzinsen auch synonym mit Leitzinsen benutzt. Im Bereich der EZB entfaltet die Veränderung der Leitzinsen mehr als nur Signalwirkung auf die Volkswirtschaften der EU-Mitgliedsstaaten.
Nach der reinen Lehre verteuert eine Erhöhung des Leitzinses die Liquiditätsbeschaffung der Banken, so dass sie gezwungen sind, diese Verteuerung an ihre Bankkunden weiter zu geben, wollen sie keine Gewinneinbußen hinnehmen. In den letzten Jahren haben wir beobachten können, dass diese „Formel“ eben so wenig mehr greift, wie umgekehrt, dass bei einer Leitzinssenkung die Geldaufnahme der Geschäftsbanken erleichtert wird, wodurch ihnen eine Weitergabe von günstigeren Konditionen der Geldbeschaffung und Refinanzierung von Unternehmen durch ihre Bankkunden ermöglicht wird.

Auf die Preisentwicklung angewandt, sollte der Leitzins indirekt auch die Preisentwicklung beeinflussen, weil niedrige Leitzinsen eine Inflationsgefahr in sich bergen und umgekehrt. Aber wo ist diese „Formel“ geblieben? Hat sie überhaupt noch einen „Fitzen“ an Sachgehalt? Die Geldausgabe der EZB nebst den Anleihekäufen geht in die Billionen, der Leitzins liegt seit Jahren bei Null und die Inflationsrate in der EURO-Zone stieg aufgrund dieser Maßnahmen keinen Deut. Und wenn sie jetzt ein wenig voran kommt, dann sind erhebliche Zweifel anzumelden, ob dies ursächlich mit der EZB zusammenhängt.

Der Leitzins beeinflusst auch die Geldschöpfung der Kreditinstitute, indem eine Leitzinserhöhung die Geldschöpfungsmöglichkeiten der Institute einschränkt1 und umgekehrt. Die Geldschöpfungsmöglichkeiten der Banken wirken sich auf die Geldmenge aus. Will die Zentralbank die Geldmenge einschränken, so kann sie das über eine Erhöhung der Leitzinsen indirekt bewirken. Eine direkte Maßnahme zur Reduzierung der Geldmenge wäre die Erhöhung der Mindestreserven. Die Steuerung der Geldmenge über den Leitzins ist ein entscheidender Faktor für die Entwicklung des Preisniveaus3.

Leitzinsveränderungen bewirken aber nicht nur die Geldschöpfung bzw. das Geldmengenwachstum, sie haben zudem auch eine Veränderung des Außenwerts der Währung zur Folge.
Leitzinserhöhungen führen zu einem Anstieg des Wechselkurses der betroffenen Währung. Das kann sich negativ auf den Export ausüben, da die Exporte sich schnell verteuern können, gleichzeitig würden sich die Importe verbilligen. In der Summe verschlechtern sich also die Terms of Trade4.

Leitzins und Wechselkurs stehen also in einem reziproken Verhältnis zueinander, da eine harte Währung einen niedrigen Leitzins zulässt. Folglich spiegeln sich im Leitzins auch die Erwartungen hinsichtlich der Entwicklung von Wechselkursen und Inflation wieder. Eine Relationn zwischen der zu erwartenden Zahlungsbilanz eines Staates und der wahrscheinlichen Inflationsrate wird bis heute noch als die wichtigste Grundlage bei der Festlegung des Leitzinses angesehen.

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[title]Begriffe – Anmerkungen – Titel – Autoren[/title]

SeigniorageZwillingsdefiziteGeldschöpfungmonetaristische BetrachtungQuantitätstheorie des GeldesGeldmengenwachstums


1 Wolfgang Cezanne, Allgemeine Volkswirtschaftslehre, 2005, S. 416.
2.Federal Funds Rate ist derjenige Zinssatz, zu dem die amerikanischen Finanzinstitute (u.a. Banken und Sparkassen) Geld untereinander leihen, um ihre Salden im Rahmen der Mindestreserveverpflichtungen bei der Zentralbank auszugleichen. Da dies täglich geschieht, spricht man auch von overnight credit (deutsch wörtlich: Übernachtkredit). Der effektive (tatsächliche) Zinssatz kann vom nominalen abweichen, weshalb zur Steuerung und Einhaltung der als geldpolitisches Ziel formulierten nominalen Verzinsung hauptsächlich Offenmarktgeschäfte eingesetzt werden.
3 Lothar Wildmann, Makroökonomie, Geld und Währung, 2007, S. 128.
4 TOT: Tauschbedingungen im internationalen Handel, gegeben durch die relativen Preise der handelbaren Güter. Die Terms of Trade werden im zweidimensionalen Fall meist als das Verhältnis zwischen dem Preis des exportierten und dem Preis des importierten Gutes angegeben. Diese Größe gibt an, wie viele Mengeneinheiten des Importgutes die heimische Ökonomik für eine Einheit des Exportgutes tauschen kann (reales Austauschverhältnis). Eine Verbesserung der Terms of Trade bedeutet, dass das Inland mehr Importgüter pro Einheit des Exportgutes erhält als vorher. Es führt zu einer Verbesserung des Außenbeitrags bzw. des Saldos der Leistungsbilanz.
Im mehrdimensionalen Fall werden Export- und Importpreisindizes einander gegenübergestellt. Die Terms of Trade werden durch Angebot und Nachfrage auf den Weltmärkten bestimmt. Maßnahmen, die die Importnachfrage oder das Exportangebot eines Landes verringern, führen zu einer Verbesserung der Terms of Trade, wenn Angebot und Nachfrage dieses Landes gemessen am Volumen des Weltmarktes von Bedeutung sind (Gabler).

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