Bislang haben allen Betrachtungen um die These vom tendenziellen Fall der Profitrate keinen Anhalt für deren Richtigkeit gegeben. Die Flexibilität selbst von Großunternehmen scheint in Hinsicht auf die relative Kapitalakkumulation wie auch auf Löhne und Preise derart hoch zu sein, dass selbst anhaltende konjunkturelle Krisen abgefederet werden können wie auch in Aufschwungphasen keine rein ökonomischen Faktoren einer Wettbewerbsdominanz sich ausbilden.
Vorstellungen von Machtstrukturen und Willkür durchziehen ein altes Unternehmerbild, dem soziologisch wie psychologisch durchaus einiger Anlass zur Reflexion gegeben ist, das aber kein gesamtwirtschaftliches Fundament hat. Selbst us-amerikanische Ölmultis des letzten Jahrhunderts waren, was Löhne und Preise angeht, weit entfernt von Willkür und Ausbeutung des Sektors Arbeit. Und wie es aussieht, hilft ein Ansatz, der von den klassischen Produktionsfaktoren; Kapital, Arbeit und Boden ausgeht, wie dies von Adam Smith und ganz besonders durch Ricardo geschehen ist, auch wenig weiter.
Es war ja eigentlich Marx, der von Produktionsweisen ausgehend das Wirtschaftsgeschehen analysiert hat, um so verwunderlicher mutet das dann an, wenn durch übermäßige Kapitalakkumulation schlussendlich Marktmachtstrukturen in Willkür und Beherrschung über Arbeit und Wettbewerb umschlagen sollen.
Zugegeben, diese Vorstellung war verführerisch und nicht um zahlreiche empirische Erfahrungen verlegen, besonders im ersten halben Jahrhundert der industriellen Revolution in England, später in Kontinentaleuropa und auch in den USA, besonders in den Südstaaten. Ausbeutung war an der Tagesordnung, aber deren Gründe lagen nicht auf der Ebene konzentrationsbedingter Differenzierung der Profitraten.
Liest man, was Marx zur freien, d.h. kapitalistischen Konkurrenz schreibt, dann findet man zwar Determinaten für die Profitratendifferenzierung, aber deren Weg führt über die Hypothese von einer lang anhaltenden, dauerhaften Vorteilsnahme des Großkapitals in Bezug auf die wichtigen Verwertungszweige der Ökonomie: Arbeit, Boden bzw. Rohstoffe, Preissetzung und Absatzmärkte.
Innerhalb konkurrierender Produktionszweige finden sich in einem entwickelten Zustand allerorts Marktpreise, die um einen Produktionspreis bzw. einem Marktwert schwanken, wobei die Schwankungsamplitude nicht dramatisch ist. Und damit verbunden undramatisch verschiedene Profitraten, die aufgrund jeweils unterschiedlicher Produktionsbedingungen und somit verschiedener Stückkosten zu einem bestimmten Zeitpunkt sich ergeben.
Ähnlich, strukturell betrachtet, verhält es sich zwischen den Produktionszweigen, also wettbewerbsübergreifend. Hier bilden die Produktionspreise jene Amplituden um einen Marktwert bzw. Marktpreis, der die gesamtwirtschaftliche Profitrate ausdifferenziert.
Im Ergebnis bedeutet dieser Ansatz, dass eine Beziehung sich ausbildet zwischen konjunkturellen, meist mittel- bis langfristigen, also zyklischen Schwankungen auf den Märkten, die sich in der Relation zwischen Angfebot und Nachfrage ausdrücken lässt und den darin jeweils realisierten Profitraten, die wiederum auf verschiedene Produktionsbedingungen zurückzuführen ist. Die jeweilige, durchschnittliche Einkommensverteilung steht dann in Beziehung zur durchschnittlichen Profitrate, die beide, idealerweise um den Grad der zyklischen Schwankungen fluktuieren.
Dieser doch recht mechanisch anmutende Ansatz berücksichtigt eine gesamtwirtschafliche Harmonisierung der jeweils technisch fortschrittlichsten Produktionsmethoden sowie allseits offene Zugänge zu den günstigsten Beschaffungs- wie zu den wichtigen Absatzmärkten und heute müsste man noch hinzufügen zu den günstigsten Produktionsstandorten weltweit. Er beeinhaltet aber keine spezielle Betrachtung auf etwaige Wechselwirkungen zwischen Monopolisierung und konjunkturellen Zyklen unter der Annahme einer langfristig sich beschleunigende Kapitalakkumulation.
Betrachten wir die Wechselwirkung von Wirtschaftszyklen und Kapitalakkumulation ganz generell, dann kann man festhalten, dass Großkonzerne bis in die 70er und 80er Jahre des letzten Jahrhunderts eine andere Struktur aufwiesen und auch andere Möglichkeiten der Reaktion auf Zyklen hatte. Beispielhaft für die Struktur mögen die damaligen, großen japanischen Unternehmen sein, die großen Handelshäusern glichen mit enormer Produktdiversifikation und Marktdifferenzierung. Gut kapitalisert und meist auch Technologieführer in ihren Branchen erfolgte bei ihnen ein sich langfristig verlangsamender aber stetig voranschreitender Kapazitätenausbau, kapitalintensive Produktion mit hohen Lohnstückkosten.
Diese Großkonzerne arbeiteten wie man heute weiß, wirtschaftlich nicht optimal. Bei konjunkturellen Belebungen und vor allem bei erhöhter Nachfrage auf den Weltmärkten ging der Ausbau zusätzlicher Produktion stehts einher mit fallenden Weltmarktpreisen, die nur mäßig durch Lieferverzögerungen aufgehalten werden konnten. In Deutschland, nebenbei vermerkt, gabe es zu jenen Zeiten Wartenzeiten auf eine neuen „Daimler“ von durchschnittlich sechs Monaten und mehr.
Optimaler Output, also Produktion unter Vollauslastung, erwirkte in konjunkturellen Hochphasen eine Inflation der Preise und wurde extrem verstärkt durch die damals von den nationalen Notenbanken zur Inflationssteuerung eingesetzten Zinserhöhungen, die wiederum einen Teil der zyklischen Wachstumsdynamik ausbremste, auch indem Konsumkredite teurer wurden. Hohe Wachstumsdynamik, fallen Preise, steigende Löhne und Inflation sind der Horror für Noten- und Zentralbanken. Sie folgen einer anderen „Logik“ als die Industrie; wir kommen darauf zurück.
Während also auf der einen Seite ein Konzentrationsprozess stattfand bewirkten konjunkturelle Hochphasen auf der Kapitalseite eine verlangsamte Kapitalakkumulation und eine fallende Lohn-Profit-Rate. Gesamtwirtschaftlich gesehen führten die 70er-80e Jahre in Japan zu ausufernden Konsumexzessen und zu einer gigantischen Immobilienblase auf dem Sektor der Privat-Immobilien, zum Teil auch bei Gewerbeimmobilien. In den folgenden Pasen konjunkturellen Abschwungs waren die japanischen Big Ships wenig flexibel, zumal der japanische Arbeitsmarkt völlig erstarrt war in wirtschaftlich kompletter Unvernunft. Japanische Unternehmen wie japanische Arbeit war von der Vorstellung ewiger Verbundenheit beseelt. Man war nicht Angestellter oder Arbeiter in einem Unternehmen, sonder war eine Gemeinschaft, deren Intensität und Dauer weit über der sozialer Gemeinschaften lag. Und durch diese Verbundenheit schien auch die Kreditwürdigkeit bei Konsum-, Anschaffungs- und Immobilienkrediten grenzenblos.
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