Staatliches Krisenmanagement – Distribution

Auf den Feldern staatlichen Krisenmanagements kann der Begriff der staatlichen Distributionsfunktion leicht missverstanden werden, handelt es sich doch hierbei um Einkommensverteilungen und nicht um Güterdistribution. Dass überhaupt der Staat die Funktion von Einkommensverteilung ausüben muss, ist an sich schon ein Zeichen einer nicht optimal funktionierenden Wirtschaft, die im Sinne gesamtwirtschaftlicher Wohlfahrt offensichtlich nicht alleine, sondern nur mit Hilfe des Staates aus einer Gesamtverteilung plus staatlichen Zuschlägen, vor allem zu Löhnen von Geringverdienern gelingt.

Wir sehen aber auch spätestens seit der sog. Agenda 2010 und dem sprunghaften Anstieg von Zeit- bzw. Leiharbeitsverträgen – die es auch und weit verbreitet in anderen Bildungseinrichtungen wie Schulen und Universitäten gibt – dass mit der sozalpolitisch höchst fragwürdigen Alimentierung von Arbeit, der sog. Aufstockung und der justiziablen Lizensierung von Arbeitszeitverträgen der Staat massiv in den Wettbewerb auf dem Sektor Arbeit eingreift.

Staatliche Eingriffe in Marktmechanismen sind heute seltener offen, eher indirekt und verlaufen über die verschiedensten politischen Einflussphären. Bei der Distributionsfunktion folgen staatliche Eingriffe in die Arbeitsmärkte aber nur vordergründig als staatliche Leistungszuschüsse, etwa zum Arbeitslosengeld II der Wohlfahrtsalimentierung, die fast wie barmherzige Gaben daherkommen für Menschen, die slebst bei Vollzeit-Erwerbsbeschäftigung von ihren Löhnen nicht mehr leben und natürlich auch keiner Zweitbeschäftigung in der Regel nachgehen können.

Der Staat greift über diese Mechanismen auch und vorweg ein in die internationale Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft, indem neue Lohn- und Beschäftigungssegmente im internationalen Vergleich geschaffen werden. Gleichzeitig erhöht sich die Flexibilität des Arbeitsmarktes enorm, was, in anderen Worten, den Wettbewerbsdruck im Sektor Arbeit drastisch steigert. In Bereichen, die früher eher weniger bis keinen Wettwerbsdruck verspürt haben.

Der Staat steuert mit dieser Form der Einkommensverteilung auch den Wettbewerb innerhalb angrenzender Branchen, die den Preis- und Renditeverfall, der über die neuen Lohnsegmente entstanden ist, nur dadurch abfedern bzw. ausgleichen können, indem sie den Bereich der prekären Beschäftigung weiter ausbauen und da wo einst eher Strukturen eines vollständigen Wettbewerbs bestanden, nun zu Oligopolstrukturen konglomerieren. Innerhalb von kürzester Zeit ist die Anzahl der Beschäftigten bei Zeitarbeitsunternehmen von ca. 200tsd. auf über 1 Mio. Beschäftigte gestiegen. Und besonders bei kommunalen Diensten wie etwa die Müllentsorgung zeigen sich bereits starke Monopolstrukturen.

Ein weiteres Element ist die Stabilsierung des generellen Leistungsprinzips der Arbeit über die Distributionsfunktion. Vor allem über die Entlohnung der Arbeitsleistungen findet das Leistungsprinzip als solches seine Fundierung. Wer mehr leistet, bekommt mehr Lohn und schlussendlich auch mehr Rente. Aber gleichzeit gehört zum Leistungsprinzip auch das Individualprinzip, das zudem wie wir sahen Verfassungsrang hat. Mit diesem Individualprinzip, dass alle Leistung letztlich nur mir nützt, wenn es meine Leistung ist, die gesehen und vergütet wird, sind zugleich andere Formen von Arbeit wie etwa kooperative und teils auch kollektive Formen, Formen nicht individueller Erwerbsarbeit dispensiert.

Ein weiterer Aspekt ist, dass das gesamtgesellschaftliche Lohn- und Einkommenssteuergefüge durch den Staat besser gelenkt werden kann, also über diese staatlich gesteuerte Primärverteilung aller Erwerbseinkommen die Politik Formen der staatlichen Umverteilung, mithin sozialstaatliche wie sozialpolitische Ziele erreicht werden können. Diese Steuerungsmechanismen sind also entgegen der überwiegenden politischen Diskurse primär in der politischen „Ideologie“ und weniger in Marktnotwendigkeiten verankert.

Umverteilung wie auch andere sozialstaatliche Ziele wie etwa Fragen der Verteilungsgerechtigkeit basieren stets auf einem normativen System, zu dem wir in späteren Abschnitten zurückkommen, wenn es u.a. auch darum geht wie die Schnittstellen zur Bildungspolitik, die ebenso zur staatlichern Distibutionsfunktion zählt, wie auch die Einwanderungspolitik bis hin zum sog. Schengen-Vertrag.

Hier wollen wir nur festhalten, dass staatliches resp. politisches Handeln durchaus die Prinzipien wirtschaftlichen Handeln festigt, gleichwohl es durch andere Zusammenhänge motiviert sein mag. Was wir eben das Individualprinzip genannt haben, bezeichnet nicht nur unsere gesellschaftpolitsche Rechtsgrundlage. Neben der verfasssungsrechtlichen hat das Individualprinzip auch wirtschaftssystematische Bedeutung1. Ein wenig weiter gehen wir darauf eingehend ein.

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[title]Begriffe – Anmerkungen – Titel – Autoren[/title]

staatliche DistributionsfunktionLeistungsprinzipIndividualprinzipPrimärverteilung aller Erwerbseinkommen


1 Vgl. von Göbel, Elisabeth: Unternehmensethik, Grundlagen und praktische Umsetzung, 2017


Elisabeth Göbel (* 1930 in Berlin)

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