Zuviel zuwenig

Natürlich ist sie schön, die Elphi. Und Stuttgart 21, wenn der mal fertig wird, und erst der Flughafen in Berlin, da wird der Willy sich sogar im Grabe noch dreher vor Freude.

Auf Kreta, da fährt man auf einer Schottersteinpiste etwas abseits aller belebten Gegenden und plötzlich, wie aus dem Nichts, eine hochmoderne Brücke, cirka achtzig Meter lang und auf jeder Seite beleuchtet durch zahllose LEDs auf eloxierten Masten. Und dann, nach achtzig Metern wieder Schotterpiste und das Schild: mit EU-Mittel erbaut.
Vierzigtausend Projekte fördert die EU, mehr als nach der Beantragung überhaupt je ausgeführt werden können, aufgrund von Personalmagel, Zeitmangel, Knowhow-Magel usw. Ein einzigartiger anti-unternehmerischer Szientismus betreibt die Umsetzung Brüsseller Geldpolitik und meint, mit zahllosen Projekten die Wirtschaft antreiben zu können. Aber zurück zur Deflation.

Aus der Bird-view-Sicht ist Deflation eine im Verhältnis zum Güterangebot schrumpfende Geldmenge. Schrumft also die Geldmenge, sinken die Preise und noch heute glauben Geldpolitiker, dass wenn Preise auf breiter Front sinken, man von einer Deflation sprechen muss. Unterscheiden wir zwischen Angebots- und Nachfragedeflation.

Bei ersterer bleibt die Geldmenge gleich und die Preise sinken aufgrund von steigender Produktivität in den Unternehmen, die die erzeugte Gütermenge erhöht, teilweise in kürzeren Produktionszeiten. Betrachten wir solche Deflationsphasen in der Geschichte, denn sehen wir, dass diese Phasen durch deutliche Prosperitätszuwächse gekennzeichnet waren wie etwa zum Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts in den USA und in Deutschland.

Phasen einer Nachfragedeflation, oder auch sekundären Depression genannt, werden dadurch gekennzeichnet, dass es im Konjunkturabschwung zu einer Kreditkontraktion oder besser gesagt, zu einer Verminderung der Kreditmenge kommt. Banken erhöhen ihre Liquiditätsreserven und betreiben so ihrerseits eine Tiefenwirkung, einen kumulativen oder exponeziellen Prozess, wie dies in der
Weltwirtschaftskrise nach 1929 der Fall war.

Die Tiefenwirkung beschleunigt exponeziell um die Faktoren: Rückgang des Geldangebots, allgemeine Verunsicherung durch Antizipation sinkender Kapazitätsauslastungen, zu erwartender Preisrückgang, Anstieg der Arbeitslosigkeit und schließlich dramatischer Rückgang der Nachfrage auf allen Ebenen. Ist das ein Horrorszenario? Wer votiert dagegegen?

Und mit ebenso wenig Nein-Stimmen notiert man dann für eine Deflationsgefahr und votiert man für den Einsatz billigen Geldes. Aber was motiviert die sprunghaft steigende Liquiditätsnachfrage? Diese Antwort bleiben Monetaristen und Keynesianer gleichsam schuldig. Beide votieren für geldpolitische Intervention.
Die an Hayek orientierten Österreicher stimmen wenigstens dafür, Projekte, deren Finanzierung nicht aus konventionellen Quellen finanzierbar sind, zu liquidieren, um einen Anstieg von Inflationsblasen zu verhindern und auf eine markt- und konjunkturgerechte Verteilung von Geld sowohl auf die Seite der Arbeit wie des Kapitals zu fokussieren.

Kaum jemand hat sich einmal so wirklich die grundsätzliche Frage gestellt: ist es überhaupt möglich, dass zu wenig Geld im Umlauf sein kann? Weniger verfügbares Geld bedeutet ja zunächst einmal nur lediglich geringere nominale Preise. Die realen Preise, also das tatsächliche Knappheitsverhältnis zwischen den bestehenden Gütern untereinander, bleibt ja unberührt von der Menge des verfügbaren Geldes, also unverändert.

Kein Auto, Computer, kein Kasten Bier, Gin und Tonic, kein Butterbrot verschwindet, nur weil die Geldmenge sinkt. Lediglich die Preise als Signifikanten der aktuellen Knappheitsverhältnisse sinken bzw. verändern ihren Informationswert in Zahlen nach unten. Es spricht vieles dafür, dass der ein oder andere Vertreter der modernen Ökonomik bei der logischen Verbindung zwischen Geldmenge und Wohlstand einer Geldillusion aufsitzen: Mehr Geld – mehr Güter, mehr Wohlstand.

Was offensichtlich aber zu stimmen scheint ist, Güter schaffen Wohlstand, Geld nicht. Es gibt Menschen mit Unsummen an Geldvermögen, die in Lumpen rumlaufen und billigen Fusel saufen. Natürlich auch solche, die bestens gekleidet sind; auf Pump. Was diese Ökonomen fraglos dahin stellen, ist, dass der Konsum das einzige Ziel der Wohlstandserzeugung und -mehrung ist. Die glauben dann auch, dass die Menschen der Erde sich reich shoppen können, noch dazu mit immer mehr gedrucktem und geliehenem Geld? Weil das möglich ist, ist es aber noch nicht reell.

Die schöne Gleichung der Ökonomik: mehr Nachfrage nach Gütern = mehr Nachfrage nach Arbeit = steigende Löhne war und ist eine Illusion. Auf die falsche Gleichsetzung der Nachfrage nach Gütern mit der Nachfrage nach Arbeit hat Hayek in seiner detaillierten Darstellung der Beziehung zwischen dem Strom der Güter und von Leistungen hingewiesen, der ganz zentral seiner Meinung nach abhängig ist von den Abweichungen des Geldzinssatzes vom „natürlichen Zinssatz“, d.h. dem Zinssatz, bei dem Ersparnis und Investition sich ausgleichen.

Einmal abgesehen von dieser verzwackten Handlungsmaxime, hat heyeks Ansatz eine lebhafte Diskussion ausgelöst, wie Krisen unterschiedlich aus ökonomischen Gleichgewichtstheorien zu erklären sind. Hayek benutzt völlig gegensätzliche Theoreme im Vergleich zu Keynes, beide aber sind Gleichgewichtstheoretiker.

Hayeks Konjunkturtheorie zufolge war die Weltwirtschaftskrise nicht, wie Keynes behauptete, Folge von geringer Nachfrage, sondern von Fehlinvestitionen der Unternehmen und Banken, die wiederum Folge verfehlter staatlicher Geld- und Wirtschaftspolitik gewesen seien. Staatliche Interventionen auf dem freien Markt, wie Keynes sie forderte, seien also nicht die Lösung, sondern die Ursache der Wirtschaftskrise. Die Inflationspolitik vor 1929 habe den Zusammenbruch erst heraufbeschworen2.

Genauso wenig wie wir uns reich shoppen können, ist es möglich, durch schnelles Weiterreichen von Banknoten unseren Wohlstand zu steigern. Es entsteht lediglich eine flüchtige Wohlstandsillusion, begünstigt durch immenses Projektwachstum und andererseits durch beschleunigte Kapitalallokationen auf den Kapitalmärkten. Wir sahen aber bereits, dass nur die gleich gerichtete Manipulation der großen Währungen mittels quantitativer Lockerung (QE) einen dirkten, sichtbaren Absturz des US-Dollar verhindert hat.

Mit seiner Politik des QE heizt der Staat via Notenbank die viel gescholtenen Spekulationen an. Hatten vor der Finanzkrise die Notenbanken noch die Nebenaufgabe, den Staat am zu freizügigen Umgang mit Geld zu hindern, so ist es heute der Staat, dem der allzu freizügige Umgang gelegentlich doch zu weit geht.

Spätestens seit der Finanzkrise ist Inflation kein wirkliches Problem mehr. Sondern eher die Gefahr, dass die Preise zu langsam steigen oder sogar sinken könnten. Zugleich gibt es bei konservativen Politikern in den USA ähnlich wie in Deutschland die Tendenz, wie früher die Inflation als größtes Risiko anzusehen. Während früher Notenbanker Politiker gebremst haben, bremsen jetzt eher Politiker Notenbanker, die in einer Krisensituation kräftig zupacken und die Wirtschaft unterstützen wollen. Und die Ökonomik sitzt zwischen den Stühlen auf Brems- und Gaspedal zugleich.

Die Illusion der Ökonomik, mit immer ausgefeilteren Methoden ließe sich die Inflation, die eigentliche Zielgröße der Geldpolitik, auf den Punkt steuern, ist zerstoben. Nun, kurz vor ihrer Demission, räumt auch die Fed-Chefin Yellen ein, dass gewohnte wirtschaftliche Zusammenhänge nicht mehr so funktionieren wie früher und dass es dafür keine gute Erklärung gibt. Immerhin versucht sie noch etwas zu verkaufen, was auch früher schon nicht funktionierte und mit dem fast allen Notenbanken arbeiten, nämlich ein ökonomisches Gleichgewichtsmodell, das einen kausalen Zusammenhang zwischen Arbeitsmarkt und Inflation behauptet.

Demnach steigen die Löhne, wenn die Arbeitslosigkeit sinkt, weil ein Wettbewerb der Unternehmen um die knapper werdenden Arbeitskräfte entsteht. Und weiter in dieser Retrologik, soll der Lohndruck die Preise hochtreiben, also Inflation erzeugen. Steigende Inflation bzw. das Anwachsen von Notenbankmaßnahmen zur Bekämpfung einer zu sehr steigenden Inflation ist demnach auch das zentrale Kriterium für Wachstum und Wohlstand. So weit die Theorie.

In der Praxis ist von der Wirksamkeit dieses Mechanismus‘ aber kaum noch etwas zu beobachten. Weder in den USA noch in der Euro-Zone haben sich die gewünschten Effekte so eingestellt. In den USA sehen wir, glauben wir den Angaben der Datenauswerter, Vollbeschäftigung aber kaum Inflation. In Europa in den meisten Staaten Arbeitslosigkeit einerseits und nahezu Vollbeschäftigung in anderen Staaten und kaum Inflation. Es wachsen die Zweifel an den Modellen und ihrer Aussagekraft.

Natürlich müssen die Notenbanken die Illusion weiter hochhalten und den Zusammenhang von Beschäftigung und Inflation notorisch nuanciert kommunizieren, zumal Kommunikation ihr förderlichstes Geschäft ist. Aber was, wenn die Krise gar nicht so sehr aus der Kontraktion des Geldes entstand? Was, wenn unser Problem heute nicht zu wenig, sondern zu viel Geld ist?

Dann hätte oberflächlich betrachtet, die EZB wie die FED mit einem gigantischen Geldaufwand versucht, eine wirtschaftliche Entwicklung anzukurbeln und in Wahhrheit wenig bewirkt1. Wie Notenbanker sich selbst und den Märkten notorisch einreden, dass die Inflationssteuerung und selbst die gesamten unkonventionellen Maßnahmen hinzu genommen aktive Wirtschaftspolitik mit anderen Mitteln am andseren Orte sind, so ist damit noch nicht bewiesen, dass die Wirtschaft sich auch ohne diese Substitutionen langsam und wie gehabt erholt hätte und der Einfluss der Geldpolitik auf die Inflation trotz des ganzen Helikoptergeldes doch viel weniger ausmachte, als die Theorie glauben machen und Politik und Notenbanken angenommen haben.

Zu wenig Geld – zu viel Geld; beide Seiten der Gleichung stehen zur Disposition und stellen vor intellektuelle Herausforderungen, denen man so leicht nicht mehr mit der traditionellen Sichtweise auf den Zusammenhang von Geld und Zins begegnen kann.

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GeldmengeAngebots- und NachfragedeflationGleichgewichtstheorien/Ökonomik


1 Gäbe es heute bereits neben den gesetzlichen Zahlungsmitteln andere Währungen, käme das gesetzliche Zahlungsmittel im Wettbewerb mit freien Währungen bei so einem Zustand stark unter Druck.


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