Die MMT fällt an vielen Stellen ihrer Theoriebildung in den alten Duktus derer, von denen sie sich doch nur zu gerne klar absetzen möchte. Wie die Ökonomik bislang geht auch die MMT den kategorial-logischen Dreiklang ein: Zinsen, Wachstum und Arbeitsmärkte bedingen einander. Das wäre theoretisch schön, stimmt das, denn bedeuteten hohe Zinsen zugleich auch ein hohes bzw. positives Wachstum mit sinkender Arbeitslosigkeit.
Wenn man aber keine adäquate Vorstellung von global vernetzter Produktion hat, kann man sich einen Bruch dieser logischen Verknüpfung auch nur als rein zufällig vorstellen. Es entspricht eben nicht den Tatsachen, dass in stark exportgetriebenen Volkswirtschaften niedrige Zinsen „eher ein Anzeichen für wirtschaftliche Stagnation oder gar Deflation“ (Ehnts 2017, S. 94) sind; allein Deutschland mag hierfür die Bestätigung sein. Aber nicht nur der Export allein kommt hierbei zum Tragen. Die Mitgliedschaft in der EU und in der Eurozone tragen ein Übriges bei.
Die Idee des europäischen Experiments aber ist verkannt, legt man den Duktus theoretischer Aussagen aus der Zeit der frühen bis mittleren Phase der industriellen Produktion über die Tatsachen der späten Phase wie der beginnenden, postindustriellen Produktion, in der sich die westlichen Volkswirtschaften heute befinden und die wir durch die Begriffe: Globalisierung und Digitalisierung umschreiben.
Da die MMT diesbezüglich eine gewisse theoretische Unschärfe mit sich herumschleppt, wechseln im Absatztakt interessante, teils wegweisende Aussagen sich mit kruden und überholten Behauptungen ab. So gehört es nicht zur Idee des Euro, „Krisenländer durch höhere Zinsen zu bestrafen“ (Ehnts a.a.O). Wäre dies der Fall, wären die europäischen Krisenstaaten allesamt bereits wirtschaftlich mausetot; das Gegenteil aber ist der Fall. Die Krisenstaaten erfreuen sich bester Gesundheit, sind aber alle, vor allem Griechenland durch die EZB alimentiert und durch haushaltpolitische Auflagen über den Maastricht-Vertrag hinaus von der Gemeinschaft kontrolliert; ob dies ordnungspolitisch immer effizient und sinnvoll ist, bleibt zunächst einmal als Frage dahingestellt. Die Idee des Euro aber kommt aus keiner Logik von Strafkolonien.
Richtig ist, dass Notenbanken zunehmend sich schwer damit tun, durch die Kontrolle des Referenzzinssatzes gesteuert Einfluss auf die Inflation zu nehmen. Dass aber Notenbanken in Zeiten schwacher Nachfrage den Zins erhöhen und nicht gewahr werden, dass sie damit die privaten Investitionen abwürgen, entspricht keiner empirischen Wahrnehmung, weder in den USA noch in Europa (Ehnts a.a.O). Hier wie dort sind Notenbanken intermediär eingebunden in die Staatenfinanzierung, insofern sie einmal direkt emittierte Anleihen einer Regierung von Geschäftsbanken aufkaufen und in Europa die Besonderheit besteht, dass die EZB zugleich auch für den innereuropäischen Zahlungsverkehr zuständig ist. Das war zwar ursprünglich im Eurosystem nicht vorgesehen, hat sich aber aus Gründen entwickelt, die wir weiter unten besprechen werden.
Ursprünglich war die EZB lediglich für den Zahlungsverkehr zuständig und wie auch in den USA oder den EU-Ländern außerhalb der Eurozone, sollte auch für die Eurozone die bewährte Struktur der Trennung zwischen öffentlichen Krediten und privater Kontrolle erhalten bleiben. Dann wäre auch lediglich eine Institution nötig gewesen, die als eine Clearingstelle die Verrechnung von Finanzströmen zwischen den Euro-Staaten übernimmt, zumal das Eurosystem keine zwischenstaatliche Kreditgewährung vorsieht. Das hätte durchaus mit einem geringen Aufwand quasi über Nacht geschehen können, solange die No-Bailout-Klausel greift. Das tut sich aber nicht, denn die Wege der indirekten Staatenfinanzierung haben wir bereits beschrieben. Aber kommen wir zurück auf die Aussagen der MMT in diesem Zusammenhang.
Hier wird behauptet, dass die EZB keine Staaten finanziert und dies ist auch solange richtig, wie man die Zahlungsströme zwischen den Staaten nicht als Wege der indirekten Kreditvergabe zwischen den Eurostaaten erkennt. Deshalb ist es auch nicht richtig davon zu sprechen, dass die EZB notleidende Banken durch stützende Kredite rettet; so funktioniert das europäische Bankensystem nicht. Spanische, französische, griechische, irische Banken, um nur einige zu nennen, wurden nicht durch EZB-Kredite gerettet, als sie in Schieflage geraten waren. Wie wir eingehend beschrieben haben, wurde den nationalen Notenbanken die Möglichkeit eingeräumt, über die Vergabe von ELA-Krediten selbst entscheiden zu können, was dazu geführt hat – neben anderen innovativen, geldpolitischen Maßnahmen – dass deren Bankensektor bzw. einzelne Institute, der kurz vor der Insolvenz stand, sich dieses Instrumentes zu bedienen und sich über die Notfallkredite zeitweilig zu refinanzieren und sich damit die Zeit zu „kaufen“, die notwendig war, um Insolenzen regelrecht zu verschleppen, wichtige Gläubiger auszuzahlen oder die Flucht zu ermöglichen, bevor es zum Zusammenbruch resp. zum Schuldenschnitt kam.
Es kann also keine Rede davon sein, dass die EZB Kredite an notleidende Banken vergab und dabei die Regierungen außen vor geblieben sind. Die Regierungen im EZB-Rat haben die ELA-Kredite eingeräumt, dabei aber die nationalen Notenbanken und nicht die Zentralbank des Eurosystems in die Haftung genommen. Die vielfach auch als Notkredite oder Nothilfe bezeichneten ELA-Kredite wurden also im Euroraum und anders als bei sämtlichen anderen geldpolitischen Geschäften nicht durch die Europäische Zentralbank, sondern ausschließlich durch die jeweiligen nationalen Zentralbanken (NZB) vergeben.
ELA-Kredite sollen im Prinzip nur solche Geschäftsbanken erhalten, die zwar illiquide, grundsätzlich aber noch solvent sind. Über die jeweiligen Konditionen, d.s. Umfang, hinterlegte Sicherheiten, Risikoabschläge und Zins entschied daher auch die nationale Notenbank und folgerichtig haftet auch nur diese für die mit der ELA-Gewährung verbundenen Risiken. Es gibt somit auch, anders als sonst üblich, keine Risikoteilung entsprechend des Kapitalschlüssels der EZB. Entsteht also ein Verlust aus der Gewährung von ELA-Krediten, vermindert sich das Eigenkapital der entsprechenden nationalen Zentralbank folglich in voller Höhe des Verlustes und das jeweilige Mitgliedsland müsste dann auch für eine Rekapitalisierung seiner Notenbank Sorge tragen, wodurch der Staatshaushalt des jeweiligen Eurolandes belastet werden würde.
Ebenso ist die Behauptung falsch, notleidende Staaten blieben sich selbst überlassen, während im Eurosystem über die EZB Geschäftsbanken durch Zentralbankgeld gerettet würden. Clemens Fuest und Hans-Werner Sinn verweisen dagegen darauf, dass es gerade die ELA-Krediten waren, die aufgelegt wurden zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen solventer Geschäftsbank, sich aber letztlich als Vehikel entpuppte, wie notleidenden Staaten sich über fast insolventen Geschäftsbanken indirekt Geld verschafften. Der Grundsatz im Eurosystem sah diese indirekten Staatenfinanzierung natürlich nicht vor.
„Als die Staatspapiere, die die griechischen Banken hielten, fällig wurden, und den Banken insofern neue Liquidität zugeflossen wäre, wurde den Banken gestattet, die Tilgungsbeträge nicht für die Rückzahlung der Ela-Kredite zu verwenden, sondern für den Erwerb neu emittierter Staatspapiere. Insofern wurde der griechische Staat sehr wohl durch die Ela-Kredite finanziert. Tatsächlich hat die EZB die am 3.7.2015 von der EFSF formell festgestellte Insolvenz des griechischen Staates seit Jahresbeginn verschleppt. Ohne die Ela-Notfallhilfen wäre der griechische Staat schon viel früher pleitegegangen, und die Verhandlungen wären schon vor Monaten zu einem Ende gekommen. Das Volumen der Ela-Kredite, die seit Jahresbeginn für den Kauf von Staatspapieren verwendet wurden, dürfte über zehn Milliarden Euro und damit weit über den 7,5 Milliarden Euro an fiskalischen Hilfskrediten gelegen haben, um deren Auszahlung es bei den Verhandlungen mit der Troika ging.“1
Notleidende Staaten werden also nicht „sich selbst überlassen“, im Gegenteil. Das Problem in der Eurozone ist eben genau dieser höchst umstrittene Weg der indirekten Staatenfinanzierung, der nicht vorgesehen war, aber mittlerweile Realität geworden ist. Und mit der Rolle der Notenbanken einher geht auch eine geldpolitisch umstrittene Praxis, die die Zinsen niedrig hält, obwohl weder eine Rezession droht, sondern im Gegenteil Wachstum und Wertschöpfung auf allerhöchstem Niveau sich befinden. Wir stehen damit konträr zur MMT, bewusst.
Schauen wir im April 2019 auf die Vereinigten Staaten von Amerika, dann müssen wir feststellen, dass die Aktienindizes allesamt Höchständen bzw. Allzeithochs entgegenstreben. Gleichwohl erhebliche Risiken und Belastungen vorhanden sind wie das geringe Wachstum der EU, der Brexit und der internationale Handelskonflikt mit China, angetrieben von den USA, hat die US-Notenbank entgegen ihren eigenen Auffassungen, den Zins niedrig gehalten und will diesen auf dem Niveau von 2,25 bis 2,5% bis ins kommende Jahr auch so belassen. Das Wachstum sowie der Arbeitsmarkt befinden sich in bester Verfassung.
Viele Investoren und das Gros der Trader an Wall Street rechnen sogar mit Zinssenkungen. Hier spricht man vom sog. Powell-Put und meint damit eine grundsätzliche Veränderung der Notenbankpolitik der Fed, die den Investoren und Tradern das Vertrauen verschafft, im Zweifelsfall auf die Unterstützung der Fed sich verlassen zu können. Dieses Vertrauen beziffert sich im Referenzzinssatz und wenn dieser auf niedrigem Niveau verharrt, selbst und gerade in wirtschaftlich guten Zeiten, hat das einige Auswirkungen auf die US-Unternehmen insgesamt und die Tech-Unternehmen im Besonderen. Diesen Sachverhalt, der mit den internationalen Börsen zu tun hat, klammert die MMT wie die traditionelle Ökonomik aus den bereits mehrfach besprochenen Gründen aus, weil diese Märkte nicht logisch-linear funktionieren.
Auf diese Märkte hat die Zinspolitik der Fed den Effekt, dass gerade solche Unternehmen wie die Tech-Unternehmen resp. IT-Unternehmen besonders stark profitieren. Diese Unternehmen ermitteln ihren Marktwert fast ausschließlich auf der Grundlage der Erwartung zukünftiger Gewinne bzw. Erlöse. Bei der Berechnung der Unternehmenswerte rechnen Investoren diese zukünftigen Erlöse in aktuelle Werte um und sind zum Umrechnungszeitpunkt die Zinsen niedrig, müssen die Investoren auch nur niedrige Abschläge in dieser Umrechnung vornehmen. Niedrige Zinsen auf mittlere Sicht wirken zugleich auch beruhigend gegen die oft hoch volatilen Kursverläufe. Die kommen eben hauptsächlich daher, dass Unternehmen mit hohen Markterwartungen an den Börsen häufig heftig auf angekündigte Zinserhöhungen reagieren; das erschließt sich aus dem eben Gesagten.
Ein weiterer Effekt niedriger Zinsen ist, dass der Schuldendienst vor allem der US-Unternehmen einen deutlichen Einfluss auf die Kursentwicklung der Unternehmen an den Börsen hat. Diese Schuldendienste der US-Unternehmen haben in der Vergangenheit deutlich zugenommen – wir haben an verschiedenen Stellen darüber gesprochen – und sind auf ein Rekordhoch von 45 Prozent des amerikanischen BIP gestiegen. In den Schuldendiensten eingebettet ist also auch ein deutliches Börsenrisiko, welches an den Zinsen sich entzünden kann.
Last but not least versammeln sich hohe Börsenbewertungen, niedrige Zinsen, starke, positive Erwartungen wie besonders bei den Tech-Unternehmen zu einem hoch explosiven Gemenge, in dessen Kern Zinsen, aber auch externe Krisen wie die eben vermerkten den Auslöser geben können. Die Tendenz zur Übertreibung von Unternehmenswerten geht nämlich stets einher mit einer schwächeren Bewertung weniger guter Aussichten; das nennt man bereits Blasenbildung. Die Vorstellung weiterer positiver wirtschaftlicher Entwicklungen sind in langanhaltenden Phasen wie der aktuellen, die bereits seit zehn Jahren anhält, stärker, als die einer schwächeren Entwicklung. Das war auch ein Faktor bei der Auslösung der Kursabstürze in der Folge der letzten Finanzkrise 2007/08 und kann sich durchaus wiederholen.
Was die MMT zurecht ins Zentrum ihrer Überlegungen – sie versteht sich eher als einen beschreibende, denn als eine vorschreibende Wissenschaft – stellt, ist der Binnenkonsum und das Gemeinwohl. Zurecht deshalb, weil die traditionelle Ökonomik den Binnenkonsum und dessen Auswirkungen auf das Gemeinwohl deshalb weniger klar erkennen kann, weil ihr der Blick durch Kennzahlen wie Primärdefizit und Staatsverschuldung zum BIP verstellt ist. Ob man nun das Primärdefizit resp. den Primärsaldo nach den Vorschlägen des Statistischen Bundesamtes für Deutschland oder im Kontext der EU-Staatsfinanzen berechnet, bleibt mal unberücksichtigt, als es uns darum geht, den Zins- resp. Primärausgaben einen kurzen Blick zu verschaffen.
Primärdefizit wie Staatsschuldenquote beinhalten einen Faktor, nämlich den Zinssatz der Refinanzierung bzw. die Fazilitäten, der maßgeblich ist für die Möglichkeiten eines Staates, Kredite aufzunehmen und Geld anzulegen. Betrachtet man diesen Faktor allein zur Seite der Kreditaufnahme hin, erblickt man diesen quasi mit einem Auge. Dann fällt es leichter, sich einen Idealzustand vorzustellen, in dem weder föderale Strukturen eines Staates wie etwa Deutschland mit dem Länderfinanzausgleich oder Europa mit Geber- und Nehmerstaaten existieren. Dann erklingt auch eine Ode an die Politische Ökonomie, wenn das Hohe Lied der weder starken noch schwachen Inflation gesungen wird, die bei 2 Prozent liegen soll, erreicht wird.
Was aber ist ein Inflationsziel von moderaten 2% anderes als ein anderes Wort für Austeritätspolitik, die ja auch im Faktor von 3% Neuverschuldung vom BIP vertraglich festgeschrieben ist? Die Austeritätspolitik der Troika in Griechenland zu prügeln und sie als Idealzustand einer von jeder Außenwelt absenten Volkspolitik durch die Hintertür wieder einzuführen, klingt nicht gar so intelligent.
Da aber nun mal die Welt uns umgibt, nur leider nicht als ein passiven System von Naturgesetzen, sondern von höchst aktiven Menschen auf höchst aktiven Märkten, mit denen wir in Beziehung, im Austausch und meisten konfliktreich stehen, macht solch eine Auffassung von einer heilen Welt, in der allein der Binnenkonsum das Gemeinwohl beeinflusst, zu einem Reich der Träume.
Wir haben ausführlich über Steueroasen gehandelt. Steueroasen gibt es in den USA, Panama, Großbritannien, Luxemburg, Holland, Zypern, Malta usw. Sie sind also nationale Errungenschaften und denationale Hoheitsgebiete mit eigenen Regeln, eigener Aufsicht, durch keinen demokratischen Prozess legitimierte Hoheitsartefakte mit erheblichen Auswirkungen auf Staaten und die Weltwirtschaft. Die Formel der MMT: Demokratie und eigene Währung = staatliche Souveränität (Ehnts 2017) scheint doch angesichts dieser Tatsache ein wenig zu kurz gegriffen. GB, USA usw. sind alles Demokratien mit eigener Währung, deren staatliche Souveränität aber, gewollt oder ungewollt, an den Briefkästen der Kronkolonien und anderer Steueroasen endet.
Nehmen wir die neuesten Leaks aus Panama, dann zählen wir 49 Millionen Datensätze, leider meist in unstrukturierter Form vorliegend, was den Arbeitsaufwand der Analyse vervielfacht. Allein der Schade, der in diesen Leaks vermutet wird, beträgt auf dem untersten Niveau für Deutschland etwa 50 Mrd. Euro. Rechnet man zu den Steuerbetrügereien der Panama Leaks noch die durch die grenzüberschreitenden, innereuropäischen Steuervermeidungsstrategien hinzu, beläuft sich der Gesamtschade auf jährlich etwa 100 Mrd. Euro, gering geschätzt. Man sieht, wir haben es hier mit einem nicht unerheblichen Wirtschaftsfaktor zu tun.
Und wir wagen einmal die These, dass bei beiden, Steuerbetrug und Steuervermeidung, zwar der steuerliche Aspekt wichtig ist und vielleicht auch im Vordergrund stehen mag bei dem ein oder anderen Betrüger, aber man weiß, dass auch weitere Gesichtspunkte im Zusammenhang mit der Identitätsverschleierung zu bedenken sind. Steueroasen erlauben ja die Verschleierung der wahren Identität der Konteninhaber in den Oasen. Neben den steuerlichen Vorteilen zählen die Verschleierung der Identität aber auch deshalb zu den wichtigen, meist hauptsächlichen Gründen, weil damit dem Fiskus nicht nur die Kontrolle der Konten unmöglich ist, sondern für einen Staat und seine exekutiven Organe überhaupt keine Übertragung und Exekutierung von Verantwortung im juristischen und Haftung im wirtschaftlichen Sinne möglich ist.
Wenn die MMT wie auch die um sich greifenden Überlegungen der Sozialisierung der Haftungsschäden seit der letzten Finanzkrise also nicht mehr nur potenziell, sondern längst schon real sind, allen voran die Haftung der Bürger für die anwachsenden Staatsschulden in den westlichen Industrieländern, dann wird die Motivation zur Identitätsverschleierung nachvollziehbar. Und die Diskussion über die Ausweitung der Bürgerhaftung für marode Banken und insolventen Staaten, gar noch in Höhe der Sparvermögen, begünstigt die Kapitalflucht an jene Orte, wo die Konten allenfalls noch die Namen von Vermögensverwaltern, Anwälten und Finanzinstituten tragen.
Nicht verschwiegen werden soll, dass die Eröffnung eines Kontos in einer Steueroase kaum eine Stunde in Anspruch nimmt und die damit verbundenen Dienstleistungen allesamt legal sind, inklusive des Hinweises, mit den neuen Konten keinen Steuerbetrug zu begehen. Damit ist dann der Legalität Genüge getan und dem Fiskus wie dem Staat sind ein steuerzahlender Bürger abhanden gekommen. Was an schizophrener Gedankenwelt vorhanden sein muss, um die Erföffnung eines Kontos zur Steuerhinterziehung nebst allen Dienstleistungen darum von staatlicher Seite in die Legalität zu stellen, ist schwer vorstellbar; wahrscheinlich gibt es in den Regierungen aber auch persönliche Gründe, die Türen zur Hinterwelt, zum „Dark Net“ der modernen Gewaltenteilung sperrangelweit offen stehen zu lassen.
Wir wagen also nicht ganz unbegründet die These, dass mit der Diskussion um die Ausweitung von Staatsschulden aus Refinanzierungskrediten sowie der Haftung der Bürger in Höhe der Sparsumme (oder einen prozentualen Anteil davon) die Flucht weg von Sichteinlagen, hin zu identitätsverschleiernden Konten in Steueroasen ordentlich Vorschub geleistet wird. Dass Steueroasen über den Steuereffekt hinaus noch eine ganze Palette an Vorteilen bieten, mag hier nur angedeutet bleiben. Aber zwei Folgeeffekte müssen erwähnt werden.
Der eine ist, dass dem Staat nicht nur Steuern entgehen, sondern jede Möglichkeit einer realistischen Entwicklung des Gemeinwohls, was ohne Kenntnis der Vermögen und deren Zuordnung zu Bürgern eines Gemeinwesens nicht oder nur schwer zu erreichen ist. Wir beachten in Verbindung mit Steueroasen einen exponentiellen Prozess der Spreizung zwischen armen und reichen Bürgern, sowie eine ebensolche, exponentielle Belastung des Gemeinwesens, da für die Sozialträger ja nicht nur erhebliche Einnahmen fehlen, sondern die bestehende Einnahmen wiederum ungleich verteilt werden, was die asymmetrische Verteilungsstruktur im Faktor Arbeit und natürlich auch im Faktor Kapital noch verstärkt.
Wenn der Staat nicht weiß, wer von seinen Bürgern heute und morgen wieviel verdient und wie sein Vermögen strukturiert ist, etwa wieviel davon liquides, wieviel davon nicht liquides Vermögen ist usw. dann belastet das das Gemeinwesen wie auch den Haushalt und die Haushaltsplanung zumindest. Im Endeffekte entstehen also erhebliche Fehlallokationen im Gemeinwesen und vor allem darin bei den gesellschaftlichen Folgekosten der Alters- und Gesundheitssysteme. So notieren wir, dass nicht nur die Alterspyramide ein Belastungsfaktor für das Gemeinwesen darstellt, sondern Steuerflucht und Steuervermeidung in einem wirtschaftlichen Ausmaß, welches die Effekte der Alterspyramide in erheblichem Ausmaß überkompensieren könnte.
Immer gehen geldpolitische Staatskrisen einher mit Kapitalflucht und einem Bank Run, die sehr viel Liquidität einem Bankensystem entziehen können und dies binnen weniger Tage die Banken an die Grenze ihrer Geschäftsfähigkeit führen kann, wenn keine lokale Notenbank im Eurosystem neu geschaffenes Geld den Banken zur Verfügung stellt. Wir erinnern noch einmal an die Zeit im Juli 2015, als Griechenland durch Beschluss des EZB-Rates (28.o6.2015) nicht mehr über die ELA-Kredite aus dem zweiten Rettungspaket verfügen konnte. Darauf musste die griechische Regierung temporär die Banken schließen, den Kapitalverkehr und die Barauszahlungen an den Kassenschalter begrenzen, weil Gelder und Kapitalien in erheblichen Summen das Land verließen. In dieser Situation hätte nicht einmal eine Zinssenkung auf Null einer autonomen griechischen Geldpolitik auch nur annähernd den Nettogeldabfluss kompensieren können. Kein Programm wäre damals auf dem Arbeitsmarkt in der Lage gewesen, die bereits hohe und exponentiell steigende Arbeitslosigkeit vor allem bei der jüngeren Bevölkerung Griechenlands zu stoppen oder gar umzukehren. Auch wäre eine Abwertung der griechischen Drahme keine Sicherung des Gemeinwesens, des Renten- und Gesundheitssystems gewesen; ganz im Gegenteil. Ohne die europäischen Geldzuflüsse wäre der Einbruch des Sozialsystems noch viel krasser ausgefallen, als ohnehin schon durch die Austeritätspolitik.
Die Standardvorstellung, dass moderate Inflationsraten, die eine autonome Regierung festlegen kann, der beste Weg zur Steigerung der Binnennachfrage und damit zur Verhinderung von Arbeitslosigkeit sowie der Entwicklung eines gesunden Gemeinwesens ist, darf also als widerlegt angesehen werden. Ebenso gilt, und da argumentiert die MMT zurecht gegen eine Front aus Ökonomen, Medien und Politikern, dass das staatliche Geldsystem keine reelle Beziehung zu einer schwäbischen Hausfrau aufweist, die zuerst Geld einnehmen muss, bevor sie es ausgeben kann. Im staatlichen Geldsystem ist in der Tat die Frage wichtig, ob ein Staat in der eigenen oder, wie in den meisten Fällen, in einer Fremdwährung verschuldet ist. So kann man von diesem grundlegenden Unterschied sich auch besser dem Verständnis annähern, was den Unterschied ausmacht bzw. ausmachte zwischen den Schulden von Japan, der Türkei, Argentinien, Brasilien und Griechenland; mehr als eine Annäherung aber gibt dieser Unterschied leider nicht her.
Länder mit einer Hyperinflation sind in Fremdwährungen verschuldet, die das Risiko auf den Finanzmärkten in immer höheren Kreditzuschlägen, also Zinssätzen berücksichtigen. Das Gegenbeispiel Japan haben wir diskutiert. Der US-Dollar als weltweite Währung für den Einkauf von vielen wichtigen Rohstoffen spielt dabei eine gewichtige Rolle. Aber das erklärt allein auch noch nicht die ganze Sache. Im Eurosystem erkennen wir eine Besonderheit, die es sonst nicht gibt und die einiges über das Geldsystem aussagen kann, das uns in Zukunft erwartet, selbst dann, wenn das Experiment Euro scheitert. Dann wird es ein anderes geben, dessen Geburt wir zurzeit als Digitalgeld gerade erleben.
Aber zurück zum Eurosystem. Das besteht ja bekanntlich aus einer Struktur von einer Notenbank, die gewissermaßen die Meta-Notenbank aller nationalen Notenbanken ist, deren Unterbau wiederum die nationalen Geschäftsbanken sind, die aber in hohem Ausmaß transnational tätig sind wie die Unternehmen in den Euroländern sowohl im Euro-Binnenmarkt, im EU-Binnenmarkt mit Fremdwährungen wie etwa dem britischen Pfund und natürlich darüber hinaus weltweit mit dem Dollar als wichtigster internationaler Währung. Dazu kommt als mittlerweile bereits wichtiger Faktor das Digitalgeld hinzu, was wir aber eine kleine Weile noch vernachlässigen möchten.
In dieser Struktur unterscheiden wir Binnengeld und Außengeld sowie Handels- und Zahlungsbilanzen, wobei Handel- wie Zahlungsbilanzen grenzüberscheitende Transaktionen bezeichnen und zu bilanzieren, also zu messen versuchen. Damit stehen im Kern der grenzüberschreitenden Transaktionen Salden, die Kreditflüsse zwischen nationalen Notenbanken abbilden und die aus einer Vielzahl an gegenseitigen Zahlungsaufträgen resultieren. Wenn wir von einem grenzüberschreiten Geldfluss sprechen, dann ist damit mehr verbunden als bei den Transaktionen, die eine schwäbische Hausfrau tätigt, die aber eins mit der grenzüberschreitenden Zahlungsaufträgen gemeinsam hat, dass nämlich ihre Geldbasis, also ihr Portemonnaie „kleiner“ wird, wenn sie Geld ausgibt oder überweist wie auf der Gegenseite die Geldbasis sich erweitert bzw. vergrößert. Der erste kleine Unterschied ist, bei der Hausfrau fließt Geld, wenn sie Geld ausgibt, und wenn sie Geld überweist, entsteht in aller Regel nicht nur eine Veränderung auf dem Konto, sondern auch ein Geldfluss in klingender Münze, weil die Hausfrau auf der Gegenseite (oder der Hausmann), die Sichteinlage liquidiert, im grenzüberschreiten Geldfluss fließt in aller Regel kein Geld.
Im Eurosystem sehen wir eine Besonderheit schon darin, dass es hier über dem Interbankenmarkt einen, sagen wir mal aus heuristischen Gründen, Inter-Notenbankenmarkt gibt. Geldflüsse aus Zahlungsaufträgen im Inter-Notenbankenmarkt bilanzieren sich in den bereits vorgestellten Target-Salden; leider mit einigen bilanziellen Lücken unvollständig und wenig transparent selbst für Geld- und Finanzmarktexperten.
Wie dem auch sei, im Inter-Notenbankenmarkt muss generell die Möglichkeit gegeben sein, dass aus elektronischen Geldflüssen auch klinge Münzen werden können, dass als ein Konto hier auch liquidiert werden kann. Und da diese Besonderheit besteht, dass man ein elektronisches Konto, bilanziert in Forderungen und Verbindlichkeiten, erst dann liquidieren, also gewissermaßen zu klingender Münze machen kann, wenn vorher neues Geld geschaffen wird, ergibt sich die Notwendigkeit, dieses zu den ausgeglichenen, elektronischen Geldständen zusätzliche Geld zu quantifizieren und zu qualifizieren. Das geschieht, indem man von einer Sondergeldschöpfung spricht. Diese Sondergelder, die den Target-Salden hinzugerechnet werden, entstehen in der Eurozone hauptsächlich durch die internationalen Rettungspakete wie auch den ELA-Krediten, deren weitere Besonderheit es ist, nicht für die Liquiditätsversorgung im Inland zu dienen, sondern für die Aufrechterhaltung eines gewissen Lebensstandard in einem Euroland, also zum Erwerb von dafür nötigen Gütern im Ausland.
So war es im Falle Griechenlands und Zyperns. Kann ein Land diese Sonderkredite nicht zurückzahlen oder selbst bedienen, hat das für die Geberländer der Eurozone den Nachteil ausgebliebener Zinseinnahmen, deren Gegenwert diesem Anteil an den Target-Schulden entspricht. Damit wird auch eins deutlich, Sondergeldschöpfungen sind Sonderkredite, ohne wesentlichen Unterschied zu anderen Krediten. Oft gehen die Bestimmungen von Binnengeld und Außengeld sowie Handels- und Zahlungsbilanzen krass durcheinander und auch uns fällt es schwer, uns jeweils wieder neu durch den Wust an Bestimmungen in den einzelnen Theorien und bei den verschiedenen Autoren zu arbeiten und dann noch sinnvolle Vergleiche anzustellen, wenn das, was man vergleichen will, so unterschiedlich definiert ist.
Idealiter sind die Bestände der Konten der Binnengelder und der Außengelder sowie Handels- und Zahlungsbilanzen gleich; diesen Zustand kennt aber niemand. Alle Zahlungsströme wären abgerechnet, alle Kredite bedient, Zinsen und Tilgung im Zeitrahmen, Export und Import ausgeglichen und damit auch keine Positionen von Zentralbankgeld im Inter-Notenbankenmarkt offen. Krisenstaaten aber zeichnen sich ja gerade dadurch aus, dass so ziemlich alle Konten eine Unterdeckung ausweisen und Kredite nicht bedient werden, jedenfalls nicht über den Maßen der Eigenversorgung der Länder mit Notfallkrediten hinaus.
So sind die Target-Salden im Ungleichgewicht, da die Neuschöpfung von Sondergeld, insofern es sich hierbei wie gesagt um Kredite und wie im Falle Griechenlands von Krediten aus mehreren Stufen von Nothilfen aus verschiedenen Programmen handelt, diese Sondergeldkonten gleichsam akkumuliert. Vor allem die zusätzliche Vergabe von Refinanzierungskrediten bringt einiges in Unordnung. Denn wie im Falle Griechenlands ist die Form der Finanzierung eine Inanspruchnahme eines Notenbankkredits durch den Kreditgeber, der hier ja die EZB, also wiederum einen Notenbank ist. Der Kreditnehmer, die griechische Notenbank, verkauft nun ihrerseits zur Refinanzierung des Kredits, Wertpapiere an die EZB und oder nimmt zusätzlich die ständigen Fazilitäten in Anspruch. Doch damit nicht genug, zur Refinanzierung werden auch Guthaben anderer Kunden des nachgeordneten Kreditinstituts, also eine Geschäftsbank zum Beispiel, in Anspruch genommen. Das System aus Krediten und Refinanzierungen kann sich schnell zu einem wahrhaft kaskadierenden System an Geldströmen ausweiten, worin kaum jemand noch einen Kredit von einer Umschuldung unterscheiden kann; so gehen ja mitunter auch Unternehmen bei ihren Schachtelbeteiligungen und Tochterfirmen sowie Ausgründungen nebst Holdings vor, nicht selten um Erlöse vor dem Fiskus zu verschleiern usw.
Wo ist in diesem Gewirr die griechische Regierung? Die sitzt als Nutznießer des ganzen Vorganges quasi an der Spitze der Nahrungskette. Sie ist es, die mit einmal über Konten verfügt, über die sie selbst in Zeiten höchster Not noch den ein oder anderen Leopard Panzer in Deutschland kaufen kann. Alles, was über die nötige Liquidität für die Aufrechterhaltung eines Binnenkonsums, von Staatsausgaben für Staatsbedienstete und das Renten- wie Gesundheitssystem und den Kauf von Wertpapieren, also Vermögenstitel hinausgeht, sollte also nicht in den Target Salden enthalten sein. Die Absicherung der Refinanzierungskosten so gering wie möglich zu halten, war eigentlich auch nicht Sinn der Sache, wurde aber durch die Absenkung der Pfänder gebilligt.
Trotz alledem sind solche Vorgänge gang und gäbe und außer der Intransparenz ist daran auch wenig verwerflich. Wer Teil eine Währungs- und Wirtschaftsgemeinschaft ist, ist dies auch mit Risiken, die mit den Möglichkeiten allein schon deshalb anwachsen, weil ein Nutzen auf einer Seite über einen längeren Zeitraum unweigerlich zu Risiken bis hin zu Krisen in anderen Teilen der Gemeinschaft führen muss; jedenfalls ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch. Man kann, wie der Brite sagte, den Kuchen nicht gleichzeitig essen und behalten und deshalb haben sogar nationale Wirtschaftsgemeinschaften auf föderaler Basis stets das Ziel eines Lastenausgleichs zwischen den Beteiligten Wirtschaftsräumen. So war Nordrhein-Westfalen Jahrzehnte lang ein Geberland und Bayern ein Empfänger und man wundert sich nicht schlecht darüber, wie kurz das Gedächtnis der bajuvarischen Finanzminister und Ministerpräsidenten sein kann, kehren sich die Verhältnisse um.
In der Eurozone ist die Sachlage nur noch ein wenig komplizierter. Hier kommt es zu einem speziellen Zinseffekt aufgrund der Struktur aus autonom beteiligten Staaten. Griechenland partizipiert z.B. durch die EZB-Politik des leichten Geldes an einem Marktzins, den es sonst so nie bekommen hätte. Ohne die Geldzuflüsse aus den EZB-Programmen, hätte Griechenland seine Kredite zu Marktkonditionen refinanzieren müssen, die sofort zu drastischen Liquiditätsengpässen geführt hätten. Aber nicht nur diese Negativwirkung auf die Marktzinsen sind von Interesse, auch eine Positivwirkung sollte beachtet werden, nämlich die, dass es nur so den Bürgern Griechenlands wie vormals Zyperns erlaubt wurde, übrigens gilt dies für alle Bürger der Eurozone, deren Staatsverschuldung eine marktunübliche Größe erreicht, weiterhin Wertpapiere auf den internationalen Anleihe- und Aktienmärkten zu erwerben und Güter im Ausland und in Fremdwährung zu kaufen, ohne von Wechselkursen oder Zinsen daran gehindert zu werden.
Halten wir fest, für die Finanzmärkte gehen solche Märkte tendenziell eher verloren, da die Investoren in der Eurozone keine marktüblichen Zinsen für faktisch risikoreichere private Kredite mehr einpreisen können. Dieser Verlust an Nettorenditen macht es natürlich riskanter, dort zu investieren, was zu einem Rückzug der Märkte führt. Andererseits steigen natürlich dementsprechend auch jene Salden, die den durch Sonderliquidität angetriebenen Marktzugang dokumentieren, was unter Target-Salden erfasst wird2. Dies führt zu dem schwierigen und auch schwer nachvollziehbaren Sachverhalt, dass – wie Sinn dies bestimmt – Binnen- und Außengeld schwer zu unterscheiden ist. Binnengeld, also Geld, das innerhalb einer Volkswirtschaft zirkuliert, ist in einer „Meta-Volkswirtschaft“, wenn man einmal rein bilanztechnisch argumentiert, Geld, welches innerhalb der Eurozone, einer Gemeinschaft autonomer Volkswirtschaften zirkuliert. Aber nicht nur durch Warenim- und Exporte, sondern eben auch getrieben durch Notfall-, Hilfs- und Sonderkredite, die sowohl für den Binnenkonsum des Kreditnehmers, für zum Teil auch Fremdwährungsgeschäfte sowie für die Rettung von transantional operierenden europäischen Finanzinstituten verwendet wird; ein Teil geht sogar in die Rettung von ausländischen Finanzinstituten.
Es bleibt also, salopp gesagt, bei allen Geldflüssen innerhalb der Eurozone ein gerütteltes Maß in der Familie und weil niemand so genau weiß, wieviel das ist, weiß man auch nicht, was den Familienkreis verlässt und sich neue „Partner“ außerhalb sucht, wie dies ja im täglichen Leben durchaus auch so üblich ist. Diese Geldflüsse sind demnach bilanziell Außengeld, insofern es sich im Volumen von dem Geld unterscheidet, welches im Inland zirkuliert und durch Transaktionen in andere Länder der Eurozone sowie in Fremdwährungsländer abfließt. Bei insolventen oder nahezu insolventen Staaten der Eurozone haben wir also eigentlich drei Salden an Konten, die es aber leider bislang noch nicht gibt in den europäischen Euro-Haushalten. Wir hätte also einmal die griechischen Salden, die Eurozonen-Salden und die Fremdwährungssalden.
Dabei wäre zu bedenken, dass die Geschäftsbanken der einzelnen Eurozonen-Staaten keine Intermediäre im Kreditgeschäft der traditionellen Sichtweise sind. Diese neoklassische Sicht mit ihrer Theorie der „loanable funds“3, die auch heute noch von so wichtigen, politischen Entscheidungsträgern wie dem ehemaligen deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble und einem der wichtigsten akademischen Meinungsbildner und Nobelpreisträger Paul Krugman vertreten werden, folgen der Vorstellung, dass eine Bank Einlagen von Sparerinnen und Sparern weiterverleiht. Kredite werden daher als Sachdarlehen dargestellt, dem wir an mehreren Stellen bereits widersprochen haben und auch die damit verbundenen Vorstellungen als nicht zutreffend begründet haben.
Die Geschäftsbanken in der Eurozone sind also im Kreditgeschäft der Staatsfinanzierung keine Intermediäre, sondern die nationalen Notenbanken. Sie sind es, die die Neuschöpfungen von Geld durch die Regierungen, denn nur Regierungen können „Sondergeld“ neu schöpfen durch Ausgabe von Staatsanleihen, in die Märkte bringen, also zirkulieren lassen. Über die nationalen Notenbanken erreichte neues Geld die Märkte, wobei ein Teil dieses Geldes von der griechischen Notenbank über griechische Geschäftsbanken in ausländischem Eigentum wiederum zurückfloss, besonders nach Frankreich, Großbritannien und Deutschland, die auf diesem Markt besonders engagiert waren. Dann floss eine große Menge Kapital durch Kapitalflucht aus Griechenland ab, ein großer Teil davon wiederum in Drittländer, also in Märkte außerhalb der Eurozone und der EU, weil viele Investoren ihre Vermögen gleich ganz weit weg vom Euro nur in Sicherheit wähnten.
Immer dann, wenn ein Staat in eine Liquiditätskrise gerät, wird also Liquidität geschaffen. Und normalerweise übernehmen die Märkte mit steigenden Marktzinsen die Begrenzung dieser zusätzlichen Liquidität durch steigende Zinsen, die mit dem Risiko, welches mit zusätzlicher Liquidität verbunden ist und sich in steigender Inflation ausdrückt, ebenso ansteigen. Steigende Zinsen sind daher direkt mit steigender Inflation und neuem Geld verbunden; so nicht in der Eurozone.
Wie wir gerade beschrieben haben, beobachten wir zwei Geldströme, einmal floss fortwährend Liquidität aus den Euro-Krisenländern in der Hochphase der Krise ab und zugleich floss neu geschaffenes Geld in Form von Refinanzierungskrediten durch die Beschlüsse des EZB-Rates in die Krisenländer. Und selbst die Dämme der Kapitalverkehrskontrollen und der Begrenzung von Barabhebungen konnten die Geldflüsse nicht in der Krisenvolkswirtschaft halten wie ein Stausee seine Zuflüsse und Abflüsse in einem ausgewogenen Verhältnis hält. Es floss weiter Geld über die Staumauern in alle möglichen Märkte außerhalb Griechenlands. Durch das Absenken der Pfänderqualitäten kam es so begünstigt zu einer Geldschwemme in der gesamten Eurozone und darüber hinaus auch in den gesamten EU-Ländern, die sich über die Zugänge freuten. Und sogar Nicht-EU-Länder freuten sich über zusätzlich Euros und andere europäische Währungen und wie es so ist, blieben die Euros nicht Euros, sondern wurden in die jeweiligen Landeswährungen ‚getauscht‘, genauer gesagt, wieder weiter investiert bzw. über die Devisenmärkte und die jeweiligen Handelspartnerländer für Investitionen und den Kauf von Gütern und Dienstleistungen weltweit, also auch innerhalb der Eurozone verwendet.
So floss einiges an Geld wieder zurück in die Eurozone nach einem Umweg über die Weltwirtschaftskreisläufe, sowohl über die Vermögens- und Beteiligungsmärkte, über die Investitionsmärkte mit ihren Hebelfaktoren im und über das Kreditgeschäft bis schließlich auf den Gütermärkten, auf den mit dem Geld der sog. Geberländer die Produkte der Geberländer gekauft wurden. Man erkennt unschwer, dass die Rede von Geber- und Nehmerländern spätestens jetzt ein Hirngespinst ist. Geber- und Nehmerländer entstehen allein dadurch, dass auf einer Seite der Bilanz mehr Geld zirkuliert, als auf einer anderen Seite und dabei zollt es lediglich der Tradition ordentlichen Buchführung Tribut, dass dieser Eindruck in Unkenntnis der tatsächlichen Bedeutung buchhalterischer Semantik entstehen kann. Niemand hat also Geld verschenkt, niemand sich Geld schenken lassen und das dann verprasst. Ein Wirtschaftskreislauf wurde erweitert und beschleunigt, sonst nichts. Dies aber ist durchaus diskussionswürdig.
Schaut man auf die Effekte, nur die, die besonders auffallen, dann versteht man auch die Aufmerksamkeit, die den Auswirkungen der EZB_Politik in der Eurozone und weit darüber hinaus in die Weltwirtschaft gewidmet wird. Ein Effekt der fortlaufend zunehmenden und in den Märkten anlandenden Liquidität war, dass die Zinsen z.B. in Deutschland seit langem auf historischen Tiefständen sich einpendelten mit erheblichen Einbußen privater Sparvermögen mit Folgen für die Alterssicherung und einem Effekt, den niemand bislang sehen wollte, nämlich steigenden Mieten, die, wie wir gezeigt haben, maßgeblich bedingt bzw. begünstigt wurden, weil Bürger bereit waren, höhere Mieten zu zahlen, da die traditionellen Anlageformen, Sparbuch und Lebensversicherung keine Renditen mehr versprachen. Dazu passend darf man den sofort einsetzenden Bauboom in Deutschland dieser Logik hinzuzählen wie auch den die gesamte Volkswirtschaft erfassenden Konjunkturaufschwung, der mit der zusätzlichen Liquidität die wachsende Nachfrage der global vernetzten deutschen Industrie zeitnah und flexibel befriedigen konnte.
Während die Fed bereits begonnen hatte, die zusätzliche Liquidität der amerikanischen Wirtschaft aus den QE-Programmen und durch Donalds generöser Steuerreform moderat wieder einzusammeln, kamen die Effekte aus den Euro-Programmen, die die USA erreichten durchaus gelegen. Sie kompensierten zwar nicht alle Effekte der US-Geldstraffung, aber doch ein gerütteltes Maß davon. Man darf also sagen, die Schuldenstaaten der Eurozone haben auch die US-Wirtschaft befördert; will sagen, wer mit linear-kausalen Denkmustern in Wirtschafts- und Finanzzusammenhängen verfährt, wird nicht weiterkommen als zu den Sackgassenschildern, die seine Kollegen vorher überall aufgestellt haben.
Die Kontenstände der Target-Salden präzise berechnen zu wollen, dürfte also schwierig sein. Verzichten darauf darf man allein aus heuristischen Gründen nicht, haben wir doch nicht mehr und bessere Mittel, grenzüberschreitende Geldströme innerhalb einer globalen Wirtschaft und einer zunehmend international sich auswirkenden Geld- sowie Währungspolitik zu erfassen. Das wird aller Voraussicht auch noch lange so bleiben, da die regierende Politik eine gewisse Intransparenz auch gerne aufrechterhält. Das ist nicht demokratisch rechtens, aber welche geldpolitischen sowie staatspolitischen Maßnahmen im Kredit und Finanzierungsbereich würde denn eine Regierung der westlichen Demokratien bei ihren Bürgern durchbekommen, wüssten die immer genau, was mit den Maßnahmen verbunden ist und welche Auswirkungen diese auf sie haben, falls die Regierungen denn überhaupt selbst dies wissen können?
Was wir als leidlich gesichert wissen können, ist, dass während einer Boomphase im privaten Sektor wie etwa bei einem Bauboom bzw. einer Immobilienblase dieser Sektor eine Menge an Liquidität aufsaugt und die Zentralbanken als schärfste Waffe gegen diesen Boom die Kontrolle über den Leitzins und somit über die Zinsen bei den Geschäftsbanken einsetzen können. So verleiht die EZB wöchentlich aus ihren Reserven Geld an Banken und steuert über den Leitzins so die Kreditzinsen für die Immobilienerwerber. In einem bidirektionalen Geschäft funktioniert die Kontrolle der überbordenden Ressourcen durch Zinsmanipulationen der Notenbank im volkswirtschaftlichen Modell einigermaßen gut, also berechenbar. Aber selbst hier ist man mit der Planbarkeit, also der kausal-linearen Fortschreibung schnell am Ende.
Denn während der private Sektor in einer Phase des Immobilienboom z.B. relativ schnell relative viele Ressourcen an sich zieht, erweitern sich auch die Risiko-Implikationen. Die hängen einmal damit zusammen, dass die Geschäftsbanken jeden ausgewiesenen Kredit bei der Notenbank als Sicherheit hinterlegen können, in der Hoffnung, dass dieser zurückgezahlt wird. Der Faktor Hoffnung aber, der hauptsächlich über die Eigenkapitalanforderungen aus Basel II und Basel IV z.B. sowie den Mindestreserven besteht, ist bei näherer Betrachtung aber zugleich auch an der Entstehung exponentieller Risken beteiligt, mithin also ohne Bremswirkung.
Wenn also Kredite als Sicherheiten akzeptiert werden und so bei der Ausleihe von Notenbankgeldern, von Reserven, das Ausleihgeschäft befördern, wenn es also dieselben Kredite sind, die die Mindestreserveanforderungen zugleich heben und erfüllen, kann eine Bremswirkung von dieser Seite her kaum erwartet werden. Das gehört zur Marktwirtschaft, dass einmal als „hoffnungsvoll“, also als in der Zukunft profitabel erachtete Geschäfte nicht gebremst, sondern gefördert werden und dies ist eine strukturelle und keine persönliche oder vernünftige Angelegenheit.
Auf strukturell analoge Art sind auch die Eigenkapitalanforderungen der Geschäftsbanken nicht wirklich risikoavers. Eigenkapitalanforderungen werden auf Grundlage der vorhandenen Forderungen einer Bank gegenüber ihren Kunden oder anders gesagt als bestehendes Eigenkapital mit Hebelfaktor berechnet und sind daher sowohl vergangenheitsbezogen wie linear in die Zukunft fortschreibbar.
So kann eine Bank durch die Ausgabe von Krediten an einen Kunden rein rechnerisch den Kauf von Aktien durch die Bank finanziert, sowohl den Kauf von eigenen Aktien wie auch den fremder Vermögenswerte, die dann sofort als Eigenkapital der Bank gelten.
Die Frage also, wie der Bauboom und die inhärente Ausweitung der Geldmenge, hier des Eigenkapitals eines Finanzinstitutes, effektiv kontrolliert werden kann, war lange Zeit dem Modell überantwortet, welches von der Kontrollwirkung der Zinskaskaden ausging. Über den Referenzzinssatz wurden demnach die Zinsen aller nachgeordneten Beteiligten an den Geschäften kontrolliert und die Kontrolle galt als im Alltag erprobt und relativ ausfallsicher. Es galt, hohe Zinsen kontrollieren und begrenzen die Kreditnachfrage.
War der Mechanismus von Angebot und Nachfrage theoretisch längst schon ein hoch defizitärer Modellansatz, so schien zumindest die Realität ihn soweit zu bestätigen, soweit die Ausfallswahrscheinlichkeit durch eine, den Zins überhaupt nicht tangierende Praxis in der Kreditvergabe begrenzt wurde, in der Deutschland gleichsam Benchmark war. Der Eigenanteil am Gesamtkredit von hier mindestens bzw. üblicherweise 20 Prozent, der aber in vielen Fällen der Privatkreditvergabe auch auf 30 Prozent und darüber steigen konnte, schien den Sicherheitsbedürfnisse der Banken Genüge zu tun, alles war bestens, scheinbar. Das galt, solange die Finanzmathematiker ausschließlich bei Banken angestellt für diese rechneten. Mit dem Aufkommen von unabhängigen Finanzberatern wurde dieses Geschäftsmodell, das hauptsächlich aus der Unwissenheit der Kunden seinen großen Erfolg gezogen hat, massiv relativiert.
Die Finanzberater rechneten nun für die Kunden und kamen zu ganz anderen Ergebnissen. Ein kleiner Diskurs soll dies verdeutlichen und auf Folgen vorbereiten, die wir im Anschluss besprechen werden. Das Beispiel: Ein Bürger in Deutschland möchte ein Haus im Wert von 250.000 Euro kaufen – die Kaufnebenkosten zahlt er auch selbst und können in diesem Beispiel also vernachlässigt werden – und er hat siebzigtausend Euro an Barmitteln. Als Kreditnehmer steht er nun vor der Entscheidung, den gesamten Betrag als Eigenanteil zu verwenden oder 20.000 Euro als Puffer auf seinem Bankkonto stehen zu lassen. Im ersten Fall (A) müsste er 180.000 Euro als Kredit aufnehmen, im zweiten (B) wären es 200.000 Euro. Für die Monatsrate werden in Fall B 110 Euro mehr fällig4.
Wie das Beispiel zeigt, sind zwar die Zinssätze durchaus von entscheidender Bedeutung, geht man nur von den nominellen Zinssätzen aus und vergleicht ein doch recht simples Szenario (Fall A und B) miteinander, bei dem aber die Bank auf jeden Fall recht günstig wegkommt. Geht man in die verschiedenen Finanzierungskonzepte, denen ein normaler Kreditnehmer aber damals kaum je gewahr wurde, sieht die Sache schon anders und wesentlich differenzierter aus. Wir sehen, die Frage in diesem kleinen Beispiel ist keine Frage von Angebot und Nachfrage, sondern viel mehr eine der unterschiedlichen, möglichen Qualitäten in der Dienstleistung am Kunden, die der reine Kreditausreichung gewissermaßen übergeordnet ist.
Dieser Dienstleistungshorizont über der reinen Kreditausreichung durch eine Notenbank ist, wir haben das schon behandelt, die sog. Einlagenfazilität. Darin spiel der Zins auch eine bedeutende Rolle, insofern damit ja die Guthaben der Geschäftsbanken bei den Notenbanken bzw. in Europa der EZB verzinst werden. In unserem Referenzjahr 2017 wurden die Einlagen, resp. Reserven über Nacht in Höhe von 1/350 des Einlagezinses belastet, der damals bei -0,4% lag. Das bedeutet, dass Banken von jedem Euro an Reserven bei der EZB über Nacht 0,00004 €, also vier Zehntausendstel eines Cents, verlieren bzw. dieser Betrag der EZB bzw. der Bundesbank gutgeschrieben wird. Bei den Summen, um die es hier geht, also bei Millionen- bis Milliardensummen sollte man das Ergebnis nicht zu geringschätzen. Jedenfalls sind die Belastungen für die Banken so hoch, dass sie durchaus einen erheblichen Anreiz verspüren, ihre Einlagen bei der Zentralbank auf ein Minimum zu reduzieren. Sie können die Einlagen beispielsweise auf dem Interbankenmarkt an andere Banken oder Finanzmarktteilnehmer verleihen oder damit Aktien, Immobilien oder auch Staatsanleihen kaufen. Eine Rolle spielt das bei der Berechnung der jeweiligen Geldbasis5 der EZB bzw. der Notenbanken der Eurozone. Und die ist wichtig, will man nicht wieder in die Falle von Angebot und Nachfrage, gesteuert durch Zinsen, treten, wenn es um Notenbankpolitik bzw. um die Politische Ökonomie geht.
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[title]Begriffe – Anmerkungen – Titel – Autoren[/title]
Referenzzinssatz – Primärsaldo – Nettogeldabfluss
1 Siehe ifo Institut – Center for Economic Studies (CES) CESifo
2 Vgl. Sinn (2015), S. 259ff.
3 In der Wirtschaftswissenschaft bezeichnet die Loanable-funds-Theorie (deutsch auch: Theorie der ausleihbaren Fonds) eine Theorie zur Bestimmung des Zinssatzes. Nach dieser Theorie wird der Marktzins durch Kreditangebot und Kreditnachfrage bestimmt.
4 Dabei wird unterstellt, dass die höhere Kreditaufnahme nicht zu höheren Beleihungsaufschlägen führt, was oft der Fall ist.
Gehen wir davon aus, dass er das Darlehen innerhalb von 20 Jahren komplett tilgen wird. Dann wird in diesem Beispiel für beide Darlehen ein Effektivzins von 3,05 Prozent fällig, wenn er beim derzeit günstigsten Anbieter (Stand 05.04.2013) abschließt. Beim Darlehen über 180.000 Euro beläuft sich die monatliche Rate auf 1.000 Euro, beim teureren Kredit sind es 1.110 Euro. Diese Differenz von 110 Euro summiert sich über die 20 Jahre hinweg zu Mehrkosten von 26.400 Euro für Variante B.
Der Zinsertrag gleicht die Mehrkosten beim Kredit aus.
Diesen Mehrkosten müssten wir jedoch die Erträge gegenüberstellen, welche die 20.000 Euro auf einem Bankkonto erwirtschaftet hätten. Legt der Hauskäufer das Geld zum damaligen Topzins von 1,75 Prozent auf einem Tagesgeldkonto an, werden ihm nach Abzug der Abgeltungssteuer im Lauf der 20 Jahre 5.836 Euro gutgeschrieben. Nun könnte man argumentieren, dass die Zinsen und damit die Erträge weiter sinken könnten. Ebenso wahrscheinlich ist es aber, dass die Zinsen für Tagesgeld innerhalb der nächsten 20 Jahre steigen werden. Um unsere Überlegungen nicht unnötig zu komplizieren, gehen wir von einem gleichbleibenden Zins aus.
Geringer finanzieller Vorteil versus psychologische Sicherheit: Bringt der Kreditnehmer 70.000 Euro als Eigenkapital ein, zahlt er für sein Darlehen (180.000 Euro) also insgesamt 240.000 Euro an die Bank zurück. Bringt er nur 50.000 Euro ein und behält 20.000 Euro auf dem Konto, überweist er für sein Darlehen (200.000 Euro) insgesamt 266.400 Euro an das Kreditinstitut. Von dieser Summe müssen aber jene 25.836 Euro abgezogen werden, die auf dem Tagesgeldkonto liegen. Das bedeutet: Der finanzielle Vorteil des vollen Eigenkapital-Einsatzes liegt im Lauf von 20 langen Jahren bei lediglich 564 Euro! Bedenkt man überdies, dass die Ersparnisse auf dem Konto psychologische Sicherheit geben – etwa weil man weiß, dass man das alte Auto ohne Kredit durch ein neues ersetzen kann –, spricht vieles dafür, nicht alle Ersparnisse in die Hausfinanzierung zu stecken.
Nur identische Zahlungsströme ergeben vollständiges Bild:
Nun ist dies aber nur eine Seite der Medaille. Die andere sieht so aus, dass der Kreditnehmer, der sich für den maximalen Anteil an Eigenkapital entscheidet, 110 Euro im Monat in einen Banksparplan einzahlen kann. Nach 20 Jahren hätte er mit dem aktuellen Top-Angebot eine Nachsteuer-Rendite von 1,66 Prozent erzielt und 31.292 Euro auf dem Konto. Der Gegenwartswert (Barwert) dieser Summe beträgt bei einem Diskontierungszinssatz von drei Prozent 17.325 Euro, während das Kapital von 25.836 Euro auf dem Tagegeldkonto beim selben Kalkulationszins einen Barwert von 14.410 Euro hat. Barwertmethode: Rücklage kostet 150 Euro im Jahr.
Das bedeutet: Rechnet man, wie es mathematisch geboten ist, mit identischen Zahlungsströmen – jeder Kreditnehmer wendet 1.110 Euro auf – und kalkuliert man auf dieser Basis den Barwert, dann ergibt sich für denjenigen, der jeden Cent ins Eigenkapital steckt, ein finanzieller Vorteil von knapp 3.000 Euro über 20 Jahre hinweg. Das entspricht 150 Euro im Jahr. Hier muss jeder selbst entscheiden, was ihm die höheren Rücklagen wert sind. Unseres Erachtens wären 150 Euro im Jahr kein zu hoher Preis, um finanziell etwas Freiraum zu haben und eventuelle teure Kredite zu vermeiden. Dieses Rechenbeispiel findet man auf der Webseite FMH-Finanzberatung.
5 Der Begriff Geldbasis bzw. monetäre Basis (auch: Zentralbankgeldmenge, Basisgeld oder Geldmengenkonzept M0) ist die Summe aus Bargeldumlauf, einschließlich der Kassenbestände der Kreditinstitute plus Sichtguthaben der Kreditinstitute bei der Zentralbank (Zentralbankguthaben), also ohne die Zentralbankguthaben privater oder öffentlicher Nichtbanken, dazu die Mindestreserven und Überschussreserven. Die monetäre Basis ist zentrale Steuergröße aus monetaristischer Sicht und fokussiert darin das sogenannte Zentralbankgeld, welches nur von der Zentralbank geschaffen werden kann. Die Geldbasis gibt dann Verbindlichkeiten der Zentralbank gegenüber Geschäftsbanken und Nichtbanken an.
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