Die Geldbasis stellt nach einer bestimmten geldtheoretischen Lehrmeinung, dem Monetarismus, das von der Zentralbank bereitgestellte Geldangebot dar. Sie ist darin die wichtigste, grundlegende Bestimmungsgröße in der Geldangebotstheorie und strategische Größe in der Geldpolitik. In der Geldpolitik bildet sie das grundlegende Konzept der Steuerung des Geldangebots der Banken. Es setzt bei einer unterstellten Verknüpfung zwischen der Geldmenge einerseits und dem Bestand an Zentralbankgeld bei Banken und Nichtbanken andererseits an. Bei hinreichend stabilem Bezug zur Geldmenge ist sie der instrumentelle Hebel für die Geldmengensteuerung.
Dabei sind Geldbasis und Geldmenge über einen Geldangebotsmultiplikator verknüpft, dessen Größe von Verhaltensweisen der Banken und Nichtbanken im monetären Bereich bestimmt wird. In einem solchen Konzept figuriert demnach die Geldmenge als Zwischenziel, die Geldbasis als Indikator der Geldpolitik. Dabei treten als Geldmenge die verschiedenen Varianten auf: Geldmenge Ml, Geldmenge M2 und Geldmenge M3 auf der Basis MO, der Geldbasis.
Die Geldbasis wird verändert durch Änderung der Nettodevisenposition, des Wertpapierbestands, der Nettoposition der öffentlichen Hand (Kredite/ Einlagen) bei der Zentralbank und des Refinanzierungsvolumens der Banken. Ökonomischen, geldpolitischen Informationsgehalt erhält die Bestimmungsgleichung für die Geldmenge, wenn die verwendeten Größen als Verhaltensparameter interpretiert und für sie Reaktionsfunktionen oder Verhaltensfunktionen oder Erklärungs- bzw. Verhaltenshypothesen angegeben werden können. Soviel zu den allgemeinen Bestimmungen und dem Verständnishorizont, der die Geldpolitik im Rahmen einer Politischen Ökonomie zu begreifen versucht.
Wir haben auf die Falle von Angebot und Nachfrage hingewiesen, eine Falle, die dann zuschnappt, wenn man die asymmetrischen Verhältnisse nicht berücksichtigt, die jeder Kreditvergabe inhärent sind. Jedes Kreditgeschäft ist ein Verleihgeschäft mit einem Gläubiger und einen Schuldner im juristischen Sinne, wie wir wissen. Wir haben soeben an einem simplen Beispiel einer Kreditvergabe für einen Hausbau das asymmetrische Verhältnis zwischen Kreditnehmer und Hausbank erläutert, das allein schon in der ungleichen Verteilung von Wissen bzw. der Kenntnis von alternativen Finanzierungskonzepten zu erheblichen Unterschieden führt, ob die Kreditausreichung unter dem Horizont einer Finanzdienstleistung, einschließlich Beratung, stattfindet oder nicht. Dieser Horizont betrifft in diesem Beispiel den Faktor Wissen bzw. Information, der aber nur eine Form einer asymmetrischen Relation zwischen Angebot und Nachfrage semantisch verschleiert.
Innerhalb dieser Form semantischer Verschleierung machen sich es dann wahre Netzwerke von theoretischen Zusammenhängen gemütlich, die eine scheinbare Logik dieser Zusammenhänge nachträglich zu ‚versachlichen‘, zu objektivieren versuchen. Einen dieser scheinbar objektiven Zusammenhänge kennen wir aus der sog. sektoralen Makroökonomie, die sich mit sektoralen Salden bzw. sektoralen Finanzierungssalden zur makroökonomischen Analyse von Volkswirtschaften beschäftigt und unter einer sog. „sektoralen Grundgleichung“ eine Beziehung konstruiert zwischen der Verschuldung des privaten Sektors und des öffentlichen Sektors1. Das klingt bedeutend, was der britische Ökonom Wynne Godley da erfand und hat Eingang auch in die moderne Ökonomik gefunden und meint nichts anders im Grundsatz, dass ein Zahlungsverkehr zwei Seiten hat und darin jeder Ausgabe eine Einnahme (keine Geschenke) gegenübersteht.
Nur ist bereits in dieser Gleichung eine Un-Gleichung enthalten, nämlich die, die man „Schulden“ nennt und à la longue Zahlungsunfähigkeit und Zahlungsausfall. Gilt die Gleichung bei Ersparnissen, also bei positiven Guthaben bzw. Sichteinlagen bei Banken noch einigermaßen, so ist dieses Verhältnis gleich von ganz anderer Qualität im Risikofall, der in der Regel sogleich als ein wahres Klumpenrisiko sich entpuppt. Britische Ökonomen sitzen recht gemütlich und trocken in ihren Instituten und können da leicht mit mathematischer Genauigkeit Guthaben und Schulden in Gleichungen packen.
Unternehmer schlafen nicht einmal bei Guthaben auf ihren Geschäftskonten tief und selig. Das mag bei Akademikern und Politikern anders sein. Ein Unternehmer – wie übrigens auch ein Erwerbstätiger – wissen um den Unterschied der beiden Kontenklassen und der lässt, so die Schuldenkonten bzw. die Verbindlichkeiten im Anlagevermögen und im Cashflow überhand nehmen, niemanden reden von Gleichungen. Nähern sich die Schulden der Grenze zur Überschuldung, dann kann das schnell Jobs kosten; Verlust der Zahlungsfähigkeit im Übergang vom Unternehmen in die privaten Haushalte wird schnell zu einer Katastrophe für Familien mit und ohne Kinder.
Mit den asymmetrischen Implikationen mathematischer Gleichungen tun sich Monetarismus und MMT natürlich schwer, kennt die Mathematik solche Implikationen ja nicht. In der Welt der Menschen aber sind sie nicht nur an der Tagesordnung, sie sind bestimmend für alles, was ist; Gleichungen dagegen gibt es nicht. Außer in unserer intellektuellen Vorstellung, wo man komplementär Guthaben, Sparvermögen und Schulden, also negative Guthaben, Minuskonten, mit einander vergleicht.
Ein Unternehmer schaut, anders als ein CEO eines Konzerns oder ein Professor der Ökonomie eher selten auf seine Bilanzen. Der Unternehmer interessiert sich allein für die Cashflows, also darum, ob er seine ständig in Volumen und Zeit wechselnden monetären Verpflichtungen nachkommen kann. Sonst interessieren ihn, ob sich seine Investitionen so entwickeln, wie er geplant bzw. erhofft hat. Das kann mitunter Jahre dauern und ein ständiger Blick in das fein verästelte Zahlenwerk seiner Steuerberater und Unternehmensberater sagt heute wenig darüber aus, wie das neue Werk in zwei Jahren dastehen wird, wie die Märkte, der Wettbewerb, die Preise, die Zinsen, die Personaldecke und die Rohstoffe nebst allen anderen Ressourcen sich entwickeln werden; kein Mensch glaubt daran, dass hier ein mathematisch nachvollziehbares Modell seines Unternehmens und seiner Entscheidungen existiert, in das man blicken und dann Schlüsse daraus ziehen kann; so einfach ist es einfach nicht.
Wie in der Presse tauchen auch in der MMT Leerformeln en masse auf. Natürlich stimmt es, dass staatliche Defizite inflationär wirken, wie auch das Gegenteil richtig ist. Denn niemand kann beweisen, dass die Relation zwischen Staatsdefiziten und Preissteigerungen linear-kausal ist, also gilt alles auch anders herum, oder es ist schlicht irrelevant.
Natürlich kann man die Welt einteilen in einen privaten und einen öffentlichen Sektor und dem Rest der Welt. Dann kann man herrlich der Logik folgen und wird glücklich. Und ebenso ist dann folglich auch richtig, dass Staatsaugaben durch Steuern finanziert bzw. refinanziert werden müssen, dass private Schulden also mit staatlichen Schulden anwachsen bzw. im umgekehrten Fall abnehmen. Man wird Ausnahmen zu Hauf finden, bis man verzweifelt ob der Antinomien gleich die ganze theoretische Grundlage solcher Platituden über den Haufen schmeißt und neu anfängt mit der Vorstellung eines neuen, komplementären Begriffspaares und daraus dann munter wiederum Ableitungen kreiert bis die Birne raucht und wieder durchknallt.
Vollends abstrus wird die Rechnung, wenn die MMT von der Weltwirtschaft spricht. Da dann der Rest der Welt ja nicht mehr existiert, bleiben die privaten und öffentliche Schulden. Die öffentlichen sind dann die Summe aus Steuereinnahmen minus Staatsausgaben, die privaten bilden sich dann als die Summe aller privaten Nettoeinnahmen inklusive Renten und Vermögenswertsteigerungen minus Konsumausgaben – Steuern sind schon eingerechnet. Nun gilt so auch der umgekehrte Fall im Sinne finanzieller Ersparnisse des privaten und des öffentlichen Sektors. Und wie zur Nacht alle Kühe grau sind, bedeutet diese gigantische Abstraktion schlussendlich dann auch, dass die Nettovermögen bzw. -schulden sich mit den entsprechenden, öffentlichen Konten verändern, also steigen und fallen.
Grobe Vereinfachungen haben in den meisten Fällen den Nachteil, dass darin all jene Komponenten wegfallen, die für eine gezielte Veränderung der Sachlage wichtig und notwendig sind. Man kann also wenig damit anfangen und auch das Verständnis leidet arg am Groben. Eine der am meisten strapazierten Aussagen aus der Vorstellungswelt der MMT ist, dass nationale Haushalte mit ausgeglichenen Konten notwendigerweise Haushalte mit unausgeglichenen Konten in einem anderen Land der Welt bedingen. Diese unsinnige und sachlich unrichtige Schelte von Volkswirtschaften mit Exportüberschüssen vermengen unbemerkt ständig eine Binnen- mit einer Außensicht im Vergleich zweier Volkswirtschaften, der zudem noch völlig konstruiert ist. So wird behauptet, die deutsche Volkswirtschaft hätte direkt einwirkend etwas mit allen Volkswirtschaften zu tun, die keinen Leistungsbilanzüberschuss ausweisen; abenteuerlich!
So entziehe z.B. die Eurozone, also die Volkswirtschaften mit einer einheitlichen Währung, dem Euro, durch ihre Haushalte der „schwarzen Null“ einen „Teil der Weltnachfrage“ und „sorgt so für einen höheren preislichen Wettbewerb, der sich deflationär auswirken wird. Die nächste Rezession wird die Inflationsraten sicherlich erneut in den negativen Bereich stoßen, sofern nicht mit massiver staatlicher Ausgabenpolitik gegengesteuert wird.“(Ehnts, 2017, S. 98)
Weder weisen die Haushalte der Eurozone alle eine schwarze Null aus, noch sorgt die Eurozone generell für einen preislichen Wettbewerb. Die schwarze Null ist gar keine Null, sondern eine im Maastricht-Vertrag festgeschriebene Grenze der jährlichen Neuverschuldung bis zu 3% des jeweiligen BIPs der Staaten der Eurozone und wird auch von kaum einem Land der Eurozone erreicht; im Gegenteil. Allenfalls tendenziell würde dieses Argument auf die deutsche Volkswirtschaft zutreffen, die aber, konträr zu der Behauptung des unfairen Preiswettbewerbs gerade im Jahr 2018 deutliche ‚Preisabschläge‘ zu verzeichnen hatte aufgrund der Devisendifferenzen. Der starke Euro hatte also sichtbar negative Auswirkungen auf alle Länder der Eurozone und ganz besonders starke auf die deutsche Volkswirtschaft. Bei den Dax-Konzernen sank der Vorsteuergewinn durch den starken Euro um mehr als drei Prozent woraus man erkennen kann, dass die Konstruktion von Leistungsbilanzüberschüssen, die in Deutschland Rekordhöhe hatten, und Preiswettbewerb so nicht stimmen kann.
Die Inflationsraten in den Schwellenländern z.B. haben ganz andere Gründe, die vor allem wenig mit Exportüberschüssen im Westen oder in Deutschland zu tun haben. Gerade die Schwellenländer handeln nach rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten, wenn sie versuchen, die Kosten für ihre Kredite – und jetzt sprechen wir im weltwirtschaftlichen Sinne über die wirklichen Größenordnungen an Geldströmen – so gering wie möglich halten. Waren diese Länder eben noch in US-Dollar verschuldet, so sind sie es heute, da der Euro schwächelt, in dieser Währung verschuldet. Warum man in der MMT keine angemessene Theorie oder Würdigung von Devisenspekulationen findet, mag deren Geheimnis bleiben – wir weisen andieser Stelle darauf hin, dass der Appendix Spekulationen lediglich meint, dass jeder Akteur auf welchem Markt auch immer, Ausschau hält nach den günstgsten Preisen, was noch nicht damit zu tun hat, was gemeinhin unter Spekulation gemeint wird: eine heuschrenkenhafte Gier nach Profit. Hier, wenn es um Staatsverschuldung geht, kommt man aber um die sog. Carry Trades2 nicht umhin, oder zu einem bloß marginalen Verständnis des. Sachverhalts
Es grenzt schon nahezu an einer Verweigerung der Aufnahmen von Informationen, wenn ein Phänomen wie der sog. Yen Carry Trade, der nahezu zwanzig Jahre lang als ein versteckter Motor der Weltwirtschaft galt, theoretisch nicht zur Kenntnis genommen wird, jedenfalls nicht adäquat. Diese Yen Carry Trades summierten sich im Laufe der Jahre zu einer Geldmenge im Billionenbereich und hatte zwei Antriebsfaktoren, einmal die extrem lockere Geldpolitik der japanischen Zentralbank und deren fortgesetzte Interventionen am Devisenmarkt. Zwei Voraussetzung für erfolgreiche Carry Trades auf den Forex-Märkten mussten gegeben sein, zwei Kriterien, die sich bedingen. Einmal eine niedrig notierte und stetig weiter fallende Währung und ein relativ starker, stabiler US-Dollar. Dann liefen die Yen Carry Trades lange Zeit sehr erfolgreich und die japanische Wirtschaft profitierte davon wie die Finanzzentren in den Industrieländern.
Unternehmen wie Honda, Toyota, Mitsubishi, Niko, Fuji, Komatsu, Toshiba und Toyota waren in der Lage, ihre Produkte auf dem Exportmarkt zu wettbewerbsfähigen Preisen anzubieten und zugleich profitierten die Finanzzentren in den Industrieländern von den satten Geldströmen aus Japan. Das lief so gut, dass der japanische Yen zum wichtigsten Kanal für die Geldbeschaffung avancierte, ganz unbeschadet von der japanischen Staatsverschuldung. Ja, man kann sogar sagen, die japanische Staatsverschuldung war ein – nicht der einzige – Faktor der Niedrigzinspolitik der japanischen Notenbank. Aber nur im Verein mit einer anderen Währung, also einem Währungspaar, sind Carry Trades möglich.
Wir halten fest, die relativ stabile Asymmetrie im Währungspaar US-Dollar/Yen wurde gerade durch die Verwendung von großen Mengen Fremdkapitals durch die Carry Trader sichergestellt. Die investierten in die Aktienmärkte in den USA, in Europa, Geld floss in neue Wachstumszentren in den Emerging Markets auf fast allen Kontinenten der Erde, in deutsche Staatsanleihen, was vielfach unbeachtet blieb, oder – wie seit 1999 – in Rohstoffe. Das alles ging bis zum Ausbruch der internationalen Finanzkrise 2007/08 und dem Zusammenbruch der Lehman Brothers, die die Zeit der Yen Carry Trades beendete.
Wenn wir in diesem Zusammenhang von Zeit sprechen, dann sprechen wir von unglaublich wenigen Wochen, die es brauchte, den Yen Carry Trade abzuwickeln, was zwischen August und Oktober 2008 als eine direkte Folge der Finanzkrise geschah. In nur wenigen Wochen wurden die Rückgänge des japanischen Yen aus sieben Jahren vernichtet und führte u.a. auch zum Crash des Währungsverhältnissen Yen/Euro, der sich parallel zum Einbruch an den Aktienmärkten vollzog. Die Kurven von Euro und Yen zeigten beide Richtung Äquator, so sagen die Marktkommentatoren, wenn sie von steil nach unten fallen Kursen sprechen. Wir sehen also, dass es hauptsächlich der Abzug von gigantischen Geldmengen war, der zur Abwicklung der Yen Carry Trades nötig war und der zugleich die Finanzmärkte wie die Finanzzentren der westlichen Welt an den Rand des Ruins führte; aber nur kurzfristig.
Wir haben andere Währungspaare gesehen, die strukturell nur nicht nominell die Lücke der Yen Carry Trades schließen mochten, so z.B. US-Dollar/ASD. Bereits kurze Zeit nach Ausbruch der Finanzkrise 2007 füllte der US-Dollar die entstandene Lücke. Der US-Dollar eignete sich nach Meinung aller Marktteilnehmer hervorragend als Ersatz zum Yen Carry Trade. Er erfüllte bereits im Jahr 2008 exakt die Bedingungen für Dollar Carry Trades: Anhaltend niedrigen Zinsen aufgrund eine angeschlagenen Bankensystems, das durch die US-Notenbank dauerhaft gestützt werden musste, was in der Folge eine schwache Währung bedeutete. Die Finanzwelt entzog dem US-Dollar das Vertrauen und gerade das war die Grundlage für eine Fortführung einer Vielzahl von Investitionsmöglichkeiten mit dem Geld, welches in den Finanzzentren in Dollar-Währung aufgenommen wurde.
So wurde der US-Dollar zur neuen Carry Trade Währung und über die Zeit der QE-Programme der FED, die den Kauf langläufiger Staatsanleihen im Wert von hunderten Milliarden Dollar extrem forcierte und damit die Verlängerung der Fed-Bilanz um 1250 Mrd. US-Dollar betrieb, nahmen Carry Trader in gewohnter Manier einen in Dollar lautenden Kredit auf und kauften damit Aktien und Rohstoffe. Das war der Grund, warum der US-Dollar immer weiter fiel, während andere Aktiva wie Rohstoffe oder Aktien immer weiter stiegen.3
Und was waren, was sind die Folgen heute? Es sind die bereits aus den Yen Carry Trades bekannten. Eine Zeitlang versorgte der US-Dollar die Weltwirtschaft mit Liquidität. Dann kam die Phase, als der Dollarkurs anstieg und die Versorgung mit Liquidität die Weltmärkte über die Finanzzentren nicht mehr so ausgiebig erreichte. Sinkende Liquidität aber bedeutet vor allem in den Schwellenländern, aber nicht nur dort, dass Aktive wie Aktien und Rohstoffe (und viele andere), in denen auch die Reserven der Notenbanken investiert waren, plötzlich massiv verkauft werden mussten.
Die Fed war nun in der äußerst misslichen Lage, dass sie mit der Stabilisierung des US-Dollars und eine Erhöhung der Zinsen sowohl die Dollar Carry Trades wie auch ihre Exportpreise beschädigen würde, insgesamt das Wachstum der Weltwirtschaft deutlich abbremsen würde. Die Fed hatte deutlich sichtbar ein ganzes Jahr lang schwere Bauchschmerzen bei der Formulierung ihre Exitstrategie vom billigen Geld.
Da kam ihr der Euro zu Hilfe. Nun übernahm der Euro bestens gerüstet mit allen Bedingungen für Euro Carry Trades die Rolle des US-Dollars. Die Fed konnte moderat in mehreren Schritten die Leitzinsen anheben, ohne zu riskieren, dass für Investoren, also auch für US-Investoren die Tür zu den weltweiten Carry Trades zugeschlagen würde. Schwellenländer mussten mühsam aber alternativlos ihre Staatschulden von Dollar in Euro umschulden und vor allem die notorisch defizitären Volkswirtschaften der Türkei und Argentinien waren angewiesen auf den Umstieg zum Euro, der aber nur zum Teil die große Lücke ausfüllen kann, die der US-Dollar in die Budgets dieser Länder reißt.
Sowohl in Argentinien wie in der Türkei hat sich die Veränderung im Dollar zur Katstrophe ausentwickelt. Die Notwendigkeit, wegen der hohen Inflation im Land die Zinsen in beiden Ländern weiter anzuheben, konnten die Notenbanker nicht mehr leisten und beließen den türkischen Leitzins z.B. bei sagenhaften 24 Prozent. Die Märkte aber zeigten sich weitgehend unbeeindruckt von diesem Leitzinssatz und auch der Lehrsatz der MMT, dass mit der Staatsverschuldung auch der private Sektor anziehe, verfing mitnichten. Alles dies genügt eben nicht, um Investoren davon zu überzeugen, dass sie mehr zum Eindämmen der Inflation einer nationalen Geldpolitik beitragen werden. Nicht einmal eine über 8 prozentige Rendite für die in Dollar notierte, zehnjährige türkische Staatsanleihe, die damit auf dem höchsten Niveau seit dem Schwellenland-Ausverkauf im Herbst 2018 notiert, kann rendite-begeisterte Investoren in diese Märkte locken.
Einzig die Anbieter von Credit Default Swaps, jenen Ausfallversicherungen, die auch zur Beschleunigung der Finanzkrise 2007/08 im Wesentlichen beigetragen haben, freuen sich bester Geschäfte. Deren Preise notieren auf dem höchsten Stand seit 2015 und tragen ihren Anteil daran, dass sowohl der argentinische Peso als auch die türkische Lira auf dem Devisenmarkt zu den größten Verlierern gegenüber dem Dollar heute gehören.
Aber zur ganzen Geschichte gehört auch, dass die durch den starken Euro gegenüber dem US-Dollar entgangenen Währungsgewinne in Jahren eines schwächeren Dollars kompensiert werden; zu welchen Teilen kann natürlich niemand sagen. Besonders die exportstarke deutsche Wirtschaft profitiert und verliert durch Währungsschwankungen des Euro gegen Dollar besonders stark, anders als viele andere Eurozonen-Wirtschaften.
Die US Unternehmen, die Waren ins Euro-Ausland liefern, gewinnen ihrerseits durch einen schwachen Euro wie umgekehrt verlieren Devisengewinne bei einem starken Euro. Nimmt m,an die Gewinne hinzu, die den US-Unternehmen entstehen, die ihre Lizenzeinkünfte in europäischen Steueroasen verbuchen wie etwa den Niederlanden und Irland, dann summieren sich Steuer- und Währungsgewinne in Zeiten eines schwachen Euros auf Unternehmensebene zu einem recht ansehnlichen Sümmchen neben den allgemeinen Wohlstandsgewinnen der US-Wirtschaft wie der US-Regierung, die in Zeiten des Euro Carry Trade anfallen. Wenig bis gar nicht davon erfährt der durchschnittlich informierte Bürger, diesseits und jenseits des Atlantiks.
Zu den Mythen der neoliberalen Ökonomie – wir verwenden den Ausdruck: neoliberale Ökonomie im Sinne der historischen Fortentwicklung der liberalen Marktwirtschaft – gehört im Kern der Ansatz, dass die Entwicklung der liberalen Marktwirtschaft, also eines Systems wirtschaftlichen Handelns auf der Grundlage der Liquidierung von Privateigentum innerhalb eine privatrechtlich verfassten Grundordnung, zugleich auch dem Wohlstand der Nation dient, also die soziale Wohlfahrt mit dem individuellen Wohlstand harmonisiert. Harmonisierung meint sowohl einen Ausgleich bzw. eine Angleichung des individuellen Wohlstands wie die Angleichung der sozialen Wohlfahrt für alle Bürger. Diesen Ansatz der Harmonisierung der Lebensverhältnisse trägt auch die moderne Money Theory in sich mit allen Antinomien, die diesem Ansatz inhärent sind und aus einer Vielzahl von strukturell asymmetrischen Bedingungen innerhalb einer sozialen Gemeinschaft herrühren, seien sie politisch-ökonomischer, wirtschaftlich, rechtlicher oder kultureller Art.
Der neoliberale Mythos der Gleichheit, der seinen Anfang in der Rechtsauffassung der bürgerlichen Gesellschaft und ihrer demokratischen Staatsform genommen hat, wurde wenig hinterfragt einfach als innerer Kern der liberalen Marktwirtschaft übernommen. In dieser Wirtschaftsform wurde lange Zeit behauptet, dass die Spaltung einer Gesellschaft in wirtschaftlich reiche und arme Gruppen am besten harmonisierbar sei. Die Empirie hat aber gezeigt, dass mit der Angleichung der Lebensverhältnis, also einer reich mechanischen Betrachtung, dass immer mehr Menschen immer mehr verdienen und immer bessere Chancen in den soziale Wohlfahrtssystemen finden, nicht stimmt. Die Kluft zwischen Arm und Reich hat sich vergrößert in den westlichen Marktwirtschaften, was heißt, dass immer weniger Reiche im mehr Wohlstand erreichen und immer mehr Arme immer weniger an den Wohlfahrtsystemen partizipieren. Eine graduelle Abweichung davon haben wir versucht zu beschreiben in dem, was man gemeinhin als eine soziale Marktwirtschaft bezeichnet.
An diesem neoliberalen Mythos will auch die EU als Ganze und die Eurozone im Besonderen gemessen werden. Und eben daran entzünden sich die schwersten Kritiken, die heute sowohl von der MMT wie auch vonseiten der kritischen Monetaristen ausformuliert werden, wobei die deutschen Vertreter dieser Denkmodelle langsam dazu kommen, Grundauffassungen von der MMT mit denen des akademischen Monetarismus zu verbinden4. Deshalb kommen wir nicht umhin, uns weiter mit Denkmodellen zu beschäftigen, die die Welt nach Wynne Godley in einen privaten, einen öffentlichen Sektor und den Rest der Welt unterteilen.
Diesem Denkmodell entsprechend führt die Asymmetrie zwischen Arm und Reich zu einer fundamentalen Störung des Prinzips des Homo Oeconomicus, führt also zu einer strukturell immer schwächer werdenden Nachfrage, die immer weniger Wohlstand produziert und gleichzeitig durch steigende Arbeitslosigkeit und deren Alimentierung die Substanz der gesellschaftlichen Wohlfahrt im Kern bedroht. Holzschnittartig plädieren Autoren der MMT für eine Umverteilung des Wohlstandes und wissen einzig eine Betrachtung auf ihrer Seite, dass nämlich mit der Ausweitung der Wohlstands-Kluft sich auch die Wohlfahrt nicht mehr finanzieren lässt in Form eine höheren Steuer oder Sonderabgaben für die Reichen einer Gesellschaft; das ist mäßig.
Die Holzschnitte nehmen dann in summa noch zu, wenn es um die Wohlfahrt in den Ländern der Eurozone geht. Einig ist sich die MMT anscheinen darin, dem privaten Sektor jegliche Aussicht abzusprechen, die Harmonisierung von Arbeit zur sozialen Wohlfahrt jemals erreichen zu können. Und die MMT sieht im Faktor Arbeit als wichtigsten Teil des privaten Sektors eben jenen Spaltpilz der Gesellschaft, der zwar durch technische Innovationen und marktwirtschaftliche Dynamik am Wachstum gehindert werden kann, Innovation und Dynamik aber sind daselbst durch deren Angewiesenheit auf Liquidität und der dauernd damit verbundenen Gefahr der Inflation nicht in der Lage, auf mittlere bis lange Sicht Vollbeschäftigung zu garantieren.
Ein wenig wird man erinnert an die sozialdemokratischen Ideologien der 60er und 70er Jahre des letzten Jahrhunderts und wundert sich nicht schlecht, aus welcher Richtung und welchen Denkmodellen die wieder auf uns zu schwappen. Diese Modelle, die den Zeigerfinger der Vorsicht bei jedem Boom in der Realwirtschaft, bei jeder Blase in der Finanzwirtschaft hoch in die Luft recken, haben anscheinend immer noch nicht die innere Dynamik der Märkte in einer Marktwirtschaft verstanden. Die brauchen den Finger nicht, schon gar nicht einen, der von einem Verstand gesteuert wird, dem die Marktmechanismen nicht vertraut sind.
Jeder Markt innerhalb einer marktwirtschaftlichen Ordnung hat ein Selbstkorrektiv, um überbordenden Prozesse einzudämmen; das ist das Prinzip der Preise, sich nach oben und nach unten dynamisch anzugleichen. Wenn aber Phasen eines Booms sich ausbilden, dann sind es eben nicht die Preise und die anderen Marktmechanismen, die hier aussetzen, sondern politischen Regelungen, oder ausgebliebene Regelungen, die dies verursachen. In der letzten großen Finanzkrise kamen dabei mehrere Faktoren der Politischen Ökonomie zusammen, die wir eingehend erklärt haben. Und so ist auch bei der aktuellen Krise in Staaten der Eurozone.
So ist das Urteil der MMT, dass allein der öffentliche Sektor wesentlich beitragen könnte zur Vollbeschäftigung, geradezu ein Lehrbeispiel für mangelnde Kenntnisse und dies aus dem Munde ausgewiesener Ökonomen. Ohne einen Ansatz einer Politische Ökonomie werden dann aus der Giftküche die Rezepte für eine gesunde Ernährung entwickelt. Dann wird eben der Staat zum Allheilmittel gegen Rezessionen, die den Boom- und die Übertreibungsphasen der Wirtschaft strukturell begleiten. Dann glaubt man, der Staat könnte in Zeiten der Rezession, sofern seine monetär-fiskalischen Regeln vernünftig ausgestaltet sind, die ausgefallene private durch eine erhöhte staatliche Nachfrage ersetzen, um so die Ökonomie [zu] stabilisieren.“ (Ehnts 2017)
Der Ruf nach mehr Staat wird dann um so lauter, je näher die MMT sich an die Eurozone heranwagt. Die westliche Ökonomik steht Kopf in manchen Auffassungen, vor allem in der, dass die Regierungen durch hemmungslose Ausgabenpolitik sich der Marktkontrolle durch die Finanzmärkte, die Devisenmärkte eingeschlossen, entziehen könnte. Das Bild von autonom über ihre Haushalte entscheidenden Regierungen, von Regierungen, die politisch und finanziell sowie in Sachen Haushaltsdisziplin, also von transnationaler Verbindlichkeit vernünftig motivierten Regierungen ist ein fast schon metaphysisches Bild; jedenfalls keins von empirischer Wahrscheinlichkeit. Wann hat man je eine solche „Regierung“ in den letzten viertausend Jahren in der westlichen Welt gesehen oder von einer solchen gehört? Gewiss, für die Zukunft sollte alles vorstellbar sein, aber auch eine Wirklichkeit, die dieses Bild zur Grundlage hat?
„Die Rezeption der MMT in Deutschland war bisher skeptisch bis ablehnend. Dies ist allerdings zu erwarten bei einer neuen Denkschule, die verschiedene Stränge neu kombiniert und dadurch natürlich alte Stränge gegen sich aufbringt.“ (Ehnts, 2015, S.99)
So oder ähnlich klingen des Öfteren die Erwiderungen auf Kritik, man sei zu neu und die anderen verstehen einen deshalb nicht; wie billig. Weder ist die MMT neu, noch ist sie zu brisant, zu disruptiv. Alles das ist sie nicht, gleichwohl einige Grundüberlegungen wert sind, angestellt zu werden. Die grundlegendste aber aller Überlegungen, dass aller der öffentliche Sektor, also der Staat über eine expansive Geldpolitik Vollbeschäftigung herstellen kann, ist nicht nur zu bezweifeln, sondern die fundamentale Kritik daran geht weit darüber hinaus.
In einer Welt, die zunehmend durch dezentrale Prozesse der Ökonomie gestaltet wird, ist zugleich der Einfluss der Staaten im Sinne von Nationalstaatlichkeit und Protektionismus der eigenen Ökonomie sowohl in wirtschaftspolitischer wie in geldpolitischer Art kontraindiziert. Von China, wo der Einfluss fast total ist, über die USA und auch in Europa bzw. in Deutschland nimmt der Einfluss des Staates in die Marktwirtschaft zu. Wir sehen bereits eine umfassende Transformation der Marktwirtschaft in eine Politische Ökonomie, allen voran in China und den USA.
In dieser Situation zunehmender Umwandlung marktwirtschaftlicher Strukturierung von Arbeit und Kapital in eine Politische Ökonomie der Einflussnahme der Politischen Ökonomie noch das Wort zu reden und Vorschub zu leisten, ist gerade aus den Quellen der akademischen Ökonomik in den USA und Deutschland mehr als bemerkenswert. Dieser Schulterschluss von volkswirtschaftlicher Intelligenzia mit dem System der politischen Macht zeigt ganz deutlich einen immensen Anpassungsdruck, dem die Ökonomik zu unterliegen droht.
Der Kotau vor der Politik in China ist ein bestehendes, lang geübtes Ritual einer undemokratischen, autoritären Gesellschaftsform. Einen solchen in den USA begrüßen zu müssen, ist doppelt bitter und wirft einen dunklen Schatten autoritären Potentatentums über den größten Teil der Welt. Dass ein wiederentdeckter Zweig der neokeynesianischen Ökonomie gerade in diesen Zeiten der liberalen Marktwirtschaft das Leichentuch überwirft, zeigt, wie wenig von der Geschichte der volkswirtschaftlichen Theorien sich letztlich als ein Wissen durchgesetzt hat, dem die westlichen Marktwirtschaften ihre weitgehende Autonomie verdankt haben.
So richtet sich die Kritik an der MMT durch Wendl5 auf eine der zentralen Fragen an die Eurozone, also an eine neue Form einer Wirtschaftsgemeinschaft aus nationalen Volkswirtschaften, dass mit hohen Staatsschulden notwendig ein hoher Zinsanstieg für jedes Land, welches die Eurozone verlässt, verbunden sein wird. Außerhalb also der harmonisierenden Geldmärkte müsste etwa Griechenland seine Restautonomie gänzlich verlieren, weil die Zinsen so viel vom Steueraufkommen verzehren, dass die Handlungsfähigkeit vor allem für arbeitsmarktrelevante Maßnahmen schnell aufgebraucht wäre. Das wiederum führe zu weiter steigenden Staatsausgaben, will die griechische Regierung diesen Handlungsverlust wieder aufhalten.
Dem steht die MMT konträr gegenüber mit der Behauptung, dass eine autonome griechische Regierung durch ihre autonome Geldpolitik gar nicht in eine „Zinsfalle“ geraten würde, da die griechische Zentralbank Staatsanleihen in eigener Währung unbegrenzt kaufen und so die Zinslast des Staates auf niedrigem Niveau kontrollieren könnte.
„Das Finanzministerium zahlt Zinsen an die Zentralbank, diese verbucht einen Gewinn und überweist ihn zurück an das Finanzministerium. Wie soll der Staat da je in eine Schulden- und Zinsfalle laufen?“ (Ehnts, 2017, S.100).
Betrachten wir das als eine der grundlegenden Fragen, die sich besonders im Rahmen einer Betrachtung der Eurozone vielleicht weiter klären kann.
Eine weitere grundlegende Frage ergibt sich aus dem Zusammenhang der neoklassischen Auffassungen zur Leistungsbilanz. Die Leistungsbilanz einer Volkswirtschaft hängt der neoklassischen Vorstellung nach grundlegende vom Vertrauen in die nationale Währung und damit vom Geschehen auf den Devisen- bzw. Forex Märkten ab. Die MMT führt dagegen die Vorstellung ins Feld, dass die Leistungsbilanz fundamental vom Vertrauen der Kredit- bzw. Kapitalmärkte gegenüber den Unternehmen abhängt. Und damit verbunden ist auch die Kritik an dem neoklassischen Gleichgewichtsmodell von Importen und Exporten im Leistungsbilanzsaldo. Importe und Exporte entwickeln sich demnach parallel, als Importe durch Devisen finanziert werden, die vorher durch Exporte erzeugt wurden.
Dagegen führt die MMT das japanische Modell ins Feld sowie die Behauptung, dass Länder der EU, ohne den Euro, also z.B. Großbritannien, besser durch die Krise – welche genau wird nicht klar – gekommen sind, weil sie eben keine Probleme mit der Finanzierung ihrer Importe über einen Devisenüberschuss hatten.
Palley (2015)6 legt das Hauptaugenmerk seiner Kritik an der MMT darauf, dass diese als Modell zu statisch sei, da ihr ein systematisches Verständnis der Inflation fehlt. Im Kern trifft die Kritik aber das fundamentale Verständnis der Neoklassik wie auch den Chartalismus selbst. Hat die eine keine Antwort auf die dynamischen Prozesse einer Marktwirtschaft, weil sie mit ihren mathematischen Modellen die ökonomischen Triebkräfte, die auch die Konjunkturzyklen antreiben, nicht erfassen kann, so verfehlt die andere eben diese in ihrem Chart-Tabellarismus. Die post-chartalistischen Ansätze wollen gerade diese dynamischen Kräfte in einer Neubetrachtung der Geld- und Fiskalpolitik herausarbeiten; wir werden im weiteren Verlauf sehen, ob dies gelingen kann. Bislang haben wir nach unserer ersten Inspektion dabei erhebliche Zweifel.
Die Frage also bleibt: Kann die MMT ihren Anspruch erfüllen, eine bessere, konkretere und korrektere Beschreibung der Funktionsweise unseres Geldsystems liefern? Könnte sie das, ist dann auch zugleich ein Weg offen zu einer Formulierung einer progressiven Wirtschaftspolitik?
Ehnts hat elf Thesen bzw. Kernaussagen in die Debatte gestellt. Sie sollen eine öffentliche Debatte befördern und dabei die neoklassischen Theoreme überwinden und so einen neuen Blick freigeben auf die ewigen Fragen der Ökonomik, fokussiert auf eine sich ausbreitende Ungleichheit und eine drohende Arbeitslosigkeit, die das System Marktwirtschaft ohne staatliche Eingriffe über die Maßen hinaus hervorbringt.
- Die staatliche Verschuldung erzeugt in gleicher Höhe private Vermögen. Wir vererben sowohl Schulden wie auch Vermögen an zukünftige Generationen.
- Der Staat sollte nicht Pleite gehen können, so wie es in der Eurozone möglich ist.
- Die heutige Austeritätspolitik erhöht die Arbeitslosigkeit.
- Ein Staat, der wie ein Bundesland keine risikofreien Anleihen begeben kann, sinkt auf den Status eines Bundeslands ab und verliert die Kontrolle über sein Wachstum.
- Der Staat kann Arbeitslosigkeit durch mehr Ausgaben beseitigen. Dazu braucht er keine Steuern, sondern ein geeignetes fiskalisches Arrangement.
- In der Eurozone fehlt eine fiskalische Institution, welche die Arbeitslosigkeit in schlechten Zeiten durch höhere Ausgaben bekämpft.
- Wir brauchen keine Ersparnisse, sondern Kredite, um Investitionen zu finanzieren. Das gilt auch für eine sozial-ökologische Transformation.
- Die Immobilien in Spanien und Irland wurden nicht mit deutschen Ersparnissen finanziert.
- Die Eurokrise ist keine „Staatsschuldenkrise“, sondern ein aus dem Ruder gelaufener Immobilienboom in Irland und Spanien mit „dickem Ende“. Zudem hat der Staat vor der Krise zu wenig ausgegeben und in der Krise dann diese Minderausgaben noch verschärft.
- Der Bankensektor sollte so reguliert werden, dass durch Kredite Investitionen finanziert werden, die das Gemeinwohl fördern. Erhöhte Produktivität in der Produktion ist dabei ein legitimes Motiv.
- Ein Leistungsbilanzüberschuss erhöht die Verschuldung des Auslands. Höhere Löhne und entsprechend stärkere Binnennachfrage reduzieren den Leistungsbilanzüberschuss.
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[title]Begriffe – Anmerkungen – Titel – Autoren[/title]
Bestand an Zentralbankgeld – Geldmenge – sektorale Makroökonomie – Devisenspekulationen – Carry Trades
1 Die aus der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung abgeleitete sektorale Grundgleichung lautet:(Sp – I): Veränderung der finanziellen Ersparnis des privaten Sektors
+ (T – G): Veränderung der finanziellen Ersparnis des öffentlichen Sektors
+ (IM – EX): Veränderung der finanziellen Ersparnis des externen Sektors (Rest der Welt)
= 0
2 Currency Carry Trade (auch CCT) ist eine Spekulationsstrategie, bei der ein Spekulant einen Kredit in einer Währung mit vergleichsweise niedrigem Zinsniveau aufnimmt, um davon Zinspapiere zu kaufen, die in einer anderen Währung mit höherem Zinsniveau notiert sind (Wikipedia). Ein Carry Trade ist also zunächst nichts anderes als der Verkauf einer Niedrigzinswährung. Der Ertrag aus dem Verkauf wird in eine Hochzinswährung investiert. Mit der Hochzinswährung erwirbt der Investor dann in der Regel Aktiva, die in dieser Währung gehandelt werden, also zum Beispiel Aktien.
3 Vgl. dazu im Kontext der Yen Carry Trades die Webseite Godmode-Trader.
4 Wir zählen das Werk von H-W Sinn ab 2015 dazu.
5 Wendl, Michael (2017): Mit der “Modern Monetary Theory” aus der Krise?. In: Sozialismus 43 (4), S.61-62
6 Palley, Thomas (2015): The critics of modern money theory (MMT) are right. In: Review of Political Economy 27 (1), S.45-61.
Wendl, Michael (2017): Mit der “Modern Monetary Theory” aus der Krise?. In: Sozialismus 43
Palley, Thomas (2015): The critics of modern money theory (MMT) are right. In: Review of Political Economy 27
Thomas Palley (* March 17, 1956)
Michael Wendl (* 29. Oktober 1950 in Mudersbach)
Wynne Alexander Hugh Godley (* 2. September 1926 in London; † 13. Mai 2010)
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