Was einst in des Teufels Küche als Substanz der zweiten Revolution der Wirtschaftsgeschichte buchstäblich zischte und brodelte, dieses ganze Gemisch aus Kohle, Erz und Stahl hatte eine gehörige, sinnliche Präsenz und drängte sich geradezu auf, sie in Beziehung zu setzen mit den Schaaren schuftender Menschen in den Stollen, Minen und an den Hochöfen. Was mit Hände Arbeit, hinzugezählt die unsichtbare Hand von A. Smith, in Evidenz produziert wurde, prangte wie ein Hochofen oder eine andere, kilometerlange Zechen- oder Hüttenanlage alsbald als Hochhaus in Manhattan oder als Eiffelturm in Paris.
Der historisierende Rückblick nimmt offensichtlich diese Erinnerungsbilder stets mit in den Vergleich und konkludiert, dass den großen Entwicklungssprüngen der industriellen Revolution, als beispielsweise mechanische Webstühle die Handarbeit ersetzten, Lokomotiven die Pferdestärken etc. heute kaum noch wahrnehmbare Entwicklungsschübe folgen. Legten die an der Arbeitsproduktivität messbaren Entwicklungssprünge in den Fünfzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts jährlich im Schnitt um fast sechs Prozent, in den Siebzigerjahren um mehr als vier Prozent zu, so betrug das Plus zu Beginn des neuen Jahrtausends lediglich noch zwei Prozent mit abnehmender Tendenz.
Natürlich kommen die Messmathematiker dann auch zu dem Schluss, wenn wie heute die Steigerung bei nurmehr einem Prozent angekommen ist, der Fortschritt gegenüber den rädertreibenden Maschinen allenfalls noch der Geschwindigkeit einer Schnecke entspricht. Und das inmitten des beginnenden Zeitalters der Digitalisierung, wo Rechnerleistung sich in immer kürzer werdenden Sprüngen erst verdoppelte, dann in Sprüngen stets verzehnfachte.
Fragt man das IfW1 nach den Unsicherheiten bei der Messung von Produktivität, dann räumt das Institut zwar eine Reihe von methodischen und statistischen Problemen und Unsicherheiten ein, die aber nicht ursächlich für den fallenden Trend im Produktivitätswachstum seien. Einmal und ein ganz zentraler Gesichtspunkt ist, dass für eine Reihe von Wirtschaftsaktivitäten, die in die Berechnung des BIP eingehen, keine beobachtbaren Markttransaktionen stattfinden. Wir haben soeben gesehen, dass der gesamte moderne Bereich der vernetzten Digitalisierung in diesen Bereich der preislich nicht messbaren Markttransaktionen angehört.
So müssen in Ermangelung echter Preisstellungen auf den Märkten sowohl Preise als auch Mengen geschätzt werden. Dies betrifft neben dem gesamten Bereich der Digitalisierung der Marktwirtschaft, also der größten Transformation der Wirtschaft, die es je gab z.B. auch geschätzte Mieten für selbstgenutztes Wohneigentum, die als bedeutender Posten in die Bruttowertschöpfung des Wirtschaftsbereichs „Grundstücks- und Wohnungswirtschaft“ eingehen.
Auch im öffentlichen Sektor, ebenso ein großer und sich stark verändernder Bereich, stößt die Produktivitätsmessung an erhebliche Grenzen, da definitionsgemäß oftmals keine Marktbeziehungen bestehen und so die Bedingungen für die Wertschöpfungsberechnung nicht erfüllt sind. Des Weiteren bestehen hohe
Unsicherheiten bei der Abschätzung der nicht sichtbaren Wertschöpfung des Finanzsektors2, hier sprechen wir von einem Bereich, der größer ist als die sog. Reale Wirtschaft und dies weltweit, von Versicherungsleistungen, ebenso ein riesiger Bereich, sowie aus Berücksichtigung von sogenannten Querfinanzierungsmodellen3. Wir bewegen uns also auf dem Boden eine geschätzte nominalen und realen Wertschöpfung bei einer Vielzahl von Aktivitäten ohne Markttransaktionen in erheblichen, preislichen, also geldwerten Umfang.
Nehmen wir weitere Unsicherheitsfaktoren wie etwa die Preisbereinigung der nominalen Wertschöpfung, die eine überragende Bedeutung für die Produktivitätsberechnung hat, mit hinzu, verschlechtert sich das Ergebnis deutlich. Gerade bei der Approximierung anhand von Warenkorbkonzepten hat die Aussagekraft der Preisindizes – und hier wiederum besonders bei den sich enorm schnell entwickelnden Informations- und Kommunikationstechnologien – geradezu Glaubenscharakter. Daran ändern auch nichts die diversen hedonischen Methoden bzw. Bereinigungsverfahren, die letztlich allesamt doch approximative Verfahren zur Bereinigung von Qualitätsänderungen bleiben.
Bei der Erfassung des Faktoreinsatzes multiplizieren sich die Unsicherheiten und approximativen Vagheit noch. So gibt es für die Kapitalstockmessung keine Bestandserhebung, sondern die Bestände werden modellgestützt mit der Perpetual-Inventory-Methode4 kumulativ fortgeschrieben. Ist die PIM allein für sich schon ein Buch mit sieben Siegeln, so potenziert sich die Unschärferelation der Aussagen besonders dadurch noch weiter, versucht man die Zuordnung von Produktionsfaktoren auf einzelne Wirtschaftszweige, die u.a. durch Leasingaktivitäten und Arbeitnehmerüberlassung (Zeitarbeit) verzerrt wird, sowie bei dem Versuch, den Einfluss von Produktivitätsentwicklungen von einzelnen Sektoren aufeinander zu berechnen.
Bekannt z.B. ist, dass die landwirtschaftliche Produktion der zur Zeit am höchsten digitalisierte Sektor in Deutschland wie auch in den USA ist. Satellitengestützte Navigationssystem kommen hier ebenso bei Aussaat, Wachstum und Ernte zu Einsatz wie ein Netz logistischer Optimierungen. Informations- und Kommunikationstechnologien sind in der Landwirtschaft fast schon zu einem System ‚Landwirtschaft 4.0‘ integriert; aber welchen messbaren Produktivitätszuwachs kann man hier feststellen?
Gleichwohl die Entwicklung der Produktivität im internationalen Vergleich vor noch größere Schwierigkeiten stellt, begeben wir uns ruhig weiterhin auf dieses Glatteis der Statistik, zumal ja alle Daten und alle Analysen sowie alle Bewertungen, auch unsere, auf demselben glatten Untergrund herumschlittern.
Wir dürfen daher mit einigem Konsens davon ausgehen, dass viele Ökonomen seit Gordon sich zunehmend daran gewöhnen müssen, dass unter Berücksichtigung der digitalen Transformation, die bisherigen Berechnungen des Produktivitätswachstums nach alter Schule der Neoklassik zunehmend defizient werden. Dies auch insbesondere dadurch, dass diese digitale Transformation mit der Durchdringung neuer Informationstechnologien und die Digitalisierung insgesamt immer mehr Bereiche der Wirtschaft erfasst. Nicht nur das, sondern die Digitalisierung durchdringt auch immer größere Teile des Dienstleistungssektors und der öffentlichen Verwaltung, natürlich auch die internationalen Finanzmärkte.
Effekte der Globalisierung werden in der neueren TFO durchaus berücksichtigt. Grob zwar, aber immerhin. Gewichten sollte man aber die Ergebnisse, nach denen z.B. die gewaltige Zunahme der Beschäftigten in Deutschland in den letzten Jahren einhergeht mit der Zunahme des Arbeitsvolumens sowie der Migrationsbewegung innereuropäisch wie von außerhalb, vor allem aus Syrien und Nordafrika. Auch wuchs das (gemessene) BIP in diesem Zeitraum an, allerdings nicht so stark wie in früheren Phasen konjunkturellen Aufschwungs. Für die Mathematik ist schnell klar, bei diesen Zusammenhängen fällt in der Summe der Produktivitätszuwachs geringer aus.
Die Kieler Mathematiker fanden heraus, dass die Arbeitsproduktivität zwischen 2004 und 2015 pro Jahr um 0,4 Prozent hätte höher ausfallen müssen, hätten da nicht einige auf den Faktor Arbeit durchschlagende Reformen und Veränderungen stattgefunden. Die Lohnzurückhaltung der Industriegewerkschaften, die Hartz-Reformen und der große Zustrom an Zuwanderern, zuerst aus krisengeplagten Ländern der EU, später Flüchtlinge aus Kriegs- und Katastrophenregionen, besonders in die niedrigeren Lohnbereiche des Arbeitsmarktes. Man mag sich streiten über Details in diesem Zusammenhang, der Zusammenhang als Ganzes aber zeigt an dieser Stelle schon die ganze Schwäche eines Systems, in dessen Berechnungsnotstand allein der Faktor Preis die entscheidende Rolle spielt.
Der Preis der Arbeit aber sagt so überhaupt nichts aus über die Arbeitsproduktivität, sondern nur, dass menschliche Arbeit relativ gesehen billiger geworden ist.
Auch die fast ins Lächerliche abgleitenden Schlüsse aus diesen Veränderungen, dass nämlich Unternehmen vermehrt Erwerbstätige einstellen, wenn Arbeit in ihren Augen wieder bezahlbarer wird mithin viele Firmen lieber neue Mitarbeiter engagieren, als in modernere Maschinen zu investieren, ist unbezahlbare Komik.
Nähme man die mathematischen Komiker Ernst, dann müssten alle Unternehmen, um größtmögliche Produktivität und somit auch Gewinn zu erreichen, auf ewig der Formel folgen: ein Mann an einer großen Maschine. Setzt man diese Formel als Index 100, dann stimmt auch die Rechnung, dass der Grund für den abnehmenden Produktivitätszuwachs in der Industrie wie z.B. bei Thyssenkrupp in Duisburg gesamtwirtschaftlich deshalb nicht mehr so stark ins Gewicht fallen, weil der Trend zur Dienstleistungsgesellschaft anwächst. Während er Anteil des produzierenden Gewerbes seit Jahrzehnten schwindet, nimmt umgekehrt reziprok die Bedeutung von Dienstleistungen ständig zu.
Der Anteil der Industrie an der gesamtwirtschaftlichen Produktion liegt nur noch bei rund einem Viertel, wohingegen der Servicesektor schon zwei Drittel der Wertschöpfung ausmacht; und wie immer bleibt es so, wer Äpfel mit Birnen addiert, erhält Mus.
Denn die schöne Formel besagt: ein Mann an einer Maschine ist z.B. in der Automobilproduktion die Grundlage für deren Fortschreibung in die Zukunft, also als Fortschritt betrachtet: immer weniger Menschen an immer größeren Maschinen. Oder mehr Autos mit weniger Beschäftigten. Warum gibt es dann noch Frisörsalons? Mit Kamm und Schere sind seit Ewigkeiten kaum Produktivitätszuwächse und Effizienzverbesserungen zu erreichen, oder? Und neben dem gesamten Servicebereich sind auch die administrativen Services basaler Büroarbeitsplätze kaum mit dieser Formel zu verbessern. Personalabbau im Büro kann nicht verglichen werden mit Prozessen der industriellen Produktion, vor allem nicht mit der Produktion von Massengütern und Fließbandproduktion bzw. modernem Produktionsprozess-Management bis hin zur Plattformökonomie.
Und warum denn nur strebt die chinesische Volkswirtschaft so stringent und nachhaltig weg von der industriellen Massenfertigung, ist ihr Schicksal damit doch besiegelt als ein Prozess sinkender Produktivität?
Ein weiterer Gegenwind für den Produktivitätszuwachs wäre der demografische Faktor. Nehmen wir nur die EU, USA und China in den Vergleich5, dann sehen wir, die Formel geht nicht auf. By the way, nach der Formel müssten Länder wie Kambodscha und Afghanistan die größten Produktivitätssprünge zur Zeit ausweisen; haben wir da etwas übersehen?
Die Erklärungen beim demografischen Faktor haben allesamt den Erkenntnis- und Unterhaltungswert von Blondinen-Witzen. So da wären: Mit dem Alter geht oft die Dynamik verloren. Das gilt nicht nur für Individuen, sondern auch für die Arbeitnehmerschaft als Ganzes. Mit zunehmendem Alter gewinnen Erfahrung, aber auch Risikoscheu die Oberhand. Länder mit überwiegend junger Bevölkerung legen ein anderes Tempo vor als alternde Gesellschaften, was sich nicht zuletzt in Wachstumsraten und Produktivitätsentwicklung niederschlägt.
Wie gesagt, Afghanistan und Kambodscha beweisen das ja tagtäglich. China, USA und Amerika sind ja alternde Gesellschaften, wobei, nimmt man die Kieler Mathematik beim Wort, dann wäre ja die ideale Volkswirtschaft eine aus lauter pubertierenden Fünfzehnjährigen. Dann bräuchte es in der Ärzte- und Apothekerschaft sowie in der Medizintechnik allenfalls noch Versandapotheken für Schnupfen- und Akne Mittel und zur Sprechstunde kämen Lern-, Konzentrations- und Errektionsstörungen.
Da ist doch gesamtwirtschaftlich gesehen eine alternde Gesellschaft von erheblichen Vorteilen; Alte produzieren viel mehr Krankheiten als Junge. Das wissen Ärzte und die Siemens Healtheneers noch zu schätzen und allein der Medikamentenumsatz macht fast fünfzig Milliarden in Deutschland pro Jahr; nicht schlecht.
Dass junge Menschen gegenüber neuen Technologien wie generell Neuem gegenüber aufgeschlossener sind, als alte Menschen ist auch so eine Mär. Junge Menschen interessieren sich für alles Mögliche, was es gibt und daddeln sich an ihren Smartphones, die Papa bezahlt hat, vor jeden Laternenpfahl. Wo da Produktivitätszuwachs liegen soll, sieht man von den Umsätzen bei Ärzten und Medikamente gegen Kopfschmerz und Gehirnerschütterung einmal ab, bleibt ein mathematisches Geheimnis. Kopfschmerzen bereitet einem auch die Conclusio, die Experten für die langsamere Gangart vieler westlicher Gesellschaften bei der Produktivitätsentwicklung delirieren, dass nämlich neue Technologien auf eine immer älter werdende Belegschaft stoßen. Und die tut sich naturgemäß schwerer damit, Neues zu akzeptieren. Das schlägt sich, so führt diese seltsame Art Denkschule weiter aus, auch in der Produktivitätsentwicklung nieder.
Soeben erfuhren wir noch, dass der Rückgang der Industrieproduktion reziprok zum Anstieg von Dienstleistungen des Teufels Küche wäre, nun will man uns genau dieses Süppchen löffeln sehen. Vollends delirant wird es dann, wenn es in die Asymmetrie der volkswirtschaftlichen Strukturen von Deutschland im Vergleich zu den angelsächsischen Ländern geht. Was an Deutschlands mittelständiger Unternehmensstruktur hier über den Klee gelobt wird, wird, geht es wieder um den technischen Fortschritt mit einem Mal zum fatalen Nachteil.
Da wird die These in den Raum gestellt, dass über das Ausmaß, wie Computer und Digitaltechnik die Wirtschaft durchdringen, nicht zuletzt die Größe der Unternehmen entscheidet. Auf welcher empirischen Basis ist der Mist gewachsen? Dann fährt man im deutschen Finanzministerium fort: Die Firmenlandschaft in Großbritannien oder den Vereinigten Staaten sei geprägt von global agierenden Großunternehmen. Von welchen Ländern und Unternehmen spricht das Ministerium? In den USA gibt es in der Tat die sog. fünf weltweit größten IT-Konzerne – und eine Reihe weiterer Techriesen unter den Top Einhundert. Aber was wird denn gezählt? Gezählt wird die Marktkapitalisierung, aber nicht, was diese Unternehmen tatsächlich zum BIP und zur Pro-Kopf-Produktivität beitragen. Laut PwC-Studie (PricewaterhouseCoopers) lag in 2017 die Marktkapitalisierung von Apple, Alphabet und Microsoft sowie den zwölf weiteren IT Unternehmen im Top-100 Ranking bei rund 3,6 Billionen US-Dollar und lag damit knapp vor dem Finanzsektor.
Wie wir bereits mehrfach nachgewiesen haben, sind solche Zahlen bezüglich des Finanzsektor maßlos unterbewertet wie die Marktkapitalisierung nichts anderes ist als eine maßlose Überbewertung des Goodwills dieser Techgiganten.
Wenn behauptet wird die US- und angelsächsischen Großunternehmen könnten ihre innere Verwaltung einfacher mit der neuesten Computertechnologie ausstatten, dann ist das eine schöne Fantasie, mithin, von welchen Unternehmen wird hier gesprochen? Die amerikanischen und englischen (inkl. den schottischen) Großbanken, Rolls Royce, General Motors, Ford, General Electric, die amerikanischen Handelsgiganten wie Wall Mart oder das englische Kaufhaus Harrods usw. können ja wohl nicht gemeint sein.
Was um Himmels willen will der in Deutschland dominierende Mittelstand auch mit dem letzten Schrei an IT-Technologie? Und von einer Industrie 4.0 sind wir im deutschen Mittelstand wie in den angelsächsischen Großunternehmen gleich weit entfernt, eher sogar in Deutschland näher dran, als in der angelsächsischen Industrieproduktion. Und kunterbunt in den Erklärungen geht es weiter. Da wird der weltweit angesehenen dualen Ausbildung gehuldigt, mittels der die deutschen Unternehmen, gleichgültig ob große oder kleine, über einen im Vergleich zum Ausland hervorragend ausgebildeten Mitarbeiterstamm verfügen, um sogleich festzustellen, dass qualifizierte Jobs nicht so schnell Rationalisierungsmaßnahmen zum Opfer fallen wie Tätigkeiten für Ungelernte und also deshalb die Produktivität hier leide.
Das Staunen über derart unberechenbaren Erklärungsnotstand findet seinen Höhepunkt im Argument der Geldpolitik, als die dort seit Jahren niedrigen Zinsen sich dämpfend auf die Produktivitätsentwicklung auswirken sollen. Wie das, fragt man sich, sind doch niedrige Zinsen stets die Absicht der Notenbanken, um Investitionen zu erleichtern, vor allem in den technischen Fortschritt? Wenig verlegen kann die Erklärung für abnehmende Produktivität bei sinkenden Zinsen natürlich nur in kaufmännischer Umnachtung begründet sein.
Sinkende Zinsen führen dann das Management in Unternehmen zu der Entscheidung, gerade dann, wenn sie am günstigsten zu finanzieren wäre, eben nicht die modernste Technik anzuschaffen und lieber an unrentablen Produktionsweisen festzuhalten. Hält also die Notenbank die Zinsen für längere Zeit auf niedrigem Niveau, läuft die Wirtschaft Gefahr, dass immer mehr Geld in solche, normalerweise unrentablen Anlagen fließt, die auf Dauer die Produktivitätsentwicklung drosseln. Ökonomen sprechen in diesem Zusammenhang von Fehlallokation.
Es fällt schwer, sich dieses sich selbst schädigende Management auch nur ansatzweise vorzustellen, selbst in nicht kontrollierten Kleinunternehmen. Was dagegen durchaus stattfindet, vor allem in Wirtschaftsformen wie den Staatskapitalismus in China, ist, dass mit billigen Finanzierungsmöglichkeiten die Notenbanken Unternehmen über Wasser halten, die im Normalfall längst nicht mehr überlebensfähig wären. Solche Zombiefirmen weisen im Vergleich zu wettbewerbsfähigen Konkurrenten eine geringe Produktivität auf. Werden schwache Unternehmen massenhaft am Leben gehalten, dämpfen sie die gesamtwirtschaftliche Produktivitätsentwicklung. Sinkende Arbeitsproduktivität ist aber in diesen Fällen kein Phänomen des Faktors Arbeit oder gar ein Marktphänomen; offensichtlich nicht.
In Marktwirtschaften kann eine Nullzinspolitik durchaus andere als stimulierende Wirkungen zeitigen. Diese Wirkungen betreffen aber mehr die Aktienmärkte und damit die Marktkapitalisierung der Unternehmen, aber weniger direkt wirkt sie hier in der Realwirtschaft als eine dauerhafte Belastung. Wenn zusammengewürfelte, defizitäre Berechnungen und krampfhaft in alten Kisten suchende Erklärungen zusammenfinden, darf man sich nicht wundern, wenn die Ergebnisse einen Schüttelreim an Ungereimtheiten bilden.
Wir haben zusammenfassend einige der durch Ökonomen und Politik üblicherweise gebrauchten Erklärungsansätze für eine weltweit nachlassende Arbeitsproduktivität angesprochen. Da die Ermittlung des technischen Fortschritts nach wie vor lediglich als ein residualer Faktor imponiert ist es folgerichtig auch zu behaupten, dass dieser nicht präzise berechenbare Einflüsse auf andere Faktoren der Totalen Faktorproduktivität ausübt. Bei allen ökonomischen Erklärungsansätzen spielt die Digitalisierung eine bedeutende Rolle. Ihr werden wir später ein eigenes Kapital daher widmen.
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[title]Begriffe – Anmerkungen – Titel – Autoren[/title]
Markttransaktionen – nominale Wertschöpfung – Preisindizes – Fehlallokation
1 Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW)
2 Financial Intermediation Services Indirectly Measured – FISIM
3 Siehe Monatsbericht des BMF (Bundesministerium der Finanzen), Oktober 2017
4 Kumulationsmethode. Ermittlungsmethode für Bestandsgrössen durch Fortschreibung der Werte aus der Vorperiode mit Hilfe der Zu-und Abgänge: Endbestand = Anfangsbestand + Zugang Abgang. In Deutschland werden im Rahmen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) die um Abschreibungen bereinigten Investitionszeitreihen anhand der Perpetual-Inventory-Methode in Form des Bruttoanlage- und des Nettoanlagevermögens ausgewiesen.
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Chart hier auch als PDF.
Bei einer Unterscheidung von verschiedenen Altersgruppen fällt der Gruppe der 15- bis unter 65-Jährigen eine besondere Rolle zu, da diese Gruppe zentral für die sozialen Sicherungssysteme und die ökonomische Leistungsfähigkeit eines Staates ist. Je größer der Anteil der mittleren Generation an der Gesamtbevölkerung ist, desto leichter kann sie ihre Versorgungsaufgaben gegenüber den jüngeren und älteren Teilen der Gesellschaft wahrnehmen – auch wenn die Altersstruktur nicht der einzige Faktor ist, der in diesem Zusammenhang relevant ist.
Nach Angaben von Eurostat ist der Anteil der 15- bis unter 65-Jährigen an der Gesamtbevölkerung der 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-28) zwischen 1985 und 2015 stabil geblieben (66,5 bzw. 65,5 Prozent). Allerdings wird sich der Anteil bis zum Jahr 2060 um 8,9 Prozentpunkte auf 56,6 Prozent reduzieren. Zudem haben bezogen auf die jüngere und die ältere Altersgruppe schon früher Veränderungen eingesetzt: Der Anteil der unter 15-Jährigen an der Gesamtbevölkerung der EU-28 sank zwischen 1985 und 2015 von 20,7 auf 15,6 Prozent und wird bis 2060 weiter auf 15,0 Prozent abnehmen. Auf der anderen Seite wird im Jahr 2060 deutlich mehr als jede vierte Person 65 Jahre oder älter sein (28,4 Prozent). 2015 galt dies nur für jede fünfte, 1985 sogar nur für jede achte Person (18,9 bzw. 12,8 Prozent). Gleichzeitig erhöhte sich der Anteil der 80-Jährigen und Älteren von 2,6 Prozent 1985 auf 5,3 Prozent 2015 und wird weiter auf 11,8 Prozent im Jahr 2060 steigen – das heißt, dass 2060 fast jede achte Person 80 Jahre oder älter sein wird.
In abgemilderter Form gibt es diese Entwicklung auch in den USA. Hier reduzierte sich der Anteil der unter 15-Jährigen an der Gesamtbevölkerung von 21,6 Prozent 1985 auf 19,0 Prozent 2015 und bis 2060 wird er auf 17,4 Prozent abnehmen. 1950 gehörte mit 27,0 Prozent noch mehr als jede vierte Person in den USA zu der Gruppe der unter 15-Jährigen. Wie in der EU hat sich der Anteil der 65-Jährigen und Älteren stetig erhöht: Zunächst von 8,3 Prozent 1950 auf 12,0 Prozent 1985 und dann weiter auf 14,8 Prozent im Jahr 2015. Für die Zukunft nimmt das Department of Economic and Social Affairs (UN/DESA) eine Steigerung des Anteils auf 23,5 Prozent bis zum Jahr 2060 an. Damit wird 2060 fast jede vierte Person in den USA 65 Jahre oder älter sein – jede zwölfte wird dabei sogar 80 Jahre oder älter sein.
Auch wenn die Entwicklung der Altersstruktur in China grundsätzlich ähnlich verläuft wie die Entwicklung in der EU bzw. den USA, sind die Veränderungen noch sehr viel ausgeprägter: 1950 gehörten 34,3 Prozent der Bevölkerung zur Gruppe der unter 15-Jährigen (1975 sogar 40,1 Prozent), nur jeder Zweiundzwanzigste war 65 Jahre oder älter (4,5 Prozent) und die 80-Jährigen oder Älteren spielten mit 0,3 Prozent eine zu vernachlässigende Rolle. Bis 2015 halbierte sich der Anteil, den die unter 15-Jährigen an der Gesamtbevölkerung haben, auf 17,2 Prozent und er wird laut UN/DESA bis 2060 weiter auf 13,2 Prozent sinken. Der Anteil der 65-Jährigen und Älteren an der Gesamtbevölkerung verdoppelte sich hingegen zwischen 1950 und 2015 von 4,5 auf 9,6 Prozent und für das Jahr 2060 wurde eine Verdreifachung auf 32,9 Prozent berechnet – dabei wird jede neunte Person 80-Jahre oder älter sein (11,1 Prozent).
Datenquelle
United Nations – Department of Economic and Social Affairs, Population Division (2015): World Population Prospects: The 2015 Revision; Eurostat: Online-Datenbank: Bevölkerung (10/2016); European Commission: The 2015 Ageing Report
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