Paradebeispiel: Aktienrückkauf

Wie haben uns gewundert, dass die neoklassischen Theorien sich nie die Frage gestellt haben, warum es überhaupt einen Markt bzw. eine Marktwirtschaft gibt? Wenn alles nur Tausch wäre, woher kommt dann die unglaubliche Dynamik in den Märkten, die unübersichtliche Vielfalt der Waren und Güter, die geradezu sagenhafte Innovationsgeschwindigkeit effizienterer Produktion, die Lohnzuwächse usw? Aus dem Tausch, wie wir sahen, alleine nicht.

Erlauben wir uns einen Blick auf das, was aktuell an den Finanzmärkten geschieht, ganz besonders an den US Aktienmärkten. Das Jahr 2018 wird ein Rekordjahr bei Aktienrückkäufen. Aktienrückkäufe sind in neoklassischer Terminologie formuliert, eine Veringerung der Anteilsscheine eines Unternehmens und damit eine Verknappung des Angebots. Und dies bedeutet ebenso, dass selbst bei einer geringeren Nachfrage die Aktienkurse hoch bleiben, also Investoren höhere Preise für einen Anteilsschein zahlen müssen.

Waren diese Rückkaufprogramme von Aktien US-amerikanischer Unternehmen im Jahr noch auf 520 Mrd. US-Dollar gestiegen, steigen sie voraussichtlich in 2018 auf weitere 800 Mrd. US$. Analysten, also keine Investoren, sondern Anhänger einer volkwirtschaftlichen Theorie, die eine Marktsituation bewerten, indem sie Aktienanzahl und Preis pro Aktie sowie Kursverläufe berechnen, sind, ganz nach der Lehre von Angebot und Nachfrage begeisterte Anhänger solcher Rückkäufe. In ihren Augen gleicht ein Unternehmen damit eine mangelnde Nachfrage, vor allem von großen institutionellen Anleger wie Aktien- und Pensionsfonds aus, halten so den Preis pro Aktie hoch.

Diese Kurspflege genannten Marktaktivitäten des Managements vor allem großer Konzerne und Monopolisten in den USA, derzeit vor allem aus der IT-Branche und der digitalen Plattform- und Clouddienstleistungsanbieter dürfen aber durchaus anders als von den Analysten bewertet werden. Einmal abgesehen von Tesla, dessen Milliardeninvestitionen in e-Mobilität noch weit weg von einer Marktreife zu sein scheinen, halten andere Unternehmen einfach nur Investivkapital zurück, binden es im Unternehmen.

Langfristig orientierte Investoren sind alarmiert, zeigen die Rückkaufprogramme doch, dass es dem Management an Ideen für lukrative Investments fehlt bzw. ihre Finanzentscheidungen sich mehr am Aktienkurs und ihren damit verbundenen Boni orientieren. Der hohe Aktienkurs dieser Unternehmen muss also kein Spiegelbild einer gesunden Verfassung des Unternehmens sein, sondern ist als das Ergebnis eines künstlich verknappten Angebots an Aktien eher ein unternehmerisches Armutszeugnis oder ein Offenbarungseid, Innovationen und langfristige Ausrichtung des Unternehmens mithin dessen Zweck betreffend.

Wenn also große Fonds ihre Nachfrage nach Aktien zurückfahren, heißt dies nichts anderes, als dass sie nicht in diese Unternehmen langfristig investieren möchten und dass folglich die Aktien und die dahinter stehenden Unternehmen weit weniger begehrenswert sind, als der Börsenkurs vorgaukelt. Aktienrückkäufe aber ersetzen mitnichten unternehmerisches Handeln und den Unternehmenszweck. Wenn keine neuen Werke gebaut, keine neuen Technologien für den Markt oder für die Verbesserung der eigenen Produktion entwickelt werden, keine neuen Märkte auf- und ausgebaut werden etc. sagt der Aktienkurs und somit die reine Berechnung von Angebot und Nachfrage in den üblichen Kurskennzahlen wie etwa Rendite pro Aktie nicht mehr viel.

Betrübliche Vorbilder solcher Unternehmen, die im Verlauf ihrer Geschichte anstelle in zukunftsträchtige Technologien, Produkte oder Märkte zu investieren, überdurchschnittlich viele Aktien zurückgekauft haben, gibt es einige. Und die nennt der Jargon nicht zu Unrecht gefallenen Sterne. Solche „roten Riesen“ waren in der Vergangenheit z.B. so illustre Namen wie etwa General Electric, IBM, Nokia, Motorola oder Blackberry. Sie alle strahlen kaum noch oder nicht mehr, sind nur noch ein Schatten ihrer selbst1.

Warum kommt es gerade jetzt zu dieser Häufung von Aktienrückkäufen? Die Antwort ist einfach: Mit der jüngsten Senkung der Unternehmensteuern und den steuerlichen Anreizen, die der US Präsident Donald Trump 2107 verfügt hat, regnet es Geld in Milliardengrößen herab auf die amerikanischen Unternehmen. Laut Schätzungen liegt die Summe für die eingesparten Unternehmensteuern bei etwa 1,5 Billionen US-Dollar, die für das rückkehrende Kapital bei insgesamt bis zu zwei Billionen US-Dollar.

Was Trump sich vorstellte, war nichts anderes als das alte neoklassische Theorem, dass Geld in jedem Fall Jobs schafft, weil Geld investiert wird, die Produktion ankurbelt, der Output Nachfrage und Arbeitsplätze schafft. Dank Trump haben die Unternehmen sehr viel Geld. Aber keine Ideen, es zu investieren, jedenfalls nicht in langfristig rentable bzw. profitable Investitionsprojekte. Wenn nun also weder das Management noch die bestehenden Aktionäre, die ja auch von den Rückkaufprogrammen qua Wertsteigerung ihrer Anteile profitieren, in solche Zukunftsprojekte investieren, dann bleibt unternehmerische Handeln aus und bleiben Jobs perdu.
Langfristig kann dies auch für „Altaktionäre defizitär werden. Denn ob der Aktienkurs ohne langfristig orientiertes Management auf dem hohen Niveau bleibt, steht doch arg im Zweifel.

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Analystengefallene Sterne


1 Manchmal gibt es auch absurde Auswüchse, bei denen Unternehmen mehr für den Rückkauf der Aktien ausgeben, als sie an Gewinn erwirtschaftet haben. Nach Berechnungen des Ökonomieprofessors Bill Lazonick hat etwa Hewlett-Packard zwischen 2007 und 2016 insgesamt 57 Milliarden für Rückkäufe ausgegeben, obwohl der Konzern im selben Zeitraum nur 44 Milliarden Dollar Gewinn gemacht hat.


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