Eine historische Brücke zu schlagen zwischen der Praxis der Kommodifizierung und der Allmende1, insofern die Privatisierung dieser Form gemeinschaftlichen Eigentums den Anfang bildet für eine fortgeschrittene Marktwirtschaft, ist unzulässig. Zulässig ist aber der Verweis darauf, dass Marktwirtschaft keinen Lebensbereich des Menschen per se außerhalb ihres Zugriffs beläßt, ja belassen kann.
Unter ihrem engen Blickwinkel der wirtschaftlichen Effizienz, haben sich bis heute die privatwirtschaftlichen Nutzungen gegenüber Formen der kollektiven Nutzung weitgehend als deutlich überlegen erwiesen. Überlegen insofern, als in punkto Schnelligkeit der Kosten-Amortisation und Profitabilität die private Nutzung im Vorteil ist.
Die Umwandlung eines der allgemeinen Nutzung offen stehenden Areals in eine privatwirtschaftliche Nutzung, wobei festzuhalten ist, dass es nicht um „private“, sondern um durch privatrechtliche Verfügung der wirtschaftlichen Nutzung zugeführt meint, begann bereits im 18. Jhd. und nahm im darauf folgenden enorm an Fahrt auf. Diese Umwandlung, Kommodifizierung (engl. commons), ist leider im geschichtlichen Bewusstsein eng mit der Agrarreform bis heute verbunden geblieben. Die nach englischem Vorbild durchgeführten Flurbereinigungen, auch Separationen, Markenteilung oder Verkoppelungen genannt, standen anfangs Nutzungsberechtigten, meistens ansässigen Bauern zur Verfügung.
Das vormals gemeinschaftlich genbutzte Eigentum erschwerte aufgrund der unterschiedlichen Nutzungsberechtigungen eine intensive Bewirtschaftung, die nach der Privatisierung enorme Produktivitätssteigerungen vor allem in England im 18. bis 19.Jhd. verzeichnete. Bis heute gilt die Ansicht, dass die Privatisierung von Allmende gleichbedeutend ist mit höherer Effizienz der Bewirtschaftung und in der Folge mit größerer Produktivität und Rendite.
Was einst nur im Zusammenhang mit der „Gemeinheitsteilung“ resp. Markenteilung stand, firmiert heute als ein generelles Prinzip effizienten Wirtschaftens. Mit der Privatisierung der Allmende hat sich in den westlichen Industrienationen dieses generelle Prinzip der privatechtlichen Nutzung als die Form effizienteren Wirtschaftens durchgesetzt. Effizienz dominiert also den Diskurs. Und mit der Effizienz ist nicht nur die private Nutzung, sondern auch die Wertschöpfung durch bezahlte Arbeit, also Erwerbsarbeit konnotiert.
Was nicht Erwerbsarbeit ist, ist auch nicht Teil der Wertschöpfung durch Arbeit. Die Ökonomik trennt seit ihrem Beginn schon recht präzise zwischen einem ökonomischen Innenverhältnis und einem nicht-ökonomischen Außenverhältnis. Im Gegensatz zur Erwerbsarbeit steht deshalb auch die unbezahlte resp. die soziale bzw. fürsorgliche Arbeit. Unbezahlte Arbeit (unpaid labor) firmiert heute als ein Sammelbegriff für alle jene Tätigkeiten, die, mittlerweile zwar als produktive Tätigkeiten angesehen werden, als keine entgeltlichen Vergütung erhalten2.
Soweit diese Form der Arbeit im Sinne eines gesellschaftlichen Nutzens oder eines Gemeinwohls als ein politisches Moratorium verstanden wird, folgen wir der ökonomischen Logik. Dann kann man unbezahlte, produktive Arbeit einer monetären Bewertung unterziehen und als virtuelle Wertform definieren, insofern ihr der Wert der von Dritten bezahlten Löhne und Vergütungen entspricht.
Die prominentesten Beispiele für diese Art von Arbeit im Sinne gesellschaftlichen Nutzens bzw. gesellschaftlicher Reproduktion zählen sicherlich die meist von Frauen erbrachten häuslichen Leistungen – Ernährung – Erziehung – Pflege – Haushalt – Bildung (zu großen Teilen sowohl soziale wie auch geistige bzw. künstlerische Bildung etc.) sowie weite Bereiche der Kulturarbeit wie das Ehrenamt.
Nicht übersehen werden aber sollte bei dieser monetären Bewertung unbezahlter, produktiver Arbeit als virtuelle Wertform, dass der Preis für die ökonomische Bewertung dieser Tätigkeiten ein ganz anderer als ein monetärer Preis ist. Gesamtgesellschaftlich wie kulturell gesehen ist die Tragödie der ökonomischen Übersetzung wie auch die faktische Transformation von Arbeit vom gesellschaftlichen Nutzen zur privatrechtlichen Nutzung, worin die Allmende ein wichtiges Teilgebiet ist, dass mit der terminologischen Übersetzung und der faktischen Transformation sowohl das Bewusstsein der gemeinschaftlichen Nutzung wie auch die Wirklichkeit kollektiver, am Gemeinwohl orientierter Praxis aus einer anderen, als der ökonomischen Bewertung verschwinden.
Es wäre und ist zu einfach, gleichsam als eine Form residualer Wertform, unbezahlte, produktive Arbeit in bezahlte Arbeit zu verwandeln. Gewiss ist die Überführung von Haus- und Kulturarbeit in eine marktwirtschaftliche Wertform ein willkommenes Gerechtigkeitssujet im politischen Diskurs, als reelle Wertform aber unter den herrschenden politischen Bedingungen, unter denen Marktwirtschaft stattfindet, aber nicht realisierbar.
Für uns kommt es in diesem Zusammenhang einzig darauf an, die Grenzen der Kapitalisierung an der Grenze zwischen unbezahlter Arbeit zur Reproduktion und kulturellen Entwicklung einer Gesellschaft und bezahlter Erwerbsarbeit aufzuzeigen. Geht die Ökonomik seit dreihundert Jahren bis heute davon aus, dass sich ein Transfer lohnt und dass dieser auch möglich ist, dann ist dieser Ansatz wie das Prinzip der Kommodifizierung, in unserer Terminologie der Kapitalisierung, gleichbedeutend mit marktwirtschaftlicher Produktion. Arbeit firmiert dort als Erwerbsarbeit, die selbst wiederum als handelbare Arbeit einen Marktwert hat, der eine Differenz zwischen erbrachter und von Dritten veräußerter Arbeitswerte, Waren oder Dienstleistungen, definiert.
Bei der häuslichen Arbeit ist die Sachlage einfach. Sie definiert keine Ware, allenfalls eine Art virtueller Ware, deren Markt ebenso ein virtueller Markt ist, auf dem sie ein virtuelles Einkommen im partnerschaftlichen oder Ehe-Kontext bezieht. Würde man, wie dies in den letzten Jahrzehnten desöfteren geschehen, häusliche Arbeit als virtuelle Ware bestimmen, also deren Wert auf der Grundlage eines virtuellen Warentausches wie in der Ökonomik gleich aller Waren auf ihren Geldwert als einheitliches Maß reduzieren, wäre wie in der gesamten Welt der Warenproduktion auch hausliche Arbeit ein Wert, dessen Effizienz unter einer Kosten-Nutzen-Analyse betrachtet werden könnte.
Und dies geschieht ja zunehmend so, wenn soziale Partnerschaften als „Zugewinngemeinschaften“ betrachtet werden. Wir sehen aber recht leicht, dass die „Veräußerung“ einer häuslichen Arbeitskraft nur schwerlich gelingt. Nicht, weil sie virtuell auf einem virtuellen Markt nur stattfindet, sondern weil häusliche Arbeit gar keine Arbeit im privatrechtlichen Sinne sein kann. Auch deshalb nicht, weil sich aus ihr auch keine eigentumsrechtlichen Sachverhalte ableiten lassen wie etwa Privatvermögen und Besitz3.
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[title]Begriffe – Anmerkungen – Titel – Autoren[/title]
Allmende – Agrarreform – unbezahlte, produktive Arbeit
1 Allmende bezeichnet eine Form gemeinschaftlichen Eigentums. Besonders als landwirtschaftlicher Begriff bezeichnet Allmende oder „Gemeine Mark“ Gemeinschafts- oder Genossenschaftsbesitz abseits der parzellierten (in Fluren aufgeteilten) landwirtschaftlichen Nutzfläche. Siehe Martin Born: Geographie der ländlichen Siedlungen. 1977, ISBN 3-443-07104-X, S. 34.
2 Wir schließen uns der Bestimmung von Reid (1934, S. 11 f. an, wonach unbezahlte, produktive Arbeit von etwa Freizeitaktivitäten im Sinne von unbezahlter, unproduktiver Arbeit zu unterscheiden ist. Diese Unterscheidung wird auch „Dritt-Person-Kriterium“ genannt, wonach als unbezahlte, produktive Arbeit jene Tätigkeiten gelten, die durch eine bezahlte Tätigkeit oder Dienstleitung, die von „Dritten“ erbracht werden kann, gleichgesetzt ist.
3 Wir werden an anderer Stelle auf den Konnex zwischen Eigentum und gesellschaftlicher Entwicklung zurückkommen.
Reid, Margret G. (1934). Economics of Houshold Production. London: John Wiley & Sons.
Margaret Gilpin Reid (*1896, Cardale, Manitoba in Canada † 1991)
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