Wissen – Vom Privateigentum zum Monopol

Der Titelzusatz: Vom Privateigentum zum Monopol, man könnte meinen, will provozieren; dass will er nicht. Im gängigen Diskurs wird heute fast überall ein Gegensatz zwischen privat und Monopol herausgedichtet, den es aber nicht gibt, ausser zur Beförderung ideologischer Absichten. Bereits in der griechischen Antike war das Monopol die ultimative Erscheinungsform der „idiotes“, also der der Gesellschaft abhanden gekommenen Menschen, der Privatmänner. Das griechische „Monopol“ setzt sich zusammen aus: μόνος monos „allein“ und πωλεῖν pōlein „verkaufen“.
Von dort übernommen gilt heute noch in der Ökonomik das Monopol also eine Marktform, die dadurch gekennzeichnet ist, dass für ein ökonomisches Gut nur ein „Verkäufer“, ein Anbieter vorhanden ist; sehen wir einmal von den Plagiaten ab.

Anbieter- oder Verkäufermärkte stehen heute jener Marktform gegenüber, auf der es nur einen Käufer oder Nachfrager gibt. Ein Nachfragemonopol müsste, setzte man die etymologisch richtige Verbform anstelle des pōlein „verkaufen“ einsetzte die Bezeichnung: Monopson tragen1.
Wissen kann weder der Marktform des Monopols noch der des Monopsons zugeordnet werden. Weder sind wissensbasierte, geistige Schöpfungen ein knappes Gut, noch ist ein vermeintlicher Besitzer eines formalrechtlich gezeichneten geistigen Eigentums ontologisch ein Monopolist – wir kommen später auf die Kunstwerke der bildenden im Unterschied zu denen der darstellenden Kunst gesondert zurück.

Blicken wir zurück in die Zeit der Aufklärung, dann sehen wir, dass durchaus ein Bewusstsein bestand hinsichtlich der Problematik, Wissen als ein ökonomisches Gut zu definieren. Fichte hat bereits daruf hingewiesen, dass, betrachtet man Wissen als ein ökonomisches Gut, man zwischen Form bzw. Ausdruck und Inhalt zu unterscheiden hat. Wenn überhaupt, dann kann der Schriftsteller für den Teil des Werkes, welcher die Form bzw. den von ihm erbrachten Ausdruck betrifft, Eigentumsrechte, nicht aber für den Inhalt geltend machen2. Das konnte natürlich keinen Ausweg aus der Falle des privaten Eigentumsrechtes weisen, viel zu verstrickt in den aufkommenden Subjektivismus seiner Zeit war auch der prominente Vertreter des Deutschen Idealismus und der am Begriff des Ich ausgerichteten Wissenschaftslehre.

Ihr Vorbild war sicherlich Kants Kritik der reinen Vernunft sowie dessen Transzendentale Ästhetik, worin die Grundlegung neuzeitlicher Subjektivität vorgestellt wurde. Gleichwohl alle menschliche Erkenntnis und somit Wissen ihre Grundlage darin haben, was allen Menschen gemein ist, die Prinzipien der sinnlichen Wahrnehmung, die unabhängig sind von der jeweiligen Erfahrung des einzelnen Menschen, also apriori allen Menschen gegeben sind, so sind zwar die Vorstellungen von Raum und Zeit, die Fähigkeiten, Formen zu erkennen, sowie die erfahrbare Welt nach bestimmten Verhältnissen zu ordnen allesamt a priori im Menschen aktiv, trotzdem gehören sie zur Grundausstattung menschlicher Vernunft und definieren ab der Zeit der Aufklärung dessen Subjektivität.

Menschliche Erkenntnis, Wissen und somit alle intellektuellen Leistungen sind nach der Vorstellung des Deutschen Idealismus letztlich subjektiv im ontologischen Sinne, also eine Form der individuellen Weltauslegung und begründen damit einen gemeinsamen Kern, der Autorschaft, Erkenntnis und Subjektivität mit einander verbindet.

Wenn Fichte also lediglich dem Ausdruck Eigentunmsrechte zubilligt, dann stellt sich weniger die Frage, wie denn die Form vom Inhalt sauber zu trennen sei? Prinzipiell kann jeder Schriftsteller werden, aber nicht jeder wird einer. Wenn also jemand es zum Schriftsteller gebracht hat, dann ist es auch sein Talent, seine Fähigkeit. Daraus leitet sich seit der Aufklärung auch ein Rechtsanspruch auf das Werk und dessen Verbreitung bzw. dessen Nutzung ab. Und diese Nutzung muss natürlich dem Autor vergütet werden, oder etwa nicht?
Die Frage also ist, ob und wenn ja, wie menschliche Erkenntnis, Wissen und die darstellenden Künste zusammenhängen, dass sich daraus eine Begründung und eine Legitimation für deren Kommodifizierung ergibt, die es als ein Gut bzw. als ein Ergebnis monetär zu bewertenden Arbeit und somit als einen Vermarktungsgegenstand bestimmt?

Seit Diderots Plädoyer für die Eigentumsrechte an Wissen, gibt es auch eine Gegenbewegung der Bedenklichkeit. Solche Bedenklichkeiten betreffen die wesentlichen Aspekte und Eigenschaften jeglicher Warenform, die sich einmal als jene Merkmale herausarbeiten lassen, die eine Ware zu einer Ware überhaupt erst werden lassen. Dann ist die Ware in ihrer historischen Form zu bedenken und schließlich die einer Ware entsprechende Marktform.

Was eine Ware überhaupt zu einer Ware macht, haben wir gesehen in der Bestimmung der Ware aus einer nicht-ökonomischen Bedingung, der Rechtsform, die das Privateigentum an einer Sache belegt. Dass man Wissen in Form eines Privateigentums organisieren kann, hat die Geschichte belegt. Ob aber Wissen eine „Sache“ mithin Ware allein deshalb schon ist, ist damit noch nicht bestimmt, im Gegenteil. Wissen ist ein kulturelles Gut.

Bedenken wir eine Eigenschaft der Ware, deren begrenztes Vorkommen oder deren Knappheit. Wenn Wissen ein kulturelles Gut ist, dann ist es nicht knapp. Denn, entgegen einem weit verbreiteten Irrtum, ist Knappheit im ökonomischen Sinne nicht eine empirisch-faktische Knappheit, ein Vorhanden-sein. Knappheit entsteht im Tausch, also wenn schon, dann im Zuhanden-sein. Dann nämlich, wenn eine Ware in meinen Besitz übergeht, von mir verbraucht wird, ist sie dem Zugriff durch einen anderen entzogen. Für ihn, den anderen also, dem „rivalisierenden Konsumenten“ ist dann erst die Ware knapp; der Drops ist also gewissermaßen erst in einem privatrechtlich organisierten Tauschverhalten geschlutsch.

Wissen und damit alle Hervorbringungen geistiger Art sind also keine knappen Güter. Sie verlieren nicht ihren Sinn, ihren Informationsgehalt, ihre Schönheit, ihre inspirierenden Wirkungen, wenn sie weiter gegeben, wenn sie getauscht werden. Damit unterscheiden sie sich ganz wesentlich von Waren in Form physikalischer Güter. Selbst Dienstleitungen haben strukturell ähnlichen Charakter, vor allem, wenn es sich um Wissens- und Informationsdienstleistungen handelt; wir kommen darauf zurück.

Betrachten wir den konsumatorischen Aspekt, dann schließt der Konsum von Wissen niemanden aus, beschränkt den anderen in seinen konsumatorischen Bedürfnissen nicht. Daher spricht man in diesem Zusammenhang auch von nicht-rivalisierenden Konsum. Das Nichtrivalitätsaxiom3 kontrastiert damit klar zum Eigentumsrecht, ja das Eigentumsrecht kann als eine kontrafaktische Verknappung eines Gutes und damit als eine Prohibition der Nutzung eines kulturellen Gemeingutes angesehen werden.

Die Marktform des Wissens ist als eine öffentlich zugängliche Nutzung historisch gewachsen. Wenn für das gedruckte Buch ein Preis bezahlt werden muss, dann gelten nicht zufällig vor allem im deutschen Buchhandel mit seiner historischen Erfahrung im Nazionalsozialismus besondere Beschränkungen, die eigentlich gegen eine Beschränkung der Nutzung rechtsdefiniert wurden und die die Herstellungs- und Vertriebs- wie Marketingkosten sowie als Anteil daran die Autorenhonorare in einer Art der ‚Gemeinnützigkeit‘ festlegen.
Worauf es uns ankommt ist nicht eine Diskussion über die Höhe der Preise für Bücher und Honorare für Autoren bzw. eine Diskussion um Preis- und Honorar-Gerechtigkeit als Verteilungsschema. Uns kommt es darauf an, dass mit der rechtlichen Bestimmung von Wissen als geistiges Eigentum, Wissen dem Autor bzw. dem, der die Eigentumsrechte an einem Wissenswerk hält, eine Monoplstellung verschafft.
Was also eben noch Gemeingut war, darüber verfügt nun ein Einzelner, eine Rechtsperson innerhalb einer am Individual- bzw- Privatrecht ausgerichteten Gesellschaft.

Vergleicht man Monopole auf geistiges Eigentum mit Monopolen als ökonomische Marktform, dann scheint das, was hier als eine hohe Form der Marktdominanz und Wettbewerbsverzerrung negativ sanktioniert ist, dort geradezu erstrebenswert zu sein scheint. Der Bestseller, die #1 in den Musik-Charts sind nur zwei Beispiele dafür mit zum Teil jahrzehnte langen anhängigen, über die Erbengenerationen hinweggehenden Rechtsstreitereien im juristischen Urheberumfeld. Nicht selten werden solche Streitereien über schriftliche und musikalische Passagen, hier manchmal eine kleine Triole oder ein Rhythmuspartikel, dort ein winziges Apercu zu geradezu lächerlichen Anlässen mit Millionenstreitwert.

Heute verklagen Zeitungsverlage Suchmaschinen wegen der Verwendung von Nachrichtensnippets, Allerweltsknipser werden beim Advokaten vorstellig wegen der Verwenung eines Click-Cklack-Fotos von der Elbphilharmonie, aufgenommen noch eingerüstet während der Bauzeit und veröffentlicht auf privaten Blogs.
Anwälte, wir kommen in einem größeren Zusammenhang darauf zurück, sind fast generell willfährige Genossen, wenn es darum geht, mit Copyright-Verletzungen Profit zu machen, zumal im Umfang von Serien-Abmahnungen.

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VerkäufermärkteMonopson


1 Ein Monopson liegt also dann vor, wenn ein Nachfrager einer großen Zahl von Anbietern gegenübersteht.
2 Vgl. Fichte (1793)
3 Nichtrivalitätsaxiom. Konzept zur Charakterisierung öffentlicher Güter, wenn auch das Ausschlussprinzip nicht gilt. Ein Gut erfüllt das Nichtrivalitätsaxiom, wenn dieses von allen Haushalten ohne gegenseitige Beeinflussung in gleichem Umfang konsumiert werden kann (nicht rivalisierender Konsum) z.B. Preisstabilität, Rundfunksendungen.(Gabler)


Fichte, Johann Gottlieb (1793). „Beweis der Unrechtmäßigkeit des Büchernachdrucks. Ein Räsonnement und eine Parabel“ In „Berliner Monatsschrift“ 21, S. 443-483.

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