Der immaterielle Wert des Eigentums

Die Geschichte kennt eine Unzahl von Ausfallrisiken der Geldverleiher, die nicht selten in Folter und Tod sich erfüllte. Potentaten griffen gerne zu für die Finanzierung ihrer Vergnügungen und Kriege und wenn alles gut ging, sie also im Kriege ordentlich plündern konnten, zahlten sie auch zurück. Mit Zinsen. Lief die Chause aber schlecht, griffen sie nicht selten zur Streckbank, um Geständnisse zu erzwingen auf rechtliche Anwürfe, die jeder Grundlage entbehrten und den eigentlichen Zweck verschleierten, nämlich entweder Kredite nicht zurückzahlen zu wollen oder zu können. Das war die Zeit, als es noch kein Privateigentum wie wir es kennen, gab. Eigentum ja. Etwa ein Schloss, so es kein Lehen, also ein Besitz war.

Aber diese Form des Eigentums war im privatrechtlichen Sinne nicht disponibel. Disponibilität, also die freie Verfügbarkeit von Eigentum ist eine Eigenschaft, die dem Eigentum hinzukommen muss, damit es Privateigentum werden kann. Aber auch im Feudalismus konnte man Haus und Hof verspielen, waren Haus und Hof also disponibel? Da wechselte Eigentum den Eigentümer und das ist keine Disponibilität. Disponibilität von Privateigentum heißt also nicht Wechsel des Eigentümers, sondern Disponibilität für einen, in der Sache selbst nicht materiell vorhandenen Nutzen, etwa zur Beleihung . Damit ein Vermögensgut privatrechtlich beliehen werden kann, muss dessen Disponibilität belastbar sein.

Keynes hat zumindest noch gesehen, dass es etwas an der Liquidität gibt, das gleichsam als ein Überschussphänomen wirkt, als etwas, womit man durchaus Geschäfte machen kann, die nicht dem klassischen Gütertausch entsprechen. Und Liquidität, wusste er, ist keineswegs gleich zu setzen mit Geld, also mit dem Vorhandensein eines Tausch- oder Zahlungsmittels. Liquidität ist immer eine Form von Disponibilität, also eine Form der Liquidierung von Vermögenswerten, wobei der Wert des Vermögens erst durch dessen Liquidierung entsteht. Das Vermögen wird also belastet und zwar nicht durch eine bestimmte Summe an Geld, zu der ein Vermögenswert verpfändet wurde. Es wird belastet durch einen Rechtstitel, also einen Anspruch auf Eigentumswechsel und dieser Wechsel darf wörtlich genommen werden und funktioniert auch wie ein Wechsel.

Zum Vergleich. Feudalherren sind, so sie nicht ihr Schlösschen verzockt haben, Pleite gegangen dadurch, dass die Maintenance – und natürlich verschiedene Vergnügungen etc. – ihrer „Güter“ ungleich höher war, als deren „Profit“. Zunächst einmal ist ein Schloss materiell und funktional gesehen ein sehr großes Haus, also kein Vermögenswert. Außer Kosten, die bis zum Erbfall anfallen, bringt so ein Schloss nichts an Geldwert, vor der Hand. Und da Feudalherren nicht privatrechtlich, sondern erbrechtlich dachten, waren sie auch hinlänglich unbegabt für die Liquidierungschancen, die in ihren Häuschen steckten. Und so ist es auch heute, gleichwohl man das aufgrund sehr unterschiedlicher Bedingungen nicht vergleichen kann. Auf einer materiellen Ebene kann man das. Ob man vom Schloss oder vom Häuschen im Grünen spricht, macht keinen Unterschied. Solange man die Hütte nicht belastet und disponibel macht, ist sie der sicherste Weg in die Pleite. Denn erst durch ihre Liquidierung wird sie zu einem Wert, einem Vermögenswert, vorher nicht. Kosten ohne Einnahmen bzw. Kosten, die die sonstigen Einnahmen übersteigen, haben schon so manchen in den Abgrund gestürzt; fataler Irrtum, setzt man Haus gleich Vermögen.

Eigentum an sich hat also keinen anderen als einen Nutzwert, der so hoch ist wie die Kosten für den Unterhalt. Dieser Eigentumswert ist also ein Wert für die Befriedigung individueller, auch von standesmäßigen, ideellen Bedürfnissen, aber kein ökonomischer Wert. Dazu wird Eigentum erst durch dessen Belastung von einem Rechtstitel und der darauf beruhenden Disponibilität, die nicht nur aber meist in einer Geldform sich realisiert. Eigentum kann für viele Funktionen disponibel sein, hier interessiert uns zunächst die Funktion der Wertschöpfung in Form von Geldwerten. Ist diese Wertschöpfung vorhanden, dann ist auch aus Eigentum ein Vermögenswert geworden, also aus einer wertlosen materiellen Sache zur privaten Nutzung ein transpersonaler geldwerter Sachverhalt.

Im real existierenden Sozialismus war eben genau dies das Dilemma, hat man dort Marx, der im Zins eigentlich nichts anderes verstand als den Fetisch des Kapitals, womit er weit unterhalb seiner intellektuellen Möglichkeiten zur Beschreibung des Sachverhaltes blieb, ideologisch nur zu gerne und zu ernst genommen. Die notorische Geldarmut der Sozialisten liegt natürlich in nichts anderem begründet als in der Abschaffung des Privateigentums. Wenn dem dummen Staat alles gehört, wenn es also weder Rechtstitel noch Wert-Disponibilität auf Staatseigentum gibt, was es ja per definitionem nicht geben kann, wem will der Staat denn etwas übereignen und so Geldwerte schöpfen? Schön blöd gelaufen. So sind die Sozen immer klammer bei Kasse langsam in die Pleite geschliddert, ohne zu wissen, wie und warum; und das bis heute. Die notorische Ideologisierung des Privateigentums – sogar Fidel Castro hat es noch kurz vor seinem Ableben mehr als geahnt – war der Grund der ständigen Geldknappheit und in der gegenwärtigen Situation, in der sich Venezuela befindet, mag man die Tradierung dieses Unsinns des historischen Materialismus seit Chavez in seiner historischen Größe studieren. Selbst große Staaten und Volkswirtschaften können, ohne zusätzliche Geldschöpfung, allein aus den Mehrwerten des Gütertausches, also aus dem Cash Flow aller Gütertauschvorgänge nicht leben; im Gegenteil.

Die ganze Tauschwerttheorie ist ohne angemessene Bestimmung des Privateigentums ein ideologisches Monster mit kleinem Erkenntniswert. Dies gilt natürlich nicht nur für die „Klassik“, sondern auch für die Neoklassik. Wir leben und wirtschaften in einer Gesellschaft, die auf einer spezifischen Form des Eigentums, des griechischen Oikos (siehe Band I.) basiert und die diese Form des Eigentums entwickelt hat zum Privateigentum. Wer also vom Privateigentum wenig versteht, versteht auch wenig von der Idee, auf deren Grundlage wir heute wirtschaften.

Woher kommt die Fähigkeit, Geld zu schaffen und monetäre Verpflichtungen eingehen zu können? Die keynesianische Liquiditätsprämie beschreibt affirmativ bis romantisch den Zustand, wenn die Geldschöpfung bereits gelaufen ist und monetäre Verpflichtungen eingegangen worden sind. Wenn eine Kundin in den Blumenladen geht und bar bezahlt, dann ist Geld vorhanden und in die Tauschverpflichtung schon einverstanden eingewilligt worden. Das nette Beispiel aber beschreibt nicht einmal ansatzweise, was dem geldbasierten Gütertausch vorhergegangen sein muss. Bevor es zu dieser Form des Gütertausches kommen kann, muss Geld generiert worden sein. Ohne ins Historische zu gehen, reicht die Betrachtung des Blumenkaufs zur Klärung.
Seit Keynes hat sich niemand in der Ökonomik wirklich um die Eigentumsprämie gekümmert. Alle haben ihre wissenschaftlichen Analysen bei der Liquiditätsprämie begonnen und diese kritisch oder affirmativ weitergedacht – in der schönen, wohlfeilen, semantischen Dialektik des Wortes: weiterdenken. Man hat die Liquiditätsprämie in Analysen verfeinert, auf den ökonomischen Feldern spezifisch ausdifferenziert und sogar in Frage gestellt. Aber keiner der berühmten Wissenschaftsökonomen hat sie transzendiert, hat ihre Grundlage, nämlich das Privateigentum reflektiert. Das „Privateigentum“ hat den Sonnenkönig gestürzt und ihn und seine schöne, dumme Frau aufs Schafott geführt.

Die Idee der bürgerlichen Gesellschaft haben wir schon vorher ausführlich gewürdigt, uns, an dieser Stelle, bleibt aber, darauf zu insistieren, dass Wirtschaft in einer bürgerlichen Gesellschaft etwas grundsätzlich verschiedenes ist von feudalen, sozialistischen, kommunistischen oder anderen, etwa archaischen Gesellschaftsformen. In einer auf Privateigentum basierenden Gesellschaft ist Eigentum privatrechtlich geschützt und belastbar. Diese Belastbarkeit realisiert sich stets in Gläubiger-Schuldner-Verträgen bzw. in entsprechenden Substitutions-Vertragsverhältnissen wie etwa in Vermögensverwaltungen u.v.a.m. Dieses im Vertragsverhältnis belastete Eigentum wird durch eine gesellschaftliche Grundorganisation, die privatrechtlich Transmission von Eigentum in kreditierbares Eigentumsdisponat ermöglicht, also der Eigentumsprämie zu disponiblen Werten, ausgedrückt in Geld, aber auch in anderen, nicht geldwerten Werten, konstituiert.

Mit dieser Transmission von Eigentum in kreditierbare oder disponible Vermögenswerte war noch im 19. Jhd. die Risiko- und Haftungsfiliation gegeben. Dem ist heute nicht mehr so. Und daran hat die Ökonomik ihren gerüttelten Anteil. Sie hat weder etwas von der konstitutiven Eigenschaft des Privatvermögens verstanden, noch ist sie der Liquiditätsprämie bei Keynes kritisch auf den Grund gegangen, obwohl dies damals intellektuell leicht möglich war. Was die Wissenschaft des Wirtschaftens heute betrachtet ist die intellektuelle Kernschmelze ihres eigenen Versagens. Sie bleibt wie fest genagelt auf der Ebene des Gütertausches. Sie beschreibt eine sich ausweitende Nivellierung jedes Sinns von Wirtschaft. Sie weiß nicht, wie mit der ungeheuren Liquiditässchwemme wissenschaftlich umzugehen ist und kann nur depressiv oder hysterisch mit der Liquidität auf den Finanzmärkten umgehen und dem Treiben der Notenbanken ohnmächtig zusehen bzw. schönreden, was die einen, die Monetaristen favorisieren, oder in Grund und Boden verdammen, was die Keynesianisten weidlich ausleben. Von ökonomischer Intelligenz zeugt das nicht.

Und zunehmend bleiben die Experten bei deren politischen Hauptauftragsgeber unbeschäftigt und die feierliche Präsentation der Ergebnisse der fünf Wirtschaftsweisen in ihren Jahresgutachten vor der politischen Prominenz wie die Übergabe eines Gastgeschenkes für die lieben Kleinen ihrer Auftraggeber. Aber nicht einmal das. Die Gutachten wandern ungelesen in die untersten Schubladen der Vorzimmer der Ministerien und des Kanzleramtes, wo sie vergessen werden, es sei denn, man (miss)braucht sie zum Eigenbehufe.