Eadem sunt omnia semper

Im Dasein eines Menschen sind solcherart Sorgen stets existenzieller Art, also das Dasein als Ganzes betreffend, wobei wir wiederholen möchten, dass zum Dasein als Ganzes keineswegs der Tod als Ende des Lebens, als Nicht-Existenz zur Existenz gehört. Die Vorstellung vom Tod zeigt immer Blumen , die auf den Gräbern sprießen und solche der dichterischen, der künstlerischen Phantasie, die den Tod in Memoriam aufheben. In einem Leben, welches nicht ohne den Schrecken des Todes, nicht ohne Erfahrung von Leiden und Krankheit, ohne Vergänglichkeit (Vanitas) ist, bleibt das Leben metaphorisch umklammert. Diese metaphorische Umklammerung hält das Leben fest im Griff, ohne den es nicht ist und der deshalb die verschiedensten Metaphern annehmen kann und was wir als die metaphysische Ausdehnung des Lebens nennen.

Der Tod hat die verschiedensten Bilder wie Gott, die Freiheit, das Wahre, Gute und Schöne, die Gerechtigkeit, die Weisheit, das Glück und das Unglück. Dort, wo keine Bilder sind, blühen sie wie Wildblumen auf kargem Boden. Baudelaire hat sie eingesammelt, die Bilder des Todes, die poetischen Kompositionen, die an den Grenzen des menschlichen Daseins aufscheinen. Es sind die Grundstimmungen der Seele: die Melancholie des ewigen Schmerzes, der Alchimie des Weltschmerzes der verschiedenen Kulturen. Es sind die ewigen Trauergesänge, de profundis clamavi, die Mirologia der Vaniaten, die das Schicksal in Heldengesängen bekränzen. Es sind die Herbstgesänge einer ewig verlorenen Liebe und die eines trüben Sinnes aus pessimistischer Grundstimmung.
Zu ihnen gesellen sich die Vampire und Wiedergänger zum mitternächtlichen Reigen von Toten und Lebenden, von Spiegelbildern auf dem Weg zu Wesen ohne Schatten. Goethe, Nietzsche, Robert Burton stimmen das „eadem sunt omnia semper“ aus dem dritten Buch des Lehrgedichtetes: De rerum natura von Lukrez in immer neuen Formen des Immergleichen an, in kulturpoetischen Grenzfiguren einer ausweglosen Melancholie, die Nietzsche als die Lust auf das Nichts, als apollinische Besessenheit und Verliebtheit in die Schrecknis des Menschlich-Allzumenschlichen beschrieb und die den Menschen als aufgeklärte Doppelnatur beschreibt, dessen ambivalentes Bild der Welt und seiner selbst eines ist von herbeigewünschten Traumbildern vom Paradies, ohne einen festen Glauben an eine wirkliche, nicht einmal eine metaphysische Erlösung.

Was wir darin sehen ist ein Mensch, dessen Dasein aus autobiografischen Zügen in ein lyrisches Ich verwandelt und seine sinnlichen ‚Raw Data‘, seine unverblümten Beobachtungen der Welt, von Natur, Gesellschaft, Kultur und menschlichem Miteinander als Figuren einer Randexistenz auslegt. Die Natur, die schöne Landschaft verwischt sich in Nebel und Schauerkaskaden, im Zwielicht einer eifersüchtigen Sonne, deren Lauf am Firmament verrinnt und verglüht, deren fahles Licht frösteln macht, deren fixe Feste müde und schwach und deren stolze Erhabenheit sich zu bleicher, dunstiger, schaudernder Hinfälligkeit wie der Mensch vor seinem Tod sich verwandelt. Wo kommen alle diese Bilder her, lässt sich also leicht beantworten. Welche Bedeutung sie haben auch leidlich, aber welchen Sinn sie haben? Es sind Bilder eines Daseins, dem der Grund, der Sinn abhandengekommen ist und das an eben diese Stelle die Blumen des Bösen pflanzt, als Abschied und in Memoriam.