Staatsschulden und Staatskalküle

Betrachten wir die Schuldenentwicklung der letzten Jahre. Seit der Finanzkrise 2008 sind die Schulden weltweit um 80 Billionen Dollar gestiegen. Das sind pro Jahr fast 10 Billionen USD Neuschulden und das, obwohl die Verschuldung doch eigentlich hätte abgebaut werden sollen.; so jedenfalls die vollmundigen Aussagen kurz nach der Finanzkrise. Allein im ersten Halbjahr 2019 sind die Verbindlichkeiten von Banken, Staaten, Unternehmen und privaten Haushalten rund um den Globus auf 251Billionen Dollar gestiegen , das entspricht mehr als dreimal der globalen Wirtschaftsleistung und kann bis zum Jahresende die Summe von 255 Billionen Dollar erreichen bzw. bei 7,7 Milliarden Menschen auf der Erde einer Pro-Kopf-Verschuldung von 32.500 Dollar entsprechen.
Dieser „irre Schuldenstand“ (IIF) ist die Droge der Finanzmärkte wie damals zu Karl Marx Zeiten es die Religion für den Bürger war, die mittlerweile die Politiker einiger Länder, unterstützt durch die Modern Monetary Theory hat crazy werden lassen. Wir wissen bereits heute, dass sowohl die Industriestaaten wie auch die Schwellenländer sich in der Corona-Krise und der anschließenden Wirtschaftskrise massiv weiter verschulden werden und die Frage bleibt: wie soll die Weltwirtschaft damit fertig werden? Oder haben die Staaten nicht längst schon ein grandioses Schulden-Verleugnungsbewusstsein ausgebildet, aus dem heraus sie ihre Narrative von Wohltaten für Bürger und Wirtschaft durch immer höhere und neue Schulden dichten?

Wie die Wirtschaft mit diesen Schulden umzugehen gedenkt, ist dabei nur eine der großen Fragen. Die Schuldenstände waren ja schon vor Ausbruch der Pandemie wegen des Kampfs gegen die Finanzkrise teilweise auf historischen Höchstständen. Und es wird wohl kaum etwas anderes übrigbleiben, als diese Lasten mit künftigen Generationen zu teilen. Was heißt, dass die privaten Vermögen der Bürger der Schuldenstaaten gar nicht mehr ausreichen, so sie nicht sogleich auch auf die nächste Generation übertragen werden, was ohne digitale Haushaltsbücher nicht zu bewerkstelligen sein dürfte. Aber schauen wir uns die Schuldenstruktur zuerst etwas genauer an. Wer sind die großen Schuldner?

Wir sehen, dass die Staaten zwischen 2010 und 2019 von 45% auf 69% zum steigenden Schuldenstand beigetragen haben, ein Zuwachs von 14%. Unternehmen kommen auf einen Schuldenanteil von 48%, also in etwa gleichbleibend, private Haushalte von 36% auf 47% und der Finanzsektor von 55% auf 61%. Den größten Schuldenzuwachs verzeichnen also die Staatshaushalte. Bei den Staatshaushalten sind wie seit Jahren die USA, China (geschätzt) und Japan die Länder mit dem größten Anteil am globalen Schuldenirrsinn. Betrachten wir mehr Details, dann erkennen wir, dass die Schulden in den Schwellenländern besonders schnell gewachsen sind und sich im angegebenen Zeitraum auf 73 Milliarden USD fast verdoppelt haben. Und wir sehen einen weiteren Unterschied. Während aktuell in den Industrieländern im Durchschnitt die Regierungen die meisten Schulden machen, sind es in den Schwellenländern im überwiegenden Maße die Unternehmen.

Abb. 10 im Original. Private Haushalte – Unternehmen – Staat – Finanzsektor
Diese Tabelle zeigt die Schulden differenziert nach Ländern bzw. Regionen und Wirtschaftssektor, in Mrd. USD 2019. Und sie zeigt, dass sich die Schulden sehr unterschiedlich verteilen, Schulden also nicht gleich Schulden sind. Im Vereinigten Königreich sehen wir den Finanzsektor hoch am Schuldenstand beteiligt, in Japan machen das Staat und der Finanzsektor, die gewissermaßen eine Schuldensymbiose bilden. In China dominieren mit Abstand die Unternehmen beim Schuldenmachen, was wiederum zeigt, dass eine mittlerweile führende Industrienation der Welt ihre Führung sowohl im Staat wie in der Wirtschaft buchstäblich auf Sand gebaut hat.

Nun wissen wir etwas mehr über die Schuldner, aber wer sind die wichtigsten Gläubiger? Die Antwort fällt auch hier recht deutlich aus. Die Industriestaaten stehen vor allem bei in- und ausländischen Zentralbanken in der Kreide und dies macht einige Sorgen, wenn Staaten und Zentralbanken beim Schuldenmachen gemeinsame Sache machen, sind doch Zentralbanken eigentlich ein autonomes Steuerungs- und Kontrollinstrument demokratischer Staaten. Aber die Zentralbanken haben ihren Bestand an Staatsanleihen binnen zehn Jahren fast vervierfacht, was ein unglaublicher Anstieg ist, den wir in vielen Betrachtungen aus unterschiedlichen Winkeln in unserer Philosophie begleitet haben. Bei den Gläubigern bereits an zweiter Stelle folgen bei den Industrieländern die institutionellen Anleger. Das sind z.B. Pensionsfonds und Versicherungsunternehmen. Die USA aber bilden eine Ausnahme. Hier finanzieren hauptsächlich private Investoren den Großteil der Staatsschulden.

Abb. 11 im Original. Zentralbank Inland – Pensionsfond u. Versicherer – Ausländ. Zentralbanken – Sonstige u. freier Handel
Interessant an der oben stehenden Tabelle ist der hohe Anteil der Staatsschulden bei der inländischen Zentralbank in Japan, während in Deutschland die Deutsche Bundesbank kaum mehr eine Rolle gegenüber der EZB spielt und in den USA lediglich ein Gläubiger dominiert, die privaten Investoren. Nimmt man noch den Staatsanleihen-Bestand von Zentralbanken hinzu, dann ergibt sich das Bild, dass Japan im Zeitraum zwischen 2004 bis 2018 seinen Bestand an Staatsanleihen in seiner Zentralbank etwa verdoppelt hat, die USA verdreifacht, UK um den Faktor 3,5 wie auch Italien und Deutschland und Frankreich um den Faktor 4 bzw. 4,5 erhöht haben, was sich aus der Beteiligung der beiden Länder am Schuldenstand der EZB erklärt und nicht allein die nationale Schuldenfreude repräsentiert. Schauen wir nun auf die Unternehmensschulden und die Arten der Finanzierung, in Prozent, 2018.

Auf den ersten Blick erscheint dies wie ein ausgewogenes Schuldenkonto, betrachtet man die Finanzierungsquellen. Summiert man die Anleihen mit mittlerem bis schlechtes Rating sind knapp ein Viertel der Finanz-Quellen von zweifelhafter Qualität; immerhin geht es hier um die Finanzierung eines Staates und nicht eines Unternehmens oder eines Projekts. Zum Vergleich die Eurozone; hier beträgt der Anteil solcher Anleihen etwa zehn Prozent. China zeigt bei diesem Typ Anleihen ebenso einen Anteil von etwa 23 Prozent wie die USA. China und Europa finanzieren ihre Staatsschulden hauptsächlich über Bankdarlehn zu 70 bzw. zu 80 Prozent. In der Eurozone wie in China setzen die Regierungen also auf eine enge Verzahnung mit Kreditinstituten, während in den USA Anleihen zunehmend den klassischen Bankkredit ersetzen. Dort fließt derzeit besonders viel Geld von internationalen Investoren in Unternehmensanleihen, was die Kurse an den Aktienbörsen antreibt und weitere Investoren anzieht. Und wenn die Nachfrage nach Unternehmensanleihen über das Angebot steigt, werden auch solche mit einem Rating der Note BBB gekauft, das anzeigt, dass es diese Anleihe nur äußerst knapp in den Bereich einer „guten“ Bonität geschafft hat. Der macht aber knapp 50 Prozent aus, d.h. dass die Hälfte aller US-Unternehmensanleihen kritisch in Hinsicht auf deren Bonität zu betrachten ist. Die Abhängigkeit der USA von der Finanzierung durch internationale Investoren ist dem Dollar als Weltwährung zu verdanken, nichtsdestotrotz bedenklich.

Die Eurozone ist zu lediglich 10 Prozent durch private Investoren finanziert und zu 8 Prozent von solchen mit sehr guter Bonität. Mittlere und schlechte Bonität bedeuten in der Summe eine höhere Ausfallwahrscheinlichkeit von etwa 10 Prozent, was verkraftbar ist und daher vernünftig. Allein die Finanzierungsstruktur ist mit einem Anteil von über 80 Prozent an Bankdarlehn sehr unausgewogen. Was aber viel mehr noch wiegt als dies ist, dass die Banken, deren Aufgabe es ja eigentlich ist, die Wirtschaft mit Geld zu versorgen, diese Transmissionsaufgabe natürlich nur schlecht erfüllen können (und müssen), wenn die Ausreichung von Darlehn an die Staaten so hoch ist. China gibt ein ähnliches Bild ab. Nur muss man wissen, dass die Datenlage bezüglich der VRC sich in der Regel als recht zweifelhaft erwiesen hat und also wenig aussagekräftig ist. Wir wagen zudem einmal die These, dass die Finanzierung zu über 70 Prozent aus Bankdarlehn nichts weiter ist als eine Verschleierung, da ausländische Banken wohl weniger, dafür aber Staatsbanken mehr zur Finanzierung beitragen dürften; ein weiteres Beispiel dafür, die Staatsverschuldung global zu dokumentieren. Wir haben an anderer Stelle bereits die Schuldenkommunikation der VRC angezweifelt, bemerken aber seit Längerem eine zunehmende Besorgnis über das Ausmaß der chinesischen Verschuldung in Regierungskreisen und weltweiten Institutionen wie Weltbank, IWF usw. Das wahre Ausmaß der chinesischen Staats- und Unternehmensverschuldung wurde offensichtlich bislang unterschätzt, das zeigen neue Studien und Daten .

Demnach haben sich die Verpflichtungen Chinas an ausländische Schuldner im Zeitraum vom Jahr 2000 bis 2017 von unter 500 Milliarden auf über fünf Billionen US-Dollar erhöht, den Großteil der Schuldtitel hat die staatlich kontrollierte chinesische Zentralbank auf internationalen Märkten erworben. Ma Guonan geht davon aus, dass die Gesamtverschuldung von Regierung, Unternehmen und Haushalten auf fast 242 Prozent des Bruttoinlandsprodukts angewachsen ist – wir haben im Band IV. bereits von einem Verschuldungsgrad von über 300 Prozent in der VRC gesprochen. Wie dem auch sei, damit ist China unter den aufstrebenden Volkswirtschaften sowie unter den weltweit größten eines der am stärksten verschuldeten Länder weltweit. Dabei haben Chinas Unternehmen eine besonders schwere Schuldenlast zu tragen. Das Verhältnis von Unternehmensverschuldung zum BIP ist binnen eines Jahrzehnts um 65 Prozentpunkte angestiegen. Der Verschuldungsgrad chinesischer Unternehmen ist damit weltweit einer der höchsten. Folgt man den Studien, dann ist einer der Gründe dafür darin zu sehen, dass Unternehmen in China einen im Weltvergleich sehr niedrigen Anteil an Eigeninvestitionen ausweisen, Chinas Unternehmen also entweder nicht so viel verdienen oder anderweitig Profite verwenden müssen, dass eine investive Erneuerung nicht aus dem Eigenkapitalanteil bzw. dessen produktiver Verzinsung erfolgen kann.

Man spricht darüber, dass die teils ineffiziente Investitionspolitik von Lokalregierungen, etwa durch sehr hastig ausgewählte, fragwürdige Projekte usw. maßgeblich zum hohen Verschuldungsgrad chinesischer Unternehmen beigetragen hat. Dieser „Beitrag“ steigt dann dramatisch an, wenn Chinas Wirtschaft wie z.B. infolge der Finanzkrise nach 2008 durch „verordnete“ Aufschwünge zu noch mehr an fragwürdigen Investitionen greift, was wiederum dazu beitrage, Chinas hohe Investitionsrate in die Höhe und somit auch die Unternehmensverschuldung nach oben zu treiben. Ma Guonan analysiert insbesondere die Kreditvergabe über sogenannte Schattenbankensysteme sowie über Lokalregierungen, denen die Zugänge zu inländischen Anleihemärkten erleichtert wurden. Dann hat die chinesische Regierung Industriesektoren mit hohen Verschuldungsraten wiederum strenger reguliert, wovon besonders der private Sektor betroffen ist, der sich häufig über Schattenbanken finanziert, weil er nur begrenzt auf Kredite aus dem offiziellen Finanzsystem zurückgreifen kann. Hieraus, so eine zentrale These des Autors, könnten erhebliche Herausforderungen für Chinas Wirtschaft erwachsen: Denn diese hängt vor allem vom dynamischen und innovativen Privatsektor ab, wenn es darum geht, das für eine stabile Entwicklung notwendige Wachstum zu erzeugen.

Eine Besonderheit müssen wir noch beachten: Staatsschulden in Schwellenländern fließen überwiegend in Unternehmensbilanzen. In Schwellenländern leihen sich vor allem Unternehmen in Staatsbesitz große Summen an Geld. In China sind das 80,09, in Südafrika 87,97, in Malaysia 78,16, in Indien 75,20, Brasilien 57,19, Indonesien 24,53 und in der Türkei 19,99 Prozent. Es fallen damit durchschnittlich über 60 Prozent der Unternehmensschulden auf Firmen, die ganz oder teilweise in stattlichem Eigentum sich befinden, in China sind es sogar mehr als 80 Prozent. Deshalb sind auch die veröffentlichten Schuldenstände wenig aussagekräftig, wenn Staatsschulden in Unternehmensschulden verschleiert werden.

Die Tabelle 15 zeigt den Schuldenstand in Prozentpunkten aus den zwischen 2013 und 2017 vergebenen Krediten und Kostenübernahmen von Bauprojekten der Länder entlang des chinesischen Projekts „Seidenstraße“ an. Durch dieses Megaprojekt ist China zu einem der wichtigsten Gläubiger der Länder entlang der neuen Handels- und Wirtschaftsroute geworden. Seit Beginn des Projekts hat China insgesamt etwa 700 Mrd. USD in insgesamt 105 Ländern investiert; welch ein Sendungsbewusstsein einer sich als neue Zentralmacht der Welt gerierenden Regierung. Ein gewünschter Nebeneffekt dieses Projekts ist, dass auf diese Weise der Staatsfinanzierung auch die schuldenfinanzierten Überkapazitäten, die in Unternehmen des eigenen Landes aufgebaut worden sind, durch Tätigkeiten in den Seidenstraßen-Ländern wieder abgebaut werden sollen. China gibt also nicht nur Geld für andere Länder, sondern zugleich auch Aufträge für die eigene Wirtschaft. Denn den Bau der neuen Zugstrecken, Bahnhöfe, Häfen, Straßen und anderer Infrastrukturmaßnahmen, für die sich die Seidenstraßen-Anrainer hoch verschulden, sollen nicht die Firmen aus diesen Ländern, sondern chinesische Firmen übernehmen, die ganz oder teilweise in chinesischem Staatseigentum sich befinden; ein gigantisches Konjunkturprogramm der chinesischen Regierung, weniger ein Akt der Wirtschaftsförderung fremder Staaten.

Es ist deshalb allein schon kein Wirtschaftsförderungsprogramm, weil die Höhe des Schuldenvolumens und deren Intransparenz auch Risiken für die Finanzstabilität in diesen Anrainerstaaten bedeutet. Private Investoren oder der IWF können die Schuldentragfähigkeit und die Krisenwahrscheinlichkeit von Ländern kaum einschätzen, wenn ein beachtlicher Teil der Auslandsverschuldung an China schlichtweg unbekannt ist. Dies erschwert die Analyse von Länderrisiken, ohne die eine deutliche Unsicherheit in allen weltweiten Kreditengagements durch wen auch immer zurückbleibt. Tatsächlich haben sich viele Seidenstraßen-Länder wie Malaysia, die Malediven, Äthiopien und Sri Lanka in den vergangenen Jahren so stark bei chinesischen Staatsbanken verschuldet, dass sich dort und anderswo bereits Widerstand gegen das chinesische Projekt regt. Zugleich vernimmt man aber, dass Staaten sogar aus der EU wie etwa Griechenland und Italien u.a. damit drohen, in das Seidenstraßen-Projekt einsteigen zu wollen, wenn die Eurozone sich nicht durchringen kann, Euro-Bonds zuzustimmen. Das Verhalten von Staaten, die einerseits Solidarität einfordern, andererseits sich gemein machen mit undemokratischen Staaten und zu einer Destabilisierung einer Währung wie hier dem Euro beitragen, von dessen Stabilität sie aber Jahrzehntelang enorm profitiert haben und auch in Zukunft profitieren werden, wirft einige hoch-kritische Fragen auf. Und diese Fragen werden drängender, wenn, wie im Falle China, Kryptowährungen eingeführt werden und damit unter nicht ganz so unwahrscheinlichen Umständen eine Transparenz und Risikoeinschätzung noch schwerer wird als sie es bereits sind.

Wo Eigentum nicht geschützt ist vor staatlichem Zugriff, da hat auch Freiheit keinen Bestand. Das wissen wir von Thomas von Aquin bereits und erleben es jeden Tag in China und anderen Staaten. Eigentum ist also keine rein volkswirtschaftliche Größe und kann daher auch nicht allein aus dem Blickwinkel einer staatlichen Geldwirtschaft betrachtet werden; wir haben diesen Aspekt bereits früher ausführlich diskutiert. Responsives Regieren, Umverteilung und politische Permeabilität müssen in einen Blick gebracht werden, wenn die Beziehung zwischen Freiheit und Eigentum wirklich erkannt werden will. Sehen wir auf die kalte Progression, der steigende Steuern und Sozialbeiträge zugrunde liegen, dann erkennen wir einen recht trickreichen Diebstahl von Eigentum durch den Staat. Was früher allein die Inflation schaffte, bekommt seit vielen Jahren mit der kalten Progression einen wirkmächtigen Partner zur Seite. Wenn wir daher verlangen, dass der Staat wie ein Unternehmen ein differenziertes digitales Haushaltsbuch führt, in dem die Steuer- und Abgabekonten vorab durch klare Begrenzungen limitiert sind für den Zugriff des Staates, wäre bereits viel an Freiheit der Gestaltung des Lebens der Bürgerinnen und Bürger gewonnen. Denn kalte Progression entzieht den Bürgern die freie Gestaltung ihres Vermögens, sowohl was deren Verwendungsarten angeht, als auch die generelle Freiheit vor dem Zugriff staatlicher Institutionen. Das geht aber nur, wenn es auch weiter die Möglichkeit gibt, Money of account wieder zurückzuverwandeln in Money proper, also in Bargeld.

Die Freiheit eines Bürgers ist nichts, ist nicht der Staat als solcher frei. Wenn in Europa Staaten sich in finanzielle Abhängigkeit von Staaten begeben, die Finanz- und Wirtschaftshilfen einzig und allein aus machtstrategischen Kalkülen vergeben, ist nicht nur die Freiheit des Staates bedroht, der solche „Hilfen“, solche Trojanischen Pferde annimmt, sondern dann ist auch die Freiheit der Gemeinschaft gefährdet. Genau genommen ist es nicht die Freiheit, sondern die Autonomie, Entscheidungen treffen zu können, die eigenen Zielen und Zwecken folgen. Dies wird besonders dann schwer, wenn Politik wie wir festgestellt haben, ein hohes Maß an Permeabilität erfordert, also zwischen ordnungspolitischen und Ad-hoc-Entscheidungen stattfindet. Hier kommt dann vor allem der Wettbewerb zwischen den Geber- und den Nehmer-Ländern ins Spiel. Wettbewerb hat u.a. zwei wichtige Elemente, wovon eins als Entmachtungselement bezeichnet werden kann, das andere als eine der Quellen des Wohlstands imponiert. Sind Staaten einmal abhängig von ausländischem Kapital und generell auch von ausländischen Beschäftigungsprogrammen, dann sollte wie in der EU ein kooperativer Stil in Politik und Wirtschaft vor allem bei Ad-hoc-Entscheidungen vorherrschen. Einen solchen kooperativen Politikstil aber favorisiert und praktiziert die VRC nicht.
Die VRC verfolgt in ihren ökonomischen Bestrebungen expansive, machtstrategische Ziele. Sie ist mittlerweile zu einem führenden Kapitalexporteur unter den Industriestaaten geworden, selbst importiert sie nur einen verschwindend geringen Anteil vom weltweiten Kapital. Sie kooperiert sowohl auf den Kapitalmärkten wie auf den Industriemärkten nur zum eigenen Nutzen, der monetär wie auch ausgerichtet ist auf Transfers, vor allem von Know-how und Technologiekompetenz; beide nehmen kontinuierlich ab, da die VRC Know-how und Kompetenzen in den wachstumsrelevanten Technologien mittlerweile zunehmend selbst aufbaut. Sie kooperiert nach eigenen, macht- und marktstrategischen Zwecken, die China als Zentralmacht in der Welt sieht. In beiden Bereichen der transnationalen Kooperation, dem ökonomischen wie dem politischen Bereich, findet keine wirkliche Kooperation zum Nutzen beider Partner statt; im Gegenteil. Die VRC ist nach wie vor in den internationalen Institutionen wie Weltbank, IWF: Internationaler Währungsfonds, BIZ: Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, „Bank der Zentralbanken“, WTO: Welthandelsorganisation und ihre Abkommen:

GATT: Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen, GATS: Allgemeines Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen, TRIPS: Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums, UNCTAD Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung, OECD: Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung etc. zwar Mitglied, beschränkt sich aber oft nur auf eine formale Mitgliedschaft und bricht nicht selten mit den Regularien der einzelnen Institutionen. Sie hat in den letzten Jahrzehnten stark von der Kooperation mit den Industrieländern profitiert, ihre Finanzmärkte aber bleiben weiterhin weitgehend für diese verschlossen, ihre Kapitalmärkte für ausländische Investitionen mit Eigentumsbeteiligungen sind weiterhin stark prohibitive Märkte, Marken- und Persönlichkeitsrechte gelten nur in einer Richtung, was soweit ging, dass Unternehmen, die in China tätig werden wollten, Knebelverträge unterzeichnen mussten, vor allem im Bereich Know-how- und Rechte-Transfers.

Wenn die VRC in Kürze den E-Renminbi (auch ein E-Yuan ist im Gespräch) emittiert, wird eine Kooperation zwischen der EU und der VRC für die EU und die Eurozone noch schwieriger. Der Eingriff der Politischen Ökonomie Chinas wird weiter zunehmen hinsichtlich politischer Lenkung. Äthiopien z.B. hat ca. 12 Mrd. Euro in Form von Krediten von China erhalten. Das berechnete die China-Afrika-Forschungsgruppe an der amerikanischen Johns-Hopkins-Universität. Äthiopien ist damit der zweitgrößte Empfänger chinesischer Kredite in Afrika, nur Angola bekam noch mehr Geld geliehen. Insgesamt erhielten afrikanische Staaten seit 2000 mehr als 100 Milliarden Euro. Die Kredite sind Teil der Neuen Seidenstraßen-Initiative – nach chinesischer Bezeichnung: Belt-and-Road-Initiative – und ein Kernstück chinesischer Außenpolitik. China will sich damit unter anderem neue Märkte erschließen, Handelsrouten und den eigenen Energiebedarf absichern sowie den Zugriff auf Rohstoffe, auch die sogenannten „Seltenen Erden“, die in vielen Bereichen der Informations- und Kommunikationstechnologien heute gebraucht werden, absichern. In Äthiopien wird das chinesische Engagement so gesehen: „China war bisher ein sehr wichtiger und strategischer Partner in unserem Entwicklungsbestreben. Es geht um die Transformation der äthiopischen Wirtschaft durch Investitionen, Handel, Stipendien zur Förderung von Wissen und Knowhow. China unterstützt uns sehr gut in dieser Transformation.“ (Ministerpräsident Abiy Ahmed)
Chinas Engagement wird somit postuliert und in den Nehmer-Ländern kommuniziert wie eine Soziale Marktwirtschaft unter Verteilungsgesichtspunkten.

Es schafft demnach einen materiellen Erfolg bzw. eine Transformation der jeweiligen Wirtschaft auf das Niveau moderner Industriegesellschaften, das die Verteilungsspielräume und die Ressourcen schafft, die einen sozialen Ausgleich in Hinblick auf breite Aufstiegschancen ermöglicht. Die Politische Ökonomie der VRC bedient sich also einer Kernaussage der Sozialen Marktwirtschaft, ohne allerdings eine Form der Entfaltung marktwirtschaftlicher Prozesse zu ermöglichen. Chinas Politische Ökonomie wird so zum Exportschlager der Belt-and-Road-Vision von Präsident Xi, Afrika mit Europa und Asien unter dem politischen Primat der VRC zu verbinden. Das Investitionsvolumen des geplanten Handelsnetzwerkes von etwa 60 Staaten in Afrika, Europa und Asien ohne China liegt bei etwa 800 Mrd. Euro.

Länder wie Äthiopien sehen in Chinas ökonomischer Entwicklung das Muster für den Aufstieg zur Industrienation und den Aufbau einer breiten Mittelschicht durch Industrialisierung. Sie sehen nicht, dass Afrikas Staaten, ähnlich wie Hong Kong nach der Übergabe an die VRC zu Sonderwirtschaftszonen werden, wo einheimische und Firmen aus der VRC Waren für den Export nach Europa und in die USA billig produzieren; nicht unwahrscheinlich, dass bald auch die VRC diesen Vorteil nutzen wird und selbst zum Importeur afrikanischer Waren wird. So erklärt sich dann auch das riesige Engagement der VRC in Dschibuti, das einen Umfang von über 30 Prozent dessen BIPs hat, dadurch, dass Äthiopien über das Rote Meer und den Hafen des Nachbarstaates Dschibuti an China angebunden wird. Für Peking ist Äthiopien mit dem Hafen in Dschibuti bereits das Erfolgsmodell seiner Politischen Ökonomie in Afrika, insofern chinesische Firmen billige Beschäftigung nach Afrika auslagern, unter anderem wegen der niedrigen Löhne.

Die Modell Outsourcing hat die VRC durchaus von den USA gelernt und perfektioniert und es bleibt zu erwarten, dass mit dem E-Renminbi dieser chinesische Eingriff in die afrikanischen Volkswirtschaften weiter zunehmen wird. Und dies ist das Wesen einer Politischen Ökonomie, nicht krude auf Unterdrückung und Ausbeutung zu setzen wie dies im Kolonialismus geschehen ist, sondern moderne Methoden der einseitigen Kooperation zu nutzen zur Verwirklichung eigener ökonomischer und politischer Ziele. Äthiopien z.B. hat sich binnen eines Jahrzehnts ökonomisch gut entwickelt, nimmt man das offiziell verkündete jährliche Wachstum des Bruttoinlandsprodukts um zehn Prozent als Maßstab. Die Industrialisierung der Textil- und der Lederproduktion ist beachtlich wie auch der Fortschritt in der Agrarproduktion; alles auch Bereiche, an denen die VRC besonders stark interessiert ist, hat sie doch hier enormen Bedarf und wenig wettbewerbsfähige Ressourcen. Aber Äthiopien ist natürlich auch ein geostrategisch interessantes Land, gelegen an der Meerenge zwischen dem Golf von Aden und dem Roten Meer. Nicht nur das amerikanische Militär ist in Dschibuti stationiert, auch China zeigt hier – als eines von vielen Ländern – Präsenz und eröffnete 2017 eine Militärbasis – die erste permanente chinesische Basis im Ausland.

Im Jahr 2018 betrug die Staatsverschuldung Äthiopiens rund 61 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, das klingt moderat und ist es auch nach Maßgabe von Berechnungen, die aber in einer vernetzten Welt und vor allem in einer internationalen Finanzwelt nicht mehr gelten; wir haben aber nichts anderes bislang. Da ist es ermutigend, wenn zunehmend differenziertere Betrachtungen angestrengt werden. Demnach ist Äthiopien eines der Länder mit der dynamischsten Schuldenentwicklung in diesem Jahrzehnt. Nicht nur in Äthiopien täuschen lange Phasen mit bemerkenswert hohen Wachstumsraten über die Gefahr des Schuldenanstiegs hinweg, werden gerade doch schuldenfinanzierte große Infrastrukturprojekte nicht in jene Verhältnisse gesetzt, die aussagekräftiger sind als das zu allgemeine BIP. So liegt z.B. die Auslandsverschuldung im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen bei 390 Prozent und der jährliche Schuldendienst im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen bei 21 Prozent; tragfähig wären 150 bzw. 15 Prozent.

Der äthiopische Staat ist der große Schuldner beim ausländischen Kapital, nicht Unternehmen, Banken oder die Bürger, gleichwohl der IWF einen Anstieg der privaten Kreditaufnahme im Ausland verzeichnet. Fast drei Viertel der Auslandsschulden bestehen gegenüber multilateralen und bilateralen öffentlichen Gläubigern. Und das fast ausschließlich zu konzessionären Konditionen, wie etwa Entwicklungshilfe-Programmen. Das ist der Grund, warum trotz eines rasant wachsenden Schuldenstandes, der laufende Schuldendienst bis 2017 noch immer relativ moderat ausfiel. Die Internationale Entwicklungsorganisation (IDA) alleine hielt Ende 2016 5,7 Milliarden USD der insgesamt gut 8 Milliarden USD Schulden. Seit dem Jahr 2000 ist nun China zum wichtigsten bilateralen Kreditgeber Äthiopiens geworden. Mit mehr als 11 Milliarden US-Dollar Krediten zwischen 2000 und 2014 war Äthiopien schon zu jener Zeit der zweitgrößte Kreditnehmer Chinas in Afrika. Mit Krediten, die ein Schenkungselement von rund 30 Prozent beinhalten, fördert die Export-Import-Bank of China aktuell große Infrastrukturprojekte, die sie teilweise wiederum über Kredite bei der EIB: Europäischen Investitionsbank refinanziert. Aber so genau kennt die Öffentlichkeit die Akteure auf diesem Markt, deren Volumina und vor allem deren Zweckrationalität nicht. Wer kennt die sog. ECAs (Export Credit Agencies), weiß, was diese Exportkreditversicherungen machen?