Die Repo-Märkte

CDOs eröffnen den Anlegern die Chance, auf die Kreditwürdigkeit einer Reihe von Unternehmen zu wetten. Sie bestehen aus verschiedenen Teilen mit unterschiedlichen Risiko- und Rendite-Klassen. Anleger, die sich die höchste Rendite sichern wollen, müssen sich auch die riskanteste Scheibe aus dieser Klasse an Wertpapieren abschneiden. Damit sorgen derartige Finanzprodukte zwar für eine Aufteilung der Risiken, doch kann sich ein finanzieller Schaden für das gesamte Finanzsystem mit synthetischen CDOs auch vervielfachen, wenn Unternehmen, die mit ihren Schulden für die Wertpapiere einstehen, ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen. Allein diese Klasse an synthetischen Besicherungen lässt Sorgenfalten aufkommen. Den Blick aber sollte man weniger auf die „Produkte“ als mehr auf die Geschäftsstruktur lenken, auf deren Basis Geschäfte mit solchen Wertpapieren getätigt werden. Sind die „Produkte“ selbst schon recht zweifelhafter Natur, werden sie es erst recht, bedenkt man die Art der Geschäfte, die mit Wertpapieren auf den Repo-Märkten gemacht werden. Repo-Geschäfte haben einiges gemein mit den sog. Waren-Termin-Geschäften. Bei Repo-Geschäften verpflichtet sich der Kreditnehmer bei Abschluss des Geschäfts, die als Sicherheit hinterlegten Wertpapiere (sell) am Ende der vereinbarten Laufzeit zurückzukaufen (buy back) und die für den Kredit vereinbarten Zinsen zu zahlen; daher nennt man die Art oder den Typ dieser Geschäfte auch ‚sell and buy back‘ (oder resell/buy back).

Dabei ist die als Sicherheit zu hinterlegende Menge an Wertpapieren von deren Qualität abhängig. Je niedriger diese Qualität, desto höher der Abschlag auf deren Wert. So könnte eine Staatsanleihe zu 100 Prozent beliehen werden, eine Unternehmensanleihe mittlerer Bonität hingegen nur zu 90 Prozent. Die Qualität dieser Wertpapiere legt die Rating Agentur fest.
Repo-Geschäfte können über Börsen, über Central Counterparties (CCP) oder auch außerhalb einer Börse Over The Counter (OTC) abgewickelt werden. DER OTC-Bereich hat den Nachteil der Intransparenz und die Geschäfte unterliegen auch keiner Meldepflicht, so dass man hier durchaus von einem „Schwarzmarkt“ oder „grauen“ Markt sprechen kann. Es ist fiskalisch betrachtet ein Bereich, der nur über den Konsum am Ende zu Steuern führt und juristisch betrachtet zwar als ein legales, deshalb aber noch kein legitimes Geschäft darstellt.

Repo-Geschäfte, die börslich ablaufen, sind transparent und die Preisbildung geschieht wie alles andere auf Börsenplätzen nach Angebot und Nachfrage sowie nach den Volumina der Geschäfte und den damit verbundenen Risiken. So ist es auch bei Central Counterparties (CCP), die im Finanzwesen ein Rechtssubjekt darstellen, das als Vertragspartner zwischen Verkäufer und Käufer tritt und als Vertragspartner für jeden der beiden dient. Ihr Zweck dabei ist zunächst, die Anonymität der Handelspartner über den Zeitraum der Abwicklung des Geschäftes zu garantieren. In der Folge der Finanzkrise forderte 2012 die European Market Infrastructure Regulation (EMIR) u.a., dass standardisierte OTC-Derivate ab da durch CCPs abgewickelt werden (Art. 4 EMIR). Ausgenommen davon sind nur bestimmte gruppeninterne Geschäfte und OTC-Geschäfte, die zur Absicherung von realwirtschaftlichen Geschäften dienen, sowie Geschäfte, deren Betrag unterhalb einer definierten Clearingschwelle liegt. Das hatte zur Folge, dass die OTC Repo-Geschäfte zahlenmäßig stark eingedämmt wurden. Zudem kam, dass aufgrund ihrer besonderen Position im Finanzsystem CCPs strenge Wohlverhaltensregeln hinsichtlich Transparenz, Organisation und Risikomanagement sowie aufsichtsrechtliche Anforderungen hinsichtlich Liquidität und Eigenmitteln einhalten müssen; sie gelten in Deutschland mittlerweile als Kreditinstitute (gem. § 1 Abs. 1 Kreditwesengesetz, KWG).

Schaut man sich das Marktvolumen der Repo-Geschäfte an, wird schnell deutlich, dass wir es hier mit einem Markt von beachtlicher Bedeutung für den Liquiditätsbedarf, in erster Linie von Banken und Hedge-Fonds, zu tun haben. Nach Angaben der International Capital Market Association (ICMA) beläuft sich das Volumen des Repo-Marktes in Europa auf etwa 6 Billionen Euro. Das von der New Yorker Fed gemeldete Repo-Volumen belief sich zum selben Zeitpunkt auf 5,5 Billionen US-Dollar. Der gesamte weltweite Repo-Markt wird vom ICMA Centre at Reading University auf 15 Billionen Euro geschätzt, wovon also Europa und die USA mehr als Zweidrittel beitragen. In den USA erfolgen geschätzte 90 Prozent aller Transaktionen über die so genannten Primary Dealer, deren Liste an der New Yorker Federal Reserve Bank zur Einsicht ausliegt. Dieses immense Marktvolumen hat in seiner Funktion als temporäre, kurzfristige Geldversorgung von Banken und Hedgefonds über die Hedgefonds einen „dunkelgrauen“ Anteil und wir wollen die Liquiditätsversorgung der Banken in Relation dazu als grauen, nicht ganz transparenten Bereich bezeichnen. Die Repo-Märkte sind als Geldmarkt außerhalb der Noten- und der normalen Geschäftstätigkeiten von Geschäftsbanken zu einem Schattenbanksystem geworden, das mittlerweile etwa 30 Prozent aller Geschäftstätigkeiten europäischer und US-amerikanischer Banken ausmacht. Der Repo-Markt ist nicht nur vom Volumen her beachtlich und damit auch dessen Risiko-Affinität, sondern mittlerweile auch der wichtigste Transportmarkt zur Umsetzung der Geldpolitik durch die Zentralbanken.

Und dieser Markt wächst und mit seinem Wachstum auch sein Schattenbanksystem, das im Kern darin besteht, dass die für den Kredit überlassenen Sicherheiten vom Kreditgeber erneut beliehen werden können – wir sahen oben, dass genau dies von der Deutschen Bundesbank schon 1993 als zu gefährlich, zu toxisch, beurteilt worden war. Durch die Reproduktion der Sicherheitsbeleihung kommt es deshalb zu einem Schattenbanksystem, weil es hier zu einem ähnlichen Effekt wie bei der Geldschöpfung der Geschäftsbanken kommt, wenn diese Wertpapiere kurzfristig als Sicherheiten bei der jeweiligen Zentralbank einreichen und dafür Liquidität erhalten; davon träumt jeder Unternehmer, auch so tun zu dürfen. Durchschnittlich dreimal werden nach Analysen der Wirtschaftswoche Sicherheiten verliehen und damit für neue Kredite eingesetzt. „Ende 2007 führten die US-Banken rund 10 000 Milliarden Dollar an Sicherheiten. Dahinter verbarg sich aber letztlich nur ein tatsächlich verwertbares Wertpapiervolumen von etwa einem Drittel der ausgewiesenen Summe.“ Diese Mehrfachbeleihung und dafür muss man kein Mathematiker sein, reproduziert natürlich auch mit jeder neuen Beleihung die inhärenten Risiken, die ja nichts anderes sind, als die multipel ansteigenden Differenzen zwischen Kreditsummen und Sicherheiten, die so in ihrer Qualität abnehmen, gleichwohl sie anfangs als „beste Qualität“ geratet worden waren.

Die Repo-Märkte sind allein schon aufgrund ihrer Volumina systemrelevant. Systemrelevant für die Liquiditätsversorgung des gesamten westlichen Finanzsystems und besonders in den USA hat sich daraus ein systemisches Risiko der Geldversorgung ergeben, das zunehmend zum Problem geworden ist; Europa schaut nicht gleichermaßen in diese Problematik, da die EZB ein wenig restriktiver im Volumen beim Ankauf von Anleihen gehandelt hat. Wir haben die Fed kennengelernt, die jahrelang ihr Programm des Quantitative Easing (QE) durchgeführt und dabei mit jedem Anleihenkaufprogramm die sich wertmindernden Sicherheiten mit in ihre Bücher genommen hat. Nun muss man erinnern, dass Liquidität stets eine Relation zu Sicherheiten beinhaltet, so dass deutlich wird, dass, wenn die Fed über Anleihenkäufe Sicherheiten dem Markt entzieht, diese Sicherheiten also dem Markt bei der Weiterbeleihung, eigentlich also im Refinanzierungsprozess nicht mehr zur Verfügung stehen und deshalb durch andere Sicherheiten ersetzt werden müssen. Entzieht also die Fed Tripple-A Sicherheiten dem Markt, müssen diese durch minderwertigere ersetzt werden.

Bleiben wir in den USA. Banken und Hedgefonds, die sich am Repo-Markt Geld leihen, hinterlegen Wertpapiere als Sicherheiten und benötigen dazu in den USA 11 200 Milliarden US-Dollar an hochwertigen Sicherheiten, so das Treasury Borrowing Advisory Committee, ein Beratungsgremium des US-Finanzministeriums. Gibt es zu wenig davon, droht ein Liquiditätsengpass. Und genau dieser Engpass entsteht durch das von der Fed als Wunderwaffe eingesetzte QE-Programm, also geradewegs durch den Ankauf von Anleihen durch die US-Notenbank. Wir sind nun im Kern eines stürmischen Paradoxes, dass die Fed Geld in den Kreislauf von Liquidität bläst und damit zugleich diesem Kreislauf ein Liquiditätsproblem wachsenden Ausmaßes beschert; nebenbei, wir gehen später darauf ein, besteht ein weiteres Paradox darin, dass zur Unterstützung der Marktwirtschaft in den USA durch Liquiditätsversorgung einer temporäre Verstaatlichung der Wirtschaft Vorschub geleistet wird; What a Joke. Da also die Repo-Märkte nicht genügend Sicherheiten aufbringen können, wird Liquidität zum Problem. Und da die Akteure am Repo-Markt auch Derivate, Anleihen oder Aktien kaufen, hat eine knappe Liquidität hier direkte Folgen für nahezu alle anderen Anlagenmärkte. Die größte Gefahr für die Stabilität der Finanzmärkte könnte wie 2007 am Beginn der internationalen Finanzkrise nun erneut von einem Rückgang der Liquidität am Repo-Markt ausgehen und sich zu einem Interbanken-Problem aufschaukeln. Es mangelt sprichwörtlich an Sicherheiten und die Geldmühlen unter der Zimmerdecke der Repo-Märkte drehen sich wie Ventilatoren, bis sie überhitzen und zu Boden fallen.

Vergleichen wir noch einmal: Laut US-Behörde benötigt der Repo-Markt über 11 Billionen USD an Sicherheiten der ersten Klasse. Die Fed hat über ihre Anleihenkaufprogramme mehr als 2,5 Billionen USD an Sicherheiten in ihren Büchern, also etwa 22 Prozent davon und die fehlen nun am Repo-Markt als Sicherheiten für neue und Refinanzierungskredite. Das gibt in der Summe ein ansteigendes Liquiditätsproblem. Das Gleiche gilt für hypothekenbesicherte Schuldverschreibungen (Mortgage Backed Securities, MBS), von denen die Fed im Zuge von QE ein Volumen von knapp 1,7 Billionen Dollar aufgekauft hat. Und damit haben wir einen Prozess des Liquiditätsentzugs eines wichtigen Geldmarktes durch Liquiditätserhöhung. Denn wenn die Fed Staatsanleihen und MBS kauft, gibt sie zwar Liquidität in den Markt, aber eben nur einmal. Weil die Anleihen danach aber nicht mehr als Sicherheiten für eine weitere Kreditaufnahme zur Verfügung stehen, entzieht sie unter dem Strich den Märkten Liquidität. Doch damit nicht genug. Schauen wir auf den europäischen Repo-Markt, der wie sein amerikanisches Pendant funktioniert und mit der Zeit zwar weniger als mit der Hälfte an Volumen und auf den ersten Blick kein so großes Risiko angenommen hat, aber strukturell ähnlich gefährlich werden kann. Da die EZB jede Menge an Staatsanleihen neben den anderen Wertpapieren in den Büchern hält und diese Sicherheiten den nationalen Notenbanken der Euro-Staaten nicht mehr zur Verfügung stehen, kann natürlich auch auf diese Art ein dramatischer Liquiditätsengpass in Krisenzeiten entstehen, wie wir dies in den nächsten Jahren befürchten müssen (Stand März 2020).

Wir haben es also nicht einfach nur mit einem Risiko, einem Ausfallrisiko zu tun, sondern gleichzeitig mit einem Liquiditätsrisiko, welches aber durch seine Verkettung durch den gesamten Geldmarkt und seinen Marktteilnehmern und Anlageklassen darauf ein veritables systemisches Risiko darstellt. Das ist wichtig zu notieren, dass zwar Liquidität und Sicherheiten miteinander verknüpft sind, dass aber diese Relation nur des Status eines Anfangsrisikos besitzt, das durch die Verkettung der Anfangsrisiken auf den Repo-Märkten erst zu seiner wahren Risikodimension gelangt. Das geschah damals mit der Insolvenz der US-Bank Lehman Brothers, deren Fall die Kettenreaktion im Interbanken-Handel ausgelöst hat. Denn bei Lehman Brothers wurde erstmals sichtbar, was an Gefahren durch die Mehrfach-Beleihung ein und derselben Sicherheit impliziert ist. Schattenbanken, zu denen über die Repo-Märkte nun auch Hedge- bzw. Private-Equity-Fonds gehören, finanzieren sich kurzfristig über den Repo-Markt, legen aber Geld meist längerfristig an und betreiben sogenannte Fristentransformation. Da diese über Schulden bzw. Kredite finanziert sind, müssen diese Schattenbanken um ihre kurzfristigen Verbindlichkeiten bedienen zu können, am Repo-Markt täglich Verbindlichkeiten in dreistelliger Milliardenhöhe aufnehmen oder abbauen; ein gewaltiges Gebläse im Geldmarkt.

Die Lehman-Bank war bis zu ihrem Fall 2008 geschäftlich gerade darin besonders aktiv, dass sie Wertpapiere, die ihre Kunden zur Aufbewahrung in deren Depots gelegt haben, über die Repo-Märkte weiterverliehen haben. So waren die Sicherheiten unterwegs und niemand wusste mehr, wer welche Sicherheiten überhaupt wie beliehen hat. Für die Kunden der Lehman-Bank waren ihre Wertpapiere nach der Pleite nicht mehr erreichbar und als Kettenreaktion brach der Liquiditätsstrom im Repo-Markt vollständig zusammen und es kam zu einem drastischen Wertverfall der Anleihen, ja aller Wertpapierklassen. Dass dann in einer so dynamisch laufenden Krise die einzige Chance, diese aufzuhalten, eigentlich darin liegt, den Wertverfall der Sicherheit durch Ersatz, oder wie man sagt, durch Nachschusspflichten aufgehalten werden kann, darf als anekdotische Anmerkung aufgefasst werden. Denn niemand kann und kommt dieser Nachschusspflicht in solch einer Situation nach, ganz nach dem Kernmotto des Geldmarktes: man schmeißt kein gutes Geld schlechtem hinterher.

Da haben wir also das Muster für unseren Prozess in der Geldwirtschaft und sind wiederum genau da gelandet, wo wir in diesem Kapitel gestartet sind: Die Inflation der Sicherheiten führt am Ende zur staatlichen Übernahme der Liquiditätsausfälle und die Verstaatlichung der privaten Risiken und Schulden erfordert ihrerseits eine Verbreiterung der Sicherheiten-Basis durch die Hereinnahme weiterer Sicherheiten von den privaten Konsumenten. Wir sehen ja bereits wie durch ein Schlüsselloch in diese Richtung. Wenn gerade aktuell die als Sicherheiten hinterlegten Wertpapiere starke Kursverluste verzeichnen – immerhin vor kurzem von sieben Prozent innerhalb von ein paar Tagen – muss sofort die europäische Notenbank beispringen und in einem radikalen Kraftakt 750 Mrd. Euro an Staatsanleihen und privaten Wertpapieren in ihre Depots nehmen, um gerade die Volkswirtschaften zu stützen, die am meisten von den Folgen der derzeitigen Corona-Pandemie betroffen sind bzw. sein werden. Aber wie soll die EZB vermeiden, dass es gerade in Staaten wie Griechenland, Italien, Spanien usw., also in den Euro-Krisen-Staaten zu drastisch steigenden Sicherheitsabschlägen und damit zu steigenden Zinsen und weiteren Kursverlusten kommt?
Wir haben gesehen, dass es ganz fundamental darauf ankommt, Sicherheiten von hoher Qualität zu besitzen und diese je nach Bedarf den Kreditanforderungen zu hinterlegen. Wir machen uns nun Gedanken dazu, wie dies gelingen kann.