Es gibt kein Recht auf Bargeldzahlung. Dies sei vorweggeschickt. Es gibt auch kein Recht auf einen positiven Sparzinssatz. Es gibt letztlich auch kein Recht darauf, dass die Bürger Europas nicht in Form einer Sozialisierung von Schulden eine finanzielle Haftung für Verluste und Pleiten der Politischen Ökonomie, ja bislang sogar der Privatwirtschaft wie etwa von Banken eingehen, ohne dies zu wissen und ohne dem überhaupt irgendwann und irgendwo einmal direkt zugestimmt hätten. Wir wissen das als ein Feld der Repräsentativität innerhalb demokratischer Gesellschaftsordnung, ein Feld von Vertrauen in Entscheidungen von Parlamenten unter dem Primat des Mehrheitsprinzips. Wir müssen daher prinzipiell davon ausgehen, dass die Entscheidungen, die im Rahmen der Staatenrettungen in Europa und der diversen Bankenrettungen im Sinne der Mehrheit der Bürger Europa getroffen worden sind; oder nicht? Was wäre, wenn sich diese Entscheidungen eines Tages als Repräsentation von Partikularinteressen entpuppen würden? Selbst die Rettung von Griechenland hat sich in der Eurozone und darüber hinaus als einigermaßen einträchtig erwiesen. Die Menschen, die auf die Straßen gingen, waren groteskerweise die Griechen selbst; verständlich zwar, da die Griechen nun einmal die übelschmeckenden Pillen besonders in ihren Wohlfahrtssystemen schlucken mussten, aber gerechtfertigt gegenüber jenen Staaten, die in diesem wie in vielen anderen Fällen vorher die Eintracht der Eurozone unter Beweis gestellt haben, nicht.
Das bestehende föderale System impliziert, dass alles, was z.B. Banken in ihrem ordentlichen Geschäftsbetrieb machen, auf nationaler Ebene beschlossen worden ist. Wir haben diese Struktur ausführlich besprochen, halten aber noch einmal fest, dass gleichwohl die europäischen Bankenkontrolle nun bei der EZB liegt, die Banken aber stets autonom handeln und somit auch im Geschäftsbetrieb mit nationalen Notenbanken und nationalen Regulierungsbehörden Gewinne und Verluste schreiben, die dann, wenn ein Institut in Schieflage gerät, der europäischen Solidarhaftung sehr schnell unterstellt wird. Was wäre mit Griechenlands Bürgern und ihren Vermögen passiert, hätte die europäische Bankenrettung nicht gegriffen? Und dabei ist es völlig egal, ob diese Banken in griechischer oder in ausländischer Anteilsmehrheit operieren.
Wenn wir aus diesen Krisen, Beinahe-Pleiten und Rettungen etwas lernen können, dann die beängstigende Erkenntnis, dass die Banken in ihren lokalen Beziehungen zu Regulierungsbehörden und politischen Institutionen keine marktwirtschaftlichen Risikobewertungen vorgenommen haben; im Gegenteil. Banken gemeinsam mit Regierungen sind dem Anreiz gefolgt, auf Risikostandards zu verzichten und so zu einer geradezu ruinösen Kreditvergabe, zu einer schier exzessiven Ausgabenpolitik der Regierungen und zu einer selbstbedienerischen Bonusverteilung untereinander zu kommen. Die Welt fokussiert in moralischer Entrüstung die maßlose Selbstbedienung und die Vergemeinschaftung der Verluste aus den öffentlichen und privaten Selbstbedienungsreihen zurecht, übersieht aber den Fortgang dieser Handlungsstruktur. Denn in den letzten Finanzkrisen und der Eurokrise schält sich ein zentraler Krisenkern heraus, der sich als der wesentliche, einschränkende Faktor in der Weiterentwicklung der Politischen Ökonomie erwiesen hat.
Das ist die begrenzte Menge an haftendem Vermögen bzw. der schwindende Wert der Kreditpfänder. Dabei ist den Regierungen, den Banken und den dienenden Wissenschaften nicht entgangen, dass die Begrenztheit der Pfandmenge bzw. der Pfandwerte darin liegt, dass man einmal nicht über das Wissen über die Gesamtmenge der privaten Vermögenswerte verfügt und zum anderen nicht über die Verfügungsgewalt über die privaten Vermögen. Wüsste man wie hoch die Privatvermögen einer Nation sind und könnte diesen Wert als Sicherheit für Kredite hinterlegen, wäre für Regierungen und Banken das Zeitalter des Paradieses auf Erden angebrochen.
Wer glaubt, dass bei solchen Aussichten auf schier grenzenlose, fast nie versiegenden Geldströme die Agenten des Geldes nicht an der Verwirklichung dieses Erdenparadieses arbeiten, der bleibe religiös oder Romantiker. Noch aber gilt, Bargeld ist das materialisierte Recht auf Verschwiegenheit gegenüber dem Staat und eigentlich gegenüber jedem, selbst der eigenen Familie. Wieviel Geld wirklich jemand unterm Kopfkissen hat, weiß niemand. Und niemand weiß wirklich, woher dieses Geld stammt, ob aus semilegalen Quellen oder kriminellen Handlungen. Der Sachverhalt Bargeld bestimmt den Begriff des Gemeinwohls zur Wegmarke, das behalten wir im Sinn. Aus kriminellen Quellen und dessen Nutzen richtet es sich gegen das Gemeinwohl. Aus privaten Quellen und für den privaten Nutzen geschöpft bildet es die Jahrtausende alte Ökonomie des Gemeinwohls, Ur-Polis, der Nachbarschaftshilfe bis hin zu einigen Formen der neuen „Sharing Ökonomie“. Schaffen wir das Bargeld insgesamt ab, um den Kriminellen die Wegmarke zu gemeinwohl-schädlichen Eigennutz zu versperren, trocknen wir zugleich aber die private Ökonomie des Gemeinwohls gänzlich aus.