Einleitung

Band III. der Philosophie des menschlichen Daseins hat sich mit den Transformationsprozessen innerhalb der Ökonomik beschäftigt, die aus der klassischen politischen Ökonomie herausführen in eine Wirtschaftsform, die immer weniger zu tun hat mit einer Marktwirtschaft, sei diese nun eine Liberale Marktwirtschaft, wie in den angelsächsischen Modellen, oder innerhalb einer Sozialen Marktwirtschaft wie in den europäischen Modellen. Nun in Band IV. legen wir die Grundlagen zum Verständnis dieser neuen Form der Wirtschaft, die wir Politische Ökonomie nennen werden. Der kleine Unterschied der beiden Wirtschaftsformen, einmal als politische Ökonomie klein geschrieben und nun als Politische Ökonomie zum Begriff aufgewertet, soll diese Semantik auch verdeutlichen, dass wir uns in einer Transformationsphase befinden, die bereits weit fortgeschritten ist und ein neues Denken, ein entwickelteres Bewusstsein und natürlich auch eine veränderte politischen Praxis erfordert.

Der Übergang von der einen in die andere Form der Ökonomie ist also in der Schreibweise recht gering, in der Sache aber gewaltig. Die klassische politische Ökonomie verschwindet und wir sehen diesem Verschwinden zu. Es fehlt am Verständnis dessen, was da verschwindet, sonst würden sicherlich einige Volkswirte auf die theoretischen Barrikaden klettern, die Bürger in Europa und, vielleicht, auch in den USA revoltieren. Also ist es an uns, das Verständnis für diesen finalen Transformationsprozess ins 21. Jahrhundert zu schärfen, bei dem wesentlich mehr verloren geht, was die politische Ökonomie noch versprochen hat: wachsender Wohlstand und stabile Wohlfahrtssysteme auf der Grundlage bürgerlicher Freiheiten.
Wir sehen zurück in die Phase der politischen Ökonomie, die seit etwa zweihundert Jahren Industriegeschichte den Wettbewerb von Menschen und Unternehmen auf eine spezifische Art organisiert hat. Unternehmen führten Wettbewerb, vormals Konkurrenz untereinander auf ihren Märkten aus. Dabei ging es um Produkte und Dienstleistungen innerhalb eines Wirtschaftsraumes sowie um Handel mit ausländischen Wirtschaftsräumen. Der sogenannte Heimatmarkt war von ganz besonderer Bedeutung, paradigmatisch der US-Markt und die Binnenmärkte Großbritanniens. Auf den Binnenmärkten waren die Lohn- bzw. die Gehaltsstrukturen je nach marktwirtschaftlicher Ordnung liberal oder sozial im Schwerpunkt. Und so war auch das politische Selbstverständnis im Schwerpunkt eher am Wohlstand orientiert oder mit einer gewichtigen Bedeutung neben Wohlstand und wirtschaftlichem Wachstum an stabilen Wohlfahrtssystemen orientiert.

Wirtschaftssysteme wie die Liberale und die Soziale Marktwirtschaft bestanden einigermaßen friedlich nebeneinander. Handel zwischen beiden funktionierte einigermaßen ungehindert, gleichwohl einige Besonderheiten beider Systeme, die sich teils konfliktträchtig widersprachen, bestanden. Es kam selten zum offenen Konflikt, weil beide Systeme durch eine Vielzahl von Absprachen und Verträgen, über die internationale Institutionen wie etwa der IWF oder die Weltbank etc. wachten und zu „Gericht“ saßen, meistens zu beiderseitigem Einvernehmen im Streitfall fanden. Mit dem Auftritt der parteigelenkten, chinesischen Volkswirtschaft auf der Bühne der Weltwirtschaft hat sich die gesittete Auseinandersetzung innerhalb der westlichen Industrienationen, zu denen wir strukturell Japan und Südkorea hinzunehmen müssen, drastisch verändert. Die Sowjetunion bzw. heute Russland spielten lange Zeit nur eine untergeordnete Rolle, weil es in der Wirtschaft keine Entwicklung gab, die nach politischer Dominanz in ökonomischen Sachverhalten strebte. Diese Zeit ist vorbei.

Durch den Druck der chinesischen Wirtschaft auf die westlichen und asiatischen Industrienationen hat sich der Wettbewerb auf die staatliche Ebene verschoben. Die westlichen und mit ihnen assoziierten, asiatischen – auch einige der pazifischen – Ökonomien stehen heute nicht mehr in einem Wettbewerb untereinander, in einem Wettbewerb zwischen Unternehmen, sondern im Kern konkurrieren drei große Wirtschaftsräume miteinander, die USA, China und Europa Die Zuordnung von Japan und Südkorea ist nicht immer einfach, aber wir sehen strukturelle Verbindungen eher zu Europa, als nach China und in die USA. Durch diese neue Wettbewerbssituation rücken andere Begriffe und Zusammenhänge in den Fokus der Ökonomik. Und natürlich über allem politische, macht- und geopolitische Entwürfe, die nicht immer leicht von ökonomischen zu differenzieren sind.
Die Notenbanken spielen bei dieser Transformation eine entscheidende Rolle. Sie sind die Transmissionsriemen zwischen Politik und Ökonomie. Geldmengen, Zinsen, Währungen rücken vermehrt ins Blickfeld und in die Zentren der Handlungsfelder der Politischen Ökonomie. Staatsschulden stehen thematisch ganz oben, nicht per se, aber die Gründe für die politischen Einflussnahmen auf die Wirtschaft werden unisono als Legitimation verstanden, die den Staat bzw. die Regierung zum Handeln zwingt, gegen Inflation oder Deflation, gegen Arbeitslosigkeit und auch gegen die Einflussnahmen der anderen Regierungen der großen Wirtschaftsräume.

Ganz allgemein gesprochen geht es wieder um die Systemfrage, wie dies während der Zeit des Kalten Krieges geschah. Heute aber ist nicht mehr der „Sieg“ der Marktwirtschaft gegenüber kommunistischen bzw. sozialistischen Systemen der Staats- bzw. Planwirtschaft das alles überragende politische Kalkül, quasi Staatsräson, heute geht es um die Politische Ökonomie als solche und die Frage, welche Form der Politischen Ökonomie sich weltwirtschaftlich relevant durchsetzen wird. Eine staatlich gelenkte wie in China, eine von Finanzmärkten dominierte wie in den USA, oder eine multilaterale wie in Europa. Und dass dies nie ohne einen Anstieg der Staatsverschuldung vonstattengeht, erscheint als mittlerweile fraglos und ausgemacht. Wir hinterfragen das aber und setzen Staatsschulden in die jeweiligen ökonomischen Zusammenhänge und versuchen darin, die politischen Absichten zu erkennen. Aber nicht nur die bewussten politischen Absichten, auch systemische Fragen kommen zum Vorschein. Eine dieser systemischen Fragen ist die, in welchem Verhältnis etwa die Steuerquote eines Landes in Bezug zur Verteilung des ökonomischen Wohlstandes steht. Eine andere ist, ob die zunehmende Spreizung von Arm und Reich in den meisten Industrienationen letztlich auf marktwirtschaftliche Gründe zurückzuführen ist, also ob ein Versagen der jeweiligen Marktwirtschaft als Grund dafür herangezogen werden muss, oder ob die Verteilungsasymmetrie des gesellschaftlichen Wohlstand andere Gründe hat, die nicht immanent und somit rein ökonomischer Art sind.

Wir nehmen also die wichtigen Fragen der politischen Ökonomie neu auf; neu insofern, als wir sie in anderen Zusammenhängen diskutieren als in den gängigen, naturwissenschaftlichen der Ökonomik. Konjunkturelle Phasen, auch extreme wie etwa Boom-Phasen im Immobiliensektor oder auf den internationalen Finanzmärkten analysieren wir in Hinblick auf ihren makroökonomischen Status. Wir fragen, sind Boom-Phasen Vorläufer, ja Indikatoren für Krisen? Wir haben ja bereits bei der Analyse der Finanzkrise 2007/08 in den USA gesehen, dass dies so gesehen werden muss, dass aus einer Immobilienkrise über die weltweit vernetzten Finanzmärkte eine regelrechte Weltfinanzkrise sich entwickelt hat und fragen nun genauer nach den Krisenfaktoren.