Grenzen

Grenzen. Das sind einmal die Staatsgrenzen, die das Datenerhebungsgebiet für die Ökonomik bilden, insofern sie zum Vergleichsmaßstab und zum „Nullpunkt“ für Entwicklung definiert werden. Das ist der Begriff Wettbewerb, der innerhalb dieser Grenzen bestimmt wird und ins Verhältnis zu anderen wirtschaftlichen Wettbewerbsräumen gesetzt wird. Und so ist auch Wohlstand bestimmt. Und da ist das Recht, das nur international regeln kann, was internationales Recht auch ist.

Wir haben gesehen, dass die Art des Umgangs mit Daten, die ja eine tatsächliche Situation und Entwicklung repräsentieren sollen, obsolet ist. Wäre es nicht so, dann müsste man beim Stand der Dinge die Wettbewerbsfähigkeit von Mexiko gegenüber den USA negativ beurteilen und hätte einige Probleme zu verstehen, warum das Oval Office sich derart ins Zeug legt, die Handelsabkommen mit Kanada und Mexiko zu schleifen.

Mit der Drohung Nafta aufzukündigen, trifft die „Firma“ aber nicht nur Unternehmen aus diesen Ländern. Eine ganze Reihe von ausländischen Unternehmen sind in Mexiko tätig, allen voran die deutsche Automobilindustrie. Alle, Audi, BMW, Daimler, Mercedes, Volkswagen lassen hier produzieren. Da es mit dem Handelsabkommen keine Zollgrenzen zwischen Mexiko und den USA mehr gibt, können die deutschen Autobauer günstig in Mexiko für den us-amerikanischen Markt produzieren. Über 80% der in Mexiko gefertigten Autos gehen nicht nach Deutschland, in die EU oder nach Asien, sondern in die USA. Und auch in den USA wird produziert. Bestimmte Modelle aller deutschen Hersteller für den Weltmarkt kommen aus den USA, wo über 40tsd. Mitarbeiter US-Beschäftigte deutscher Konzerne sind.

Produktions,- Beschäftigungs- und Handelsgrenzen sind nur zusammen aufzulösen. Aber wie sieht das Verhältnis aus dem Blickwinkel des Wettbewerbs aus?
Deutschland ist nach China und den USA der drittgrößte Pkw-Produzent der Welt. Im Jahr 2010 wurden 5,55 Mio. Pkw produziert. Charakteristisch an der hiesigen Pkw-Produktion ist ihre starke Exportorientierung. Während Japan, aber vor allem China und die USA stärker für das Inland produzieren, gehen von der deutschen Pkw-Produktion rund 69 % ins Ausland – die weltweit höchste Pkw-Exportquote1
Die USA sind für die deutschen Hersteller nicht allein ein wichtiger Markt, sondern mehr denn je auch ein bedeutender Produktionsstandort. Investitionen hier und internationaler Warenaustausch gehören untrennbar zusammen. Das ist die differentia specifica1, dass nicht nur Handelsgrenzen fallen, sondern auch Produktionsstandorte und Logistikketten grenzüberschreitend sich entwickeln.

Für die Wettbewerbsfähigkeit, immer gemessen an den Exportvolumina, bedeutet das einen nicht unerheblichen Vorteil, reicht aber zur abschließenden Beurteilung nicht aus. Was feststeht ist, wenn die „Firma“ beschließen sollte, dass tatsächlich mindestens die Hälfte aller Bauteile eines von Mexiko in die USA gelieferten deutschen Autos in den USA gefertigt sein muss, dann würden nicht nur die engen und weit verzweigten Produktions- und Logitikketten gesprengt. Die deutschen Autobauer wären nicht mehr wettbewerbsfähig.

Wir erkennen hieran allein schon, dass die Qualität eines Produkts, also die in ihm verbrauchte Innovationskraft, nicht allein wettbewerbsentscheidend ist. Denn bei der e-Mobilität, den Elektroantrieben usw. hatten die deutschen Autobauer gegenüber japanischen und anderen asiatischen, aber auch französischen Herstellern deutliche Nachteile aufgebaut.

Ein weitere Aspekt, der wesentlich ist für eine erfolgreiche, global wirksame Wettbewerbsfähigkeit ist internationales Recht. Für Unternehmen und ihre Wettbewerbsfähigkeit mitentscheidend ist, dass Planungssicherheit über einen längeren Zeitraum besteht und diese Planungssicherheit ist in vielen Aspekten der Unternehmenstätigkeit davon abhängig, dass Rechtssicherheit herrscht. Auch für den Streitfall.
Wenn nun das Oval Office mit Nafta auch den Mechanismus der Handelskonfliklösung vor der gemeinsam akzeptierten Gerichtsbarkeit abschafft, dann fallen Planungssicherheit und Konfliktlösung ins Reich der Willkür. WTO-Chef Roberto Azevedo erinnert daran, dass eine Welt ohne eine „multilaterale Lösung von Handelskonflikten“ unweigerlich zu Handelskriegen führe. „Das wäre schlecht für alle Staaten – ohne Ausnahme.“
Und Azevedo weiß auch, dass mit der Blockade mehrer vakanter Richterstellen beim Berufungsgericht der WTO sowie der Einschränkung der Haushaltsmittel eine Politik der Handelsblocke durchaus effektiv betrieben werden kann. So effektiv, dass Wettbewerbsvorteile wieder hinter politischen Grenzen eleminiert werden.

Sowohl in der us-amerikanischen Sicherheits- bzw. Sanktionspolitik gegenüber Russland, Nordkorea und Iran wie auch bei anderen Maßnahmen der US-Sanktionspolitik hat Washington nicht nur die direkte Sachlage im Blick, wenn überhaupt. Die Nebeneffekte in der internationalen Handelspolitik sind u.E. weder zufällig noch willkürlich. Im Gegenteil, sie erscheinen mit Absicht so gewollt und geplant.

Es ist nicht schwer und braucht wenig Vorhersagekraft um sich vorzustellen, dass Sanktionen gegen Russland im Energiebereich direkte Auswirkungen auf die Beteiligung europäischer Firmen am Pipelineprojekt „Nordstream 2“ haben. So wird auch von extraterritorialen Anwendung bzw. Auswirkungen von US-Sanktionen gegen europäische Unternehmen gesprochen (Außenminister Gabriel). Und der schnell zum Rittmeister mutierende EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker drohte gar damit, notfalls „zu den Waffen zu greifen“ – und meint damit durch handelspolitische Sanktionen der Europäer gegen die USA in den Gegenangriff zu gehen.

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differentia specificaSanktionspolitikextraterritorial


1 Differentia specifica steht für den „eigentümlichen Unterschied“ – hier nach der Art des Wettbewerbsunterschiedes.

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