Eigentum zählt

Gesellschaften oder Staatsformen, die kein Privateigentum kennen, kennen auch keinen Zins. Es gibt heute davon nur wenige noch. Wir haben uns die Gleichung: Mehr Güter gleich mehr Wohlstand etwas genauer angeschaut und dabei festgestellt, dass Wohlstand nicht ganz aufgeht in der rechnerischen Verteilung des BIP auf die Köpfe einer Volkswirtschaft. Wir haben uns die These angesehen, die behauptet, Wohlstand ist eine Gleichung, bei der der Referenzzins eine gewichtige Rolle spielt, insofern seine Auf- und Abwertung maßgeblich ist für die Bekämpfung von Inflation bzw. Deflation und ein wichtiger Indikator für die realen Zinsen. Dabei sahen wir, dass eine direkte Linie zwischen Zinsen und Preisen zu ziehen zunehmend schwieriger zu werden scheint. Wir haben das ideologisch schwer belastete Thema Kapitalverzinsung und Arbeit versucht, etwas heller zu beleuchten und auch hier keine Kausalbeziehung erkennen können.

Was wir stets antrafen ist ein Zins. Und dieser Zins in allen seinen höchst differenzierten Formen, scheint konstitutiv zu sein, also wirksam auf die Bereiche der Finanz- und Realwirtschaft sowie der Politik, die mit den jeweiligen Zinsformen in Verbindung stehen. Was wir nie antrafen war eine befriedigende Erklärung, nicht einmal klare Beschreibungen zum eigentlichen Sachverhalt. Der Zins scheint ein Geisterwesen zu führen. Überall taucht er auf, überall erschreckt er die Menschen. Die privaten, aber auch die in den staatlichen Institutionen und der Wirtschaft tätigen. Studenten der Ökonomik lernen, dass der Zins, insofern er mit Geld zu tun hat, in den monetären Zinstheorien studiert werden muss. Das entmutigt vorab den Eindruck, dass es dort um die Frage: was ist ein Zins? geht, sondern lediglich um seine Erscheinungsformen, die in wissenschaftlichen Einzelansätzen erklärt werden. In der Abstinenztheorie, der Agio Theorie, der Loanable Funds Theory und der Wartetheorie; gewiss gibt es einige mehr, aber das erscheint unwesentlich.

In unserer Beschäftigung mit den Wirtschaftskrisen, sei es mit der annoncierten in der Kritik der politischen Ökonomie, die unter dem Ansatz des tendenziellen Falls der Profitrate imponiert, oder mit den modernen Ansätzen des Keynesianismus und des Monetarismus nebst ihren Ablegern haben wir implizite einen Ansatz verfolgt, der von einem alten, griechischen Begriff ausgeht, dem des Eigentums. Dabei haben wir besonderen Wert darauf gelegt, dass Eigentum in den modernen Industriegesellschaften als Privateigentum zu verstehen ist. Und wir sind dabei bis an den Rand einer neuen Sichtweise auf die Marktwirtschaft vorgedrungen, diese aus einer Perspektive des Privateigentums zu betrachten. Das wollen wir nun eingehender und differenzierter bewerkstelligen.
Nun könnte man meinen, die Sache mit dem Privateigentum wäre ja schon erledigt, handeln doch die klassische politische Ökonomie ausführlich und die Kritik von Karl Marx im Speziellen davon. Beide, von Smith bis Marx handeln vom Privateigentum, insofern sie eine Position oder eine Dialektik von Herrschaftsbeziehung des Privateigentümers als Besitzer fokussieren. Wir alle wissen aus unseren Mietverhältnissen, dass Eigentum und Besitz einer Immobile zwei unterschiedliche Sachverhalte sind. Und auch ein geleaster Car Park oder eine kreditfinanzierte Produktionsstraße sind noch lange kein Eigentum an Produktionsmitteln.

Was also bei beiden, Smith und Marx nicht wirklich zu Worte kommt, ist die konstitutive Eigenschaft des Privateigentums für die Marktwirtschaft, sie beide sehen Privateigentum als ein „Produkt“ bestimmter, gesellschaftlicher Verhältnisse, also als nicht konstitutive Voraussetzung für solche. Vernachlässigt man das Privateigentum als Grundlage des Wirtschaftens in der Ökonomik, dann verbleibt die Perspektive, sei sie beschreibend oder kritisch hinterfragend, innerhalb des Sachverhaltes einer Tauschwirtschaft. Alle Theorien, die ihren Kern im Feld des Warentausches finden, fokussieren natürlicherweise innerhalb ihrer Tauschtheorien auf die Analyse der Herstellung von Gütern und deren marktspezifischen Wertstellungen. Darin sind die Güter letztlich objektive Arbeitswerte und Tauschwerte zugleich. Arbeitswerte, weil sie durch Arbeit geschaffen wurden, einst mehr durch menschliche, heute zunehmend mehr durch maschinelle Arbeit, was aber keine wirklich wesentliche Rolle spielt, will man die immanente Betrachtung auf die wirklichen Bedingungen des Wirtschaftens erweitern.

In der Analyse der Tauschvorgänge von Gütern erscheint das Privateigentum stets und lediglich in seiner frei verfügbaren Form als Besitz, als freie Nutzung von Gütern oder von Ressourcen. Die Betrachtung führt stets auf freie, gleichwohl nicht immer edle und integre Subjekte, die als Besitzer Gütermengen auf den Warenmärkten tauschen. Sie benutzen dazu Geld, das da ist. Ohne Geld keinen Gütertausch in heutigen Zeiten. Aber woher das Geld kommt, erfährt man nicht. Heute wird erzählt, es käme aus den Banken. Dort würde eine Geldschöpfungsmaschine Geld aus dem Nichts erzeugen. Ja, so scheint es, als käme der Strom aus der Steckdose.
Geldschöpfung aus dem Nichts betrachtet Geld als eine Erscheinungsform, die aus einem immateriellen und zugleich nicht-pekuniären Prozess heraus entsteht. Diese Vorstellung wurde in den siebziger Jahren des 19. Jhd. niedergeschrieben und gilt bis heute in allerlei Facetten als die dominierende Wirtschaftstheorie, deren Name allgemein als Neoklassik bekannt ist und den wir auch für den Monetarismus verwenden. Denn bei allen gilt das Eigentum zwar als ein wichtiges Ordnungselement, ist aber weder als Privateigentum begrifflich richtig gewürdigt, noch in seiner Ordnungsfunktion als konstitutives Element des Wirtschaftens verstanden, sondern nur als ein nachrangiges veranschlagt.

Kein geringer als der Vater der Neoklassik, John Maynard Keynes, hat die ökonomisch fundamental bedeutende, also wirtschaftlich signifikante, immaterielle und zugleich nicht-pekuniäre Ertragsart des Geldes erkannt und als „Liquiditätsprämie“ beschrieben . Aber wie alle neoklassischen Theoretiker hat Keynes diese „Prämie“ aus einer Perspektive subjektiver Bedürfnisbefriedigung oder einer Mischung aus dieser und „objektiver“ Arbeitswerte bestimmt. So steht sie für so schöne Sachverhalte wie die Annehmlichkeiten der Geldhaltung, also dem Besitz von Bargeld, das überhaupt nicht notwendig gebunden ist an Privateigentum, sondern selbst schon ein Transfer von Tauschwert etwa in Form von Lohn oder Gehalt ist und sich wenig unterscheidet, allenfalls in der Art, dass der eine ein Gut bzw. eine Ware tauscht, der andere dafür Geld gibt.

Geradezu romantisch verklärt erscheint auf dieser Grundlage die rätselhafte Prämie als ein Convenience-Wert, als eine „potenzielle Annehmlichkeit oder Sicherheit“. Keynes attestiert, dass jedes Vermögensgut eine Liquiditätsprämie einschließt, was wenig verwundert, ist Vermögen doch angenehm und vergrößert die Sicherheit vor materiellen Rückschlägen. Ein Asset, also ein Vermögensgut, wird nach Keynes in drei elementaren wirtschaftlichen Größen oder Kategorien unterschieden. Da ist die Kategorie der Produktivität, die einen Produktionsprozess ermöglicht, aber auch Dienstleistungen aller Art. Die sogenannten „carrying cost“ fassen alle Formen und Arten der Wertminderung bzw. Abschreibungen zusammen wie auch die Kosten für den Unterhalt, die Lagerung und Versicherung eines Vermögensgutes, also die Maintenance. Und als dritte Kategorie imponiert die „liquidity preference“, unsere Liquiditätsprämie, die so viel der Annehmlichkeiten und Sicherheiten des Vermögensbesitzes umfasst.

Darauf bauend hat Keynes die berühmte Formel der Neoklassik für den „Eigenzins“ erfunden. Demnach ist der Gesamtvorteil eines Gutes gebildet aus materiellen, pekuniären sowie immateriellen und nicht-pekuniären Kategorien bzw. Sachverhalten. Die „own-rate of interest“ ist dann: Produktivität minus Maintenance plus Liquiditätsprämie . Der besondere Unterschied zwischen Geld und fast allen anderen Vermögensgütern besteht nach Keynes darin, dass beim Geld die Liquiditätsprämie den Maintenance-Faktor stark überwiegt, also der Besitz von Geld, kaum Geld kostet, vor allem, wenn man es hortet, während umgekehrt bei den anderen Vermögensgütern die Maintenancekosten die Liquiditätsprämie stark übersteigen. Geldtheoretisch betrachtet, setzt Keynes das Vorhandensein von Geld einfach voraus. Und mit dem Vorhandensein von Geld ist eines deus ex machina gleich, zugleich die Liquiditätsprämie in der Welt, diese immaterielle, nicht-pekuniäre Annehmlichkeit, auf deren Verzicht der Eigenzins beruht. Da aber diese Prämie eine Differenz beschreibt, muss Keynes sie auch benennen und er tut dies auch.

Diese Differenz ist der Betrag, den ein Schuldner an einen Geldgeber bzw. Gläubiger für dessen (teilweise) Aufgabe der Liquidität zahlen muss. Aber damit nicht genug. Denn Keynes sieht gerade hier den Unterschied zwischen Liquidität und tatsächlichem Geld, dem Geld als Tauschmittel und Zahlungsmittel, der mit der Prämie ausgeglichen werden muss. Dieser immanente, gesetzte Vorteil von Liquidität gegenüber dem gesetzlichen Zahlungsmittel bleibt aber unerklärt. Weder wissen wir, woher er kommt, wie hoch er ist und was ihn verändert. So bleibt im Keynesianismus ein Bestandteil des Kreditzinses die als Preis gemessene Prämie, die für die Aufgabe der Liquidität, resp. der Kaufkraft und des Liquiditätsvorteils über die bemessene Vertragslaufzeit zu zahlen ist. Und Keynes geht sogar noch einen Schritt weiter und fordert, dass der Kreditzins im Idealfall neben der Liquiditäts-Präferenz zudem die Inflationsrate ausgleichen und das Kreditrisiko abdecken soll.