Ausweg – Fall der Profitrate

Nach mehr als zwei Dekaden Druckerpresse und Keynes im Gleichgang ist überraschenderweise in Japan die Arbeitslosigkeit nicht angestiegen. An ihrem Höhenpunkt erreichte sie im Vergleich zu Europäischen Staaten den Traumwert von 5,6% und liegt heute deutlich unter 4%; man spricht von Vollbeschäftigung. Den Gewinnrückgang hat man in Japan mit Lohnsenkungen beantwortet, um etwa 0,5% per anno. Die Profitrate sank, der private Konsum ging natürlich zurück, aber Entlassungen fielen aus und auch ein Ende der japanischen Wirtschaft steht, wenn aus, dann in den Sternen.

Wie wir angenommen haben, bestätigt sich in Japans ultra-lockerer Geldpolitik ein einhergehender, massiver Umverteilungseffekt. Aber diametral zur wissenschaftlichen Lehrmeinung fand dieser Umverteilungseffekt nicht über Inflation statt, die die Einkommensklassen unterschiedlich trifft, sondern innerhalb der Einkommensklassen selbst, denn anstelle einer Inflation traf Japans Konsum aufgrund einer Lohndifferenzierung eine Deflation. Natürlich folgt einer Lohnsenkung auch ein Rückgang der Kaufkraft, aber das „Modell“ Japan zeigt, wie wichtig es ist, sich diese Kennziffern genauer anzusehen. Der Kaufkraftverlust traf vor allem die unteren und mittleren Einkommen und die risikoarmen Vermögensklassen wie etwa Spareinlagen und Staatsanleihen. Gerade diese risikoarmen Vermögen tragen nun den Hauptteil der Auswirkungen der politischen Fehlentscheidungen. Es betrifft immer die „breiteren“ sozialen Schichten und deren Vermögen wie deren Einkommen, da hier auch am meisten in summa zu holen ist. Die Bank of Japan war auch bei der Senkung des Anleihevermögens extrem fündig, zumal und anders als in Europa den gigantischen Staatsschulden Vermögen in Staatsanleihen gegenüberstanden; der Staat war fast ausschließlich bei seinen Bürgern verschuldet.

Deshalb ging und geht es auch jenen Japanern heute besser, die ihre Vermögen und Ersparnisse in etwas risikoreichere und vor allem ausländische Finanzmarktprodukte angelegt haben, etwa in US-Aktien, zumal gerade dieser Markt florierte. Ein anderer, recht gefährlicher Effekt für ein Staatsgebilde ist Korruption und Vetternwirtschaft. Man würde das weder in Japan noch in Europa heute so nennen wollen; wir tun das. Große japanische Exportunternehmen, die nicht selten in den Händen japanischer Politikerfamilien liegen, profitierten von den immensen, als keynesianisch notwendig bzw. sinnvoll begründeten Konjunkturprogrammen, vor allem die, die am Bau-Boom in China teilhatten. Deren Angestellte traf der sonst so deutliche Lohnrückgang deshalb nicht und vergrößerte die Einkommensdifferenzierung in der japanischen Gesellschaft mithin.

Und eine andere Parallele zu europäischen bzw. deutschen Kriseninstrumenten findet sich im damaligen Japan in der Umwandlung von in Japan damals üblicher, lebenslanger Beschäftigung in Zeitverträgen mit geringer sozialer Absicherung, also der Ausweitung einer atypischen bzw. prekären Beschäftigung, die sich von etwa 20% auf 40% der Gesamtbeschäftigten verdoppelte. Mehrarbeit in Form nichtbezahlter Überstunden, Geburtenrückgang, drohende Altersarmut, Landflucht und Gentrifizierung sind nur einige der dramatischen Folgen dieser Politik in der so ausgleichsorientierten Kultur der japanischen Gesellschaft.
Die Politik sucht ihr Heil in der Aufstockung von Subventionen für die Wirtschaft und neuerdings zunehmender Alimentierungen für die wirtschaftlich benachteiligten und älteren Gesellschaftsschichten. So nimmt der Anteil der Subventionen am sinkenden Steuereinkommen weiter zu und die japanische Staatsverschuldung hat den Spitzenplatz aller Industrienationen erreicht.

Die Bank of Japan kauft Staatsanleihen wie Gummibärchen und verkündet weiter keynesianische Notwendigkeiten wie ein Inflationsziel von 2% des BIPs als Begründung solcher Kamikaze-Politik. Denn je mehr Anleihen gekauft werden, desto geringer die Inflation, desto höher die Einkommensdistribution. Der „logische“ Zusammenhang zwischen Quantitativ Easing und Inflation besteht nicht, aber gerade dafür soll ja die Zielsetzung und Rechtfertigung der „unabhängigen“ Notenbank-Politik sein. Da die japanische Notenbank-Politik längst kein Privatissimum mehr war, und zudem direkte Auswirkungen auf die weltweiten Finanzmärkte hatte, melden sich vermehrt Stimmen des Unmuts aus anderen Ländern über diese Politik, vernehmlich lauter aus China. Denn von 2013 bis 2015 verlor der Yen gegenüber dem Yuan etwa 40% an Wert, was China wiederum zu diversen Abwertungsschritten gegen über Japans Währung zwang. Darüber hinaus und noch schädlicher sind die hohen und nicht gering spekulativen Kapitalzuflüsse, die zu einem großen Teil aus Japan nach China transferiert wurden und dort wiederum maßgeblich am Auf- und Ausbau von Überkapazitäten im Exportbereich beigetragen haben sowie auch an der chinesischen Immobilienblase.

Das Risiko des Einbruchs im Exportsektor wie im Immobilien-Anlagebereich beunruhigt China enorm, zumal Japans weiterhin fließendes, billiges Geld der Bank of Japan China, dessen Wirtschaft stark exportabhängig ist, weiterhin in Schwierigkeiten bringt. Und auch andere ostasiatische Staaten treibt die japanische Politik in eine Abwertungsspirale, die China nicht ganz unbeeindruckt und Japan die gewünschte Wirtschafts-Bilanzsanierung in weite Ferne rücken lässt.