Die Abschaffung des Bargelds in China

WePay, also die Bezahlfunktion der WeChat-Plattform, erhält ihren Sinn gerade aus ihrer Integration in den Datenfluss der gesamten App. Auch die zweite Bezahl-App in China, Alipay aus dem Hause Alibaba funktioniert auf die gleiche Art und Weise. Beide Plattform-Apps kommen mittlerweile auf mehr Benutzer, als China an Bevölkerung zählt. WePay von Tencent zählt etwa eine Milliarde Nutzer, Alipay von Ant Financial kommt auf etwa 520 Millionen. Was man im Westen schnell missversteht ist, dass beide Bezahlsysteme im Wettbewerb miteinander stehen; dem ist nicht so. Beide Systeme sind wie auch beide Gesellschaften Konzerne gleicher Art mit jeweils etwa 500 Milliarden USD an Börsenwert und einer direkten Schnittstelle ins chinesische Finanzsystem, das von der chinesischen Regierung kontrolliert wird. Beide Systeme sind so konstruiert, dass sie die Grundlage des digitalen Daseins der chinesischen Bevölkerung bilden. Auf digitaler Grundlage reproduzieren sich die wesentlichen und wichtigen Lebensbereiche der Chinesen, individuell wie auch als Gesamtsystem, der chinesischen Variante der neuen Politischen Ökonomie: der digitalen Staatsökonomie.

Schauen wir aber zunächst auf die Seite des individuellen digitalen Lebens in China. Bargeldloses Bezahlen ist also fast überall möglich. Sogar auf den regionalen Märkten kann man mit Smartphone und QR-Code Gemüse und Pilze und abends auf den Street Markets seine Nudelsuppe kaufen. Bezahlen mit digitaler Währung ist so selbstverständlich geworden wie das Bezahlen mit Bargeld, das es ablöst. Teil eines Netzwerkes zu sein ist in China traditionell eher akzeptiert, als ein Individualist im westlichen Sinne zu sein. Chinas Tradition einer eher kollektiv geprägten Kultur begünstigt zudem eine enge soziale Vernetzung mit den technologischen Vorteilen der Digitalisierung und bringt auch ältere Generationen dazu, vorhandenen Technologien aufgeschlossener gegenüberzustehen und sie schneller zu nutzen. Die chinesische Nutzenmentalität fokussiert weniger auf die mit den neuen Technologien verbundenen Einschränkungen und Probleme als auf die Vorteile, die diese Technologien den Nutzern entgegenbringen und die so zunächst einmal wie Werkzeuge der Daseinsbewältigung betrachtet werden. Daher wird auch der inhärente Zwang aus Kollektivität und Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Technologien weniger beachtet als die damit verbundenen Vorteile. Zudem kommt, wie immer nach der Einführung neuer Techniken und Technologie das disruptive Element, welches darin besteht, dass traditionelle Techniken und Technologien bei kollektivem Einsatz irgendwann auch schlicht nicht mehr angeboten werden oder vorhanden sind.

Zuhanden ist das Neue. Und traditionelle, bar durchgeführte Transaktionen werden weder unterstützt noch gleichberechtigt oder subsidiär angeboten. In China ruft man ein Taxi über WeChat, wird man daselbst vom Messenger benachrichtigt, wann es eintrifft und bezahlt es selbstverständlich über WePay. Auf derselben Plattform findet der Chinese auch die für ihn so wichtigen sozialen Kontaktdienste, die wir auch im Westen zunehmend mehr nutzen. „Freunde“ finden, Gleichgesinnte oder Gleichinteressierte werden über die Profile ermittelt und über Geodaten als in der Nähe sich befindende Personen auf dem Display angezeigt. Der QR-Code führt nicht nur zu allen Produktinformationen beim Kauf, sondern führt auch zu der Information, wenn es in der Nähe ein Geschäft, off- oder eins online gibt, welches das Produkt günstiger anbietet. Der verbundene Kartendienst zeigt dann sofort den besten Weg zum Laden oder öffnet sofort die entsprechende Seite im Onlineshop und zwingt so jeden Anbieter in den Best-Price-Wettbewerb. Mehr an Kunden- bzw. an Nachfrageorientierung kann man sich schwer vorstellen; mithin es gibt sie – wir kommen darauf zurück.