Grundzüge einer neuen Taxonomie der Arbeit

Mehr als die Grundzüge einer neuen Taxonomie der Arbeit können wir an dieser Stelle nicht leisten. Selbst solche Grundzüge richtig zu bestimmen, wird eine schwierig Aufgabe. Detaillierte Einzelbetrachtungen und Modellierungen brauchen Ressourcen und Zeit, die wir nicht haben. Gleichwohl aber sind alle Modellierungen unbrauchbar, wenn die Grundzüge der neuen Taxonomie nicht klar und richtig bestimmt worden sind. Ohne Taxonomien ist die Entwicklung von Wissenschaft kaum möglich, jedenfalls keiner Wissenschaft, die sich im Umfeld von Arbeit und Gesellschaft bewegt. So von fundamentaler Bedeutung rationalisieren Taxonomien den Umgang mit Einzelfällen, was im Bereich der Arbeit auch unter Bedingungen der Vollautomation nicht nur notwendig ist, sondern auch möglich sein muss. Taxonomien der Arbeit können daher nicht so einfach und nonchalant zu summarischen Aussagen kommen, dass in vollautomatisierten Prozessen menschliche Arbeit residual oder unbedeutend sei. Denn dies ist bereits eine unrichtige Erklärung von Zusammenhängen in einer Taxonomie, die Arbeit exakt zu trennen versucht zwischen maschineller und menschlicher Arbeit und folgend alle Arbeit, ohne sichtbaren Beitrag des Menschen in der Wertschöpfung für wertlos erklärt. Wenn also Taxonomien zur Klarheit über Unterschiede in der Wertschöpfung beitragen sollen, dann ist zwingend, alle kategoriale Unterscheidung daraufhin zu überprüfen, ob sie zu einem besseren Verständnis des Sachverhaltes, hier der globalen Wertschöpfung, beitragen kann oder mehr Verwirrung dabei stiftet.

Es bietet sich förmlich an, die Taxonomien aus der Informationsverarbeitung zu benutzen, da diese auf einer einfachen Baumstruktur aufbauen, in der jeder Klasse nur eine Oberklasse zugeordnet wird. Durch diese Art der Klassifizierung von Wissensbereichen, in denen von allgemeinen zu spezifischen bis zu individuellen Informationen innerhalb einer einzigen Hierarchie unterschieden wird, entsteht eine einfache Semantik, die universell eingesetzt werden kann. Und da es in der Digitalisierung operationalisierbarer Prozesse um einfache Entscheidungsmuster, hauptsächlich nach dem Wenn-dann Prinzip geht, eignen sich digitale Taxonomien für automatisierbare Prozesse sehr gut. Und da in der operativen Ökonomie – und um die geht es hier – um die Analyse von quantitativen Daten geht, können mittels Algorithmen Struktur- bzw. Clusteranalysen erstellt werden, was besonders für die Analyse von Wertschöpfungsprozessen ein großer Vorteil ist. Weiterhin von grundsätzlicher Bedeutung ist, dass die neuen Taxonomien der Arbeit resp. der Wertschöpfung insgesamt kompatibel sind mit den neuen Taxonomien für vereinheitlichte Bilanzen im Sinne der standardisierten Gewinn- und Verlustrechnung in Unternehmen[1]. Es gilt also in diesem Zusammenhang,  größtmögliche Klarheit, Einfachheit und Standardisierbarkeit zu gewährleisten, die in grundsätzlicher Hinsicht auch global anwendbar sein sollte,  auch in Ansehung aller nationalen Unterschiede.

Die erste technologische Bedingung dafür ist, dass eine Technologie zum Einsatz kommt, die globale Datenübertragung gewährleistet und die wir mit der BCT bereits ausgemacht haben. Wie lange es dauern wird, bis die nationalen Institutionen Schnittstellen zur Verfügung gestellt haben werden, ist keine Sache der Technologie, sondern der Politik und wird weit mehr als eine politische Entscheidung für eine globale Systematik der Bestimmung der Wertschöpfungsfaktoren eine geopolitische Entscheidung sein. Wir sagen es frei  heraus, wenn dem so ist, dass Volkswirtschaften, die global agieren, sich nicht auf eine verbindliche Systematik der Bestimmung und Verarbeitung der Daten zur faktoriellen Wertschöpfung und deren technologischer Vernetzung einigen können, ist uns das zwar nur die zweitbeste Lösung, aber durchaus willkommen. Uns geht es auch um eine geopolitische Dimension, die da heißt, wenn Staaten aus nicht ökonomischen, sondern aus geopolitischen Kalkülen an einem  globalen Handel zwar teilnehmen wollen, aber dies nur zu deren partikularen Interessen, die durch eigene Systematiken und Technologien bzw. durch kontrollierte Zugänge zu digitalen Handelssystemen erlaubt ist, dann ist dies der kritische Punkt oder die rote Linie, die Wirtschaftsräume als geopolitische und geostrategische Räume definiert und separiert. Wenn, wie es aussieht, die VRC sich einem staatlich nicht kontrollierten Handelssystem verweigert, muss sie ihren Unternehmen die Teilnahme an einem europäischen Handelssystem explizit untersagen und sie so aus dem globalen Handel ausschließen.

Ein europäisches Handelssystem muss also die Bedingung der Offenheit gegenüber allen Nationen technologisch gewährleiten, was BCT grundsätzlich können. Jedes Unternehmen, welches also an einer BCT im Handel und in einer globalen Produktion beteiligt ist, muss natürlich das Interesse daran haben, Daten für die neuen Taxonomien innerhalb der Blockchain bereitzustellen. Wie diese Daten als Gesamtdatenkette dann national im Sinne von Steuern und Abgaben verwaltet und weiterverarbeitet werden, bleibt den Ländern überlassen; prinzipiell funktionieren aber die neuen Taxonomien auch ohne die Daten beteiligter, ausländischer Unternehmen. Blockchain Technologien sind in der Lage, Daten aus unterschiedlichen Taxonomien über Schnittstellen so spezifisch auszutauschen, dass eine ausreichende Kompatibilität mit anderen Taxonomien gewährleistet ist, die es erlaubt, Daten auf einheitlichen Hierarchieebenen zu qualifizieren und als Teilmengen auszutauschen. Das beginnt bei der Bestimmung von Kostengruppen, die nicht mehr nach traditioneller Taxonomie berechnet werden, wenn etwa die Berechnung von Vorgaben für nachhaltige Investitionen oder Produktionsverfahren mit einbezogen werden. Kriterien zur Bestimmung, ob eine Wirtschaftstätigkeit als ökologisch nachhaltig gilt oder nicht, regeln die Taxonomien der EU und der einzelnen Länder.

Unternehmen werden zukünftig viel stärker Umwelt- und Sozialstandards in ihrer gesamten Lieferkette erfüllen müssen und viele werden auch darauf bestehen, dass die Erfüllung von Umwelt- und Sozialstandards sich auch in den Preisstrukturen wiederspiegeln. Das heißt, dass bestimmte Faktoren im Wettbewerb nicht mehr vernachlässigt werden können und auch Berücksichtigung bei der Gesamtpreisberechnung finden müssen. Es geht ein Jahrhundert zuende, in dem solche Standards keine Taxonomien fanden und ein unerfülltes Desiderat der Ökonomie blieben, weitestgehend. Nun wird zurecht diskutiert, wie ökologische und soziale Standards in ökonomische und dort vor allem in wettbewerbsrelevante Preisstrukturen übertragen werden können; die CO2 Bepreisung bzw. -abgabe ist hierbei ein bereits eingeführtes Beispiel. Erst vor wenigen Tagen (02/2022) hat der Bundesstaat New York mit einem neuen  Gesetz, den Fashion Act, einen ersten Vorstoß zu einer nachhaltigen Produktion in der Modebranche, die zu den größten Umweltverschmutzern und Verschwendern in den USA und weltweit zählt, gewagt. Weltweit werden jedes Jahr schätzungsweise 92 Millionen Tonnen Textilabfälle entsorgt, nur ein Bruchteil wird recycelt. Mit über 2,5 Billionen USD Umsatz ist die Mode-Industrie, Bekleidungs- und Schuhhersteller weltweit verantwortlich für bis zu 8,5 Prozent der Treibhausemissionen; beachtlich. Ohne Regulierung, so der Gesetzgeber, würde sich einfach nichts bewegen und deshalb hat er in seinem ersten Schritt alle Markenhersteller und nicht nur die, die in New York produzieren, unter das neue Gesetz gestellt. Es berührt alle Firmen, die ein Einkommen über 100 Millionen US-Dollar im Jahr haben und die in New York Geschäfte machen, das kann als eine Blaupause für unsere neuen Taxonomien betrachtet werden. Noch ist das Fashion Act kein Gesetz mit Sanktionscharakter und bestimmt lediglich eine Offenlegungspflicht, die mindestens die Hälfte der  Lieferwege der  Modebranche offenlegen soll: Von der Farm, von der Rohmaterialien, bis zu den Fabriken. Die Unternehmen sollen nachweisen, dass sie faire Löhne zahlen, Umweltgifte in der Produktion reduzieren, also sich selbst verpflichten, Nachweis über ihre umweltfreundliche und auch faire verantwortungsbewusste Produktion unter menschlichen Bedingungen zu erbringen. Vieles also und das ist neu, soll offengelegt werden, Zielmarken aber gibt das Gesetz nicht vor; nehmen wir es als ein Beispiel, über das in den nächsten Jahren weit noch hinausgegangen werden soll und kann.

 

[1] Festgelegt werden die Bilanz-Taxonomien vom Bundesfinanzminister. E-Bilanz; Veröffentlichung der Taxonomien 6.4 vom 1. April 2020, abgerufen am 13.02.2020.

Der aktuelle Stand wird auf der ESteuer-Plattform des Rechenzentrums der Finanzverwaltung Nordrhein-Westfalen veröffentlicht, Schnittstellen zur E-Bilanz § 5b EStG, abgerufen am 13.02.2022

zum Zeitpunkt der Verfassung dieses Beitrages waren die Taxonomien vom 14. April 2021 (Taxonomie 6.5) aktuell.