Der Begriff Kapital wird oft explizit oder diskret gleichgesetzt mit einer âungerechtenâ Umverteilung gesellschaftlichen Reichtums von den vielen arbeitenden HĂ€nden in die weniger Kapitalisten. Die alte, marxistische und von Karl Marx auch selbst so formulierte These, dass die eigentlichen ProduktivkrĂ€fte aufseiten der Arbeit zu finden sind, wĂ€hrend gegenĂŒber beim Kapital, genauer gesagt, beim Industriekapital jene fröhlich leben, lieben und feiern, die der Arbeit einen gehörigen Anteil am erzeugten Gewinn fĂŒr sich selbst abknöpfen und dies zumal, moralisch gesehen, illegitim, wirkt bis heute.
Ein kurzer Blick genĂŒgte, um zu sehen, dass das Funktionsversagen in der Geldwirtschaft und -politik zu den mit deutlichem Abstand zu den privaten Kapitalströmen, gröĂten Umverteilungsprozessen innerhalb der Privatvermögen der europĂ€ischen BĂŒrgerschaft, also auch der deutschen BĂŒrgerinnen und BĂŒrger gefĂŒhrt hat. Allein die Bankenkrise hat in Deutschland zu einer, im engeren Sinne, direkten Umverteilung von Privatvermögen in der GröĂenordnung von ĂŒber einer Billion ⏠gefĂŒhrt. Privatbanken im Verein mit Notenbanken sind, ein Treppenwitz der Geschichte, von Geldvermittlern bzw. IntermediĂ€ren auf den Geld- und FinanzmĂ€rkten zu den krĂ€ftigsten und dynamischsten Umverteilungsmaschinen geworden, quasi als fiskalische Ersatzinstitutionen fĂŒr die Politik; Marx wĂŒrde aufhorchen.
Banken sind qua Gesetz in allen ihren BankengeschĂ€ften vom Staat legitimierte VermögenstreuhĂ€nder. Dies schĂŒtzt sie nicht davor, GeschĂ€fte im Kundenauftrag durchzufĂŒhren, deren Ergebnisaussichten schlecht oder ruinös fĂŒr den Auftraggeber sind. Ihren Beratungsauftrag kommen sie aber vermeintlich schon dadurch nach, dass sie sich ein GesprĂ€chsprotokoll der Risikobereitschaft des Kunden ganz generell unterschreiben lassen, hernach die Bank fast nach Belieben schalten und walten kann. Sogar 80-jĂ€hrigen Kundinnen werden 10-jĂ€hrige Anleihen verkauft, nur weil sie in das Risikoprofil der Kundin passen. Von einer Idee eines treuhĂ€nderischen Dienstleistungsunternehmens darf man sich bei Banken getrost verabschieden.
Diese kurze RĂŒckerinnerung an Vorangegangenes soll den Blick fokussieren, was beim Ăbergang von Geld in Kapital eigentlich und in der Praxis vonstattengeht. Im volkswirtschaftlichen VerstĂ€ndnis wird Kapital definiert als Produktionsfaktor neben Arbeit und Boden. Unter Kapital wird in diesem Zusammenhang der Bestand an ProduktionsausrĂŒstung verstanden, der zur GĂŒter- und Dienstleistungsproduktion eingesetzt werden kann Dieses transformierte Geld wird heute auch Kapitalstock genannt. Spricht man ganz generell von Geld fĂŒr Investitionszwecke, dann spielt es keine Rolle, aus welchen Quellen dieses Geld zur VerfĂŒgung gestellt wird, sei es ausgereicht aus Sparvermögen, Unternehmergewinnen oder Krediten. Im Vorgang des Transfers von Geld zu investiven Zwecken vollzieht sich die Transformation von Geld zu Kapital.
Und wir haben lange davon gehandelt, dass innerhalb dieser Transformation der Ursprung von Geld als Privatvermögen oder Eigentum semantisch und nicht selten auch rechtlich verloren geht. Dies, was wir Umwertung der Wertform genannt haben, ist also nicht dasselbe wie die Transformation der Wertform Geld in Investitionskapital. So ist auch der weitere Transfer von Investitionskapital in Realkapital keine Umwertung der Wertform, insofern das Realkapital zunĂ€chst nichts anderes ist als das Kapital, das zur Bildung von ProduktionsausrĂŒstung verwendet oder als Anlagevermögen im Unternehmen bilanziert ist. Das heiĂt wiederum, dass kurzfristig fĂŒr die Bildung von ProduktionsausrĂŒstung oder Realkapital nur die Finanzierung, nicht aber ein vorausgehendes Sparen notwendig ist. Die Transformation von eigens gespartem Vermögen direkt in Investivkapital wĂ€re eine Nettoinvestition, insofern bei dieser keine Zinsen anfallen und auch andere, bilanzielle Wertstellungen vorzunehmen sind.
Kapital im Sinne einer Nettoinvestition kann auf verschiedene Arten und Weisen ermittelt werden. In der Regel wird in der Investitionsrechnung die VerĂ€nderung des Kapitalstocks zwischen zwei Zeitpunkten ermittelt. Der nominellen VerĂ€nderung, der StromgröĂe, also dem aus welchen Quellen auch immer zugefĂŒhrten Kapitalien, wird der Kapitalverbrauch in Form von Abschreibungen der Kapital- und WirtschaftsgĂŒter abgezogen. Kapital, bis hierhin, ist also ein recht dynamischer Ausdruck fĂŒr eine ebensolche WirtschaftstĂ€tigkeit und keine feste Einheit, wie dies oft seine Verwechslung mit Privatvermögen suggeriert. Deshalb haben wir auch an dieser Stelle den volkswirtschaftlichen Blick verlassen und sind auf eine betriebswirtschaftliche Sichtweise eingeschwenkt. Zudem sind wir der Auffassung, dass eine Analyse von Kapitalbewegungen aus rein volkswirtschaftlicher Betrachtungsweise mehr Verwirrung als Klarheit stiftet.
Ein weiterer Aspekt klĂ€rt sich an dieser Stelle auch schon ein wenig auf, dass nĂ€mlich bei der Produktion von Waren und GĂŒtern Geld nur in der Wertform von Kapital im Spiel ist, also zugrunde liegendes Vermögen aus verschiedenen Quellen in Investivkapital transformiert wurde. Realkapital bzw. Investivkapital kann bilanziert sogar einen negativen Wert annehmen und ist damit noch kein âReichtumâ bzw. Eigentum oder Besitz an ProduktionsausrĂŒstung. Warum kein Reichtum, erkennt man schnell. Warum aber kein Besitz? Weil wieder im Blick auf eine Unternehmensbilanz das deutlich werden lĂ€sst, da es sich um âFremdkapitalâ handelt, das, anders als Eigenkapital, weder fĂŒr die Verbindlichkeiten des Unternehmens haftet, noch eine gewinnabhĂ€ngige Form des Ertrags bildet. Deshalb kann auf diese Position geschaut auch keine Kapitalakkumulation stattfinden, sondern lediglich Zins- oder Renditesteigerung. Zudem hat Fremdkapital kein unbedingtes Mitspracherecht im Unternehmen und ist zeitlich befristet, was beim Eigenkapital jeweils nicht verneint ist.
Die Merkmale von Eigen- und Fremdkapital verdeutlichen den Prozess der Vermögensverschiebung in Unternehmen. Erst wenn alle gewinnunabhĂ€ngigen Fremdkapitalkosten wie etwa Zinsen, Abschreibungen etc. gedeckt sind und Reingewinn im Unternehmen verbleibt oder ausgeschĂŒttet wird, kann von Kapital im marxistischen Sinne (Revenue) ĂŒberhaupt erst gesprochen werden. In einem – wie oft zu lesen und zu hören – im landlĂ€ufigen Sinne, sei Kapital bereits vorhanden, wenn ein Unternehmen fĂŒr einen Markt Waren und GĂŒter produziert; dem ist nicht so.
Wir schlagen sogar vor, auch dann nicht von Kapital zu sprechen, wenn es um Vermögenswerte im Sinne von Buchwerten in einer Bilanz geht. Selbst die Vermögensanteile â neben den Schuldanteilen â die nach ihren Anschaffungskosten, korrigiert um Abschreiben etc. steuerrechtlich als âRestwerteâ bezeichnet werden, haben fĂŒr unser DafĂŒrhalten nicht die zentrale Kapitalfunktion, nĂ€mlich dem Prinzip nach eigenkapitalbildend zu sein. Dem Prinzip nach meint sowohl als Privatvermögen als auch als Eigenkapital im Unternehmen wie auch in Form von Geld zum Anteils- oder anderen Formen des Erwerbs von Vermögen, etwa Immobilien, Grund und Boden etc. zur VerfĂŒgung zu stehen.
Bei Restwerten trifft dies nicht zu, da der Buchwert, in dem Fall, dass er mit dem Zeitwert ĂŒbereinstimmt, wenn also die Korrekturen wie z.B. die Abschreibungen der tatsĂ€chlichen Wertentwicklung, z.B. durch VerschleiĂ entsprechen, keine weitere Vermögensdispositionen ermöglichen. Im Falle, dass die Abschreibungen ĂŒberhöht sind, ist der Buchwert niedriger als der Zeitwert, im umgekehrten Fall ist der Buchwert höher, aber in beiden FĂ€llen haben die Wertentwicklungen im Anlagevermögen keine direkten Auswirkungen auf die Eigenkapitalseite der Unternehmensbilanz. Sie sind also nicht wertschöpfend und damit auch nicht der Kapitalseite zuschlagbar oder gar disponibel, durch wen auch immer.