Privateigentum vs. Willkür

Die neue Geldwirtschaft war ein entscheidender Faktor für anhaltendes Wachstum in Europa. Kriege und Pest werden aus heutiger Sicht als „Krisen“ im wirtschaftlichen Bedeutungszusammenhang betrachtet. Kriege in direktem Bezug zur Geldwirtschaft, insofern sie mit enormen Finanzierungskosten und -risiken einher gingen, die Pest in direktem Bezug zu den Arbeitsmärkten, insofern sie einen drastischen Bevölkerungsrückgang zur Folge hatte. Dass sich hier die Auswirkungen von Pandemie und Kriegen überschneiden und nicht klar voneinander zu trennen sind, ist einsehbar.
Aber wie wir angesprochen haben, sind, so schrecklich die Pest und der Krieg auch sein mögen, aus wirtschaftlicher und sozialer Sicht beide so leicht nicht als Krise zu beurteilen. Ohne gleich den Krieg als „Vater aller Dinge“ wie dies Heraklit verstand, zu mystifizieren, so hat der Dreißigjährige Krieg und der „Schwarze Tod“ im Mittelalter viele geistige und weltliche Ordnungsstrukturen wieder ‚in Fluss‘ gebracht. Weder waren die bewegenden, produktiven Kräfte vernünftige oder ökonomische; geradezu anders herum, waren vernünftige und ökonomisch fortschrittliche Auswirkungen gegründet auf Grausamkeit, Tod, Leid und Elend.

Wir haben gezeigt, dass die Geldwirtschaft im Mittelalter zum Schutz des Handels wie des Bürgers, nicht allein, aber überwiegend zum Schutz deren Privateigentums entstanden war. Diese Schutzfunktion, die auch Leib und Leben der Händler schützte, richtete sich seit den sog. Goldsmith-Notes auch gegen staatliche Willkür. Aber durch den Fortschritt der Geldwirtschaft und der Erfahrung staatlicher Willkür, wie leicht doch an das Vermögen der Bürger heranzukommen war, entwickelte sich zunehmend die staatliche Kontrolle über die Geldwirtschaft. Gleichwohl bei vielen der Staat Glaubwürdigkeit und Vertrauen in Sachen Geldwirtschaft verloren hatte, markiert das Jahr 1742 den entscheidenden Einschnitt in die bisherige Geldwirtschaft in Frankreich und kurze Zeit später auch in England. Im Auftrag des Staates druckte der Schotte John Law in Frankreich Unmengen an Papiergeld, um die enormen Schulden, die der Staat Frankreich angesammelt hatte, los zu werden. Er machte anfangs auch gute Geschäfte mit dem Versprechen auf hohe Profite in den französischen Überseekolonien, die, wenn man so will, so gut sich entwickelten, dass eine Blase unter der Bezeichnung: ‚Mississippi Spekulation‘ sich entwickelte, die 1720 platzte und voll auf die Kosten der Aktionäre ging. Den Einbruch des damaligen Finanzmarktes überlebte das Ancien Regime so gerade noch. Beim nächsten Mal, 70 Jahre später, im Mai 1789, ging die Geldgier des Staates ins Auge. Der König wollte die Steuern erhöhen, weil das Budgetdefizit enorm war, doch er sah sich zur Einberufung der Generalstände gezwungen, womit der kostspielige Absolutismus faktisch am Ende war. Das war der Beginn der Französischen Revolution.

In England war es ausgerechnet die rechtliche und institutionelle Nachfolgerin der Münzstätte im Londoner Tower, die staatliche Bank of England, die im Jahr 1742 das Monopol zur Banknotenausgabe erhielt. Von da an kontrollierte also der englische Staat die Geldwirtschaft. Der tat dies nicht mit der französischen Hasardeur-Mentalität, stand aber umso mehr in direkter Nähe zur englischen Krone. Bei der Gründung der Bank of England im Jahr 1694 gab es bereits einen unmittelbaren Zusammenhang zu den finanziellen Defiziten von König William III. Dieser benötigte dringend Kapital für den Krieg gegen Frankreich und den vertriebenen König Jacob II. Ihr Privileg zum Gelddrucken war gebunden an einen festen Zinssatz, zu dem sich der Staat bzw. die Krone verschulden konnte und wurde mehrfach in einem ca. zwanzigjährigen Rhythmus gegen eine üppige Auszahlung an den Staat erneuert. In Folge dessen waren auch entsprechende Erhöhungen des Aktienkapitals notwendig und die Entwicklung der Bank of England, ihre Expansion also ganz wesentlich verbunden mit der wiederholten Verlängerung ihres Privilegs und des Geldbedarfs des Staates, der schließlich die Bezeichnung: Staatsschulden erhielt. Durch ihre Privilegien in allen geldwirtschaftlichen Angelegenheiten in England, die über die Kontenführung der Regierung wie deren darlehnsbasierte Finanzierung in Kriegs- wie in Friedenszeiten hinaus eine Reihe anderer Dienste, etwa Immobilienfinanzierung, Ausgabe von Banknoten, Einlagensicherung etc. umfasste, fiel ihr 1781 der Status eines staatlichen Schatzamtes (Treasury) zu, wurde sie zur Bank aller Banken, was wir heute eine Notenbank resp. Zentralbank nennen.
War damals das Vertrauen in die Bank of England auf dem Zenit, so verlor sie es bis zum 1. Mai 1821. Durch den Krieg mit Frankreich erschöpften die finanziellen Beziehungen zum Staate die Mittel der Bank, so dass sie im Februar 1797 bei einem Notenumlauf von 8.644.250 Pfund nur ein Barvermögen von 1.272.000 Pfund besaß. So ließ sie sich durch die Regierung mittels einer Kabinettsorder vom 26. Februar 1797, die später die Bestätigung des Parlaments erhielt, von der Barzahlung befreien.

Premierminister William Pitt der Jüngere gab 1797 zur Finanzierung des Kriegs gegen Frankreich Papierbanknoten aus, um die Goldreserven des Königreichs zu schützen. Das erhöhte die Staatsschulden, und bald musste auch erstmals eine Einkommensteuer eingeführt werden. In dieser Epoche der Uneinlösbarkeit der Banknoten oder der sog. „Bankeinschränkung“ (bank-restriction), die letztlich bis 1. Mai 1821 dauerte, haben die Noten beim Umtausch gegen bar ein ansehnliches Disagio von bis zu 30 Prozent verloren.
Wir können festhalten: Die Kontrolle der Geldwirtschaft durch den Staat funktioniert nur solange, wie der Staat Glaubwürdigkeit und Vertrauen – wie bei einer Bank – in die Geldwirtschaft als ein Geschäftsmodell für private Anleger nicht beeinträchtig. Hier liegt auch der Grund für die heutige „Unabhängigkeit“ nationaler Notenbanken bzw. der europäischen Notenbank (EZB) und der US-amerikanischen Fed. In ihren Funktionen als sog. Treasuries, also staatlichen Schatzämtern, haben die Banken bzw. Notenbanken dieses Vertrauen nicht und wurden im Laufe der Zeit als solche auch abgeschafft. Die Bank of England wurde 1946 sogar verstaatlicht und übernahm alle Funktionen einer Zentralbank, vor allem die Sicherung der Preisstabilität und setzt seit 1997 die amtlichen Leitzinssätze für die englische Geld- und Kreditpolitik fest. Ein Engagement im privaten Finanzsektor hat die Bank of England mittlerweile eingestellt. Ihr Direktorium besteht seit 1998 aus einem Bank-Gouverneur, zwei Vizegouverneuren und 16 Direktoren, wobei der Gouverneur für die Zentralbankpolitik verantwortlich ist und diese gegenüber dem Schatzkanzler zu vertreten hat. Der Schatzkanzler selbst hat zur Wahrung des öffentlichen Interesses ein Weisungsrecht gegenüber der Bank of England.

Über lange Zeiträume hinweg war die Bank of England das Masterpice für alle Notenbanken in Europa und den USA. Leider auch für die Schattenseiten des staatlich gelenkten Notenbankwesens. Nach ihrer Verstaatlichung wurden die Altaktionäre abgefunden, die Bank jedoch kam durch die Abwertung in Folge des Abkommen von Bretton Woods und dann 1967 in Folge der schlechten Wettbewerbsposition und Leistungsbilanz Englands im Welthandel immer wieder in Schwierigkeiten. Ihre Zahlungsbilanz verschlechterte sich zunehmend und in den 1980er Jahre hatte die Bank eine Schlüsselrolle in verschiedenen Bankenkrisen inne. Die Bank war vorn dabei, als die Geldpolitik wieder zentraler Bestandteil der Regierungspolitik in den 1980ern, bis sie schließlich ab dem Jahr 1997 operational unabhängig wurde und dem Vorbild anderer Notenbanken folgte .
Heute sehen wir die Bedeutung, die eine unabhängige Notenbank besonders in Zeiten von Finanz- und großen Konjunkturkrisen besitzt. Am Beispiel der Fed für den US-Dollar und der EZB für den Euro. Aber besitzen die Notenbanken wirklich Unabhängigkeit von staatlichen Eingriffen? Staatlichen Einflüssen, so sie politisch vernünftig und gewollt sind, ist wenig entgegen zu bringen; aber Eingriffe manifestieren Grade der staatlichen Kontrolle, Manipulation und des Missbrauchs.