Sagen wir es gleich: wir stehen staatlichen Fonds ebenso wenig distanziert gegenüber wie staatlichen Förderbanken oder anderen, ähnlichen Modellen der Finanzierung staatlicher Aufgaben. Aber im Detail und im Konzept liegen durchaus einige Fallstricke, auf die wir hier neben allen Möglichkeiten moderner Finanzierungsmodelle des Staates eingehen wollen. Zwei Vorbilder gibt es, die wenig miteinander zu tun haben. Das japanische Modell und das norwegische Modell. Das japanische Modell (Band IV. Kap. 3: Die Idee der aufgehenden..) haben wir bereits an verschiedenen Stellen betrachtet und es imponiert dabei, dass eine staatliche Verschuldung von mehr als 200 Prozent des BIP kein sonderliches Finanzierungsproblem darstellt, wenn der Staat bei seinen eigenen Bürgerinnen und Bürgern verschuldet ist. Die Bonität Japans liegt also im Geld seiner Bürger, das man durchaus als eine Art Sparvermögen betrachten kann. Nur spart der japanische Bürger nicht bei einer Privatbank, sondern beim Staat und damit letztlich bei sich selbst. Handelt eine Bank fahrlässig, dann ist das Geld der Anleger und Sparer genauso weg, wie wenn ein Staat so handelt. Aber die Kontrolle der Bürger gegenüber dem Staat ist ungemein besser und effektiver, wenn die Voraussetzungen so gegeben sind. Das andere Beispiel, welches in jüngster Vergangenheit viel Furore gemacht hat, ist Norwegen. Der norwegische Staatsfonds (Government Pension Fund Global) hat seine Bonität im norwegischen Erdöl und in einer regierungsunabhängigen Organisation, in einem international hoch diversifizierten Portfolio aus Minderheitsbeteiligungen und risikoarmen Anlagen, in dem Verbot von Inlandsinvestitionen und in ethischen Investitionsrichtlinien; der letzte Punkt wird später noch eine Rolle in diesem Band VII. spielen.
Zur kurzen Unterscheidung: wir sprechen von Staatsfonds, Pensions- oder Rentenfonds, Rücklagen- und Sparfonds, direkten Ausschüttungsfonds, Entwicklungs-, Infrastruktur- und Investitionsfonds. So ist das norwegische Modell eines Staatsfonds eher ungeeignet zur Finanzierung des sozialen Wohnungsbaus, weniger als das japanische Modell, welches einem Sparfonds ähnelt. Nehmen wir hinzu, dass die Sparzinsen seit vielen Jahren nahe Null liegen und seit einigen Monaten mit einer hohen Inflationsrate bereits und erneut enorme Summen an privaten Geldvermögen vernichtet worden ist, und nehmen wir den Gedanken mit hinzu, dass die Rentenaussichten von Jahr zu Jahr bescheidener ausfallen, dann kommt ein Spar-Fonds-Modell unweigerlich in den Horizont unserer Überlegungen. Geld ist da, mehr als genügend auf der Welt; das muss man glauben, auch, dass dies in einem Verhältnis von 3:1 gegenüber den weltweiten Schulden steht, wissen tut man hier nichts mehr. Es gibt Schätzungen, dass das weltweit existierende Vermögen knapp 84 Billionen US-Dollar beträgt und auf dieses Weltvermögen 66,8 Prozent auf Aktien, 31 Prozent auf Scheine und Münzen und 8,2 Prozent auf Gold entfallen[1]. Es gibt sogar Schätzungen, die konservativ allein von weltweiten Derivaten in Höhe von 630 Billionen USD und bis zu maximal 1,2 Trillionen an Derivaten ausgehen; wir halten uns aus solchen Schätzungen heraus[2]. Sprechen wir über Staatsfonds, kommen wir nicht um eine Erwähnung der Staatsschulden herum. Die beträgt, gemessen an den weltweiten Schulden für die USA 29%, die EU 26, Japan 20, VRC 6 und für den „Rest der Welt“ 19 Prozent; Chinas Angaben sind anzuzweifeln und auch die Angaben zum sogenannten Rest der Welt dürften nur mit Vorsicht zu genießen sein. Aber uns geht es ja um Prinzipielles zu den neuen Überlegungen zu den verschiedenen Formen staatlicher Finanzierung. Geld, wie gesagt ist genug vorhanden, es sucht ständig nach Anlagemöglichkeiten und wir wollen es auch aus der ruchbaren Ecke schwarzer Kassen, ethisch und moralisch zweifelhafter Quellen usw. herausholen; dabei ist eine strafrechtliche Verfolgung natürlich nicht ausgeschlossen.
Etwa 3,5 Mrd. Euro braucht Deutschland zur nachhaltigen Erfüllung der Anforderungen aus dem sozialen Wohnungsbau jährlich. Das ist eine vergleichsweise geringe Summe, ein Projekt mit bester Bonität und einem überschaubaren Mittelrahmen, was die Risiken für Anleger in einen neuen, vom Staat zu gründenden Wohnungsbaufonds begrenzt. Damit die Grenzen und damit auch die Chancen nicht zu sehr minimiert bleiben, kann dieser Wohnungsbaufonds auch Teil eines größeren Entwicklungs-, Infrastruktur- und Investitionsfonds sein, auch andere Kombinationen, die das Investitions-bzw. das Anlagevolumen und damit auch die Liquidität des Fonds vergrößern, sind denkbar. Wichtig ist, dass der Zugang zu diesen Fonds einer Idee aus den USA folgt, wonach Bürgerinnen und Bürger, die im Erwerbsleben stehen, entscheiden können, einen Teil ihres Einkommens über die Arbeitgeber regelmäßig oder in Tranchen nach eigener Bestimmung von Volumen und Zeiträumen in solche Sparfonds einzahlen können. Damit könnte der deutsche Staat auch als institutioneller Anleger einen Beitrag zur Absicherung der stattlichen Wohlfahrt- und Sozialsysteme leisten, und wenn dies im europäischen Maßstab über die Landesgrenzen hinaus in Kooperation gelingt, wäre damit mehr als nur ein Grundstein für einen florierenden europäischen Finanzmarkt gelegt. Dies ist in Form eines direktdemokratischen Verfahrens zu entscheiden und dann politisch bindend. Ein Plebiszit kann sowohl über einzelne als auch über ein Bündel an staatlichen Fonds entscheiden, je nach Thematik.
Nach nun fast einem Jahrzehnt geringer Renditen, kaum sichtbarer Zinssätze und einer schwierigen Aussicht auf die Zeit der Rente scheint es fast eine Staatspflicht zu sein, sich diesem Thema der Fondsgebundenen Anlagemöglichkeiten für die Bürgerinnen und Bürger zuzuwenden. Vermögensbildungskonzepte mittels Staatsfonds-Modellen sind nicht neu, können aber nach einer speziellen Entwicklung besonders in Deutschland neu gedacht und konzipiert werden. Fonds mit klarer Zweckbindung wie etwa zur Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs, der verschiedenen Bildungsaufgaben, die heute sich auch auf digitale Bildungsmodelle erweitert haben, wie auch zu Finanzierung diverser Nachhaltigkeitswerte unterscheiden sich von Fonds zu Fonds, deren Konzept in Auschüttungsmodellen niedergeschrieben sind. Solche, an Renditen und Ausschüttungen orientierten Fonds, können heute – und hätten dies viel früher beginnen sollen – in Deutschland kreditfinanzierte Fondsmodelle sein aufgrund der bereits lang anhaltenden ausgezeichneten Kreditwürdigkeit des deutschen Staates; nach wie vor liegt die Rendite deutscher Staatsanleihen im negativen Bereich bei etwa 0,4 Prozent (01/2022)[3]. Was immer der Staat auch für Möglichkeiten hat, weder müssen diese heute dem Stabilitätspakt der Eurostaaten noch der deutschen Schuldenbremse gegenlaufen.
Staatsfonds sind eine geeignete Anlagemöglichkeit, ob zum Thema der Rentendiskussion, der Investitionen in Infrastrukturen oder beim Thema inklusives Wachstum.[4] Bei Staatsfonds, so haben wir eben gesagt, geht es um die Idee des „Sovereign Wealth“, also einer makroökonomischen Zielsetzung wie etwa Alterssicherung oder Vermögensaufbau aller Bürgerinnen und Bürger prinzipiell; dies war die klassische Idee, dass ein Zugang zum Fonds nicht begrenzt ist, und dass individuelle Ansprüche auf bestimmte Auszahlungen bestehen. Pensionsfonds, Rücklagen- und Sparfonds, direkte Ausschüttungsfonds sowie Entwicklungs-, Infrastruktur- und Investitionsfonds unterscheiden sich davon je nach Anlagestrategie, Umfang des Fonds, Finanzierung und Ausschüttungsmodellen; dies gilt es zu beachten.
[1] Andere Quellen gehen von 7,6 Billionen USD an Bargeld, 82,8 Billionen an virtuellem Geld, 100 Mrd. in Bitcoins, 17 Mrd. an Silber und 7,7 Billionen USD an Gold aus. Quelle: Visual Capitalist.
Zum Vergleich: Das weltweit erwirtschaftete Bruttoinlandsprodukt (BIP), d.h. der Gesamtwert aller Waren und Dienstleistungen, die in diesem Jahr hergestellt wurden, lag 2018 bei circa 84,9 Billionen US-Dollar.
[2] Siehe: The money project.
[3] Die Modelle funktionieren auch bei positive Stzaatszinsen.
[4] Siehe dazu: A. Atkinson: Inequality: What Can Be Done, Cambridge MA 2015.