Die Angst vor dem Wettbewerb scheint sich ins Unermessliche zu steigern, betrachtet man die staatsdirigistischen Maßnahmen, die zur Zeit in den großen Volkswirtschaften um sich greifen und wie in einer Art Selbstansteckung die Märkte und die Institutuionen, die zum Schutz des freien Wettbewerbs gegründet wurden, infizieren. Renationalisierung der Wirtschaft, vor allem des Kapitals und Protektionismus sind an der Tagesordnung und antworten auf die inhärenten negativen Auswirkungen der sog. Globalisierung auf die nationalen Volkswirtschaften. Mit den Versuchen der Renationalisierung von Kapital schafft Politik sich aber vor allem die vermeintliche Sicherheit, beim Versagen von polititischen Maßnahmen, allem voran der Geld- und Fiskalpolitik Durchgriff auf die Vermögen einheimischer Unternehmen, Investoren wie Privatanleger zu haben. Gleichzeitig verschaffen diese Maßnahmen einen deutlichen Bonitäts- und damit Refinanzierungsspielraum für die Politik; jedenfalls scheint es so und glaubt sie daran.
Wettbewerb hat drei große Felder, wie wir sahen. Die nationalen Rahmenbedingungen, die von der einheimischen Politik bestimmt werden. Die internationalen Abkommen, die in internationen Organisation und Gremien gesetzt werden, die aber zustimmungsabhängig sind von den nationalen politischen Institutionen. Und drittens die unternehmensinternen Möglichkeiten zur Erneuerung bzw. die Innovationskraft und -fähigkeit einzelner Unternehmen und Branchen.
Das einzige Feld auf dem die Angst vor dem Wettbewerb wächst, ist das Feld des Individuums. Auch hierin ist eine Vorstellung vom Wettbewerb verankert, gleichsam als eine Kulturfrage, die sich erschließt, wenn man nach den gesellschaftlichen, den moralischen, schlicht den menschlichen Vorbildern fragt, die mit den materiellen, durch Arbeit vermittelten Vorstellungen zusammenhängen.
The winner takes mit all, dieser universelle Selbstbetrug des zwischenmenschlichen Konkurrenzdenkens ist nicht mehr Ausdruck des alleinigen Ordnungsprinzips der Industriegesellschaft. Und damit auch nicht mehr einzige Grundlage für materielle Sicherheit und Angst. Aus dieser Zeit, die sich auch nach wie vor wie ein Paralleluniversum in der post-industriellen Zeit hält, stammt die Neigung, in Differenzierung und Vielfalt wie auch in jeder Form von unternehmensübergreifender Kooperation eine gefährliche, wenn nicht gar bedrohliche Systemstörung zu sehen.
Das System von Ein- und Unterordnung zugleich war der Stützpfeiler eine Chorgeistes von Erwerbstätigen, der teilweise bis hinein in ein Gegeneinander von Früh-, Spät- und Nachtschicht ging. Ab- bis ausgrenzender Korporatismus verhinderte, dass ein durchgängiger Wettbewerb innerhalb einer Unternehmensorganisation entstand, dessen Organigramm gleichsam wie eine klare Grenzziehung funktionierte, die abteilungsübergrefende Durchlässigkeit eher zum Spießrutenlaufen des jungen Managementnachwuchses werden ließ.
Aus diesem Denken trat jeder Gedanke eines Wettbewerbs der Arbeiter untereinander bestenfalls als eine personalpolitische Phrase heraus und erstickte sogleich an den Grenzen der internen Organisation. Damit konnte, historisch gesehen, zwar optimal das Job- und Wirtschaftwunder der frühen Nachkriegszeit organisiert werden, für einen erfolgreichen Wettbewerb reichte es nicht. Und dieser Wettbewerb vollzog sich außerhalb des Unternehmens zuerst im internationalen Wettbewerb, dann besonders in den deutschen Staatsunternehmen.
Die Angst vor dem Wettbewerber ging um und vergrößerte sich noch in der endenen Zeit der Einflussnahme auf die Wirtschaftspolitik durch die deutschen Gewerkschaften. Weder die IG Metall noch IG Bergbau und Energie konnten den Wettbewerbsverlust der deutschen Schwerindustrie aufhalten, ebenso wenig waren die meisten europäischen Staaten mit ihrer Abschottungspolitik im Bereich der Post und Telekommunikation sonderlich erfolgreich.
Große Monopole wurden zerlegt wie Rinderhälften und meistbietenden verkauft, oft, nachdem branchenfremde deutsche Konzerne Filetstücke übernommen hatten.
Das Mißtrauen gegenüber Wettbewerbern wurde durch Verhalten wie dies etwa Mannesmann beim Verkauf seiner Mobilfunksparte an Vodaphone zeigte, nicht kleiner und wandelte sich in Angst um, die sich als Wut gegenüber Konzernlenkern und dem neuen Wettbewerb gegenüber ganz generell äußerte. Inbegriff dieses neuen Wettbewerbs wurde der Vorgang der Privatisierung. Privatiserung von Staatsunternehmen und -beteiligungen sind bis heute Synonym mit satanischem Wirtschaftsgebaren, dass zwangsläufig zur Unterdrückung von Arbeitnehmerinteressen führt, Arbeitnehmerrechte aushebelt, Unsicherheit und Angst steigert.
Selbst die härtesten Konventionalstrafen von mittlerweile öffentlich recht regen Kartellbehörden haben keine Beruhigung bewirkt, im Gegenteil. Die staatliche Subventionspolitik hat sich parallel zum Wettbewerb beschleunigt und intensiviert und das Gerede über Arbeitspaltzsicherung hat einen Diskurs über den neuen, den mittlerweile weltweiten Wettbewerb zu einer semantischen Randnotiz werden lassen.
Aus Angst vor dem Verlust von Wählerstimmen werden nun immer neue Grausamkeiten gengenüber Migranten und sog. Wirtschaftsflüchtlingen ersonnen und den heimischen Erwerbstätigen das Gefühl suggeriert, dass sie ihren Anteil am wirtschaftlichen Geschehen auch in Zukunft erhalten, ja durch Politik allein gesichert bekommen. Aber gegen jede ökonomische Vernunft und konträr zur wirtschaftlichen Lage wie auch der am Arbeitsmarkt, radikalisiert sich ein wachsender Teil der Beschäftigten in Europa und selbst bei aktutem Facharbeitermangel, der auch noch dramatisch zunehmen wird, ist es schwer, ein Einwanderungsgesetz politisch durchzusetzen.
Und dabei ist Wettbewerb heute keineswegs gleichbedeutend mit „Teilen“. Das Gegenteil ist der Fall. Heute ist es zunehmend üblich, dass Unternehmen auf verschiedenen Kontinenten, verschiedener und gleicher Branchen und Größenordnungen bei der Entwicklung neuer Technologie und im operative Geschäft, in Fertigung und Vertrieb zusammenarbeiten. Was früher allenfalls internationale Projekte waren, ist heute Koorperation mit Unternehmensbeteiligungen.
Homan sieht den „Wettbewerb solidarischer als Teilen“ und hat dabei aber stets die westliche post-industrielle Ökonomie im Blick. Später, in einem anderen Kontext, werden wir die Beziehung von Wettbewerb und Entwicklungsökonomien näher betrachten. Hier fokussieren wie weiter auf das Phänomen Angst innerhalb einer entwickelten Gesellschaft, die justament ihr durchnittliches Angstniveau steigert, wenn das Beschäftigungsniveau hoch und die Überkapazitäten gigantisch sind.
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