Warum sind die Salden so dramatisch angestiegen?
Wie vorher bereits dargelegt, bracht im Zuge der Finanzkrise der Interbankenmarkt zusammen. Zuerst merkten das die Bank in Südeuropa, die von den Banken im Norden wegen des Misstrauenes gegenüber deren Bilanzrisiken kein Geld mehr bekamen. So leihten sich die Banken im Süden Geld bei der EZB und um das Überlaufen der Finanzkrise auf den EURO und die EU durch Währungsspekulationen u.a. zu verhindern, sprach deren Präsident die unbegrenzte Versorgung mit Notenbankgeld aus.
Unbegrenzte Kreditausgabe aber heisst, dass die Notenbank ihre Kontrolle über die Zentralbankgeldschöpfung an die Geschäftsbanken in der Folge unwillkürlich delelgiert hat und es mutet schon ein wenig rätselhaft an, dass heute, fast acht Jahre danach, eine wissenschaftliche Diskussion über die Geldschöpfung der Banken losbricht, in der sich Mainstream-Theoretiker mit Herterodoxen bekämpfen.
Was anscheinend die Volkswirtschaft insgesamt erst seit kurzem zu verstehen beginnt, hat einen anderen Aspekt, der früher und für alle aber im Fokus stand: die Qualitätsanforderungen an die Sicherheiten, die Banken zur Ausgabe von Krediten stellen. Die tendieren mittleiweilen gegen Null, wie ebenso der wissenschaftliche Protest schon damals, als er dringend indiziert war. Kamen früher nur erstklasssige Staatsanleihen als Sicherheiten in Frage, reichen mittlerweile selbst drittklassige. Und damit nicht genug. In der Mitte 2017 stellte die EZB den nationalen Zentralbanken im Rahmen eines summierten Leihgeschäfts von mehr als 530 Mrd. EURO sogar frei zu entscheiden, welche Sicherheiten sie von den Kreditnehmern akzeptieren, so dass bei der Vergabe von Zentralbankgeld einfache Unternehmenskredite, ohne ausreichende Risikobewertungen oder Eigenkapitalleistungen der Kreditnehmer nun via Banken aus den sog. europäischen Peripherieländern in den Büchern der Zentralbank schlummern.
Für die erste Bewertung des Leistungsbilanzüberschusses der deutschen Exportwirtschaft, was auch für andere EU-Länder gilt, lässt sich daher festhalten, dass die Arbeit, die diese Güter geschaffen hat, zugleich an der Schaffung von riesigen Target-Salden zu ungunsten einiger „Kernländer“ der EU. Für die Zukunft der EU ist wesentlich weiterhin festzuhalten, dass die Geldpolitiksich in einem weit fortgeschrittenen Stadium der Renationalisierung befindet, damit und mit der Lockerung bzw. gänzlichen Aufgabe der Sicherheitsanforderungen sind die Banken in den Krisenländern in der Lage, von den nationalen Zentralbanken wie aus einem Geldautomaten ohne Limit Zentralbankgeld zu ziehen, mit dem sie die Importüberschüsse ihrer Länder finanzieren. Diese Art der Finanzierung ist eine
Vergemeinschaftung von Kreditrisiken, die durch den politischen Diskurs in eine Art Verschleierung der tatsächlichen Strukturen in der EU gegenüber dem Wähler mündete.
Kapitalflucht in den Krisenländern
Die EZB-Politik hatte ein weiteres Problem zur Lösung, die stets in Staatsfinanzkrisenzeiten aufkommende Kapitalflucht privater Anleger. Aus Griechenland allein sind seit 2009 ca. 16 Mrd. EURO abgezogen worden, aber auch aus Spanien, Italien und Irland flossen private Vermögen in erheblichem Maße ab. Und da diese Transfers ebenso über die Target-Konten der EU fließen, hat sich der Negativ-Saldo der Länder weiter vergrößert. Insgesamt beläuft er sich auf stattliche 800 Mrd. EURO in 2017, wovon allein 500 Mrd. EURO als Forderungen der Bundesbank zu Buche stehen. Spanien und Italien halten jeweils etwa 180 Mrd. EURO an Verbindlichkeiten.
Wie wir sehen konnten, sind nicht die absoluten Höhen der Verbindlichkeiten ie zentrale Gefahr, sondern die Risiken, die in diesen Krediten verborgen sind. Und diese verborgenen Riskiken, von denen mittlerweile niemand mehr weiß, wann und wie sie in der hoch vernetzten Bankenstruktur der EU offenbar werden, führen zu erheblichen politschen Konsequenzen. Denn diese Schuldenstände sind solange verborgen, wie die Währungsunion hält und kein Land mit der EURO-Währung diesen Verbund verlässt. Da as Vereinigte Königgreich nicht zur EURO-Zone gehörte, war der Brexit auch kein Problem für die Target-Salden. Nur wenn ein EURO-Land pleite geht und den EURO verlässt, wird es teuer.
Die Bundesbank hat z.Z. etwa 500 Mrd. an Forderungen gegenüber dem EURO-System. Existierte dieses System nicht mehr entstünde ein Abschreibungsverlust von saldiert etwa 370 Mrd. EURO, was auch für die Bundesbank jetzt schon eine hohe Hausnummer wäre und somit der deutsche Staat, also die Bürger dieses Staates zur Begleichung herangezogen werden müssten.
Je höher die Target-Forderungen, desto bedrohlicher die Perspektive
Nach der Berechnung von Hans-Werner Sinn steigen derzeit die Salden jährlich um 200 Mrd. EURO, so dass etwa 2022/23 eine Summe von 1,5 Billionen EURO erreicht werden, die dann bei einem Auseinanderbrechen des EURO-Raumes auch vom deutschen Staat nicht mehr ausgeglichen werden könnte, ohne selbst bankrott anzumelden. Anders gesagt: Deutschland ist bereits bankrott bzw. müsste Insolvenz anmelden, legte man die Paragrafen des privaten Insolvenzrechtes an die deutschen Staatsbilanzen. Im deutschen Falle wäre der Insolvenz voraussichtlich noch mit einer Währungsreform zu begegnen, bei der aber heute niemand weiß, um wieviel das private Vermögen entwertet würde, da ja auch in Deutschland viele Anleger und Sparer frühzeitig ihr Vermögen in ausländischen Währungen in Sicherheit bringen würden.
Die Antwort des Staates auf diesen Zustand ist Prologierung bzw. Stundung von Rückzahlungen der Target-Schulden auf den Sankt Nimmerleinstag. Rechnete man die hohen Ausfälle heute schon in die derzeitige deutsche Staatsverschuldung ein, dann stiege diese von ca. 80% des BIP auf fast 100% und dies hätte natürlich auch wieder Auswirkungen auf den Leistungsbilanzüberschuss wie auch auf die Kaufkraft. Aber auch hier gilt, die wesentlichen Risiken liegen nicht in diesem zwar durchaus möglichen, aber zunächste einmal nur vorgestellen Szenario, sondern in der konkreten strukturellen und so politisches Handeln leitenden Situation.
Mit Andauer dieser Saldenkrise wird eine Politik, die die Lösung daraus betreibt, immer unwahrscheinlicher, ja unmöglicher. Die EZB wie Deutschland können sich den Austritt eines EU Landes mit dem EURO als Währung schon heute nicht mehr leisten. Die Geldpolitik der EZB hat sich von jeder realwirtschaftlichen Grundlage so weit entfernt, dass die einstige Bezieung zwischen Notenbankpolitik und Realwirtschaft nicht mehr sichtbar hinterm Horizont der Schuldennavigation verschwunden ist. Italien, Frankreich, Spanien etc. kaufen Waren auf Pump und Deutschland als Hauptlieferant derselben verkauft sie letztlich auf Kredit und wird durch seine Regierung gleichsam asymmetrisch informiert, dass alles nur zum besten der deutschen Wirtschaft ist und irgendwann einmal alles wieder gut wird.
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Vergemeinschaftung von Kreditrisiken
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