Auf Leben und Tod

Konkurrenz konnotiert also nicht zufällig mit Krieg und die Begriffsrethorik ist dementsprechend auch nicht zufällig ähnlich. Ohne auf die endlose Reihe der Ausdrücke aus der Schlachtenplanung- und -taktik eingehen zu wollen, geht es hier wie dort nur um Sieg oder Niederlage. Den Konkurrenten aus dem Wettbewerb schlagen ist die Kurzformel für das wichtigste Ordnungsprinzip des Konkurrenzdenkens jener Jahre, die vom Kalten Krieg politisch und von der Konzentration des Industriekapitals geprägt waren.

Das mehrfache Vernichtungspotental auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs kennzeichnete paranoid die Konkurrenz zweier ideologischer und ökonomischer Systeme, wobei man festhalten sollte, dass die ideologie-getriebene Rethorik beiderseits lediglich das System der anderen disqualifizierte und nur wenige der Wirtschaftslenker im Westen über die sechziger Jahre hinaus die bipolare Kriegsrethorik auf den Feldern der Ökonomie beibehielt; aber es gab sie und nicht selten.

Uns geht es darum zu erinnern, dass die Jahrzehnte der Konkurrenz auch aufseiten der Wirtschaft in den Köpfen der Führungsetagen viel mit Vorstellungen von Macht zu tun hatten. Den Konkurrenten besiegen war nicht allein motiviert von der Überzeugung, die Märkte durch bessere Produkte und günstigeren Preise zu beherrschen, sondern durchaus von ökonomischen Machtvorstellungen, in denen der andere, das andere Unternehmen als Feind wahrgenommen wurde, den es zu vernichten galt.

Ultimativ skrupellos handelte z. B. die von John D. Rockefeller gegründete Standard Oil Company. Die Company war bis zum Jahr 1874 in einem rasanten Tempo gewachsen und hatte eine Größe in ihrer Branche erreicht, die man mit dem Begriff Marktdominanz beschreiben kann. Lag der Marktanteil der Standard Oil 1870 bei etwa 10 Prozent, stieg er in nur vier Jahren auf 40 Prozent und erreichte nach nur zehn Jahren 80 Prozent. Es war einer der kleineren Konkurrenten, Great Western Oil Works, der das Augenmerk darauf richtete, dass solch ein Wachstum auch damals schon nicht nur durch technische Innovationen und damit verbundenen Skaleneffekte zu erreichen sei. Nötig dazu waren auh andere Faktoren, die einem beinharten Verdrängungs- ja Vernichtungswettbewerb, also einem, von Machtphantasieen getiebenem Konkurrenzverhalten zuzuschreiben waren.

Bereits 1889 konnte Standard Oil die Hälfte aller damals auf den Schienenwegen verkehrenden Kesselwagen sein Eigentum nennen und verfügte über wichtige Öl-Pipelines, was der Company fast uneingeschränkte Kontrolle der wichtigsten Transportwege bescherte. In gewisser Weise waren sie die einzigen, die von den Viehtreks gelernt hatten, dass nämlich nicht allein die Menge der Rindviecher über den Markterfolg entscheidet, sondern wesentlich mehr, wer die Steaks schnell und günstig zu den Märkten zu bringen in der Lage war.

Um also möglichst lückenlos und dicht sein Transportsystem zu halten, hatte Standard Oil dazu noch spezielle Tankwagen für den Schientransport bauen lassen und damit einen erheblichen Logistikvorteil bei Kosten und Geschwindigkeit gegenüber dem Transport von Erdöl in Fässern erwirkt.
Zwischen Rockefeller und den Eigentümern kleinerer Raffinerien bestand ab 1889 überhaupt kein Wettbewerb mehr, sondern ein gnadenloser Verdrägungsprozess, den wir Konkurrenz nennen und bei dem das Ende und Aus vieler Raffinerien abzusehen war. Die Kontrolle der Transportwege, die Optimierung der Transportmittel und zusätzlich ein paar schmutzige Tricks, die vor allem darin ausgetragen wurde, Trusts und Allianzen zu schmieden, die am Ende für alle nötigen Teile an Produktionstechniken existieren, die zur Gewinnung von Erdöl, Transport und Herstellung bzw. Weiterverarbeitung von Erdöl und seiner Nebenprodukte gebraucht werden, führten den Wettbewerb an den Rand des Ruin.

Dieser Zustand bezeichnet einen Punkt im Wettbewerb, an dem durch ganz gleich welches unternehmerische Verhalten, kein Ausweg mehr und somit auch kein Zugang mehr zu den Mäkten gefunden werden konnte. Als sich dies abzeichnete, dass all zu große Markt-Machtphantasien den Zugang zu den Märkten für viele Unternehmen verhinderten, war politisches Handeln gefragt, zumal viele der Marktführer verschiedenenr Branchen ähnliches Verhalten wie Stadard Oil offenbarten.
In der Stahlbranche etwa monierte John Deere die Konzentration von Unternehmen in Trusts, die den Preis für Stahl binnen sieben Jahren um 50 Prozent hatte steigen lassen. So forderten die Vorstände von John Deere: „Gäbe es klare Gesetze, die den Wettbewerb schützten und Strafen vorsähen für Personen, die gemeinsam agieren, mit der Absicht, die Produktion zu limitieren und die Preise zu kontrollieren, gäbe es stabilere Preise.“

Der Sherman-Antitrust-Act aus dem Jahr 1890 regelte ein erstes Mal die Grenzen auf gesetztlich die Art und Weise, wie Unternehmen sich auf den Märkten zu verhalten haben. Sehr drastisch wurde dem Bestreben der Monopolisten begegnet, drastischer hätte es auch Marx kaum formulieren können. Dabei sahen die Mitglieder des Finanzausschusses im US Senat sowohl die Behinderung des Handels zwischen Staaten im Art.11 wie zwischen Unternehmen im Art.22 als Verschwörung bzw. als ein Vergehen, also als strafbewehrte Handlung, genauer gesagt als Handlungen mit strafbaren Absichten.

Konzerne mit monopolistischen Strukturen liefen natürlich Sturm gegen das Gesetz, aber 1906, unter der Präsidentschaft von Theodore W. Roosevelt wurde es gegen Standard Oil angewandt und führte 1911 zur Zerschlagung der Company in 34 Einzelgesellschaften. Dieses Datum wird oft und bis heute noch als das Ende der alten Ära der großen Monopole, als „Magna Carta des freien Unternehmertums“ gefeiert, aber die Geshichte der zahllosen Änderungen des Wettbewerbsrechts seit diesem Datum zeigt beredt eine andere Logik.

Das Deutsche Grundgesetz (GG) spricht von der „Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machstellung“3, aus dessen Geist im Jahr 1957 das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) erließ aus dem heraus und nach zahllosen Novellen zwischen 1973 und 1999 die sog. deutsche Zusammenschlusskontrolle in der sechsten GWG-Novelle ihre derzeitig gültige Form erhielt.

Allein am Zeitraum von hundert Jahren wird prima vista schon erkenntlich, dass der Sherman-Antitrust-Act so leicht auf witschaftliches Verhalten nicht anwendbar zu sein scheint, gleichwohl dessen Anwendung auf Standard Oil ja erhebliche Konzequenzen hatte.

Gegehn wir grundsätzlich davon aus, das wirtschaftliches Handeln zunächst einmal als ein freies, privates Rechtsgut in den westlichen Gesellschaften begründet ist, also auch wirtschaftliche Zusammenschlüsse, dann ist dessen Einschränkung nur möglich, wenn es dafür auch im Grundgesetzt bzw. in der Verfassung eines Staates einen entsprechenden Artikel gibt.

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Sherman-Antitrust-Act


1 In Artikel 1 wurde „jeder Kontakt, jede Zusammenarbeit in Form einer Allianz oder eines Trusts oder einer anderen Verschwörung, um den Handel zwischen mehreren Staaten oder Nationen zu behindern“ als illegal erklärt.
2 Artikel 2 schrieb fest: „Jede Person, die eine Tätigkeit monopolisiert oder versucht, ein Monopol zu errichten, oder versucht, sich mit anderen zusammenzuschließen, um ein Monopol zu errichten, ist eines Vergehens schuldig.“
3 Art.74 Abs.1 Nr. 16 GG

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