Geht es darum, die Liquiditätsprobleme im Interbankenhandel und bei den Geschäftsbanken zu bekämpfen, dann greift man zur Fristigkeitsverlängerung bzw. Ausdehnung von Laufzeiten bei Liquiditätsoperationen. Das klingt technisch, ist aber nichts anderes als die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit wichtiger Finanzmärkte, die alleine nicht mehr marktfähig sind.
Auch bei der Definition der zentralbankfähigen Sicherheiten hat man gerne beide Augen zugedrückt, um nicht die bereits eingetretene Pleite einiger Geschäftsbanken und Zweckgesellschaften bzw. Schattenbanken mit ansehen zu müssen. Dann hat man besonders in den USA noch den Kreis der Geladenen erweitert, die in den Genuss der Notenbankbegünstigungen kommen, also Institute zur Party gebeten, die, wären sie nicht kurz vor oder schon in der Pleite, kaum eingeladen worden wären, die Notenbankgelder anzuzapfen, solange bis alles wieder im Lot ist.
Bei der Bekämpfung der Deflationsgefahr1 setzt man auf andere Mittel. Hier kommen vor allem Kapitalmarktmaßnahmen zum Einsatz, die auf die Senkung der längerfristigen Zinsen sowie auf den leichteren Zugang der Unternehmensfinanzierung abzielen. Das scheint ganz im Sinne der christlichen Tradition: wer nichts hat, dem werde gegeben, ist aber eine Belohnung für arg unchristliches Verhalten über den Umweg. Denn der Kauf von Unternehmensanleihen hilft nicht nur bei der Refinanzierung von Unternehmen, sondern stimuliert auch deren Emissionslust durch Absenkung der Risikoprämien, was auch den Emissionsbanken zugute kommt. Wenn also der Party der Champagner ausgeht, kommen die Notenbanker mit Nachschub satt fast für umsonst.
Bei Finanzkrisen kommt es regelmäßig zu der sog. Kontraktion des Wirtschaftsgeschehens. Dies ist in zweierlei Hinsicht zu betrachten. Einmal geht diese Kontraktion mit sinkenden Steuereinnahem und steigenden Staatsausgaben einher. Der fiskalische Aspekt gründet meist in einer sich selbst verstärkenden Abschwungphase, die wiederum mit Lohn- und Preisspiralen, die eher nach unten gehen oder sich um ein bestimmtes Niveau drehen, einhergehen.
Die haushalterischen Aspekte gründen hauptsächlich auf Kosten für Banken-Rettungspakete, die die Risiken von Banken auf den öffentlichen Sektor übertragen. Diese Umverteilung hat direkte wie auch indirekte Effekte, sowohl für den privaten Sektor wie auch für die Wirtschaft.
Der direkte Kauf von Staatsanleihen durch die Notenbanken mag primär das Ziel verfolgen – wie etwa im Falle der Griechenlandanleihen – den Anstieg des langfristigen Zinsatzes sowie die Risikoprämien von Staatsanleihen hoch verschuldeter Staaten, die durch den Anstieg der Staatsschulden ständig weiter steigen zu reduzieren. Neu aber wurde die Erfahrung im Zuge der Griechenlandkrise gemacht, dass alle Maßnahmen der EZB nicht ausreichten, um die Schuldentragfähigkeit Griechenlands wieder her zu stellen.
Kurz gesagt, Griechenland ist lange schon Pleite, aber das ist nicht die causa, um die es hier geht. Wie immer so schön behauptet wurde und wird, hätte die sich selbstverstärkende Tiefenrezession mit weltweiter Ausprägung ihren Grund im Platzen einer Immobilienblase gehabt. Das mag dem ein oder anderen genügen, aber wer glaubt, dass die zahlreichen Bankzusammenbrüche und Kontraktionen im Bankensektor – siehe die Deutsche Bank u.v.a.m. – allein durch die Immobilienkrise verursacht wurde; der glaubt auch an Klapperstorch und Weihnachtsmann.
Der Klapperstorch kam in Gestalt von drei Fruchtbarkeitshilfen. Die Signalwirkung der monatlichen Notenbankankündigungen hinsichtlich eines längerfristigen niedrigen Zinspfades sind allein schon durch die Tatsache, dass hier in eigener Sache gesprochen wird, glaubwürdig. Und so die Inflation niedrig bleibt, ermöglicht dies größere Allokationumschichtungen größerer Vermögen.
Der Vermögenseffekt, der den des Signaleffektes nahtlos folgt, erfreut mit sichtbaren Kurszuwächsen die Besitzer von Staatsanleihen. Aber auch die Aktienmärkte erfreuen sich höchster Beliebtheit in den USA und in Deutschland. Denn, anders als etwa in den Ländern mit einer hohen und noch steigenden Staatsschuldenquote, können die besser gestellten Volkwirtschaften mit einem fiskalischen Effekt rechnen, der die Geldbörse leichter öffnet.
Würde die Krise der Staatsfinanzierung durch monetäre, sprich steuerliche Maßnahmen bewältigt, hätte das sofort Auswirkung auf das Sparverhalten und das Konsumverhalten der Bürger in diesen Staaten. Die Tatsache, dass dafür aber konjunkturstabilsierende Maßnahmen ergriffen werden, reduziert die Angst vor Steuerhöhungen enorm.
Der Kauf von Staatsanleihen durch die Notenbank hat also auch diesen Vorteil, dass der Bürger kurzfristig nicht merkt, dass sein Geld verschwindet, was bei einer Steuererhöhung anders wäre. Wenn dann Konjunkturmaßnahmen greifen, Löhne und Preise moderat steigen, schadet das also weder Konsum noch Sparverhalten.
Bei schwereren Turbulenzen am Geldmarkt wird laut allgemeiner Lehrmeinung ein Transmissionsmechanismus der Geldpolitik stark geschädigt: der Zinskanal. In Zeiten moderater Inflation, eines enigermaßen stabilen Bankensystems, wobei über Stabilität in diesem Sektor noch gesondert zu sprechen sein wird, und entsprechend stabiler Finanzmärkte zielen die Maßnahmen der Notenbanken auf die Preisstabilität. Nicht ganz unberücksichtig mittlerweile auch im Direktorium der EZB bleiben Konjunkturschwankungen und auch Schwankungen bei Wachstum und Beschäftigung, so diese Sektoren zu stark schwanken oder sich als instabil, d.h. als politisch unterversorgt herausstellen.
Ist die Null-Grenze des Leitzinses in der Nähe, dann gelten andere Prioritäten der Notenbanken. An dieser Grenze sind weitere systemische Faktoren im Ungleichgewicht, vor allem die Intermediatisierungsfunktion von Banken und Finanzmärkten. Banken wie Finanzmärkte wirken wie Plattformen der Geldversorgung, die aber weder nach dem Laissez-fair-Prinzip noch nach L’art pour l’art arbeiten. Aber diesen Traum haben die Intermediäre heute zunehmend mehr im Auge, wenn es um ihre Geschäfte geht; so viel vorab dazu.
Seit der Finanzkrise boomen die unkonventionellen Maßnahmen, mit denen, prima vista, Deflation und Instabilität des Finanzsystem bekämft werden sollen. Wenn aber die Finanzmärkte immer längere Phasen der Instabilität zeigen, die Transmissionsmechanismen der Geldpolitik also nicht mehr funktionieren, kommt es zu einer immer breiteren Interaktion zwischen Notenbanken und anderen volkswirtschaftlichen Sektoren, die eigentlich bis dato nicht vorgesehen war.
So verlagern sich zunehmend die konventionellen Finanzierungsströme von einer bankenbasierten Volkswirtschaft hin zu alternativen Finanzierungsströmen. Der zinspolitische Spielraum der Notenbanken ist nicht mehr alleiniger Handlungsspielraum der Geldpolitik. Die verfügt über eine Fülle unkonventioneller Maßnahmen jenseits dieses engen Rahmens der Zinspolitik und überschreitet so die Grenze zur Wirtschaftspolitik auf breiter Front. Die Notenbanken sind stets auch ein Spiegel gescheiterter parlamentarischer Handlungsfähigkeit und -bereitschaft.
Die Bilanzen der Notenbanken sind intransparent. Im Gegensatz zur normalen Wirtschaft erkennt man in ihnen die Bedeutung ihrer Maßnahmen generell nicht. Indem Notenbanken Geschäftsbanken in einem riesigen Ausmaß direkt Liquidität zur Verfügung stellen, weiten sich die Notenbankbilanzen zwar enorm aus, aber wer was wofür an Liquidität bekommen hat, ist von den Bürgern und sogar von Expertenkreisen weder genau zu erkennen, noch zu bewerten und somit auch nicht zu kontrollieren.
Denn hinzu kommt, dass zu der Ausweitung der Liquiditätsversorgung auch andere Arten von Geschäftsvorgängen aus den sog. unkonventionellen Handlungen in die Bilanzen eingehen, sich also die Struktur der Bilanzen mit der Änderung der Struktur der Geldpolitik der Notenbanken ebenso verändert und sich so auch die Mittelverwendung verschleiert und schließlich bleibt sodann auch die Kontrolle eines effizienten Mitteleinsatzes auf der Strecke. Und damit beklagen wir nicht den sog. Gießkanneneffekt.
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Liquiditätsprobleme im Interbankenhandel – Deflationsgefahr – Tiefenrezession – Signaleffekt – Transmissionsmechanismus
1 Bei einer Deflationsgefahr muss unterschieden werden, ob es sich um einen Preisdruck durch große Produktivitätszuwäche oder auch um Rückgänge von Importpreisen handelt. Dann spricht man von einer „benign deflation“ (Borio/Filardo 2004) oder von einer Angebotsdeflation.
Borio, C./Filardo, A. (2004): Back to the future? Assessing the deflation record, Bank for International Settlements, Working Paper 152
Claudio Borio (BIZ – Bank für Internationalen Zahlungsausgleich).
Andrew J. Filardo
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