Die kapitalistische Kaffeetafel behauptet ihren Platz um den Wohlstandskuchen gegenüber jedem ungebetenen Gast. Die Tafel vielmehr hat sich zu einer verschworenen, hermetischen Gemeinschaft aus den USA und Westeuropa entwickelt, die mehr als die Hälfte vom Wohlstandskuchen Jahr für Jahr allein verputzt. Bereits im Jahr 1973 recherchierte der Spiegel:
„Auf eine gigantische Wohlstandskluft deutet das riesige Bruttosozialprodukt-Gefälle zwischen industrialisiertem Norden und traditionellem Süden hin. So erwirtschaftet „Südostasien mit einem Anteil von über 20 Prozent an der Weltbevölkerung nur 3,5 Prozent des Welt-BSP (Brutto-Sozialprodukt, d. V.), US-Amerika (Bevölkerungsquote: rund fünf Prozent) dagegen 28,2 Prozent“.1
Nun sitzt die VRC mit am Tisch, zwar noch am Katzentisch, rückt aber rasch weiter ins illustre Zentrum der maßgebenden Volkswirtschaften. Und das Maß imponiert als Überregulierung des Wettbewerbs und im Falle der VRC auf der bewährten Ressourcensicherung in der Dritten Welt2 durch scheinbare Wohltaten an Infrastrukturprojekten und Finanzierungshilfen für Afrika, Lateinamerika und andere Emerging Markets.
Waren in der jüngeren Vergangenheit Leistungswettbewerb und Innovation zunehmend weniger das Maß für internationale Kooperationen, hatte sich das Mittelmaß wie Mehltau über die großen Volkswirtschaften gelegt und Kooperation zu einer Überregulierungsangelegenheit entwickelt, bei dem es jedem so gut wie möglich Recht gemacht werden sollte, so entwickelte sich parallel dazu die gegenläufige Bewegung.
Konträr zur zeitweiligen Überregulierung der Finanzmärkte, vor allem der Banken, von ganzen Branchen wie Kohle, Stahl und Energie und Märkten wie etwa dem deutschen Arzneimittelmarkt, die bis hinein in die Arbeitswelt und dort in die Selbstbestimmung des Einzelnen reichte, vollzog sich mit der Digitalisierung und der Ausbreitung des World Wide Web sowie der Globalisierung des Handels, der Information, Kommunikation, des eCommerce und des eBusiness‘ deren allmähliche Veränderung hin zu offeneren Wettbewerbsstrukturen.
Der Intensivierung des Wettbewerbs wurde und wird teilweise bis heute mit den ungeeigneten Mitteln der Deregulierung begegnet. Deregulierung steht nicht in Opposition zur Überregulierung. Beides sind die Seiten einer Medallie. Wie Überproduktion der hilflose, tautologische Versuch der Mangelkompensation ist, so ist auch die Deregulierung von Märkten z.B. kein Zugewinn von qualitativem Wettbewerb sondern Konkurrenz, die sich verlängert und unkenntlich macht in ihrem schieren Wildwuchs.
Die scheinbare Opposition von Regulierung und Deregulierung, von Unter- und Überproduktion, von Inflation und Deflation u.v.m. gründen alle in derselben Falle scheinbar alternativloser Weltbilder des Mangels. Und was die Angst vor dem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit als unbegriffene Differenzialtautologie an Szenarien von Alternativlosigkeit an einen grauen Himmel zukünftiger Erlösung wirft, ist schier unglaublich.
Wir haben schon auf die irrsinnigen Programme der FED, die unter dem verheißungsvollen Titel: Quantitativ Easing (QE) laufen, hingewiesen, die mit Helikoptergeld in riesigen Mengen auf die Wirtschaft abgeworfen eine brüchige Stabilität auf den Finanzmärkten und in der US-Wirtschaft erkauft. Der wesentliche Grund des Versuchs aber ist, dass es hier wie in Europa immer darum geht, sich „Zeit zu kaufen.“ Also die Hoffnung, mit billigem Geld den Absturz in noch tiefere volkswirtschaftliche Abgründe, wo unabsehbare Folgen des Verlusts an Wettbewerbsfähigkeit keimen, auf Zeit zu verhindern.
Welches Ausmaß die Vorstellung einer Heilung einer hoffnungslos erkrankten Wirtschaft durch Aufkauf aller verfügbaren Zeitressourcen, die die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit von Volkswirtschaften gegenüber den USA zu verhindern versucht annehmen kann, liest und hört man täglich. Unter dem politischen Schlachtruf: „America first“ lenkt der neue US-Präsident die Geschicke der größten Volkswirtschaft der Welt, deren Handelsbilanzdefizit und deren Leistungsbilanzdefizit eine Größenordnung angenommen haben, dass man von internationaler Wettbewerbsfähigkeit auf mittlere Sicht nicht mehr sprechen kann.
Nun wird demontiert, was Amerika nach dem Zweiten Weltkrieg zum eigenen prächtigen Gedeih erschaffen hat. Mit Ach und Krach rüttelt es an der internationalen Wirtschaftsordnung, die, solange sie den USA dort Raum für Weltmarktführer und Wettbewerbsgewinner bot, mit Waffengewalt verteidigt wurde; nicht nur in einem Fall.
Nun sollen so ziemlich alle Freihandelsabkommen gekündigt werden. TPP, das die transpazifischen Handelsströme frei fließen ließ, ist blockiert. Desgleichen droht der nordamerikanischen Nafta. Nur noch bilateral und zum Vorteile der US-Wirtschaft soll verhandelt und gezeichnet werden. Was so daher kommt, offenbart sein eigenes Dilemma und Versagen. Es gelte das Recht des scheinbar Stärkeren, dessen Schwund an Muskelmasse und Knochensubstanz bereits sichtbar eingesetzt hat.
Wo ist die sagenumwobene Dominanz von General Electric (GE), sind all die Geschichten von der überlegegenen, ja magischen Geschäftsführung eines Jeffrey Immelt hin? Heute sorgt GE für schlechte Stimmung an der Wall Street und der neue CEO John Flannery legt einen katastrophalen Fehlstart hin.
No more open Markets. Es sei denn, us-amerikanische Unternehmen profitieren unter allen anderen Beteiligten am stärksten. Welchen Beweis, dass sie es nötig haben, braucht es noch? Was sollen die Strafzölle auf Importe aus Mexiko und der VRC anderes, als den Wettbewerb aus diesen Ländern schwächen, weil die eigene wirtschaftliche Restpotenz droht, in die Hose zu laufen. Und um der schwindenden Virilität gleichsam im Ableben noch ein letztes Mal auf die Beine zu helfen, droht die US-Administration damit, bei Klagen vor der WTO diese gleich mit abzuschaffen.
Die antimoderne Wirtschaftspolitik weiss genau, welcher flankierender Maßnahmen es bedarf, um einen potenten Wettbewerb aus dem durchgelegenen Ehebett herauszuhalten, natürlich durch – vom Gelage her gesehen – exterritoriale Maßnahmen, die so weit gehen, das Amerika bei ihren hysterischen Sanktionsandrohungen wie z. B. gegen Russland und Iran die Grenzen zu den Rechtsordnungen selbst von langjährig befreundeten Staaten in Europa eigenmächtig und willkürlich niederreißt.
Der Übertritt jeglicher Rechtsordnung geschieht in der lauthals pronouncten Legitimität der Selbstverteidung und mit dem Revolver in der Hand werden nun nationale Deals im Duell verteidigt, wobei die Kollateralschäden im offenen, fairen Welthandel gar nicht so ungelegen kommen; Welcome Billy the Kid im Oval Office. Hier wird Wirtschaftskrieg geplant, vor allem gegen Deutschland, das stellvertretend steht für alle global agierenden und auf den Weltmärkten wettbewerbsfähigen Vorlkswirtschaften.
Der neue im Oval Office weiss, wo die Assistentinnen ihre Schwachstellen haben und wo die eigene Volkswirtschaft steht. Deren Beständigkeit braucht Schutz vor Liebhabern, vor Volkwirtschaften mit innovativen Ideen, die auf den internationalen Märkten begehrt sind. Internationale Vernetzung quer durch offene Märkte, durchlässige Grenzen zum Austausch und zur Kooperation unter- und miteinander, quasi in libidinöser Vielfalt vereint; ach wie erinnert das an die Zeiten der Kommunarden – dem gilt natürlich der Frontanangriff der sexuell Abgehängten.
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Digitalisierung – eCommerce und eBusiness
1 Der Spiegel vom 03.12.1973
2 Hier vor allem die Sicherung von Rohstoffen, Edelmetallen bzw. Commodities und Transportzugänge, Häfen, Seewege etc.
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