Abenomics heißt das, was Japans Wirtschaft als Medizin aus der Krankheit, die als eine nationale Wirtschaftskrise diagnostiziert war, verordnet wurde. Sewit nunmehr über 25 Jahren bekämpft die Bank of Japan die Krise mit den stets gleichbleibenden Mitteln bzw. Instrumenten: expansive Geldpolitik, kreditfinanzierte Konjunkturprogrammen und Strukturreformen der Wirtschaft. Und seit dem Jahr 2013 stellen Experten eine deutliche Forcierung der Geldschwemme, das sog. Quantitativ Easing1.
Die beiden wichtigsten erwünschten Effekte: Wachstum der japanischen Wirtschaft und Steigerung der Inflation sind nicht eingetreten. Stattdessen ist die Staatsverschuldung nochmals explodiert, die Löhne sind im Sinkflug und die Verteilungsungleichheit wächst. Die Frage also ist: Wie hängt das alles mit der Geldpolitik zusammen?
Die Spatzen schreien es mittlerweile vom Dach, billiges Geld erzeugt Blasen. Blasen werden anfangs euphorisch begrüßt, um dann aus hysterischem Taumel in bestürtzer Totenstarre zu fallen. Bereits der österreichische Ökonom und Sozialphilosoph Friedrich August von Hayek analysierte in seiner Konjunkturtheorie den Zusammenhang zwischen billigem Geld, Überinvestition und Spekulation.
Überinvestition in diesem Kontext beschreibt ein Verhalten innerhalb der Wirtschaft, unter aktuell günstigen Finanzierungskosten, die hauptsächlich auf günstige Kreditzinsen basieren, Projekte und Marktaktivitäten anzustrengen, die sonst wenig profitabel gewesen wären und auf lange Sicht nicht tragfähig, da die Schuldendienste bei steigenden Zinsen den Profit schmelzen, ja regelrecht verdunsten läßt.
Auch wenn es vernünftige Gründe für die japanischen Zinsenkungen gab, vor allem nachdem mit dem PLaza-Abkommen, das das Handelsungleichgewicht zwischen den USA und Japan bereinigen wollte und der damit verbundenen starken Yen-Aufwertung, die letztlich die japanische Wirtschaft in die Krise schickte, zeigte sich schnell die Kehrseite solcher goldpolitischer Instrumente. Zinsenkungen bremsen eine starkte Währungsaufwertung und verbilligen Produktionskosten, was besonders den exportorientierten Unternehmen hilft.Aber wie wir sahen, setzen eben jene Zinbssenkungen auch einen Spekulationsboom frei, den niemand wirklich will.
Und ein Effekt ist dabei aus heutiger Sicht essentiell. Das billige Geld in einem Land, hier Japan, trägt erheblich zur Blasenbildung in einem anderen Land bzw. einem anderen Wirtschaftraum, Z.Bsp. Südostasien, bei. Kapital wurde zu niedrigen Zinsen in Japan aufgenommen und ins Ausland transportiert. Kapitalzuflüsse aus Japan haben maßgeblich einen Überinvestitionsboom in Südostasien (1993-97) gespeist. Auch an den wiederkehrenden Boom-Phasen auf dem US-Aktienmarkt und am chinesischen Wirtschaftswunder war japanisches Kapital beteiligt.
Man verabreichte jahrelang immer die gleichen Medikamente, aber billiges Geld und erhöhte Staatsausgaben konnten, wenn überhaupt, nur ganz kurzfristig Linderung bringen. Langfristig wurde der Patient immer kränker. Daran ändert auch nichts der schöne Glaube allenthalben an die magischen Kräfte keynesianischer Konjunkturprogramme. Das Beispiel Japan hätte Schulen sollen. Denn dort sieht man die Auswirkungen solcher Medikation.
Weder das Absenken der Leitzinsen von 8% im Mai 1991 auf 0% im März 1999, noch eine Zentralbankbilanz von stolzen 700% wie eine Staatsquote von 250% des Bruttoinlandsprodukts haben Japan die erwünschte Erholung gebracht. Notorisch wird übersehen, dass der Kern des Problems mittlerweile der Finanzsektor ist. Dort funktioniert das traditionelle Geschäftsmodell nicht mehr. Die Nullzinspolitik hat nicht nur massiv die Differenz zwischen Kredit- und Einlagenlagenzinsen, aus denen sich Banken finanzieren, von ca. 3,5 Prozentpunkten auf ca. 0,5 verschoben, sie hat gleichzeitig auch die Kreditnachfrage vieler Großunternehmen drastisch reduziert, weil geringe Zinsen und geldpolitisch getriebene Abwertungsphasen des Yen die Unternehmensgewinne erhöhten und eine Kreditnachfrage überflüssig machten. Wir erkennen an dieser Stelle, dass das Interesse von Banken nicht unbedingt deckungsgleich ist mit dem Interesse von Unternehmen, die die Dienste von Banken am liebsten nur für die eigenen Interessen nutzen möchten – wir besprechen diesen Punkt später ausführlicher.
Mit der schrittweisen Aushölung des traditionellen Kreditgeschäfts wurden die Banken zunehmend von der kostenlosen Liquidität der Zentralbank abhängig und im Zuge dessen kam es zu einer vermehrten Anlage dieses 2ungebrauchten“ Kapitals in Staatsanleihen. Man spricht in diesem Zusammenhang nicht ganz zu unrecht von „Zombie-Banken“.
Kleine und mittelgroße Unternehmen blieben auch weiterhin auf Kredite angewiesen und diesen, anders als in Deutschland, weniger renditestarkt, machte die Rezession besonders schwer zu schaffen, besonders durch ihre lokale Verankerung. Banken legten ein Tuch des Schweigens über die wahre Risiko-Situation der KmUs2, auch um nicht selbst wiederum in eine öffentliche Diskussion über Kreditrisiken bzw. faule Kredite in ihren Büchern zu geraten. Von eine symmetischen Information der Märkte kann in diesem Zusammenhängen offensichtlich auch keine Rede sein, die aber wichtig ist für das Funktionieren von Kredit- und Finanzmärkten.
Also wurden zu geringen Zinsen Kredite an die KmUs weiter gewährt, was die Literatur „nachsichtige Kreditvergabe“ nennt und in der Öffentlichkeit blühten zunehmend mehr immergrüne „Zombi-Unternehmen“3
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[title]Begriffe – Anmerkungen – Titel – Autoren[/title]
Quantitativ Easing – Überinvestition – PLaza-Abkommen
1 Quantitative Easing wird eine geldpolitische Maßnahme bezeichnet, die darauf abzielt, die langfristigen Zinsen zu senken und zusätzliche Liquidität ins Bankensystem zu schleusen.
2 Klein- und mittelsträndige Unternehmen
3 „Mit ihrer Nullzinspolitik hat sie die Allokationsfunktion des Zinses außer Kraft gesetzt, sodass nicht mehr zwischen Investitionen mit hoher und niedriger Grenzleistungsfähigkeit getrennt wird. Da Ressourcen in Projekten mit geringen Renditen gebunden bleiben, werden weniger neue Investitionen mit hoher Rendite auf den Weg gebracht. Zombie-Banken hängen weiter am Tropf der EZB und subventionieren Zombie-Unternehmen, die ohne eine „nachsichtige Kreditvergabe“ nicht lebensfähig wären. So lähmt die Geldpolitik Investitionen, Innovationen, Produktivitätsgewinne und Wachstum, ähnlich wie es früher in den sozialistischen Planwirtschaften der Fall war.“ FAZ Gastbeitrag, 17.04.2016, von Hans-Werner Sinn und Gunther Schnabl
Friedrich August von Hayek (* 8. Mai 1899 in Wien; † 23. März 1992 in Freiburg im Breisgau)
Gunther Schnabl (* 1966)
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