Beide Begriffe umschreiben eines der Lieblingsthemen früherer politischer Ökonomie: den tendenziellen Fall der Profitrate als tragendes Fundament der marxistischen These vom zwangsläufigen Zusammenbruch des Kapitalismus (Krisentheorie). Nun kann man Marx in dieser Hinsicht als Hoffnungsgeber einer Befreiungstheologie, also einer Glaubenslehre vom tendenziellen Fall der Profitrate nehmen, oder das auf inneren, systemischen Antagonien basierende negative Gewinnwachstum als eine Art Revolutionsgrundlage auffassen, die nurmehr einer vereinigenden Idee wie etwa der eines gerechten Wirtschaftens in Form kollektiver, kommunistischer Produktion bedarf, wie Lenin sie am Anfang des letzten Jahrhunderts in Russland ausgesprochen hat.
Wie dem auch sei; eine eingehendere Beschäftigung mit Konzentrations- und Zentralisationsprozessen lohnt auf jeden Fall, gibt sie uns doch die Möglichkeit besser zu verstehen, was zwischen nationalen wie internationalen Märkten, hier nun auf den Finanzmärkten, und den Einzelwirtschaften und hierbei nicht nur von Mega-Unternehmen abläuft. Jedenfalls scheint das klassische Marktmodell gestört zu sein, so sehr, dass die Wissenschaft die Phänomene nicht mehr alle darauf unterbringt und es so mehr und mehr an Erklärungen mangelt.
Wenn es des weiteren um den Begriff Kapitalismus geht, den wir gerne durch Marktwirtschaft ersetzen, dann sollten wir im Auge behalten, dass er u.E. als ein „Kampfbegriff“ konstruiert war. Ein Kampfbegriff deshalb, weil andere Formen des Wirtschaftens zu Marx‘ Zeiten nicht nur vorstellbar waren, sondern sich auch historisch noch nicht widerlegt hatten. Von jener damals vorgestellten Überwindung eines kapitalistischen Wirtschaftssystems und der darin verwirklichten Befreiung der Arbeit, wie sie in der sog. Krisentheorie formuliert worden ist, gehen wir heute nicht mehr aus.
Marx und Ricardo gingen beide davon aus, dass sich die Möglichkeiten fortwährender Gewinnerzielung und damit die Profitrate bzw. die Kapitalrentabilität in einer privatwirtschaftlich organisierten Marktwirtschaft aufgrund innere Zwangsläufigkeiten der Ökonomie selbst zwangsläufig verringern. Und je länger ein derartiges, system-immanentes Krisenpotenzial existiert, desto deutlicher werden seine Auswirkungen.
Ricardo sah, ganz in der Perspektive seiner Zeit, die wesentliche Ursache für den Fall der Profitrate im Bevölkerungszuwachs und dem damit verbundenen steigenden Nahrungsgüterbedarf. Bevölkerungswachstum erzwingt eine Ausweitung der Bodennutzung, die keinen gleichmäßigen Ertragsanstieg aufgrund unterschiedlicher Bodenbeschaffenheit garanieren kann. Im Gegenteil. Die Durchschnittscherträge sinken, die Preise für Lebensmittel steigen. Infolge dessen müssen Löhne angehoben werden bzw. entsteht Arbeitslosigkeit (Grenznutzentheorie). Arbeitslose kaufen weniger Nahrungsmittel, die Löhne für die notwendige Arbeit steigen schneller als die Arbeitsproduktivität und führen zu einer Verminderung der Unternehmergewinne und damit zu eiemn Sinken der Profitrate.
Ähnlich mechanistisch, aber in den Faktoren detaillierter argumentierte Marx. Für ihn liegen die Ursachen für den tendenziellen Fall der Profitrate im Arbeitskräfte sparenden, technischen Fortschritt, der aus einer kapitalschaffenden Wirtschaftsleistung kommt und zu einer steigenden Kapitalintensität (bzw. Zunahme der organischen Zusammensetzung des Kapitals) führt.
Marx sieht als Ursache den seiner Meinung nach ausschließlich Arbeitskräfte sparenden technischen Fortschritt an, der zu einer steigenden Kapitalintensität bzw. einer Zunahme der organischen Zusammensetzung des Kapitals führt1.
Marx betrachtet in seiner Arbeitswertlehre und Mehrwerttheorie nur die menschliche Arbeit als wertschöpfend. Bei zunehmender Kapitalintensität, etwa durch technischen Fortschritt, der aber nicht gleichzeit den Profit erhöht, da auch andere Unternehmen dem gleichen technischen Fortschritt folgen, und konstanter Mehrwertrate sinkt demnach die Profitrate, die definiert ist als das
Verhältnis von Mehrwert (Profit) zu insgesamt eingesetztem konstantem und variablem Kapital.
Um diesen Fall der Profitrate auszugleichen sind die Unternehmer nach Marx gezwungen, für einen Anstieg der Mehrwertrate zu sorgen, was heißt, mehr Wert aus dem Faktor Arbeit heraus zu ziehen. Ebenso erhöht sich der Faktor Kapital durch größeren Arbeits- und Maschineneinsatz, der in der Folge zu einer höheren Kapitalakkumulation vor allem durch Einsatz Arbeitskräfte-sparender Technik bzw. Technologie führt. Da aber die Erhöhung der Mehrwertrate natürliche Grenzen hat, die Ausbeutung des Faktors Arbeit nicht grenzenlos ist wie auch der Einsatz von Maschinen im Wettbewerb nicht den entscheidenden Ausgleich für den Fall der Profitrate erbringt, sondern noch verstärkt, ist die langfristige Krise des Kapitalismus‘ nicht aufzuhalten.
Marx‘ Krisentheorie, kleinlich betrachtet, steht im Widerspruch zu seiner eigenen Mehrwerttheorie. Theoretisch hätte er auch anstelle des kapitalintensiven Einsatzes von Technik den Fall der Profitrate durch arbeitsintensives Produzieren kompensieren können, zumal er, anders als Keynes, nicht über eine Grenznutzen-Bestimmung von Arbeit explizite verfügte.
Marx sah durchaus, dass mit der technologischen Entwicklung auch ein Preisverfall der Kapitalgüter einhergeht. Mit dem und der erhöhten Ausbeutung der Arbeit, dem tendenziellen Preisverfall bei den Importgütern durch Massenproduktion, also besseren Einkaufsbedingungen wie auch und letztlich dem Moment des beschleunigten Kapitalumschlags, der damit einhergeht, wäre auch für Marx an seiner zum Gestz der kapitalistischen Krise erhobenen Theorie vom Fall der Profitrate wenig übrig geblieben.
Mit dem „Fall“ des Falls der Profitrate aber wäre auch sein „revolutionärer“ Kern seiner Theorie für ihn nicht mehr kenntlich gewesen.
[sidebar]
[title]Begriffe – Anmerkungen – Titel – Autoren[/title]
tendenzieller Fall der Profitrate – Krisentheorie – Arbeitswertlehre – Mehrwerttheorie
Die Zusammensetzung des Kapitals ist ein von Karl Marx geprägter terminus technicus. Unter diesem Begriff versteht Marx, wie sich die Investition einer Kapital-Summe zusammensetzt und zwar nach
– dem Teil, der zum Kauf von Arbeitskraft von den Lohnarbeitern verausgabt wird
– und dem Teil, der zum Kauf von Produktionsmitteln von anderen Kapitalisten dient.
[/sidebar]