Durch Konzentrationsprozesse hat sich die Kapitalseite der Marktwirtschaft über Konjunkturzyklen hinwegsetzen können, auch über schwere Konjunkturkrisen. Was in der marxistischen Denktradition eine Schwäche bzw. innnere Krise des Kapitals im Akkumulatioinsprozess war, erwies sich als falsch bestimmt; im Gegenteil.
Wenn von Krisen oder einer Krisentheorie gesprochen wird, dann geht die Blickrichtung immer auf die Stellung eines Unternehmens auf seinem Markt bzw. seinen Märkten und die Auswirkungen des Marktes auf die beiden wesentlichen Unternehmenskennzahlen, das Kapital und die Arbeit. Und eine interne Krise des Kapitals ist immer gewichtiger für eine gesamtwirtschaftliche Beurteilung, ob ein Wirtschaftssystem sich als fähig, als effizient und somit als „überlebensfähig“ erweist, oder nicht.
Ob man diese etwas flache These so stehen lassen kann und was sie impliziert, ist nach wie vor Gegenstand unserer Ausführungen.
Die relative Kapitalakkumulation hat gezeigt, dass Unternehmen sich selbst in schweren Krisen aus diesen heraus selbst erneuern können. Wir können festhalten, dass dies um so mehr und besser gelingt, wenn Unternehmen bereits einen hohen Grad an oligopolen Strukten haben oder in der Krise durch Fusionen errreichen. Wenn diese Großunternehmen einen hohen Grad an Produkt- und Dienstleistungsdiversifikation aufweisen – wir haben eben diesen Prozess unter Berücksichtigung aktueller Finanzmarkttendenzen problematisert – und damit auch auf verschiedenen Märkten aktiv sind. Wenn diese Marktausweitung in Richtung Weltmärkte geht, also, modern gesprochen, in Richtung Globalisierung weist und schließlich, wenn diese Unternehmen auf den für sie wichtigen Finanzmärkten sowohl bei der Refinanzierung im Anleihesektor wie auch im Sektor Investmentbanking aktiv sind.
Kartell- bzw. Oligopolbildung, Marktführerschaft, Diversifikation, Expansion und Kapitalisierung waren bislang die entscheidenden Krisenabwehr- und Erneuerungsmechanismen für Unternehmen in entwickelten Marktwirtschaften und zeigten den zur These vom tendenziellen Fall der Profitrate gegenläufigen Effekt.
Geht man der nächsten entscheidenen Frage nach: wie gestaltet sich die Preissetzung auf von Monopolen bzw. Oligopolen beherrschten Märkten, dann findet man überraschenderweise, dass die Preisfindung hier einer strukturellen Ähnlichkeit mit der Fabelwelt vom vollständigen Markt kaum entbehrt. Hier wie dort ist in der Preissetzung wenig Spielraum. Hier wie dort sind Kunde und Anbieter beiderseits „Preisnehmer“ nach der neoklassischen Theorie, die aber, entgegen ihrer eigenen Annahmen, mit der Bildung von Monopolen und Oligopolen eine aktive Preissetzung durch die Unternhemen in Verbindung bringt.
Demnach fände bei Oligopolen kein „freier“ Wettbewerb mehr statt, könnten Preise auf den Märkten nach gusto bestimmt werden und letztlich, von der Kapitalseite her betrachtet, die herrlichsten Kapitalrenditen erzielt werden. Das aber hat sich so als Irrtum herausgestellt und die in der Nachfolge von Marx beharrlich behauptete These marxistischer Öknonomen, wonach Monopolpreise dauerhaft über den entsprechenden Marktpreisen, die Monopolprofitraten dann auch deutlich oberhalb der durchschnittlichen Profitrate liegen, gehört mit zum Irrtum und seinen theoretischen Folgen.
Anders als bei solchen Ansätzen, die von einer Marktstellung eines Unternehmens bei der Preisfindung bzw. für den Prozess der Preisfindung ausgehen, brachte Keynes einen gänzlich anderen Ansatz ins Spiel. Demnach gilt die Annahme, dass die Preissetzung sowohl für Oligopole wie auch für alle anderen Unternehmen sich an den Produktionskosten orientiert1.
Eine der zentralen Schwierigkeiten bei der Theorie der Preisfindung ist die Übertragung von Vorstellungen einzelwirtschaftlicher Preisbildung auf die Gesamtpreisbilungsprozesse, also der theoretische Transfer von der Mikro- zur Makroökonomie. Ein zentraler Terminus hier ist der Mark-upPreis, der die Vorstellung eines Aufschlagsatzes auf die Lohnstückkosten transportiert und so die Hypothese der Aufschlagspreisbildung operationalisiert. Dann ergibt sich das Angebotspreisniveau aus einer Gewinnkomponente, den Lohnstückkosten und allen anderen, direkten und indirekten Kosten plus eben den Aufschlagssatz; welch simple Vorstellung.
Wäre der Prozess der Preissetzung wie eben beschrieben, müssten die Unternehmen in einer Krise oder auch nur bei abnehmender Konjunktur zugleich die Kosten senken bei den Produktionsfaktoren, die überhaupt für eine Senkung geeignet sind, also sowohl die variablen Anteile an den Stückkosten wie auch bei den Fixkosten Einsparungen vornehmen und gleichzeitig das Mark-up erhöhen. Kurz vor Insolvenzen mag das stattfinden. Aber wenn den Unternehmen sonst nichts einfällt, ist eine Insolvenz so kaum aufzuhalten.
Bei Monopolen und Oligopolen ging man nicht selten in der Theorie davon aus, dass die Monopolpreise eine Komponente reflektieren, die aus dem Einfluss über Beschaffungsmärkte, über Sicherung von Produktivitätsvorspüngen und auch aus dem Einfluss von Unternehmen auf ihre Absatzmärkte herrührt. Den Beweis dafür lieferte aber einzig eine differenzierbar höhere Profitrate von Großunternehmen gegenüber kleineren, weniger einflussreichen Wettbewerbern, der aber bislang nicht geführt werden konnte.
Auch das krasse Gegenteil ist der Fall. Im Verlaufe der letzten Hundert Jahre konnte auch festgestellt werden, dass in hochkonzentrierten Branchen bzw. oligopolen Produktionszweigen sich die Preise über längere Zeiträume hinweg weniger häufig änderten als in weniger- oder nicht-konzentrierten Anbietersegmenten. Und auch die Amplitude der Preisbewegungen über längere Zeiträume betrachtet, fiel geringer aus. Es schien, als ob sich die Preise an einem sog. Gleichgewichtspreis orientierten, also einem Preis, zu dem keine Überschussnachfrage nach dem angebotenen Gut besteht, was auch einleuchtend erschien, denn in ökonomischen Abschwungphasen haben Oligopole nie die Preise erhöht, allenfalls gleichgehalten und mit Mengenanpassung, also Produktionsdrosselung reagiert3.
Geht man von einer erhöhten Preiselastizität der Nachfrage aus, wird erklärlich, dass konzentrierte Branchen durch ihre überdurchschnittliche Kapitalintensität, also den Kapitaleinsatz je Erwerbstätigen, sowie den hohen Fixkostensockel pro Output-Einheit immer schon bei der Preissetzung von den Gesamtproduktionskosten ausgingen. Deshalb reagieren jene Unternehmen auf größere Markt- bzw. Absatzschwankungen eher mit Preisstabilität bzw. leichten Preisrückgängen und nehmen eine geringere Profitmarge und Gesamt-Profitrate in Kauf, zumal kleine Wettbewerber größere Preisschwankungen in Kauf nehmen müssen und nachdrängende Großunternehmen in konjunkturellen Abschwungphasen höhere Markt-Eintrittsbarrieren vorfinden, allein schon wegen niedrigerer Renditen auf den Anleihemärkten.
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[title]Begriffe – Anmerkungen – Titel – Autoren[/title]
relative Kapitalakkumulation – Preissetzung – Monopolpreise – Produktionskosten – Mark-up – Gleichgewichtspreis – Kapitalintensität
1 (Vgl. auch Susanne Wied-Nebbeling, Das Preisverhalten in der Industrie zwischen Kontinuität und Wandel, in: G.Bombach u.a.(Hg.), Industrieökonomik: Theorie und Empirie, Tübingen 1985).
2 Vgl. J. Steindl, Maturity and Stagnation in American Capitalism, New York/London 1976, S.14ff.
Josef Steindl (* 14. April 1912 Wien; † 7. März 1993 Wien)
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