Bislang konten wir eine innere Krisendynamik bei Monoplen bzw. Oligopolen nicht verifizieren. Aber besonders bei diesen beiden Unternehmenstypen müsste sich der tendenzielle Fall der Profitrate am ehesten und am deutlichsten zeigen. Jedenfalls scheint eine Theorie der Beziehung zwischen Fall der Profitrate und relativer wie absoluter Kapitalakkumulation nicht zu greifen; bislang nicht in Sicht.
Wir haben angesprochen, dass in hochzentrierten Branchen bei Konjunkturschwankungen, bin hin zu Nachfrageschocks, die Unternehmen nicht mit Preisanpassungen, weder nach oben noch nach unten operieren, sondern mit Mengenanpassungen. Oligopole haben das Problem, sich schnell an die optimale Kapazitätsauslastung anzupassen, Überkapazitäten sind das auffallende Phänomen in solchen Konjunkturphasen.
Hohe Überkapazitäten sind also nicht die Folge von monopolistischen bzw. oligopolistsichen Marktstrukturen sondern konjunkturell bedingt. Die konjunkturelle Bedingtheit erscheint in einer sichtbar größeren Amplitude von Auslastungsschwankungen bei diesem Unternehmenstyp; man könnte formelhaft auch sagen: je höher die marktbeherrschende Stellung von Unternehmen, um so abhängiger sind sie auch von Marktschwankungen.
Hochkonzentrierte Branchen zeigen stets eine überdurchschnittlich kapitalintensive Produktion, woraus sich gleichzeitig ein überdurchschnittlich hoher Fixkostenanteil ergibt, jedenfall bei entwickelten Unternehmen der Güterproduktion. Die Kapitalintensität hat zum Markt hin zwei Seiten. Einmal bewirkt sie hohe Eintrittsschranken in Phasen konjunktureller Belebung und eben solche Austrittsschranken in Abschwungphasen. Die Big Ships zeichnen sich also speziell durch enorme Flexibilitätsschranken oder Mobilitätsverzögerungen aus, die aus der Art und Weise ihrer Produktion herrühren und nicht aus ihrer marktbeherrschenden Stellung.
Schaut man in Richtung der Stagnation der konsumptiven und investiven Nachfrage, dann findet man dort Ökonomen, die eine Relation zwischen Profitrate und Wettbewerbsverschiebung zugunsten von Monopolen und Ologopolen sehen1. Darin eingebettet in die Annahme, dass durch Monopolisierung und Oligopolisierungen in gesamtwirtschaftlicher Hinsicht eine Verschiebung der Lohn-Profit-Rate auf der Seite der Konsumption und damit verbunden der Ausbildung von stark- und schwach-profitabel wirtschaftenden Branchen oder Sektoren der Gesamtwirtschaft sich herausbilden.
Eine Verschiebung der Lohn-Profit-Rate zugunsten Monopolen und Oligopolen implizierte bei diesen Marktstrukturen auch eine entwickelte Massenfertigung, ohne die eine Differenzierung der Profitraten kaum möglich und vergleichbar ist.
Die Differenzen der Profitraten sind also gedacht als konzentrationsbedingte Wettbewerbsverschiebungen. Jedes Surplus an Profit wird als Indikator für die Einschränkung des „vollständigen“ Wettbewerbs in Richtung eines unvollständigen Wettwerbs gesehen und somit als Indikator für den gesamtwirtschaftlichen Grad an Monopolisierung bzw. Olipolisierung.
Verschiedene Studien2 aber widerlegen diese Implikationen. Im Branchenvergleich lassen sich keine signifikanten, systematischen Verwertungsvorsprünge für Oligopole und Monopole nachweisen. Länger am Markt tätige Großunternehmen produzieren ihre Güter mit leicht erhöhter Arbeitsproduktivität3 und überdurchschnittlicher Kapitalintensität gegenüber kleineren Unternehmen. Dies erwirkt im Ergebnis eine unterdurchschnittliche Kapitalproduktivität und weist zudem ein ungünstigeres Verhältnis zwischen Löhnen und Profiten aus.
Vergleicht man nicht die Branchen in sich sondern branchen-übergreifend, dann findet man keine Korrelation zwischen dem Konzentrationsgrad der Brachen und der überzyklischen Differenzierung der Profitraten. Bei der Differenzierung der Profitraten sind die Faktoren Kapitalintensität und Arbeitsproduktivität signifikant, also eher Produktionsbedingungen als Marktstrukturen.
Wenn also auch hochkonzentrierte Branchen auf lange Sicht sehr unterschiedlichen Profitraten ausgesetzt sind, stellt sich die Frage: woher dann ihre, wenn vorhanden, überdurchschnittlichen Renditen kommen? In diesem Kontext stehen alle jene Gewinnfaktoren, die in der klassischen Mehrwerttheorie nicht oder nur marginal enthalten und analysiert worden sind und die vor allem auf den Zugang zu den heutigen Kapital- und Geldmärkten beruhen.
Wenn Erträge aus Finanzmarktanlagen, aus Beteiligungen, Krediten und „Windfall-Profiten“4 hinzu kommen, eventuell auch aus staatlichen Subventionen, dann realiseren konzentrierte Branchen einen Extra-Gewinn gegenüber Wettbewerbern, deren der Zugang zu diesen Märkten erschwert oder verschlossen ist. Gleichwohl also Vorteile bei der Verfügung über Geld- und Windfall-Kapital und somit auch potenziell bei der Kapitalkakkumulation für Großunternehmen bestehen, können für die Unternehmen keine signifikanten Vorteile aus Konzentration hinsichtlich zyklischer Krisen bzw. bei langfristigen wirtschaftlichen Abschwüngen oder Stagnationsphasen abgeleitet werden.
Es ist sinnvoll, den Aspekt der Konzentration von dem der Marktstrukturen zu trennen. Des weiteren ist der Verknüpfung von Konzentration und Macht i.S. von Monopolmacht, wie wir schon in einem vorherigen Kapitel sahen, auch aus der jüngsten Hinsicht hier mit größter Vorsicht zu begegnen, gleichwohl wir in jüngerer Zeit die nicht unerheblichen Auswirkungen politischer Entscheidungen hinsichtlicher der Erleichterungen auf dem Leiharbeitermarkt auf die Lohn-Profit Relation in Großunternehmen, die natürlich am meisten davon profitieren, erleben.
Wir haben gesagt, dass Prozesse der Veränderung innerhalb des Wettbewerbs sich besser aus den sich verändernden Produktionsbedingungen und den Zugängen zu den Kapital- bzw. den Finanzmärkten beschreiben lassen, denn aus Markt- und Machtstrukturen. Monopolitische Machtvorstellungen bzw. Willkürhandlungen sind Begleiterscheinungen und geben keine Erklärungsmuster ab für die wirklichen Veränderungen auf den Wettbewerbsmärkten und seien sie noch so monopolistisch oder oligopolistisch. Die Vorstellung, der Wettwerb käme in so etwas wie eine Phase der Machtlosigkeit von Einzelunternehmen durch Unternehmer-Willkür in Großunternehmen, entbehrt nicht einer gewissen Form von Komik.
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[title]Begriffe – Anmerkungen – Titel – Autoren[/title]
Überkapazitäten – Lohn-Profit-Rate – Differenzierung der Profitraten – Finanzmarktanlagen – Windfall-Profite
1 Vg. vgl. H. Schui, Stagnation als Folge zunehmend differenzierter Profitraten, in: Konjunkturpolitik, 1978
2 Eckhard Hein, Konzentration und Profitratendifferenzierung, Frankfurt 1991, S.58ff.
3 Vgl. Gabler, 1. Begriff: Verhältnis von gesamtwirtschaftlichem Produktionsergebnis und Arbeitseinsatz. Arbeitsproduktivität wird häufig mit Produktivität gleichgesetzt.
Kehrwert: Arbeitskoeffizient.
2. Arten: a) Durchschnittliche Arbeitsproduktivität (Durchschnittsproduktivität des Faktors Arbeit): die pro eingesetzter Einheit des Faktors Arbeit erzielte Produktionsmenge.
b) Marginale Arbeitsproduktivität (Grenzproduktivität des Faktors Arbeit): mengenmäßiger Produktionszuwachs auf den Einsatz einer zusätzlichen Einheit des Faktors Arbeit bezogen.
3. In der Grenzproduktivitätstheorie der Verteilung ist die Grenzproduktivität des Faktors Arbeit im Gleichgewicht dem Reallohnsatz gleich.
4. In der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) ist Arbeitsproduktivität definiert als das Verhältnis von Bruttoinlandsprodukt (BIP) oder unbereinigter Bruttowertschöpfung jeweils in konstanten Preisen zur Einsatzmenge an Arbeitsleistung (gemessen an der Zahl der Beschäftigten oder an den geleisteten Arbeitsstunden).
4 Man spricht von einem Windfall-Profit oder auch Zufallsgewinn (im Gegensatz zum Windfall-Loss), wenn ein unvorhergesehener, nicht eingeplanter bzw. nicht einplanbarer Gewinn, ein plötzlicher Vermögenszuwachs, der nicht durch Leistungsabgabe, sondern durch eine Veränderung der Marktlage entsteht. Dieser kann bspw. auf Gütermärkten durch eine Änderung staatlicher Regulierungsvorschriften zugunsten eines Unternehmens oder auf dem Devisenmarkt bei einer unerwarteten positiven Kursänderung eines Wechselkurses u.a. entstehen.
Herbert Schui (*13.März 1940, Köln, † 14. August 2016 in Pomy, Frankreich)
Eckhard Hein (* 1963)
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