Wir sprechen über Seigniorage. Diese, gewollt oder ungewollt assoziativ richtige Begriffsschöpfung stellt, gleichsam personifiziert, den sog. „Münzgewinn“ vor. Der Begriff leitet sich aus dem französischen Wort ’seigneur‘ für Feudalherr bzw. Lehnsherr ab, da diese im Mittelalter das ausschließliche Recht zur Münzprägung, das sogenannte Münzregal hatten. Mit der Geldschöpfung bzw. der Münzprägung war eine Wertsteigerung resp. Kosten verbunden. die sich in jener Zeit aus dem Unterschied zwischen Metallwert und Produktionskosten einerseits und dem Wert der ausgegebenen Münzen andererseits ergab. Da der Feudalherr in der Regel das Prägemonopol für Münzen hatte, fiel ihm auch dieser Seigniorage genannte Gewinn zu.
So schöpft die FED beim Druck von Dollar-Noten auch jedesmal einen pekuniären Vorteil eines höheren Gewinns, den andere Notenbank nicht schöpfen können und der sich prima vista aus der Differenz zwischen den Produktionskosten und dem Nennwert einer Geldeinheit ergibt. So kostet es die USA laut Fed nur etwas über 14 Cents, um eine 100-Dollar-Note zu drucken.
Alle anderen Länder müssen hingegen Güter oder Dienstleistungen im Wert von 100 Dollar anbieten, um einen solchen Geldschein zu erhalten.
Da von einer Leitwährung, wie wir sahen, defacto auch im Ausland grosse Mengen zirkulieren und die ja vorher durch die FED ausgegeben worden sein müssen, fällt dieser einmalige Gewinn auch entsprechend grösser aus. So schätzt die Fed, dass derzeit die Hälfte bis zwei Drittel aller im Umlauf sich befindenden Dollar im Ausland gehalten werden, was die vorher erwähnten Zwillingsdefizite im Handel und Haushalt der USA durch entsprechende Zwillingsgewinne aus der Geldschöpfung saldieren. Denn einziger Nutznießer der Gewinne aus der Geldschöpfung in den USA ist die US-Regierung.
Der Vorteil für die US-Regierung wird noch deutlicher, vergleicht man den Gewinn aus der Geldschöpfung der Notenbanken anderer Länder. Hier spricht man von fiskalischer Seigniorage und versteht darunter den Ertrag des Staates aus monetärer Seigniorage. Anders als in früheren Zeit, in denen auch Privatbanken das Recht zur Banknotenemission hatten, besteht heute fast überall ein Notenbankmonopol für die Schaffung von Bargeld. Bestand in früheren Zeite die fiskalische Seigniorage aus den Konzessionsabgaben der Privatnotenbanken für die Münzrechte an den ausgegebenden Staat, so kommt den Notenbanken heute nur ein Teil der Seigniorage zu. Dieser Teil errechnet sich aus dem Wert der ausgegebenen Banknoten, die als Zentralbankgeldguthaben Zinsgewinne auf den Finanzmärkten erzielen.
Die Zentralbanken sind also mit den zur Erzielung von Zinsgewinn beorderten, nachgeordneteten staatlichen Einrichtungen zuallerst einmal große Finanzmarktspekulanten (was diese ungern hören und lautstark bestreiten würden), deren „virtuelle“ Gewinne die staatlichen Regierungsinstanzen für deren haushalterische Verwertung schon mal rappeldoll machen können. So entstand bereits in den Jahren vor der Finanzkrise eine laute Diskussion über die Seniorage und deren Verwendung einerseits und andererseits bis heute eine andauernde Auseinandersetzung darüber, ob es eine Seniorage zu nennende Gewinnerzielung des Staates über Notenbankgeld überhaupt gibt, welche Größe sie hat und wo sie, wenn überhapt, entsteht?
Bereits im Jahr 2005, also sechs Jahre nach der Umstellung von DM auf Euro in Deutschland1 klagte die Deutsche Bundesbank über entgangene Seignioragegewinne in erheblichem Ausmaß. 40 Prozent aller Euro-Banknoten – fast 200 Milliarden Euro – stammten demnach von der Bundesbank. Bei der Verteilung der monetären Einkünfte im Eurosystem wurden der Bundesbank aber erheblich weniger, nur rund 27 Prozent, zugeschrieben, was einem Banknotenwert von rund 136 Milliarden Euro entsprach.
Die davon errechneten Einnahmeausfälle der Bundesbank belaufen sich in Millionenhöhe, gleichzeitig führte sie im Saldo etwa 90 Millionen Euro an (bilanzierten) Einkünfte an die EZB ab von einem Jahresüberschuss von insgesamt fast 250 Millionen Euro, was einem Anteil von 36% entspricht.
Seigniorage oder Geldschöpfungsgewinne entstehen in der neuen Eurozone als Zinseinnahmen dadurch, daß Notenbanken (unverzinstes) Bargeld, also Notenbankgeld gegen verzinste Wertpapiere ausgeben. Sie werden zwischen den Notenbanken des Eurosystems – der EZB und den zwölf Notenbanken der Euro-Staaten – seit der Euro-Bargeldeinführung im Jahr 2002 aufgeteilt. Der EZB, in deren Auftrag die nationalen Notenbanken Geldscheine ausgeben, stehen, so vereinbart, die Geldschöpfungsgewinne aus 8% der Banknoten zu; der Rest wird zwischen den nationalen Notenbanken nach wirtschaftlicher Größe und Bevölkerungszahl aufgeteilt. Der Bundesbank wurden rund 27 Prozent aller umlaufenden Banknoten zugeschrieben, was aber bereits 2003 sich als zu niedrig erwies.
Die Aufteilung der Seigniorage wurde zu einer Umverteilung. Schon vor der Währungsunion war bereits bekannt, daß die Bundesbank in der Verteilung der monetären Einkünfte aus Banknoten im Eurosystem zum Nettozahler würde. Und die Frage, warum die Bundesbank und mit ihr die deutsche Regierung dem zugestimmt haben, bleibt bis heute offiziell unbeantwortet und erzeugt einige Mutmaßungen, dass diese Netto-Umverteilung in Europa der Deutschen Einheit geschuldet ist.
Die Umverteilung ergab sich, weil die Bundesbank überdurchschnittlich mehr Bargeld und damit Seignioragevermögen in die Währungsunion einbrachte als andere Notenbanken. Für das Jahr 2004 und den kommenden Jahren musste die Bundesbank im Rahmen dieser Umverteilung noch größere Summen an das Eurosystem abführen als in 2003. Dafür sorgte ein Ausgleichsmechanismus, der die anteiligen Zahlungsverpflichtungen der Bundesbank bis 2008 größer werden ließ.
Zu diesem Zeitpunkt waren die Betrachtungen und Berechnungen der Seigniorage überwiegend bestimmt von einer monetaristischen Betrachtung, die, im Gegensatz zum Keynesianismus, nicht von einer nachfrageorientierten Sichtweise ausging, sondern, im Gegenteil, von einer angebotsorientierten Wirtschaftspolitik sowie der Quantitätstheorie des Geldes. Der Monetarismus geht von einer relativ stabilen Geldnachfrage aus und sieht in der Regulierung der Geldmenge die wichtigste Stellgröße zur Steuerung des Wirtschaftsablaufes: „Money matters“, was heißen soll: allein auf die Geldmenge kommt es an, steht an der Basis einer langfristigen Betrachtung der neoklassischen Vorstellung eines grundsätzlich stabilen Wirtschaftsablaufs.
Eine zu starke Ausdehnung der Geldmenge darin führe demnach zu Inflation, eine zu starke Bremsung des Geldmengenwachstums zu Deflation. Kurzfristige Eingriffe des Staates zur punktuellen Steuerung der Wirtschaft wie im Keyesianismus werden abgelehnt.
Nach dieser Betrachtungsweise war die Höhe der gesamten Seigniorage vom nominellen Zinssatz und der Nachfrage nach Notenbankgeld bis zum Einbruch der Finanzkrise 2007/2008 abhängig. Es stellte sich deshalb die Frage, welcher Zinssatz für die Messung der Seigniorage massgebend ist. Eine Notenbank kann grundsätzlich die gesamte Notenbankgeldmenge durch den Ankauf von inländischen Staatspapieren schaffen, so dass ihre Aktiven weder einem Bonitätsrisiko noch einem Wechselkursrisiko ausgesetzt sind.
Für die Berechnung des Ertrages, der ausschliesslich als Folge des Notenmonopols entsteht, war es daher richtig, eine solche risikolose Aktivenstruktur der Notenbank anzunehmen. In diesem Fall werden auch Gewinne und Verluste auf Aktiven der Notenbank als Folge von Zinsveränderungen innerhalb des staatlichen Sektors ausgeglichen.
Der Zinssatz für langfristige Staatspapiere mit einer über die Zeit anpassbaren Verzinsung wäre folglich der richtige Zinssatz, um den Umfang der Seigniorage zu bestimmen. Der Nominalzinssatz entspricht der Summe von Realzinssatz und Inflation. Die Notenbank konnte die Seigniorage beeinflussen, indem sie die Inflationsrate veränderte. Da aber die Nachfrage nach Notenbankgeld negativ vom Nominalzins und somit von der Inflationsrate abhing, konnte die Notenbank die Seigniorage nicht beliebig erhöhen. Mit zunehmender Inflation wird nämlich die Notenbankgeldmenge kleiner, so dass das Produkt von und ab einer bestimmten Inflationsrate kleiner wird.
Die Nachfrage nach Notenbankgeld wurde aber nicht nur durch die Inflationsrate bestimmt. Der technische Fortschritt im Zahlungsverkehr (Kreditkarten, Electronic Money, Clearingsysteme usw.) kann zu einer Verminderung der Nachfrage nach Notenbankgeld führen. Die Nachfrage nach Notenbankgeld wurde zudem auch durch gesetzliche Faktoren bestimmt wie z.B. die Vorschriften über die Mindestliquidität von Banken.
Bereits mit der Schaffung der Eurozone waren diese auf die nationalen monetären Betrachtungen basierenden Bestimmungen der Seigniorage schwer ins Schwanken gekommen. Die Jahresbilanz der Bundesbank aus 2004 ließ einen mögliche Gewinn als Folge der Dollar-Schwäche und der niedrigen Zinsen sehr niedrig ausfallen. Allein auf ihre Währungsreserven musste die Bundesbank Abschreibungen von rund 2 Milliarden Euro vornehmen. Als Folge des Verlusts der Europäischen Zentralbank (EZB) führte die Bundesbank zudem rund 396 Millionen Euro an monetären Einkünften an die EZB ab.
Wir erkennen an dieser Stelle schon, dass eine Seigniorage auch von exterritorialen, also von Veränderungen des Aussenwertes von Währungen abhängt, von den Aktiva der Zentralbanken und wie wir bereits angedeutet haben, von der exterritorialen Wirkung der Leitwährung US-Dollar.
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[title]Begriffe – Anmerkungen – Titel – Autoren[/title]
Seigniorage – Zwillingsdefizite – Geldschöpfung – monetaristische Betrachtung – Quantitätstheorie des Geldes – Geldmengenwachstum
1 Die neue Währung Euro wurde am 1. Januar 1999 in Europa eingeführt. Sie ersetzte in Belgien, Deutschland, Frankreich, Finnland, Italien, Irland, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich, Portugal, Spanien und in Griechenland die nationalen Währungen. Bis zum 1. Januar 2002 gab es den Euro aber ausschließlich als „Buchgeld“. Das heißt, Schecks, Überweisungen und Lastschriften konnten schon in Euro ausgestellt werden, Konten und Sparbücher wahlweise in Mark oder Euro geführt werden. Wertpapiere wurden an den Börsen nur noch in Euro gehandelt. Ab dem 1. Januar 2002 wurde der Euro auch als Bargeld gesetzliches Zahlungsmittel.
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