Monopol – Ein Straftatbestand

Wenn das GG von „Mißbrauch wirtschaftlicher Machtstellung“ spricht, dann erkennen wir hierin bereits ein weiteres, grundsätliches Mißverständnis des politischen Diskurses, denn auch den Vätern des Grundgesetzes hätte nicht entgehen dürfen, dass Macht ab nun allein den politschen Instanzen vorbehalten ist und keinen privatrechtlichen Körperschaften, zumal sie dies ja ein paar Artikel vorher bereits unmißverständlich selbst formuliert bzw. niedergeschrieben haben.

Dieser, über den reinen semantischen Widerspruch weit hinaus gehende Widerspruch, zieht sich auch in der Folge neuer Rechtsformulierungen durch die Literatur. Wir treten natürlich an dieser Stelle nicht in eine juristisch-akademische Auseinandersetzung ein, sondern streifen die Jurisprudenz nur insoweit, wie uns dies bei der Bestimmung, was ist Konkurrenz bzw. Wettbewerb hilft und welche Folgen beide auf das Wirtschaftleben und damit auch auf das Dasein von Menschen in der Erwerbsbeschäftigung haben.

Das GWB von 1999 wurde nötig einmal durch die Notwendigkeit der Harmonisierung von deutschem und europäischem Recht. Uns aber interessiert dabei mehr der Versuch, die Zusammenschlusskontrolle ausschließlich präventiv zu denken und auszuformulieren. Europa war also willens, nicht passiv darauf zu warten – und zu hoffen, dass dies nicht geschieht – bis Unternehmen sich wie damals Standad Oil vergrößert und mit anderen zu marktbeherrschenden Konglomeraten zusammengeschlossen haben, dass monopolartige bzw. oligopolartige Strukturen den marktwirtschaftlich notwendigen Wettbewerb verdrängen1.

Da der Staat nun mal das Gewaltmonopol besitzt, ist es natürlich auch politisch allein zu verantworten und zu Vorsorge zu tragen, dass Wettbewerb stattfinden kann und dies ist auch a priori, also gesetzgeberisch sicher zu stellen. Das erklärte Ziel, präventiv zu wirken, trifft natürlich selbst wiederum auf die Schwierigkeit festzustellen, in wie weit wirtschaftliche Akquisitionen der deutschen bzw. europäischen Zusammenschlusskontrollen unterliegen und dies wiederum ist justiziabel nur so zu klären, in wie weit Akquisitionen (und Mergers) Zusammenschlüsse im Sinne des GWB sind. Und dabei ist die Frage noch gar nicht gestellt, in wie weit Art. 74 GG und das GWB auch jene Firmen betrifft, die – wir kommen später eingehend darauf zurück – gleichsam aus dem Nichts als Monopole entstehen wie dies bei den sog. soialen Plattformen, bei Google und Amazone etc. geschehen ist.

Das Gesetz bietet heute vier Zusammenschlusstatbestände als Legaldefinitionen und zugleich als sog. Aufgreifkriterien im Sinne des GWB: Vermögens-, Kontroll- und Anteilserwerb sowie die Begründung einer Verbindung mit wettbewerblich erheblichen Einfluss2.
Der Sachverhalt des Vermögenserwerbs nach §37 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 GWB ist dann erfüllt, wenn das Vermögen eines anderen Unternehmens ganz oder zu einem wesentlichen Teil erworben wird. Hierzu zählen sog. Verschmelzungen ebenso wie „asset deals“. Was wäre eigentlich geworden, hätte Porsche damals tatsächlich VW übernommen? Bereits im Jahr 2000 hat das Bundeskartellamt3 an diesem Passus der Unterscheidung von Verschmelzungen und „asset deals“ erhebliche Zweifel angemeldet.

Ein Zusammenschluss liegt weiterhin vor, wenn ein oder mehrere Unternehmen die unmittelbare oder mittelbare Kontrolle über andere Unternehmen oder Teile davon erwerben4 und Kontrolle im Sinne eines bestimmenden Einfluss auf Unternehmenstätigkeit ausgeübt bzw. ermöglicht wird. Hierzu zählen vor allem Mehrheitsbeteiligungen, Beherrschungsverträge und Eingliederungsbeschlüsse, und hier berücksichtigt der Gesetzgeber auch jene zunehmenden Fälle, bei denen durch Eigentums- und besonders durch Nutzungsrechte entscheidender Einfuss auf Unternehmen ausgeübt werden kann.
Es steht nicht außerhalb der Vorstellung, dass gerade diese Sachverhalte in ganz naher Zukunft den wesentlichen Kern einer schwierigen Diskussion im Zusammenhang mit der sog. Digitalisierung ausmachen werden, und die das Rechtssystem westlicher Volkswirtschaften und Gesellschaften dramatisch verändern können.

Kontrollerwerb fasst die Tatbestände der Mehrheitsbeteiligung, der Unternehmensverträge, der Personengleichheit und des beherrschenden Einflusses bzw. der konzernrechtlichen Abhängigkeit im Sinne des GWB zusammen, wobei hierbei eigentlich nur europäisches Recht ins deutsche Recht mit aufgenommen wurde.

Von Anteilserwerb im Sinne des GWB spricht man, wenn durch den Erwerb von Unternehmensanteilen eine Quote von 25% oder 50% des Stammkapitals bzw. der Stimmrechte eine Unternehmens erreicht werden.
Hinzu kommt noch der Tatbestand eines Erwerbs von Sperrminoritäten, der dann aus wettberwerbsrechtlicher Sicht vorliegt, wenn Grundlagenentscheidungen gegen das Interesse eines Gesellschafters mit Sperrminorität getroffen werden.
Und der gesamte Bereich der sog. „joint ventures“, also der Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens, an dem zwar keines der Mutterunternehmen eine Mehrheitsbeteiligung erwirbt, der Gesetzgeber aber in der Beziehung zwischen Gemeinschafts- und Mutterunternehmen von einem Fall ausgeht, bei dem durch die Gründung des Gemeinschaftsunternehmens angebbare Rückwirkungen auf das Verhalten seiner Mutterunternehmen untereinander ausgehen. Das liegt nicht selten dann vor, wenn die Gründung von zwei wirtschaftlich stark verschiedenen Unternehmen vorgenommen wird und das „kleinere“ z.B. in erhebliche Drucksituationen bei Kapitalerhöhungen bzw. größeren Investitionsentscheidungen kommen kann.

Nehmen wir aber die justiziablen Zusammenschlusstatbestände als so gegeben, dann wird man den Eindruck nicht los, dass hierin die überwiegeden Fälle eines tatsächlichen Wirtschaftsgeschehen in heutiger Zeit für potenziell rechtswidrig erklärt werden. Und die Vorstellung wirtschaftlichen Handels unter global vernetzter Digitalwirtschaft wie sie als Plattformökonomie sich derzeit rasant entwickelt ist dabei noch gar nicht berücksichtigt.

Was die politische Jurisprudenz, den Gesetzgeber also, kennzeichnet, ist, dass er jahrzehntelang hinter der wirtschaftlichen Entwicklung hinterher hinkt. Dass er völlig untaugliche Vorstellungen mit wenig öknomischer Kompentenz in Gesetze gießt, die nicht nur bei ihrer Veröffentlichung schon veraltet sind, sondern eine erschrenkende Inkometenz in der Sache offenbaren. Und dass die Juristerei mit ihrem Grundsatzverständnis von Verbot und Strafe völlig ins Leere greift bzw. wirtschaftliche Entwicklungen behindert und den Schutz von Verbrauchern und Märkten gar nicht in den Blick bekommt, wenn allein schon der Sachverhalt bzw. der strafbewehrte Tatbestand den tatsächlichen Vorgängen auf dem Feld der Ökonomie überhaupt nicht entspricht, kommt einer politischen Offenbarung gleich.

In der gültigen Betriebswirtschaftslehre werden Gemeinschaftsunternehmen als Kooperationsformen und nicht als Konzentrationsform angesehen. Dies gilt heute um so mehr, als ohne Kooperationen und den darunter liegenden, rechtlichen Körperschaften kaum wirtschaftliches Handeln unter globaler Fertigungs- und Vertriebsvernetzung möglich ist. Und natürlich haben Zusammenschlüsse in globaler Orientierung und in einem globalen Wettbewerb fast schon immanent notwendige Gruppeneffekte, die Rückwirkungen auf das Verhalten der Muttergesellschaften haben. Allein die Zentralisierung der Datenverarbeitung in einer Gesellschaft, die diese Dienstleistung allen Unternehmen einer Unternehmensgruppe o.ä. in einer sog. Cloud Anwendung, eventuell mit zusätzlichen Cloud-Services anderer Anbieter und an den verschiedensten Serverstandorten weltweit erbringt, dürfte schwerlich unter der GWB-Novelle erfasst sein. Zumal, als diese Novelle das Licht der Welt erblickte, war es um Cloud- und SaaS-Dienste5 in Deutschland und Europa noch stockdunkel.

Illegale Kartelle, die bereits bestehen, auch nur aufzudecken und den Nachweis der Illegalität zu führen ist beides sehr schwer. So weiß das Bundeskartellamt, dass illegale Kartelle fast immer im Verborgenen stattfinden und die daran beteiligten Personen und Unternehmen auf höchste Geheimhaltung bedacht sind. Deshalb kommt Insider-Wissen oder Kenntnissen über solche verbotenen Absprachen eine große Bedeutung für die Aufdeckung und Zerschlagung illegaler Kartelle zu, ähnlich wie dem sog. Whistleblower, wenn es um politische Geheimdokumente – und -absprachen geht. Ohne Whistleblower und Insiderwissen ist die Durchsetzung der Novelle kaum möglich und somit die Justiz als staatliche Instanz machtlos.

Was uns aber hauptsächlich interessiert ist, was hinter all den untauglichen Versuchen, auch den präventiven, den für die Marktwirtschaft so wichtigen, freien Wettbewerb aufrechtzuerhalten, sich gleichsam schleichend zur Zeit mit vollzieht, ein kollossaler Paradigmenwechsel.

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ZusammenschlusskontrolleVermögenserwerbKontrollerwerbAnteilserwerb


1 Vgl Christoph A. Butz: Unternehmensakquisitionen und Finanzsynergien: Ein Entscheidungsmodell, S. 62ff.
2 Vgl. Baron (1999, S. 35f., Bergmann (2000), S. 312ff. Und zu den Zusammenschlusstatbeständen des §23 Abs. 2 GWB a.F. vgl. Sedemund (1996), Rz. 11fff., Dahm/Müller-Stewens (1993), S. 358.)
3 Vgl Zugriff 04.02.2000 a), S. 4 und 12f.
4 Unterschieden wird „sole control, d.i. Kontrolle durch ein Unternehmen, und „joint control“, durch mehrere Unternehmen.
5 SaaS – Software as a Service


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