Die Staaten Europas haben zur Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen nur wenige Flugzeugträger und sind bei den Militärbasen selbst in ihrer Tradition als Kolonialmächte nicht mehr relevant. Sie müssen andere Mittel anwenden. In unserem Zusammenhang erinnern wir daran, dass die Wirtschaftsgeschichte der EU von der EWG an eine politische Entscheidung war, die hauptsächlich zur Friedensicherung durch gemeinsame Wirtschaftsbeziehungen zwischen Frankreich und Deutschland initiiert worden waren nach den verheerenden Folgen zweier Weltkriege, die ihren Ausgang in der Mitte Europas hatten.
Die damaligen Ungleichgewichte in den Volkswirtschaften waren solange nicht übernational relevant, solange sie durch Wechselkursanpassungen pariert wurden. Hat in den USA der Dollar und die Kreditwürdigkeit ein Leben der US-Bürger über ihren Verhältnissen ermöglicht, so hatte die Einführung des EURO eine ähnliche Wirkung. Der EURO hatte eine ganze Zeit lang keine großen Auswirkungen auf die Geldmärkte, die im wesentlichen von den nationalen Notenbanken gesteuert wurden. Seit der Einführung der EZB und deren alleiniger Geldmarktpolitik hat sich der EURO den institutionellen wie nicht-institutionellen Investoren als verlockende Währung angeboten und in der Folge dessen einen Kapitalmarkt-Effekt erzeugt, der nicht mehr allein als ein Ergebnis der üblichen Kapitalmarkt-Prozesse bis dato entsprach.
Extrem viel Kapital bzw. Geld floß auf Grund der durch die einheitliche Währung künstlich erzeugten Sicherheit bzw. Kreditwürdigkeit in die südeuropäischen Kapitalmärkte und mit der damals vorherrschenden Meinung, dass Staaten nicht in die Insolvenz gehen können, wurden Kredite möglich, die keinerlei realwirtschaftliche Entsprechungen rechtfertigten. Private wie staatliche Schuldenstände wuchsen bis zum Beginn der US-Finanzkrise zu inflationären Blasen, die dann nach 2008 und mit der sog. EURO-Krise auf hohem Schuldenstandniveau platzten. So hoch, dass private wie institutionelle, kommunale wie staatliche Schuldenstände sich zu gingantischer Höhe aufaddiert hatten.
Die EZB gab zuerst ein allgemeines bedingungsloses Schutzversprechen gegenüber den südeuropäischen Landern ab, was eine Spekulation in diese Richtung verhinderte bzw. wenig aussichtsreich machte, da private Spekulanten auf Währungen z.Bsp. mit der die Spekulation auf notleidende Staaten immer anfängt, kaum Aussicht auf größere Renditen versprach. Dazu summierten sie nicht unerhebliche Kredite sowie stattlich gefüllte, europäische Rettungsschirme, die auch nichts anderes sind, als ein anderes Wort für Kredite, nur so benannt besser ins politische Vokalbular, besonders in Wahljahren passt.
Mit diesen zentralen Maßnahmen konnte die Staatspleite von Griechenland bislang nominell verhindert und die italienische real aufgeschoben werden. Was aber bei aller Bemühung der Staaten ihre selbstverschuldeten Schuldendienste zu erfüllen – von Schuldenabbau ist keine Rede – und, à la longue, den Staaten irgendwann wieder den Zugang zu den privaten Kapitalmärkten zu ermöglichen gleichsam konterkarierend als ‚Mitnahmeeffekt‘ zu verzeichnen ist, ist, dass in fast allen Krisenländern der EURO-Zone die Schuldenquoten1 munter weiter anstiegen, da diese „Rettungspolitik“, also Schuldenübernahmepolitik den privaten Investoren die Fortsetzung ihrer Schuldenkalküle auch weiterhin ermöglichte.
Man mag das Keynsianismus nennen, aber in der Sache haben wir es hier ja nicht mehr mit „normalen“ Marktprozessen zu tun. Denn die Jahre nach 2008 waren gekennzeichnet von einem fortgesetzten Kapitaltransfer in die südeuropäischen Länder, der eigentlich hätte in Deutschland verbleiben müssen, da hier die Wirtschaft deutlich anzog und die Schuldenquote abnahm. Aber Kapitalströme „denken“ anders.
Im Ergebnis stieg mit dem Abzug von Kapital aus dem deutschen Wirtschaftkreislauf der deutsche Leistungsbilanzüberschuss bei gleichbleibender Kaufkraft2, ohne, dass die deutsche Volkswirtschaft hierzu ihren alleinigen bzw. überwiegenden Anteil beigetragen hätte. Gleichzeitig stieg die Sparquote3 wieder an nach einer Zeit des Rückgangs seit der Finanzkrise. Da der Abfluss erheblichen Kapitals von Deutschland nach Südeuropa kein normaler, sondern ein, durch die EZB und somit letztlich durch die Politik des Europarats angestoßener Kapitalprozess war, ist die Aufforderung der US-Administration wie des IWF‘, Deutschland möge mehr investieren blanker Unsinn. Die, weniger zu sparen, noch größerer Unsinn, da sie einerseits die ins Prekäre wachsende Altersversorgung in Deutschland nicht berücksichtigt und auch einer formelhaften volkswirtschaftlichen Auffassung folgt, dass, wenn in einem Land weniger gespart, der Export von Waren aus einem anderen Land bzw. der Import steigen würde.
Schaut man auf die Importquoten der europäischen Staaten, dann ist die deutsche mit 38,4% höher als die Frankreichs (31,2%) und die Großbritanniens (30,1). Die Importquote nach dem Außenhandelskonzept in Deutschland von 1991 bis 2016 zeigt nicht überraschend einen 4,5%igen Rückgang in 2009, der aber bereits 2010 fast kompensiert war, bereits in 2011 ein Allzeithoch verzeichnete und in den Jahren danach auf kontinuierlich hohem Niveau sich bewegt.
Gleichwohl diese statistischen Zahlen u.E. wenig über die tatsächlichen Handelsbeziehungen und über Ursachen ihrer Bewegungen aussagen, zeigen sie doch im Verlauf eines Zeitraum, der vor der Finanzkrise beginnt bis heute, dass einfache volkwirtschaftliche Rechnungen hier mehr kaum möglich sind. Z.B. hat sowohl das Export- wie das Importvolumen Italiens bei den Haupthandelsgütern trotz hoher Staatsverschuldung das Niveau der Vorkrisenjahre gehalten und auch übertroffen, wobei Deutschland seit 2002 auch bei den Importen aus Italien stets den ersten Rang innerhalb der EU-Länder einnimmt.
Dass wir es hier mit einem für die deutsche Volkswirtschaft sehr unliebsamen Kapitalmarkteffekt zu tun haben, indem Deutschland seine Exporte gleich selbst finanziert, also etwa Italien deutsche Waren auf Pump mit aus Deutschland abgeflossenen Geldern importiert, dürfte sich allmählich auch in den USA und beim IWF herumsprechen.
Deutschland profitiert also nicht von seinem deutlichen Leistungsbilanzüberschuss. Im Gegenteil. Der große Überschussanteil ist hauptsächlich gebildet aus staatlichen „Schuldscheinen“, die, aufgrund derselben EZB Politik, die diese Überschüsse in der Art von schuldhaften Verbindlichekeiten erzeugt hat, verhindert, dass solche Schulden wie übelich auch verzinst werden.
Würde man übliche Standards ansetzen und den Zins, wie in alten Zeit als eine geldwerten Ausdruck der Schuldentragfähigkeit des Schuldners gegenüber einem Gläubiger definieren, dann lägen die Zinsforderungen Deutschlands gegenüber Italien im hohen einstelligen, wenn nicht gar im zweistelligen Bereich. Denn zu dieser Art der Refinzierung kommt noch, dass die Rückzahlung der italienischen Schulden durch Italien bei der derzeitigen Staatsschuldenquote sehr unwahrscheinlich ist und wenn überhaupt wahrscheinlich über einen Zeitraum, länger als 25 Jahre prologiert werden muss. Das aber wird nicht passieren.
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[title]Begriffe – Anmerkungen – Titel – Autoren[/title]
Kaufkraft – Sparquote – Importquoten
1 Staatsschuldenquote: Kennzahl, die das Verhältnis zwischen den Staatsschulden und dem nominalen Bruttoinlandsprodukt eines bestimmten Staates ausdrückt.
Gemäß der Maastricht-Kriterien darf die Schuldenquote der Euro-Mitglieder einen Wert von 60 Prozent nicht überschreiten. Deutschland erreicht 2016 eine Schuldenquote von 68,3 Prozent nach Maastricht-Vertrag. Frankreich 96%, Vereinigtes Königreich 9,3%, Österreich 84,6%, Italien 132,6%
Nominales und reales BIP:
Die mit der Inflation verbundenen Preissteigerungen kommen beim nominalen BIP nicht zum Tragen und erscheinen als Wirtschaftswachstum. Vor allem beim Vergleich zwischen Industrie- und Entwicklungsländern kann es dadurch zu erheblichen Verzerrungen kommen, da die Inflation in Entwicklungsländern meist stärker auftritt.
Das reale Bruttoinlandsprodukt gibt wesentlich genauer Auskunft über die Wirtschaftsleistung und Wertschöpfung eines Landes im Vergleich zu anderen, da dieses unabhängig von Preisveränderungen anhand der Marktpreise eines Basisjahres berechnet wird. Voraussetzung dafür ist, dass die Preissteigerungsrate seit dem Basisjahr bekannt ist. Das reale Bruttoinlandsprodukt erhält man, wenn das nominale Bruttoinlandsprodukt durch den Preisindex dividiert und mit 100 multipliziert wird.
2 Unter Kaufkraft versteht man das nominal verfügbare Nettoeinkommen der Bevölkerung inklusive staatlicher Transferzahlungen wie Renten, Arbeitslosen- und Kindergeld. Einerseits werden durch wachsende Löhne in vielen Branchen und die positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt steigende Einkommen erwartet, was sich positiv auf die Kaufkraftentwicklung auswirkt. Andererseits wuchs die Einwohnerzahl Deutschlands von 2015 auf 2016 um 1,2 Prozent. Daraus ergibt sich das Phänomen, dass die Kaufkraftsumme Deutschlands um 2,9 Prozent deutlich wächst, aber die pro-Kopf-Kaufkraft mit +1,7 Prozent nur moderat steigt. Wie viel vom nominalen Kaufkraftzuwachs real übrigbleibt, hängt von der Entwicklung der Verbraucherpreise in 2017 ab.
3 Zur Sparquote:

Informationen zur Statistik
Diese Statistik zeigt die Entwicklung der Sparquote privater Haushalte in Deutschland in den Jahren von 1991 bis 2016. Im Jahr 2016 betrug die Sparquote privater Haushalte in Deutschland rund 9,7 Prozent. Die Sparquote der privaten Haushalte in Deutschland stellt den gesparten Anteil des verfügbaren Einkommens der privaten Haushalte (zuzüglich der Zunahme betrieblicher Versorgungsansprüche) dar. Die Ergebnisse basieren auf der Revision der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) des Jahres 2014. Laut Quelle werden in den VGR die wirtschaftliche Betätigung aller Wirtschaftseinheiten erfasst, die ihren ständigen Sitz bzw. Wohnsitz im Wirtschaftsgebiet haben (Inlandskonzept).
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