Es geht an dieser Stelle nicht um eine politische Diskussion dieses Verhältnisses von Staat und Wirtschaft. Sondern um eine Reflexion darauf, wie die Wissenschaft der Ökonomie dieses Verhältnis sieht, es bestimmt. Man kommt dabei nicht umhin und auch aufgrund mangelnder Informationen des Staates, auf staatliches Handeln hinzuweisen, insofern es sich als wirtschaftliches Handeln realisiert. Auf die dahinter stehenden wirtschaftspolitischen Vorstellungen und theoretischen Auffassungen zu den Verhaltnis von Wirtschaft und Staat, wie es sich aus den politischen Handlungen ergibt, können wir nun induktiv schließen.
Die Ökonomik geht von folgendem Grundsatz aus: Bei der Steuerung der Produktion und der Verteilung von Gütern ist der Markt grundsätzlich allen anderen Formen von Wirtschaftsprozessen bzw. Wirtschaftssystemen überlegen. Also auch staatlichen Wirtschaftssystemen. Dabei legen die Ökonomen ihr Hauptaugenmerk auf die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt, die sich am besten in der Marktwirtschaft entwickelt.
Den Staat sehen dieselben Ökonomen primär und weitgehend bei seinen Markteingriffen als von politischen Interessen korrumpiert. Also nicht der gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrt verpflichtet, sondern an eigenen, politischen Partialinteressen orientiert. In der „Politischen Ökonomie“, die als Teilgebiet der Volkswirtschaftlehre aufgefasst wird, werden die Eigeninteressen angezeigt. Hautsächlich dienen politische Eingriffe in den Markt zum politischen Machterhalt und zur Vorteilsnahme bzw. zur Erlangung von Privilegien aller Art wie etwa Dienstwagen, Dienstwohnung, Flugbereitschaft u.v.a.m.
Rent seeking1 oder Lobbying, wie dieses Verhalten auch genannt wird, ist nach dem Interesse am Machterhalt die vorherrschende Handlungsmotivation von Politik. Kurzfrist-Lösungen aufgrund von Wahlzyklen2 schränken ebenso politisches Handeln generell ein, da tendeziell auf kurzfistige Erfolge ausgerichtetes Handeln dem eher mittel- bis langfristig orientieren wirtschaftlichen Handeln entgegensteht.
Summa summarum kommt politischem Handeln vonseiten der Ökonomik wenig schmeichelhafte Noten zu. Walter Eucken hat die Gesamtproblematik für das Beispiel Geldpolitik wie folgt formuliert:
„(…) die Erfahrung zeigt, dass eine Währungsverfassung, die den Leitern der Geldpolitik freie Hand lässt, diesen mehr zutraut, als ihnen im Allgemeinen zugetraut werden kann. Unkenntnis, Schwäche gegen Interessengruppen und der öffentlichen Meinung, falsche Theorien, all das beeinflusst diese Leiter sehr zum Schaden der ihnen anvertrauten Aufgabe.“3
Einzig die ehemalige Deutsche Bundesbank als sie noch Notenhüterin war wie die EZB heute werden für ihre unabhängige Geldpolitik überwiegend vonseiten der Ökonomen gewürdigt. In wie weit Unabhängigkeit gerade bei der EZB noch zutreffen ist, haben wir in diesem Kapitel schon diskutiert. Zu glauben, das EZB-Direktorium wäre in seinen geldpolitischen Entscheidungen ohne Beeinflussung besonders aus den Reihen des Europarates ist u.E. mutig.
Gleichwohl die Kritik überwiegend beißend ausfällt, sind sich doch weite Teile der Ökonomik heute darin einig, dass Politik für ein funktionierendes Wirtschaftssystem notwenig ist und es wundert nicht wenig, dass diese Erkenntnis so spät erst Eingang in die Volkswirtschaft gefunden hat, gleichwohl sie auch heute noch darin ein eher marginales Dasein fristet.
Die Vertreter der Volkswirtschaft sehen die politischen Entscheidungen die Wirtschaft betreffend generell eher mit Argwohn und sehen sich gleichzeitig als Experten, deren Expertisen helfen, etwaige volkswirtschaftliche Verwerfungen politischer Entscheidungen zu verhindern. In Sachen politischer Entscheidungen können sie in deren Auswirkungen Fehlallokationen und wirtschaftsschädigende Effekte verhindern und generell den nötigen wissenschaftlichen Unterbau für Mandatsträger aus der Politik und deren wirtschaftpolitische Initiativen bieten, gleichfalls richtungssteuernd eingreifen, wenn die gesamtwirtschaftliche Ausrichtung negativ betroffen ist. Negativ heisst, wenn Konjunktur- und Wachstums-schädliche Effekte aufgrund von politischen Entscheidungen zu erwarten sind.
Drei wesentliche Felder staatlicher, wirtschaftsrelevanter Funktionen werden neben den fundamentalen Staatsfunktionen wie die des parlamentarischen Gesetzesverfahren, das die staatliche Rechtsordnung garantiert, die äußere Sicherheit, die durch Geheimdienste und Militär garantiert wird und die staatliche bzw. wie in Europa die europäische Geldpolitik, betrieben durch die Bundesbank und hauptsächlich durch die EZB beschrieben. Zu den wirtschaftsrelevantenb Staatsfunktionen gehören die Distributions-, die Allokations- und die Stabilisierungsfunktion.
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[title]Begriffe – Anmerkungen – Titel – Autoren[/title]
1 Der Begriff geht auf Anne O. Krueger (1974) zurück. Die Idee des Rent-Seeking hat ihren Ursprung in einem Aufsatz von Gordon Tullock (1967).
2 The Political Business Cycle, William D. Nordhaus, The Review of Economic Studies Vol. 42, No. 2 (Apr., 1975), pp. 169-190
3 Eucken, W. (1952), Grundsätze der Wirtschaftspolitik, 6. Auflage, 1990, Tübingen, S. 257.
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Walter Eucken (* 17. Januar 1891 in Jena; † 20. März 1950 in London)
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