Politik ist Gestaltungswille auf der Grundlage demokratischer Machtverhältnisse. Zum demokratischen Prozess gehört auch die Entwicklung der nationalen Wirtschaft, der die Politik die Rahmenbedingungen vorschreibt; so weit, so gut. Nun ist aber Politik nicht nur recht unwillig, wenn es darum geht, auf bestimmte, politisch gewünschte Ergebnisse zu warten, sondern sie ist auch generell nicht davon überzeugt, dass alle Güter, Dienstleistungen und Ressourcen immer und am besten durch privatwirtschaftliches Handeln garantiert werden sollten.
Neben den Macht- bzw. staatlichen Gewaltressourcen zur Aufrechterhaltung des Staates und seiner nationalen wie internationalen Integrität und der Durchsetzung demokratischer Willensbekundungen stellt der Staat eine ganze Reihe öffentlicher Güter und Dienstleistungen zur Verfügung, die der Markt nur höchgst unzureichend und unpraktikalbel erzeugen könnte, die aber überwiegend notwendig sind für ein funktionierendes soziales wie individuelles Leben.
Standen bei der Distributionsfunktion staatliche Eingriffe in die Marktprozesse in jedem Falle im Vordergund, so greift allokatives staatliches Handeln ein im Falle der Störung von Marktprozessen; so jedenfalls wollen es Politik und Ökonomik hauptsächlich verstanden wissen.
Bei der Distributionsfunktion fiel der Wissenschaft in ihrem Selbstverständnis die Hauptaufgabe zu, die Auswirkungen staatlich normativen Handelns wie etwa Umverteilungsprozesse im Sektor Arbeit so zu begleiten, dass die damit verbundenen ökonomischen Veränderungen in den Bereichen Kapital und Märkte möglichst gering ausfallen und nicht zu folgenschweren Verwerfungen führen. Wir haben gesehen, dass dieser Expertenstatus wesentlich auf eine Diskussion über die Normen selber verzichtet und natürlich auch abhängig ist von der wohlwollenden Anerkennung der Politk.
Bei den Verteilungsfunktionen steht zuerst einmal kein gestörter, sondern eher ein funktionierender Marktprozess dem politischen Handeln gegenüber, das in jedem Fall ein anderes Ziel als das vom Markt selbst erreichte fokussiert. Die ganze und große Diskussion über den Sozialstaat im Sinne einer Verteilungs- bzw. Umverteilungsangelegenheit gehört hierher an den Schnittpunkt von Distribution und Allokation, wo die sozialen Versicherungssysteme 1gründen.
Diese Systeme haben notwendigerweise eine erhebliche Umverteilung zur Folge, die sich auf stattliche 65 Mrd. EURO pro Jahr beziffert. Da die Zahlen aus den Jahren vor 2005 sind, dürfte sich der Wert bis heute noch erheblich gesteigert haben2.
Und das Gutachten gibt auch gleich eine ausführliche Beschreibung dessen, was als versicherungsfremde Leistungen und unter Umverteilung zu verstehen ist:
„Die deutschen Sozialversicherungen enthalten eine Vielzahl versicherungsfremder Elemente. Eine Leistung oder eine im Sozialversicherungssystem enthaltene Umverteilung ist immer dann als versicherungsfremd anzusehen, wenn sie nicht dem sozialversicherungstypischen Ausgleich zwischen niedrigen und hohen Risiken dient, wenn sie nicht dem Versicherungszweck entspricht oder wenn sie an Nichtversicherte gewährt wird. Versicherungsfremde Leistungen und versicherungsfremde Umverteilungsanliegen stellen – sofern sie als notwendig erachtet werden – gesamtgesellschaftliche Aufgaben dar und sollten von der gesamten Gesellschaft, also von allen Steuerzahlern, finanziert werden und nicht nur vom kleineren Kreis der Beitragszahler im Wesentlichen aus Lohneinkommen bis zu einer Beitragsbemessungsgrenze.“
Was hier nicht steht, ist die mit dieser Distribution resp. Umverteilung verbundene staatliche Allokation, die gleichzeitig die Bürger zum Abschluss von Versicherungsverträgen nötigt, wie etwa zur Riester-Rente.
Das berühmte 3-Säulen Modell der Alterssicherung stand von Anfang an unter Generalverdacht, eine politische „Rentenlüge“ – in Anspielung auf den vielzitierten Blüm Ausspruch: Die Rente ist sicher! – zu werden. Und so ist es auch gekommen.
Die Rentensicherungssysteme sind große Umverteilungssysteme, die aber nicht gleichzeitig auch jenen die besten Renditen sichern, denen sie als Rente jahrelangen Beitragszahlungen versprochen wurden. Selbst bei wohlmeinender Beurteilung kommt der Sachverständigenrat dann doch zu dem Schluss, dass die Renditen nicht ganz ihren Zweck erfüllen und ein materiell abgesichertes Leben nach der Zeit der Erwerbstätigkeit ermöglichen.
Mit ca. 2,4% (2,8% nach Rürup et.al.) sind die errechneten Renditen der GRV (Gesetzlichen Rentenversicherung) für ältere Jahrgänge vor 1952 bei Berücksichtigung der Niedrigzinsphase im Berechnungsjahr und den langfristigen Inflationsraten schon mäßig, fallen aber noch erheblicher ab dem Geburtsjahr 1987. Bei den Frauen sieht es etwas besser aus, allerdings auf den längeren durchschnittlichen Lebenszeitraum bezogen3.
Das sog. 3-Säulen bzw. 3-Schichten-Modell gilt bei vielen Volkswirten als gescheitert, da im Kern schlecht konzeptionaliert. Das 3-Schichten-Modell macht deutlich, dass die private und betriebliche Altersvorsorge zwei feste und wichtige Bestandteile der Altersvorsorge sind. Die Grundidee ist, dass jeder Bürger zu einem hohen Maße nun selbst die Verantwortung für seine Altersvorsorge trägt und über die private und betriebliche Altersvorsorge eigenständig dafür sorgen soll, dass ihm in der Rente nicht die Altersarmut droht. Die zweite und dritte Säule der Altersvorsoge ergänzen die gesetzliche Rente. Um die private und betriebliche Altersvorsorge zu fördern, wurden von der Politik bei einigen Produkten steuerliche Anreize und Vergünstigen geschaffen.
Hühne und Balodis kommen in ihrem Buch zu ganz anderen Berechnungen und Ergebnissen. Ihr Fazit aber ist, dass letztlich im Ergebnis ein kleiner, kaum nennenswerter Umverteilungseffekt bei den Beitragszahlern stattfand, ein wesentlich größerer aber bei Banken und vor allem Versichgerungsunternehmen4 und dort zu erheblichen Wettberbseffekten führte.
Ein, wenn nicht das traditionelle Kerngebiet staatlicher Allokationsfunktionen ist die Sicherung eines umfassenden und fairen Wettbewerbs. Schon Marx beschrieb das Bestreben des Kapitals, größere Betriebseinheinten zu bilden und so den möglichen Wohlstand einer Gesellschaft über Preisdominanz und Steuer- wie Abgabenaversion einzuschränken – wir kommen ein wenig weiter darauf zurück.
Eingriff in den Wettbewerb soll, so die herrschende Lehrmeinung verhindern, dass sich Monopol, Kartelle und Oligopole ausbreiten und dahinter steht die Vorstellung eines vollständigen Wettbewerbs als Idealvorstellung eines Marktes, der so am besten für einen maximalen Wohlstand sorgen kann. Und den zu schützen bzw. zu fördern sein oberstes Gebot wirtschafts- bzw. wettbewerbspolitischen Handelns.
Weitere Aufgabenfelder der politischen Allokationsfunktion sind die sog. öffentlichen Güter, an vorderster Stelle die Güter Rechtssicherheit und innere und äußere Sicherheit. Bei den öffentlichen Gütern finden wir den Fall vor, das diese über die derzeitigen Marktprozesse keinen adäquaten Preis finden, obwohl sie alle von großem Nachfrageinteresse sind. Die alltägliche Kernproblematik hier ist aber nicht nur, dass es kaum möglich ist, durch gezielte Konsumentenabgaben pro Güternutzung zu einem Preis zu kommen, sondern die Güterverfügbarkeit für nichtzahlende Konsumente gezielt einzuschränken.
Wir kennen das Problem auch im Zusammenhang mit der Vergütung von Musik-Downloads und der Ausbreitung illegaler Download-Plattformen, bei den aktuellen Copyright-Diskussionen, der Nutzung verlagslizensierten, geistigen Eigentums im Bereich Nachrichten und anderer Informationen wie deren Nutzung durch Suchmaschinen und den sog. social-media Plattformen, worauf wir auch ein wenig später eingehender zurückkomen werden. Die herrschende Form der Vermarktung und Vergütung findet gerade bei diesen öffentlichen Gütern wie auch bei den neuen öffentlichen Zugangsarten von geistigem Eigentum eine Grenze, der schwerlich in Zukunft mit traditionellen Mechanismen beizukommen sein dürfte.
Wie es kaum eine Möglichkeit gibt, für alle öffentlichen Güter einen Deckungsbeitrag pro Konsument- bzw. Konsumentengruppe zu errechen und diesen markttechnisch flexibel zu halten im Wettbewerb, so wenig wird auch über eine Privatisierung dieser Bereiche nachgedacht werden können, gleichwohl einige Aufgaben der inneren und äußeren Sicherheit an der Schnittstelle zwischen öffentlicher und privater Produktion und Dienstleitung angesiedelt sind. Ebenso sind umgekehrt die rein privatwirtschaftlich organisierten sog. digitalen Plattformen nicht ohne heftige Diskussion zur Zeit bezüglich deren Rechtsrahmen, vor allem dem Datenschutz und den Persönlichkeitsrechten und damit allen zusammenhängenden Exekutivfragen bis hin zum staatlichen Durchgriff auf die fundementalen Daten dieser Plattformen.
Umweltpolitik und wie man heute sagen muss, die damit zusammenhängenden Wirtschaftsfelder Energie- und Mobilitätspolitik stehen auch unter zunehmenden nationalen aber mehr noch internationalen Allokationsfunktionen, wobei gerade auf diesen Feldern zu sehen ist, nicht nur, dass diese Allokatinsfelder immer weitreichender und umfangreicher werden, sondern dass wesentliche internationale, politische Rechts- und Durchsetzungsregelungen so gut wie gar nicht vorhanden sind.
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[title]Begriffe – Anmerkungen – Titel – Autoren[/title]
öffentliche Güter – Schnittpunkt von Distribution und Allokation – versicherungsfremde Leistungen – Umverteilung – 3-Säulen Modell der Alterssicherung
1 Gesetzliche Kranken- und Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und Soziale Pflegeversicherung
2 Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 2005/06 Seite 331 – PDF.
„Die nicht durch Bundeszuschüsse gedeckten versicherungsfremden Leistungen und Umverteilungsströme in der Gesetzlichen Krankenversicherung, der Sozialen Pflegeversicherung, der Gesetzlichen Rentenversicherung und der Arbeitslosenversicherung belaufen sich derzeit auf rund 65 Mrd Euro.“
3 Vgl Sachverständigenrat Gutachten – PDF S. 48
4 Vgl. auch Dagmar Hühne und Holger Balodis: Die große Rentenlüge: Warum eine gute und bezahlbare Alterssicherung für alle möglich ist. 2017
Demnach sind rund die Hälfte der heute Erwerbstätigen im Alter akut von Altersarmut bedroht, eine unmittelbare Folge eines politisch gewollten Zerstörungsprozesses. die Autoren fordern: Weg mit der Riester-Rente und dem Popanz des Drei-Säulen-Modells. Statt die Finanzwirtschaft zu subventionieren, muss sich Altersvorsorge auf den Kern konzentrieren: die gesetzliche Rente. Die ist sicher, krisenfest und preiswert. Und sie kann deutlich höher ausfallen, wenn endlich alle einzahlen – auch Politiker, Beamte und Topmanager.
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