In der Sackgasse der Politischen Ökonomie

Die Analyse der Niedrigzinsphase dürfte jeden überzeugt haben, dass die Modern Money Theorie in allen ihren wesentlichen Ansätzen und Schlussfolgerungen falsch ist. Die Wirklichkeit auf den internationalen Finanzmärkten aber hat die berechtigte Kritik an der MMT ein-, ja sogar überholt. Die Wirklichkeit, besonders auf den Bondsmärkten, scheint in einem, dem wichtigsten Punkt der MMT Rechnung zu tragen: eine expansive Staatsausgaben-Politik scheint die einzige Rettung bei zunehmenden Staatsverschuldungen zu sein. Schulden mit Schulden zu bekämpfen, wer hätte das noch vor zwanzig Jahren gedacht? Aber solange es Staaten gibt, wie Deutschland und andere europäische Staaten, die eigentlich noch zu Krisenstaaten gezählt werden dürften, die für Staatsanleihen sogar noch Geld einnehmen, also keine Zinsen zahlen und sogar Negativzinsen erheben, das ist dann doch nicht anders, als mit einem fundamentalen Strukturwandel zu bezeichnen.

Wir bleiben dabei, dieser Strukturwandel ist sogar noch mehr als ein Strukturwandel. Es ist eine Transformation der Marktwirtschaft durch die Politische Ökonomie. Denn das Grundproblem an den negativen Leistungsbilanzen ist, dass sie kein reines Wirtschaftsproblem sind, sondern ein Resultat ungenügenden an die Weltwirtschaft angepasster, nationalstaatlicher Wirtschaftspolitik. Überwiegend, so meinen wir das, sind also die Ungleichgewichte in den Leistungsbilanzen nicht Marktergebnisse, sondern Resultate staatlicher Eingriffe über die Notenbanken in die globale Finanzordnung, die zu Verwerfungen innerhalb wachstums- und entwicklungsdynamischer Prozesse auf den Weltmärkten führt, die dann wiederum geld- und fiskalpolitisch korrigiert werden müssen; da capo!

Die Zeiten nationalstaatlichen Eskapismus sind längst vorbei. Würden die USA den Dollar stark abwerten, gerieten sie sofort unter Inflationsdruck, den sie mit steigenden Zinsen bekämpfen müssten, wodurch die globalen dynamischen Wachstums- und Entwicklungsprozesse, also die Weltkonjunktur sogleich abgebremst würde. Auf der Seite des privaten Konsums befinden sich die USA ebenso in einer Sackgasse, da dieser durch einen anhaltenden, starken, ausländischen Kapitalzufluss bedingt ist und umso besser funktioniert, wie die die Kapitalmarktzinsen und Renditen hoch und nicht durch eine Dollarabwertung gefährdet sind. Was also für den Güterexport richtig wäre, ist für die Finanzierung des amerikanischen Konsums und auch des amerikanischen Staatsdefizits kontraindiziert.

Käme es zu einen deutlichen Kapitalabfluss aus den USA, würde das die Weltwirtschaft negativ beeinflussen. Käme es zu einer Dollarabwertung, wäre das für den amerikanischen Export sehr förderlich, hätte aber infolge der notwendigen Wechselkursanpassungen vor allem in den Aufwertungsländern rezessive Folgen. Es wäre zu kurz gedacht, hier nur darauf zu sehen, dass dann die Leistungsbilanzen dieser Staaten weniger an Ungleichgewichten tragen würden. Eben diese Ungleichgewichte aber sind es ja, die in diesen Staaten rezessive Anpassungen der Realwirtschaft verhindern helfen mit den Folgen von Deflation und Arbeitsplatzverlusten.

Es ist eben ein strukturelles Dilemma, in das die USA sich mit ihrem Modell einer auf den eigenen Markt und ihre Dominanz in der Weltwirtschaft fokussierten, Politischen Ökonomie gebracht haben. Was heute die internationale Wettbewerbsfähigkeit der USA somit schlagartig und deutlich verbessern würde, hätte den gegenteiligen Effekt im „Rest der Welt“. Amerikas Auslandsvermögen würden bei steigenden Exporten stark ansteigen, ihre Position als Nettoschuldner gegenüber dem Rest der Welt würde sich verbessern und ohne Zutun würden sich bei einem schwächeren Dollarkurs die Erträge, die die US-Unternehmen im Ausland erwirtschaften, nach der Umrechnung in Dollar im Wert erhöhen.

Das, was wir aktuell als die politische Doktrin der Trump-Administration erleben, der Handelskrieg mit China und Europa, ist eben genau diese Vorstellung, nicht durch Anpassung an die Prozesse der Weltwirtschaft und der globalen Finanzmärkte abrupte Verwerfungen zu vermeiden, sondern zu jener dominanten Rolle der USA zurückzufinden, die die USA aber schon seit langem unwiederbringlich verloren haben. So unterstützt die US-Regierung zur Korrektur ihres Staatsdefizits den weiteren Aufbau riesiger Bestände an Finanzvermögen in ihren Unternehmen und behindert den Abfluss von Kapital in wachstums- und entwicklungsstarke Volkswirtschaften spürbar. Restriktionen und Protektionismus gegenüber dem Ausland führen aber nicht zur Senkung des Haushaltsdefizits, zu weniger kreditbasiertem Konsum der privaten Haushalte in den USA.

Würden sich die Banken bei der Vergabe von Konsumkrediten restriktiver verhalten, also der Konsum zurückgehen und die Immobilienpreise sinken, wäre das nach Ansicht der US-Regierung der Untergang des Abendlandes. Aber wie sollen Exportnationen kontinuierlich ihre Überschüsse senken, wenn die Nachfrage aus den USA nach Konsumgütern hoch bleibt? Warum sollten die Ölförderländer ihre Petrodollar in den Import teurer, amerikanischer Produkte stecken, wo sie doch diese Produkte preiswerter und oft auch qualitativ besser auf den Weltmärkten erwerben können.
Wie wir gezeigt haben, liegt die Wachstumsschwäche der Eurozonen-Staaten wie der gesamten EU nicht an einem zu geringen Import amerikanischer Güter und Dienstleistungen nach Europa. Die Mär vom gigantischen Handelsdefizit der USA gegenüber Europa wird nicht wahrer durch ständiges, penetrantes „Gezwitscher“. Auch ist der erpresserische Aufruf von Donald T., auf Exporte besonders der deutschen Automobilhersteller in die USA in den nächsten sechs Monaten (Mai bis Nov. 2019) freiwillig zu verzichten, andernfalls mit drastischen Erhöhung der Einfuhrzölle rechnen zu müssen, in der Art lächerlich und in der Sache lediglich eine Erhöhung der Opportunitätskosten1, die jeder Abbau von Leistungsbilanzdefiziten mit sich bringen würde. Warum sollten die Exportnationen diese Kosten tragen, die mit zwar langsamen, aber anhaltenden rezessiven Prozessen verbunden sind? Warum sollte sich die Weltwirtschaft abkühlen und in manchen Regionen zu Verwerfungen kommen, nur weil die USA ihre Vorstellung einer liberalen Marktwirtschaft unter US-Dominanz behalten und durchsetzen wollen?

Die Szenarien im Handelskrieg sind begrenzt. Die Frage, um wieviel der CNY aufwerten müsste, damit das US-Defizit gegenüber China innerhalb einer überschaubaren Zeit korrigiert werden könnte, wird von Währungsexperten mit dreißig bis fünfzig Prozent angegeben, ist also illusorisch auf kurzer bis mittlere Sicht. Außerdem haben Behandlungen an Symptomen selten Krankheiten beseitigt und sind auch kaum ohne Nebenwirkungen zu bekommen. Eine der Nebenwirkungen einer CNY-Aufwertung träfe gerade jene Wirtschaftssegmente in China, die wie die chinesische Landwirtschaft per se schon wirtschaftlich schwächer sind und im Wettbewerb kaum bestehen können, die aber für China mit einem immer noch zahlreichen Heer an lohnschwachen Landarbeitern und ertragsschwachen Landbetrieben politisch von größter Bedeutung sind, zumal die Schere zwischen Arm und Reich auch im Reich der Mitte zunehmend mehr auseinanderklafft. Und weil gerade in diesen wirtschaftlich schwachen Segmenten kein Mittelweg gefunden wird, kommt die Politische Staatsökonomie auch schnell unter Druck.

Die Zeiten der Transformation wie heute gelten auch generell nicht mehr die alten, bewährten Muster nationalstaatlicher Volkswirtschaftslehren. Und eigentlich galten sie sowieso nie wirklich so richtig. Das Muster ausgeglichener Haushalte durch ein Gleichgewicht von Ein- und Ausfuhren ist ein wissenschaftliches Desiderat, kein tatsächlicher Sachverhalt empirischer Beobachtung. Nicht einmal in archaischen Tauschgesellschaften war ein Gleichgewicht von Geben und Nehmen jederzeit möglich und deshalb mussten Ungleichgewichte auch dort auf unterschiedliches Weise kompensiert werden. Jede Gesellschaft, selbst die archaischen, tragen asymmetrische Elemente und in entwickelten Marktwirtschaften sind diese gleichsam die Fundamente wirtschaftlichen Handelns. Wachstum und Entwicklung gehen niemals symmetrisch, einzig im Stillstand.

Überschuss-Volkswirtschaften wie etwa die Japans oder Deutschlands können einzig auf dem Weg eines stark verlangsamten, relativen Wachstums und einer Rückbildung ihres globalen Handels wirtschaftliche Dynamik und also Entwicklung stillstellen. Jede Marktwirtschaft trägt in ihrer Außenbeziehung asymmetrische Züge, wie sollte es anders sein?
Wenn exportstarke, wachstums- und entwicklungsfähige Volkswirtschaften ihre Leistungsbilanzen ausgeglichener gestalten wollten, so ginge das nur um den Preis einer stark verlangsamten Entwicklung im Welthandel und eines relativ niedrigen Wachstums, welches dann noch mit der Steigerung der Binnennachfrage einhergehen müsste. Die Binnennachfrage müsste zugleich aber importsteigernd sein und wenn dann der Binnenkonsum mit einer Steigerung der Importe einhergeht, hat die Gesamt-Binnennachfrage am Ende auch ein größeres Gewicht als der Außenhandelssaldo.

Das ginge rein rechnerisch eine Weile, aber real stellte sich schnell die Frage, wie lange die Korrektur des Leistungsbilanzungleichgewichts denn andauern könnte, bevor die Leistungsbilanz in einen negativen Saldo rutscht, zumal die Außenbeziehungen einer Volkswirtschaft nicht so schnell und effektiv sich steuern lassen, wie der Binnenkonsum prinzipiell. Wer glaubt, man könnte auf den globalen Märkten wie auf den Sommerparties an den Stränden Floridas mal reinschauen und nach Gusto wieder rausgehen und eine andere besuchen, der hat wenig Ahnung vom Wirtschaften. Und der Preis allein macht schon lange nicht mehr das einzige Steuerungskriterium der Märkte aus.

In einer weltweit vernetzten Wirtschaft ist die Währung resp. der Wechselkurs von mitentscheidender Bedeutung für die Leistungsbilanz. Wenn wir von einer Dollar-Abwertung von bis zu 50 Prozent ausgehen, damit das US-Defizit nachhaltig abgebaut werden könnte, wobei aber die Frage im Raum steht, ob denn alle in den USA dies wünschten, dann haben wir zunächst einmal den Blick zurück in die das Jahrzehnt zwischen 1970 und 1980 im Auge. Dieses Jahrzehnt kann man als einen historischen Vergleich heuristisch veranschlagen, wertete doch damals die Deutsche Mark gegenüber dem US-Dollar um glatte 50 Prozent auf. Zwischen 1985 und 1995 lag die Aufwertung sogar bei 61% und in knapp sieben Jahren zwischen 2001 und November 2007 lag die Aufwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar sogar bei 63%. Man kennt also solchen Wechselkursanpassungen, die über einen längeren Zeitraum zwischen sieben und zehn Jahren stattgefunden haben, ohne dass es zwischen den beiden Volkswirtschaften zu größeren Verwerfungen kam, jedenfalls nicht in einer drastischen Absenkung des Nationaleinkommens. Aber sind diese Jahre mit der aktuellen Situation zu vergleichen? Mitnichten.

Wie der deutsche Sachverständigenrat sind die meisten offiziellen Institute in Europa der Meinung, dass es keiner politischen Interventionen bedarf, um die Wechselkurse langfristig sich einander annähern zu lassen und begründen dies mit einer Anpassung durch die Kräfte der Marktwirtschaft, also immanent. Der Primat der Marktwirtschaft ist dabei Desiderat, weil niemand in den Instituten in der Lage ist, eine präzise Vorhersage aus der Projektion historischer Daten vorzustellen. Und ob die Devisenmärkte nach den Mechanismen von Angebot und Nachfrage überhaupt funktionieren, darf auch stark angezweifelt werden.
Wenn mit einer zeitlich zu engen Anpassung der Währungen zur Vermeidung von Leistungsbilanzungleichgewichten spekuliert würde, sehen Experten der Geldmärkte durchaus die Gefahr, dass der Euro gegenüber dem Dollar und zugleich auch gegenüber asiatischen Währungen zu schnell aufwertet und mit einer tendenziellen Überbewertung des Euros es in der Eurozone zu einem stark verlangsamten Wachstum kommt mit den bekannten Folgen für die europäischen Arbeitsmärkte, die zumal in den südlichen Euro-Staaten im Bereich der Jugendarbeitslosigkeit besonders belastet sind.
Eine Folge wäre, dass gegen ihre Absichten sowohl die EZB wie der europäische Ministerrat strikte Devisenmarktinterventionen befürworten müssten, um die Euro-Aufwertung nicht in eine unsteuerbare Eigendynamik durch die Devisenmärkte selbst wiederum zu bringen und die Arbeitsmärkte noch mehr zu belasten, als ohnehin schon.

Wenn also eine aktive europäischen Wechselkurspolitik, sei sie auch international koordiniert oder ein Alleingang der Eurozone ein unüberschaubares Risiko einschließt, was dann? Wie immer hilft ein Blick auf die Geldmarktpolitik der USA. Wie wir bereits angemerkt haben, sind die Notenbanken entgegen aller anderen Verlautbarungen sehr eng in ihren Beschlüssen untereinander abgestimmt. Weder die Regierungen der USA noch der Eurozone haben ein vitales Interesse daran, den Krieg der Sterne ausarten zu lassen, nützt dies doch am Ende niemanden. Beide Währungsräume wissen, dass es heute wie in den 1980-90er Jahren nicht ratsam ist, Währungen zu schnell zu drastischen gegeneinander zu verändern. Die Alternativen sind eine vorausschauende, multilaterale Geldpolitik zur Vermeidung des Risikos einer abrupten Anpassung. Und diese Gespräche werden seit Jahrzehnten geführt und sind auch heute wieder gegen die virulenten Verwerfungen der Wechselkurse gerichtet.

Grundsätzlich sind sich die Geldpolitiker beiderseits des Atlantiks einig, dass die niedrigen Zinsen und besonders in der Eurozone, von prominenter Bedeutung sind für die Handelsbeziehungen wie für die Arbeitsmärkte, mehr als die Handelsbeziehungen selbst. Deshalb schätzen die Geldpolitiker auch zurecht den derzeitigen Handelskonflikt zwischen den USA und China und den möglicherweise eigens folgenden zwischen der Eurozone und den USA nicht ganz so wichtig ein, wie die Zinspolitik der Notenbanken.
Wir haben vermerkt, dass die Fed die geplanten Zinserhöhungen bereits ausgesetzt hat, obwohl die US-Wirtschaft längst konsolidiert hat, ihr Wachstum bei drei Prozent liegt wie auch der Arbeitsmarkt eine niedrige Arbeitslosenquote ausweist – bei aller Besonderheit des US-Arbeitsmarktes, ein für diesen gutes Ergebnis.
Die Geldpolitik der USA hat bereits eine weitere Auswirkung gezeitigt, die Rendite für zehnjährige US-Staatsanleihen, die im Herbst 2018 bei 3,25 Prozent lag, erreicht aktuell (05/2019) nur noch 2,5 Prozent. Aber was den Geldpolitikern in den USA Sorgenfalten auf die Stirn zeichnet, ist die sog. PCE-Kerninflation2, der bei lediglich 1,6 Prozent im Jahresvergleich liegt.

Wir haben mehrfach den kausalen Zusammenhang zwischen Konjunkturzyklen und Inflationszyklen bezweifelt und der aktuelle PCE belegt, dass trotz sehr guter Konjunktur in den USA nicht auch die Inflation mitsteigt. Die Zielerwartung von mindestens 2 Prozent wird weder aktuell erreicht noch haben über die Jahre hinweg die Inflationsziele mit den konjunkturellen Werten Schritt gehalten. Das lag allein an der interventionistischen Geld- und Fiskalpolitik der US-Regierung resp. der von dieser beauftragten Notenbank. Seit Jahrzehnten steht das FOMC3 im offiziellen wie informellen Kontakt mit den jeweiligen US-Regierungen.
Der Fed-Chef spricht wöchentlich während eines gemeinsamen Frühstücks oder Mittagessen mit dem Finanzminister und erhält durch die Wünsche des Präsidenten auf informellem Weg. Das FOMC-Meeting finden offiziell acht Mal im Jahr statt und ist bekannt für seine US-Zinsentscheidungen. Diese Termine hat so ziemlich jeder Finanzmarkt-Trader rot in seinem Kalender angestrichen und gehören somit zu den wichtigsten Treffen, die im Wirtschaftskalender zu finden sind. Während der letzten Rezession war das FOMC für die QE-Politik in den USA verantwortlich wie es auf Grund der geldpolitischen Entscheidungsmacht eine große Rolle für den Zustand der US-Märkte spielt. Und dabei ist es kein Zufall, dass die wichtigsten Mitglieder des Boards von US-Präsidenten selbst bestimmt werden.

Nimmt man diese Institution und ihre personelle Struktur mit ins Kalkül, wird deutlich, dass die US-Notenbank selbstverständlich nicht unabhängig ist und autonom ihre geldpolitischen Entscheidungen trifft. Dutzende von Beispielen belegen, dass in der Nachkriegszeit Regierungen ihren Einfluss auf die Notenbanken ausgeübt haben, wenn es um die Finanzierung ihrer Haushalte ging; das gilt fast weltweit für alle Regierungen und im Besonderen heute für Japan, die Türkei, Brasilien und Argentinien etc.
In den USA wird offen darüber gehandelt, das FOMC stärker dazu zu drängen, die Zinsen zu senken und zu versuchen, die Inflationserwartungen auf zwei Prozent zu bringen. Der Druck aus den Oval Office ist ja öffentlich bekannt, da der derzeitige Präsident wenig Hemmungen hat, seinen Einfluss auf die Fed mit der Öffentlichkeit der USA zu teilen.
Worum geht es in der Geldpolitik des FOMC? Da ist zuerst die Erkenntnis, dass der Glaube an der Beziehung zwischen der Realwirtschaft und der Inflation in den letzten Jahren zusammengebrochen ist. Das bedeutet, dass weder Ökonomen noch Notenbanker mehr davon ausgehen können, dass eine niedrige Arbeitslosigkeit, selbst im konsumverwöhnten Amerika die Inflation auf den Zielwert von 2 Prozent oder noch höher bringt. Eine Erklärung, warum dieser Konnex nicht mehr existiert, schein schwierig zu sein, jedenfalls bringt ein Rückblick in die Geschichte des letzten Jahrhunderts, als die Notenbanken die Inflation durch ihre Zinspolitik noch weitgehend steuern konnten, nicht mehr sehr viel; Tempi passati.

So äußert sich auch mittlerweile der frühere EZB-Chefvolkswirt, Otmar Issing, der sagt, die Unabhängigkeit der Notenbanken könnte eine vorübergehende historische Episode bleiben und zielt mit dieser Äußerung auf den Einfluss der Politik auf die personellen Entscheidungen der Zentralbankfunktionäre ebenso ab wie auf die haushälterische wie instrumentelle Unabhängigkeit der EZB, die er stark im Schwinden sieht.
Die US-Notenbank war und ist vom Grundsatz her weniger unabhängig im Vergleich zur EZB und gibt mittlerweile in ihrer Geldpolitik den internationalen Standard mit der 2 Prozent Inflationszielvorgabe aus. Man kann es auch anders formulieren; die Fed, die ja ein Geschöpf des US-Kongresses ist, also wenig unabhängig, folgt einer Politik, die sich stärker den politischen Tagesgeschäft der US-Regierung anpasst, gleichwohl sie stets betont, sich aus den geldpolitisch instrumentellen Politikvorgaben heraushalten zu wollen.
Aber wer glaubt denn noch daran, dass die Fed bzw. das FOMC bei der Festsetzung der Höhe des Zentralbankbudgets sowie dessen Gestaltung und Verwendung angesichts des letzten Jahrzehnts noch unabhängig vom politischen Tagesgeschäft in Oval Office agiert? War das QE-Programm, dieser massivste Einsatz geldpolitischer Instrumente tatsächlich frei von US-Regierungspolitik, die den Subprime-Markt so sehr verworfen hatte, dass es zu einer internationalen Finanzkrise gekommen ist? Da wurden politische Verwerfung korrigiert und keine reine Geldpolitik gestaltet.

Das FOMC weiß ganz genau, wenn es zu geldpolitischen Entscheidungen kommt, aus welchen Gründen auch immer, die das 2 Prozent Inflationsziel deutlich in Frage stellen, kann es hochwahrscheinlich zu einem Chaos auf den Devisenmärkten kommen. Man ist sich dieses Einflusses auch gewiss und hat damit ein sehr wirksames Instrument in der Hand, welches schneller und wirksamer über die Kapitalmärkte Einfluss auf die Weltwirtschaft nehmen kann, als der derzeitige Handelskonflikt überhaupt und wenn, dann nur in sehr langen Zeiträumen.

Unmittelbar drohen also weniger Verwerfungen durch die US-Handelspolitik, als durch die Zinspolitik der US-Notenbank, Verwerfungen auf den Devisenmärkten, die ein direkter Ausdruck der Politischen Ökonomie sind. Dazu gehört auch das, was man mittlerweile das Management der Renditekurve nennt und als Politik der japanischen Notenbank kennengelernt hat. Das ist die gezielte Beeinflussung der Zinsdifferenz zwischen 10-jährigen und 2-jährigen US-Staatsanleihen4, gezielt deshalb, weil das FOMC auch für die langfristigen Renditen Ziele vorgibt und also diese auch schon lange nicht mehr den Marktmechanismen überlässt.

Gab es noch vor der internationalen Finanzkrise zumindest eine Diskussion darüber, ob die Leistungsbilanz nicht schweren Schaden nehmen würde, setzte man die Ziele für längerfristige Zinsen per Entscheidung fest, so ist von dieser Diskussion, die eben diesen Zusammenhang in die Erklärung für das US-Handelsdefizite mit einbezog, nichts mehr übrig. Aber genau das ist doch passiert. Die massiven Eingriffe in die Anleihenmärkte durch das QE-Programm hat in den letzten zehn Jahren eben dieses Defizit mit, wenn nicht sogar allein verursacht.
Die japanische Notenbank hat es gewissermaßen vorgemacht und war für das FOMC eben die Blaupause und nun haben beide die Zinsen für länger laufende Anleihen genau an dem Punkt, wo die beiden Notenbanken sie haben wollten.
Je mehr die Notenbanken in die Geld- und Kapitalmärkte eingreifen und je länger dieser Eingriffe dauern, desto unumkehrbarer scheinen diese Wirkungen zu werden. Sie sind auf keinen Fall „alternativlos“, denn mit Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik haben sie nichts zu tun, jedenfalls nicht unmittelbar. Der Hunger der Regierungen nach ‚Haushaltsgeld‘ hat sie in einen ruinösen Krieg untereinander geführt, der als Währungskrieg über zinspolitische Maßnahmen ausgetragen wird. Aber er hat auch noch einen anderen Effekt, der weit über das, was bislang beschrieben worden ist hinausgeht und mit der Eurozone ganz spezifisch verbunden ist.

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[title]Begriffe – Anmerkungen – Titel – Autoren[/title]

NegativzinsenCNY-AufwertungOpportunitätskostenFOMC10-jährige und 2-jährige US-Staatsanleihen


1 Opportunitätskosten (manchmal auch als Alternativkosten oder Verzichtskosten bezeichnet) sind entgangene Erlöse (allgemeiner: entgangener Nutzen), die dadurch entstehen, dass vorhandene Möglichkeiten (Opportunitäten) nicht wahrgenommen werden. (Wikipedia).
2 PCE-Index ist der Preisindex der privaten Konsumausgaben ohne Energie und Lebensmittel.
3 FOMC steht für Federal Open Market Commitee und bezeichnet damit den Offenmarktausschuss der US-amerikanischen Notenbank, der Fed (Federal Reserve Bank). Das FOMC hat zwölf Mitglieder, von denen sieben Teil des Aufsichtsrats sind, der vom Präsidenten der USA ernannt wird. Der Rest besteht aus Präsidenten der regionalen Zentralbanken innerhalb des Federal Reserve Systems, die jährlich wechseln.
4 Bei empirischen Untersuchungen wird die Renditekurve meist als die Zinsdifferenz zwischen 10-jährigen und 3-monatigen US-Staatsanleihen anstatt 10-jährigen und 2-jährigen US-Staatsanleihen definiert. Es gibt aber unterschiedliche Gründe dafür, die die zweite Definition der ersten vorzuziehen. Was die Datenverfügbarkeit angeht, liegt für die Rendite der 3-monatigen US-Staatsanleihe eine wesentlich längere Historie vor. Doch wenn es darum geht, kurz- und langfristige Einschätzungen des BIP-Wachstums und der Inflation zu vergleichen, lässt sich dies besser anhand der 2-Jahres-Rendite tun.

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