Will Europa einen möglichst hohen Grad an Unabhängigkeit gegenüber dem US-Dollar und damit auch gegenüber politischen Eingriffen vonseiten der USA erreichen, dann wird eine europäische Einlagensicherung (Edis) unumgänglich. Sie bildet gewissermaßen die Basis der finanziellen Integration Europas bzw. der europäischen Bankenunion. Das Thema Banken ist in einigen Ländern der Eurozone seit der weltweiten Finanzkrise, aber dann ganz besonders durch die Griechenland-Krise zu einem innenpolitischen Zankapfel geworden, und dies nicht nur in Deutschland. Banken und Edis in einem Satz verbunden, geistert als Schreckgespenst durch die politischen Diskurse und die Köpfe der Bürger jener Staaten der EU, die gerne auch als „Geber-Staaten“ bezeichnet werden.
Gegeben würden nicht nur Haus und Hof, sondern auch Rente und Wohlstand, aber vor allem Sicherheit, sollte Edis eingeführt werden; so die landläufige Meinung. Bevor wir uns damit beschäftigen, wie eine Bankenunion in Europa realisiert werden kann, müssen wir uns also zuerst um die Funktion der Einlagensicherung kümmern. Das Hauptziel der Edis ist wie bei jeder Form der Einlagensicherung, Einlagen, meist von Sparern, gegen Totalverlust zu sichern. Ohne eine Einlagensicherung, so hat die Erfahrung der letzten beiden Dekaden gezeigt, ist in einer Bankenkrise ein Bank Run kaum zu vermeiden.
Gewährleistet wird eine Sicherung von Sparguthaben und anderen Sichteinlagen durch einen Fonds, in den die Banken einzahlen. In Europa sichert dieser Fonds gerade einmal 0,8% der Einlagen, ist also kaum der Rede wert, wenn es zu einer Bankenkrise kommt. Wie die letzten Bankenkrisen in Europa gezeigt haben, sind selbst Sicherungsvolumina wie in Deutschland nicht ausreichend, Kanzlerin Merkel und der damalige Finanzminister Steinbrück musste vor die Kameras treten und eine staatliche Garantie abgeben – wir haben darüber bereits gehandelt.
Generell gilt: Bankeinlagen sind innerhalb der Europäischen Union (EU) bis zu 100.000 Euro pro Kunde und Bank gesetzlich geschützt. Jedes Land hat jedoch eigene Sicherungssysteme für den Fall einer Bankenpleite. Die Einlagensicherung gilt für Tagesgeld-, Festgeld- und Girokonten sowie für Sparguthaben und Sparbriefe.
In Deutschland gibt es neben der gesetzlichen Einlagensicherung zusätzlich freiwillige Sicherungssysteme, die gewährleisten sollen, dass bei einer Bankenpleite Kundengelder in Millionenhöhe oder sogar vollständig zurückgezahlt werden können.
Bei einer Systemkrise, die den gesamten Bankensektor erfasst, dürfte die Einlagensicherung in jedem EU-Land allerdings an ihre Grenzen stoßen.
Die Wahrscheinlichkeit, dass die gesetzliche Einlagensicherung in einem EU-Staat nicht funktioniert, ist umso höher, je schlechter die Kreditwürdigkeit des jeweiligen Landes ist. Denn die Grenze von 100.000 EUR, bis zu der Kundeneinlagen unangetastet bleiben sollen, besteht mehr auf dem Papier als in der Realität. Damit sie im Ernstfall zum Tragen kommt, sollen deutsche Banken in einen deutschen Fonds zur Einlagensicherung einzahlen – und dieser Fonds ist derzeit krass unterfinanziert.
Aus alledem wird schnell ersichtlich, dass eine wirklich glaubhafte Einlagensicherung nur auf einer impliziten, staatlichen Garantiezusage beruht, im Notfall die Einlagen auch wirksam abzusichern. Das bedeutet für jedes einzelne Land in Europa eine Verflechtung der Risiken in einem Konnex von Banken und Staat und umso fragiler ist die Verflechtung, schaut man auf Europa und die siebenundzwanzig Staaten insgesamt. Warum etwa in Deutschland, Edis von einigen Parteien wie die Linke, FDP und ADF abgelehnt wird, ist politisch durchsichtig und wenig mit Argumenten unterlegt, zumindest, wenn man Edis als eine Grundlage für eine Bankenunion begreift.
In den populistischen Narrativen geht es nur um den vermeintlichen Schutz des fleißig arbeitenden, ehrlichen deutschen Sparers gegenüber seinen südeuropäischen Anhängern des Dolce Vita. Man fragt sich aber, warum die deutschen Sparkassen und Genossenschaftsbanken die europäische Einlagensicherung so vehement ablehnen und so populistisch dagegen argumentieren. Liegt das an einer kurzsichtigen oder zu überheblichen Einstellung? Können sich diese Institute nicht vorstellen, dass noch einmal eine Landesbank pleitegehen könnte, wie dies im Zuge der Finanzkrise ja geschehen ist? Oder dass auch in Deutschland einmal eine Immobilienblase platzen könnte, weswegen man langsam aber sicher auch in Deutschland Sorgenfalten auf der Stirn bekommt? Oder vertrauen sie auf ihre exzellenten Beziehungen zur Politik und dem tragenden Konnex zwischen Bank und Staat mit der schreienden Asymmetrie zum Kunden, zum Sparer hin? Denn warum sollten sie auch eine Art Rückversicherung für ihre Kunden abschließen, wenn sie doch wissen, dass sie im Krisenfall systemrelevant sind und also vom Steuerzahler gerettet würden?
Mit Sicherheit sieht man die Sorgenfalten auf den Stirnen der Entscheider in diesen Instituten sich sammeln, erschwert eine europäische Einlagensicherung doch ihr eigenes Geschäftsmodell und kompromittiert ihre ungezügelte Kreditvergabe an die öffentlichen Haushalte. Die Sorgenfalten auf den Stirnen der Sparer sind auch nicht schmaler geworden, droht nach wie vor, dass wieder deutsche Steuerzahler marode deutsche Banken retten oder Schulden übernehmen müssen wie etwa nach der Pleite der IKB und der Düsseldorfer Hypothekenbank.
Zwar wird die Edis kein magischer Gral für die europäischen Bankenstabilität, aber will man Europa, dann darf sich die Bankenkrise wie erlebt nicht noch einmal in die einzelnen europäischen Staaten fressen. Jedes Land für sich genommen ist kaum in der Lage eine Bankenkrise abzuwehren und damit ist auch die nationale Einlagensicherung nur auf dem Papier, aber nichts in der Realität wert, braucht man sie doch gerade dann.
Viele deutsche Sparer haben ihre Einlagen bei den deutschen Sparkassen deponiert. Aber wie war es denn, als die Landesbanken zu schwanken begannen? Da war schnell auch die Institutssicherung von Sparkassen und Genossenschaftsbanken überfordert. Und was ist, wenn mehrere der Institute in Schieflage geraten? Was ist mit den Landesbanken und den genossenschaftlichen Zentralinstituten wie etwa die DZ Bank, für die im Falle einer Krise natürlich auch schnell die Haftungsfrage hochkommt und schlussendlich wieder bei eben diesen Sparern landet, die eigentlich ja von den nationalen Einlagensicherungssystem vor fremder Verschuldung befreit sein sollten?
Allein schon aus Gründen der Rückversicherung von großen Schäden ist das Motto: es wird schon nicht so schlimm kommen nach den Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte naiv.
Edis ist im Kern genau genommen eine, wenn auch noch zu leise Antwort auf die Erfahrungen, die die Bürger in Europa in verschiedenen Ländern gemacht haben. Edis soll nicht nur das eigene Vermögen schützen, sondern zugleich auch die in jeder Bankenkrise einsetzende Kapitalflucht verhindern. Wenn Bürger fürchten müssen, dass ihre Banken Pleite gehen, zieht es sie nicht nur vor die Schalterhallen, sondern sie verlagern Geld ins Ausland, reichere verstecken Sichteinlagen, indem sie sie in Edelmetalle oder andere Wertträger umwandeln. Vor solchen fluchtartigen Panikreaktionen soll Edis auch in der Zukunft schützen.
Die letzten Bankenkrisen haben auch noch eine andere Schwachstelle der europäischen Bankenlandschaft aufgedeckt. Es ist zwar richtig, dass Europa eine Union autonomer Staaten ist und bleiben soll, aber im Sektor Finanzwesen ist Europa schon lange transnational. Banken machen vor nationalen Grenzen nicht Halt und deshalb ist es von ganz vitaler Bedeutung, dass eine europäische Einlagensicherung die Aufgabe hat, alle Formen von Einlagen zu übersehen, was nichts anderes heißt, als sie zu beaufsichtigen, zu kontrollieren und damit auch für Fehler zu haften. Es ist eine der grundlegenden Prinzipien der Marktwirtschaft, dass Kontrolle und Haftung in einer Hand liegen. So ist es auf nationaler Ebene bei den beiden Institutssicherungssystemen der Sparkassen und Genossenschaftsbanken und in den USA z.B. beim amerikanischen Einlagensicherungsfonds FDIC (Federal Deposit Insurance Corporation), der international als Vorbild für effektive Einlagensicherung und Bankenabwicklung gilt und beide Funktionen, Haftung und Kontrolle, optimal vereint.
Bislang verbleibt aber alle Haftung auf europäischer Ebene bei den einzelnen autonomen Staaten, die diesen Haftungsvorteil teils weidlich ausnutzen. Ohne eine europäische Einlagensicherung bleibt also Haftung für Bankenfehlverhalten bzw. Fehlverhalten von Bank und Staat bei der Staatenfinanzierung z.B. auf nationaler Ebene, während die Kontrolle wie die Geschäftsmodelle europäischer Banken transnational sind.
Edis bedeutet, dass eine Bankenunion entsteht, in der bei drohender Illiquidität die Aufsicht und Abwicklung von großen Banken europäischen Institutionen übertragen würde, also beide in einer Hand liegen.
Was gegen Edis vorgebracht wird, ist zu allererst das Argument, dass sog. solide Banken, vor allem im europäischen Norden, marode Banken aus den Südländern über Edis subventionieren würden. Und dass viele dieser südländischen Banken zu viele toxische Kredite in den Büchern halten. Das stimmt, bedingt. Wovon dann wenig bis gar nicht gesprochen wird, ist, dass diese Banken Wertberichtigungen an den Bruttobeständen notleidender Kredite vornehmen müssen und von den Kritikern niemand weiß, wie hoch deshalb die Netto-Schuldenstände tatsächlich sind. Wie hoch die nicht-bilanzierten Risiken in den Bankbüchern sind, ist schwer zu ermitteln und die vorgeschriebenen, regelmäßigen Stresstests bringen auch keine Transparenz in die Bilanzen.
Edis deshalb abzulehnen, weil keine Risikotransparenz bei den Banken herrscht, ist mehrfach Unsinn. Gerade bei den Staaten, die, weil sie zu den sog. Krisenstaaten gehören und über Rettungsfonds Gelder erhalten haben, wie etwa Griechenland und Zypern, aber auch in abgeschwächter Höhe und Art und Weise Portugal, Irland und Italien, ist die Transparenz der Bücher noch am höchsten. Und es liegt ja gerade der Verdacht recht nahe, dass diese Intransparenz durchaus nicht ohne Absicht besteht, machen Banken und Regierungen bei der Finanzierung von Staatshaushalten und bei Konjunkturprogrammen, wozu auch die Förderung von Immobilienbesitz gehört, gerne gemeinsame Sache. Wäre die Aufsicht der europäischen Bankenunion besser geregelt, und der europäische Rat hätte dafür alle gesetzgeberischen Karten in der Hand, dies zu tun, um starke Kontrollinstitutionen länderübergreifend einzurichten, sähe es besser aus.
Man käme der Nachvollziehbarkeit von Wertberichtigungen und damit dem Netto-Schuldenstand der einzelnen Institute nicht nur näher, sondern auch der rechtzeitigen Sanktion bei alle zu laschem Umgang mit den Geldern der Bürger.
Dass wir heute diesen Zustand an Intransparenz bei Banken haben, ist daher nicht nur ein Hinderungsgrund für eine europäische Finanzintegration, sondern belastet natürlich auch die politische Zustimmung der Bürger zu solch einer Union und dies scheint durchaus von einigen Regierungen in Kauf genommen zu werden, lässt man sie nur walten und schalten nach Gusto.
Die Bürger Europas scheinen die ungewisses Sicherheit ihrer Sparvermögen dem gewaltig viel größeren Risiken, die durch die Intransparenz und die nationalen Alleingänge von Regierungen und Banken vorzuziehen, sind doch aber diese Risiken bislang in der Summe viel teurer gewesen, also der Schutz der privaten Sichteilangen jemals gebracht hat. Was hatten deutsche Bürger und mit ihnen alle die, die in den sog. Geberländern leben von der nationalen Einlagensicherung ihrer Gelder? Die gemeinsame Haftung ist längst eine Tatsache; ihre Narrative erzählen Märchen von Geldwertstabilität und ähnlichen Kindergeschichten.
Für die Bürger ist es schwer zu beurteilen, welchen Anteil an toxischen Krediten eine Bank in der Zukunft noch eintreiben kann, welchen nicht. Ob aber Wertberichtigungen seriös vorgenommen worden sind, könnte selbst durch das Verfahren von Stichproben-Kontrollen enorm verbessert werden. Edis aufgrund unterschiedlicher Niveaus bzw. Risikobewertungen von notleidenden Krediten zu blockieren, ist wenig hilfreich. Stattdessen sollte man die sog. Asset Quality Reviews (AQR) weiter ausbauen, die die EZB bereits 2013 eingeführt hat. Seitdem werden große Banken einer Risikobewertung, einer Prüfung ihrer Aktiva-Qualität und schlussendlich einem Stresstest unterworfen. Das alles dient eben der Herstellung von Transparenz und soll frühzeitig zu notwendigen Korrekturen der Geschäftsabschlüsse führen und so das Vertrauen aus dem Status bloßer Claims in die Wirklichkeit der Bürger in Europa übertragen.
Was im Jahr 2013 noch alle eine vorbereitende Maßnahme vor der Übernahme der vollen Verantwortung für die Aufsicht im Rahmen des einheitlichen Aufsichtsmechanismus der EZB gegenüber den europäischen Banken fungierte und als eine Vorbereitung eines transnationalen, einheitlichen Aufsichtsmechanismus begann, hätte schon längst Wirklichkeit in jeder Hinsicht werden können. Aber nach wie vor ist generell noch vielen vonnöten, um zu mehr Transparenz bei den Bankbilanzen und zu einer einheitlicheren Vorgehensweise im Bereich Aufsicht in Europa zu kommen; warum eigentlich?
Bereits 2013 war klar, dass drei Ziele erreicht werden müssen, um die Finanzintegration Europas zu verwirklichen: Transparenz, Korrekturen und Vertrauensbildung. Transparenz sollte durch die Verbesserung der Qualität der verfügbaren Informationen zur Situation der Banken erreicht werden, Korrekturen durch die Ermittlung und Umsetzung gegebenenfalls notwendiger Korrekturmaßnahmen und in der Folge dieser beiden Kriterien würde Vertrauensbildung bei den Bürgern Europas und den Investoren, besonders den Käufern von Staatsanleihen erreicht werden, da sich alle Interessenträger gewiss sein können, dass die Banken grundlegend solide und vertrauenswürdig sind. Das ist gewissermaßen eine europaweite Verständigung über das, was man risikoadjustierte Geschäftsvorgänge bei transnational operierenden Geldinstituten nennen könnte.
Bewertung bzw. Wertberichtigung risikoadjustierter bzw. nicht adjustierter Geschäftsvorgänge hat in der EZB drei elementare Prozesse bereits seit 2013.
Erstens erfolgt eine aufsichtliche Risikobewertung, bei der die Hauptrisiken – u. a. Liquidität, Verschuldungsgrad und Refinanzierung – in quantitativer und qualitativer Hinsicht geprüft werden.
Zweitens wird eine Prüfung der Aktiva-Qualität (AQR) zur Steigerung der Transparenz in Bezug auf die Engagements von Banken vorgenommen. Hierbei wird die Qualität der Bankaktiva auf den Prüfstand gestellt, u.a. wird analysiert, ob die Bewertung der Aktiva und Sicherheiten adäquat ist und die damit zusammenhängenden Rückstellungen angemessen sind.
Und drittens wird ein Stresstest durchgeführt, mit dem die Widerstandsfähigkeit der Bankbilanzen bei Stressszenarien untersucht wird. Diese drei Elemente greifen eng ineinander. Grundlage der Bewertung wird eine Eigenkapitalquote von 8% hartem Kernkapital sein, wobei sowohl für die AQR als auch für das Basisszenario des Stresstests die in der Eigenkapitalrichtlinie IV/Eigenkapitalverordnung, einschließlich Übergangsregelungen, enthaltene Definition herangezogen wird2.
Ambitioniert will die EZB mit Edis etwa 85% aller europäischen Banken einer einheitlichen Bewertung, Kontrolle und Sanktionierung unterziehen, um die Sicherheit des Euro-Währungsgebietes drastisch zu erhöhen und so wieder Vertrauen durch Transparenz und Kontrolle für den privaten Sektor in die Solidität der europäischen Banken zu schaffen. Aber reicht das, ist der private Sektor eigentlich der wesentliche Adressat zur Vermeidung von Bankenkrisen?
Das eigentliche Problem ist doch gerade darin zu sehen, dass die Risiken im europäischen Bankensystem deshalb so hoch sind, weil in deren Büchern so viele Staatsanleihen notiert sind, deren Toxizität alles übersteigt, wovor Sicherungssysteme schützen könnten. Fast alle europäischen Banken, auch deutsche Banken, haben so hohe Forderungen gegenüber ihren Regierungen, dass im Falle einer Krise der öffentlichen Haushalte das gesamte Eigenkapital nicht ausreichte und abzuschreiben wäre. Und die in Deutschland so hoch gelobten, weil soliden Sparkassen, haben zum Teil mehr als hundert Prozent ihres Eigenkapitals an ihre Kommunen verliehen, das betrifft derzeit etwa ein Drittel der 413 Sparkassen mit rund 15.100 Filialen in Deutschland.
Die Haushaltslage der Kommunen hat sich zwar in den letzten Jahren aus notorisch hoher Verschuldung etwas gebessert, aber so unwahrscheinlich ist es nicht, dass gerade die Haushalte auf kommunaler Ebene schnell wieder in eine Situation geraten können, die nahe an der Verschuldung und Zahlungsschwierigkeit gerät. Und mit den Kommunen gehen dann auch die Sparkassen den Weg alles Irdischen, zumal es in Deutschland wie auch in anderen EU-Staaten, etwa Italien, keine Beistandspflicht der Bundesländer gegenüber ihren Gemeinden gibt.
Strukturell sind somit die Risiken in Deutschland vergleichbar mit denen in Italien und im Sinne einer besseren Risikodiversifizierung müssten beide Länder durchaus ein Interesse an Edis haben, was aber nicht erkennbar der Fall ist.
Italien wie auch viele andere Euro-Staaten verlassen sich auf ein EU-Programm mit dem Namen: Targeted Longer-Term Refinancing Operations (TLTROs). Das sind zurzeit hochumstrittene, längerfristige Kredite der EZB an die Geschäftsbanken der einzelnen EU-Staaten zur langfristigen Versorgung deren Volkswirtschaften. Die jüngsten Veröffentlichungen summieren ein Volumen von 720 Mrd. Euro, wobei 240 Milliarden auf Italien, 170 Milliarden auf Spanien, 112 Milliarden auf Frankreich und 90 Milliarden auf Deutschland entfallen, also ein erkleckliches Sümmchen und das zu äußerst lukrativen Konditionen. Und wieder stellt sich die Frage, ob es sich bei den TLTROs im Falle der italienischen Banken um eine gezielte Hilfe handelt, oder, wie die EZB gerne wie in einer Buchstabensuppe herauszulesen wünscht, um eine breit angelegte geldpolitische Maßnahme, wofür die EZB das politische Mandat auch hätte.
Europas Bürger haften, wie dem auch sei, für diese Summen, die letztlich doch jenen Staaten finanziell unter die Arme greifen, die hoch verschuldet auch mit hohen Refinanzierungskosten ihrer Geldhäuser zu kämpfen haben. Den TLTROs kommen auch deshalb nun größere Bedeutung zu, weil die EZB nicht mehr so viele Pfeile im Köcher hat, um klammen Staaten weiter zu helfen. Das Problem für die EZB ist, dass es in Europa, anders als in den USA, keinen all zu großen Anleihenmarkt gibt und sie deshalb bereits beginnen musste, mangels Masse sozusagen ihre Anleihenkäufe zurück zu fahren. Und auf dem Zinsmarkt hat die EZB auch nichts mehr zu verschenken, liegen diese doch bleiern seit langem unter null.
Noch bis ins Jahr 2020 läuft das jetzige TLTRO-Programm noch, und was kommt danach? Man wird die Regierungen in Anspruch nehmen, die noch finanziellen Spielraum haben und von den niedrigen Zinsen profitieren, also auch Deutschland. Die Tatsache, dass Italien dieses Programm weitaus stärker nutzt als etwa Deutschland, dass also die Sicherung der Kreditvergabe in Italien notwendiger zu sein scheint, als in Deutschland ist unstrittig. Dass damit aber eine deutliche Umlenkung von Geldern stattfindet, scheint nicht bei allen Konsens zu sein.
Investoren sehen zwar in Deutschlands Banken seit dem Niedergang der Deutschen Bank und der Commerzbank keine reizvollen Investments, zumal beider Geschäftsmodelle erst ganz langsam wieder Konturen gewinnen. Aber weil die Bundesregierung als verlässlich für den Notfall gilt, haben deutsche Banken kein Problem, an Fremdkapital zu kommen. Im Vergleich dazu tuen sich italienische Banken, selbst solche, die durchaus elaboriertere Geschäftsmodelle bieten können, bei der Akquisition von Fremdkapital deutlich schwerer. Eine nicht gerade verlässliche Regierung vor allem im Umgang mit den öffentlichen Haushalten und ein verringertes Wachstum machen die Kompensationen der EZB für höhere Zinszahlung an die Investoren, für die daraus resultierenden höheren Refinanzierungskosten der Banken und dann schlussendlich für die höheren Abschreibungen auf deren bilanzierten Staatspapieren notwendig.
Was kann also die EZB noch tun? An der Zinsschraube ist nichts mehr zu drehen. Das Anleihenkaufprogramm geht mangels Masse an Zinspapieren mühsam seinem Ende entgegen. Es bleibt eine Anpassung der Konditionen der TLTROs, also die Auflage von variablen, aber doch moderaten Zinssätzen und schon haben sich die Ideen erschöpft. Natürlich spricht man in Notenbankkreise nie darüber, dass man einer Rezession recht waffenlos gegenübersteht. Aber wie wäre die Situation der EZB anders zu bezeichnen als relativ hilflos? Und kommt, was unweigerlich irgendwann kommt, eine Rezession in die europäische Bankenlandschaft, werden die Sparguthaben der Bürger wieder in Gefahr geraten und dies dazu sogar noch das kleinste Übel sein.
Es werden bestimmt dann in Italien wieder die Stimmen lauter, die einen Austritt aus dem Euro krakeelen, ungeachtet der Erfahrungen, die gerade Großbritannien mit dem Brexit macht und auch ungeachtet der Tatsache, dass ein Austritt aus dem Euro gerade für die Bürger den größten Schaden bedeutet; natürlich für die Bürger, die dann im Euro verbleiben, versteht sich.
Wie immer eine europäische Einlagensicherung auch aussehen wird, bei einem Austritt eines Landes aus dem Euro hilft sie nicht. Anders als zurzeit in Großbritannien, das ja dem Euro nicht beigetreten ist, käme es zu einer massiven Kapitalflucht; aus GB fliehen derzeit nur Firmen und Bürger. Denn wenn die Bürger eines Landes befürchten müssen, dass ihr Land aus dem Euro austreten könnte, werden sie ihre Konten auf den inländischen Banken leerräumen und ihre Euro auf Konten ausländischer Bankentransferieren, so sie frühzeitig damit beginnen, bevor Kapitalverkehrskontrollen beschlossen werden. Die Angst der Bürger Griechenlands vor dem Euroaustritt hat sicherlich für deutlich mehr Kapitalflucht gesorgt und zugleich auch verhindert, dass über Zugang von Fremdkapital mehr investiert wurde, als die Angst vor einer ungenügenden heimischen Einlagensicherung.
Die Angst der Bürger Europas in den Staaten der sog. Eurokrise und die damit verbundene Kapitalflucht sowie der Zurückhaltung ausländischer Investoren waren die wichtigsten Treiber der Eurokrise. Wir werden auf andere Faktoren wie das BIP und die Lohnkosten u.a. später noch eingehen. Was aber feststeht ist, dass Edis weder positiv noch negativ wirkt auf Krisenursachen und schon gar nicht bei drohenden Euro-Austritten.
Nach einem Austritt aus dem Euro müsste die einstige (oder einen neue) nationale Währung wieder eingeführt werden und in der Folge dieser Wiedereinführung würden selbstverständlich alle Euroguthaben, so diese nicht auf ausländische Konten transferiert wurden, und alle Euroverbindlichkeiten, also Schulden oder offene Rechnungen in einem Land auf die neue nationale Währung umgestellt.
Gemütliche Geister kommen auf die Idee, dass ein austrittswilliges Land doch die Guthaben im Euro belassen könnte und nur die Verbindlichkeiten konvertieren. Das wäre ein genialer Zug, sich auf Kosten aller anderen Bürger Europas zu sanieren, also den Euro auf den europäischen Konten auch nach einem Austritt zu belassen und Rechnungen, Schulden, Mieten etc. mit der neuen, weniger wertvollen Währung zu begleichen; genial, aber leider leicht durchschaubar.
Weniger durchschaubar aber scheint die populistisch so erfolgreiche Ablehnung einer europäischen Einlagensicherung zu sein, sind doch deren Nutzen wie Grenzen relativ einfach zu kommunizieren. Edis wird mittlerweile fast schon wie ein Synonym gegen jede Form einer europäischen Integration gebraucht, gleichwohl weder darin die Gründe der vergangenen und derzeitigen Krisen des Euroraums zu finden sind noch mit Edis die Rettung italienischen Dolce Vita‘ durch nordeuropäischen Arbeits- und Spareinsatz versprochen wird.
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Bank Run – Amerikanischer Einlagensicherungsfonds FDIC – Asset Quality Reviews – Targeted Longer-Term Refinancing Operations
1 Edis für European Deposit Insurance Scheme
2 Einzelheiten zum Stresstest werden zu einem späteren Zeitpunkt in Abstimmung mit der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde bekanntgegeben. Siehe: Webseite EZB.
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