Was einmal als ein System der Vermögensverwaltung begann, wird mehr und mehr zum Zankapfel zweier, zunehmend unvereinbarer politischer Positionen in den USA. Und dabei steht mehr auf dem Spiel als die Frage: liberal oder konservativ? Im amerikanischen Modell spielte und spielt bis heute das Wealth Management eine dominante Rolle bei der Sicherung des gesellschaftlichen Wohlstands wie der gesellschaftlichen Wohlfahrt.
So bedeutet deshalb in den USA auch Wealth Management nicht einfach Vermögensverwaltung bzw. Anlageberatung, sondern eine umfassende Finanzplanung und Vermögensorganisation, ausgerichtet auf sehr wohlhabende Personen, weit über die herkömmliche Vermögensverwaltung hinausgeht.
Rein sachbezogen betrachtet, analysieren im Wealth Management tätige Banken oder Finanzdienstleistungsunternehmen die Vermögenslage ihrer Kunden und richten anschließend sämtliche Vermögenswerte gebündelt auf bestmögliche Effizienz aus. Effizienz in diesem Zusammenhang bemisst sich am generationsübergreifenden Erhalt der Vermögen bei gleichzeitiger Sicherung des jeweiligen, zeitlich gegebenen Lebensstandards.
Daher gehören Planungen zur Vorsorge und in Bezug auf den Nachlass nebst Versicherungslösungen und Steuerplanungen ebenso wie allgemeine Rechtsberatungen und Willensvollstreckungen zu den Dienstleistungsspektren der Institute bzw. Gesellschaften, die auch noch darüber hinausgehen können in Bereiche von Serviceleistungen auf diverse Finanzierungen, Investments in Kunstobjekte sowie auf Gesellschaftsgründungen im In- und Ausland. Die meisten Anbieter leisten ihre zentralen Dienste selbst und ziehen nur bei speziellen Leistungen wie Rechtsberatungen externe Fachleute hinzu.
Mittlerweile, also noch vor den großen Banken, spielen unabhängige Vermögensverwalter nicht nur eine entscheidende Rolle bei der umfassenden Analyse und Beratung sowie dem Kauf geeigneter, vermögenssichernder Titel, Werte und Beteiligungen, sondern auch bei deren Aufbau und Diversifizierung. Das Geschäftsmodell für das US-Wealth Management basiert darauf, alle geeigneten Dienstleistungen anzubieten. Während Bankinstitute sämtliche Dienstleistungsbereiche mit internen Spezialisten bearbeiten, bieten unabhängige Vermögensverwalter ihre gebündelten Dienstleistungen meist in Form von Family Offices an.
Insbesondere bei Family Offices ist eine möglichst hohe Transparenz seitens der Gebühren Voraussetzung, die oft auf Honorarbasis tätigen Vermögensverwalter arbeiten gegen vereinbarte Gebühren und nehmen darüber hinaus keine Provisionen von Dritten an. Im Wealth Management aktive Banken lassen dagegen oft hauseigene Produkte in die Vermögensverwaltung einfließen und neigen häufig zu intransparenten Herangehensweisen, was im Zuge der zunehmenden Markttransparenz auch in diesem Sektor zu einer Verlagerung von Vermögen von Banken zu unabhängigen Verwaltern die Folge war.
Das führte dazu, dass Vermögensverwaltungen nicht selten tiefe Einblicke in die Vermögensstrukturen ihrer Kunden hatten und somit auch über deren Steueraufkommen sowie über schwierige Rechtsfelder, die Vermögensstrukturen, Beteiligungen, Schenkungen und Erbschaften betreffend. Und da nun einmal optimales Wealth Management eine auf sämtliche Vermögenswerte ausgerichtete Steuer- und Rechtsberatung mit Fachkompetenz beinhaltet, wuchsen mit den Anforderungen auch die Kenntnisse der Verwalter in steuer- und zivilrechtlichen Fragen und Alternativen. Denn bei vermögenden Marktteilnehmern besitzen Steuerersparnisse den gleichen Stellenwert wie die mit dem Vermögen erzielten Erträge. Je nach Vermögenslage können die Anforderungen der steuerlichen Abklärung sehr hoch sein und deshalb verwundert es wenig, wenn Vermögenstransaktionen auch ihre Wege über steueroptimierende und -vermeidende Adressen weltweit finden.
Ein weiterer Aspekt in diesem Zusammenhang ist der langfristige Anlagehorizont. Kurzfristige Asset Allocations sind nicht das Geschäftsmodell der Vermögensverwaltungen. Ihre traditionell bevorzugten Anlagen trafen Investments mit ähnlich langfristig ausgerichteten Anlagenhorizonten bei durchschnittlich guten bis hohen Renditen. Neben Hypotheken drängten sich Investments in Gesundheits- und Rentenmärkten geradezu auf.
Ein staatliches Umlagesystems wie etwa in Deutschland gibt es auch in den USA. Von US-Präsident Franklin D. Roosevelt im Jahr 1935 angesichts der Wirtschaftskrise als „Social Security System“(SSS) im Rahmen des sogenannten New Deal eingeführt, steht es neben der privaten Absicherung als die tragende Säule im sozialen Wohlfahrtssystem der USA und zählt heute mehr als 90 Prozent aller Berufstätigen als Social-Security-Mitglieder.
Auf bundesweiter Ebene stellt das Social Security System damit bis heute das bedeutendste Sozialabsicherungssystem der USA dar und ist, bedingt durch die traditionelle Refinanzierung des Gesamtsystems über die sog. „trusted funds“ auch bislang überlebensfähig gewesen. Da aber auch in den USA immer weniger Berufstätige die immer größer werdende Zahl an Pensionären finanzieren muss, gerät dadurch die Refinanzierung zwangsweise in eine Schieflage.
Experten gehen daher davon aus, dass entweder die Beiträge erhöht oder die Renten gekürzt werden müssen. Beide Optionen aber beschreiben weder die Problematik noch sind sie Faktoren zur Lösung. Beitragserhöhung oder Rentenkürzungen können allenfalls die Überlebensfähigkeit des Social Security Systems optimieren und damit nur eine der tragenden Rentensäulen.
Neben dem SSS gibt es die sog. Betriebsrenten, die wenig mit dem zu tun haben was wir aus Europa bzw. Deutschland kennen. Die Zusatzversorgung firmiert auch unter der Bezeichnung „401(K)Plan“ und bildet eine Möglichkeit, die Rente aufzubessern. Der 401(K)Plan leitet sich von dem entsprechenden Paragraphen des „Internal Revenue Code“ ab und bezeichnet ein System, bei dem der Arbeitgeber einen fixen Prozentsatz (vor Steuerabzug) vom Monatsgehalt einbehält und in einen Investmentfonds anlegt.
Üblicherweise zahlen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu gleichen Teilen 7,65 % des Einkommens an die Kasse der Social Security Administration (SSA), was sich aber für die meisten geringverdienenden Arbeitnehmer bei steigenden Lebenshaltungs- und Gesundheitskosten als undurchführbar herausstellt.
Im Rentensystem der USA sehen wir also ein System, das in der privaten Vorsorge vor allem für einkommensstarke Erwerbsschichten – hier als die Summe jedes einzelnen Erwerbstätigen gerechnet – optimiert ist. Private Vorsorge über Investmentfonds erklären nicht nur den enorm großen Markt der sog. institutionellen Anleger, der durch die regelmäßigen Transfersummen aus der Privatwirtschaft und den Privatpersonen begünstigt ist, sondern auch die entsprechend großen Unterschiede zwischen armen und reichen Rentnern in den USA allein schon auf der Basis der Einkommen und Vermögen außerhalb der Erwerbsvita der US-Bürger.
Was für uns aber von wesentlicherer Bedeutung ist, liegt nicht allein in diesem Sachverhalt, sondern in der Frage, ob das auf privater Vorsorge basierende System sich auch als das effizientere System erwiesen hat. Und hier lautet die Antwort eindeutig: Nein. Denn bei dem amerikanischen Modell geht es bei der Effizienz allein um Erwerbstätige und in diesem Arbeitssegment vor allem um die gut- bis besserverdienenden Erwerbstätigen.
Die meisten Arbeitgeber machen zudem Ihre (Zu-)Zahlungen von der Unternehmenszugehörigkeit des Erwerbstätigen abhängig. Dabei kann der Arbeitgeber eine bestimmte Jahresgrenze festlegen. Von dem festgesetzten Zeitpunkt an gehören dem Erwerbstätigen vergangene und künftig geleistete Zahlungen. Mit dieser Methode versuchen US-Arbeitgeber, eine längerfristige Bindung ihrer Arbeitnehmer zu erreichen.
Sollte das Unternehmen Insolvenz anmelden müssen, so verlieren die Erwerbstätigen Ihr angelegtes Geld nicht. Denn ein „plan administrator“, der dieses Geld verwaltet, sorgt dafür, das es entweder im alten 401(k)Plan verbleiben kann, welches sie/er dann mit dem Erreichen der Altersgrenze abheben kann. Oder aber es wird in einen neuen Plan übertragen. Dieser „roll-over“ sichert den fortlaufenden Anlagehorizont, hat aber wie viele versicherungsähnliche Investments den Nachteil, dass eine frühzeitige, vor Ablauf der gesamten Laufzeit getätigten Auszahlung in der Regel mit einer Strafgebühr von zehn Prozent und der Besteuerung einher geht, die nach voller Laufzeit ausfällt und also erst dann ihr eigentliches Potenzial erreicht.
Neben dieser Möglichkeit der privaten Vorsorge (traditional Individual Retirement Account (IRA)) gibt es noch andere Formen, etwa die „Roth IRA“ oder die „Educational IRA“, beides Steueroptimie-rungsmodelle auf der Basis von Fonds-Spar-Modellen für Rentenzeiten oder Ausbildungszeiten der Kinder, die nicht ohne eine gewisse bürokratische Überbordung wie alle Steueroptimierungen auskommen.
Das Rentenmodell wird erst vollständig, wenn man das Gesundheitsmodell mit hinzunimmt. Beide zusammen machen im Kern das US-Modell der sozialen Wohlfahrt aus, wenn wir das Health Management einmal davon ausnehmen, was durchaus begründet ist. Und im Gesundheitssystem der USA sieht es bekanntermaßen für breite Bürgerschichten recht schlecht aus. 62 Prozent aller Amerikaner leben von Gehaltsscheck zu Gehaltsscheck und haben kaum bis keine Ersparnisse. Selbst bei zeitweiliger Inanspruchnahme des Educational IRA, startet ein Durchschnittsamerikaner mit enormen Schulden durch die Studiengebühren (im Durchschnitt von 28.950 Dollar) ins Berufsleben und trifft auf ein Gesundheitssystem, welches das teuerste der Welt ist und eins der ineffizientesten der westlichen Industriegesellschaften1.
Ca. 15 Prozent der Bevölkerung, und das sind immerhin 48 Millionen Amerikaner, sind überhaupt nicht krankenversichert; andere Quellen sprechen sogar von über 80 Millionen US-Bürger(Forbes, 2013). Der Grund hierfür ist naheliegend: Viele Amerikaner können sich die Krankenversicherung einfach nicht leisten. In keinem Land der Erde kosten Behandlung und Medikamente nämlich mehr als in den Vereinigten Staaten. Dass hohe Kosten dabei nicht zwingend zu einer besseren Gesundheitsversorgung führen, zeigt eine Auswertung der OECD aus dem Jahr 2011. Vergleicht man die durchschnittliche Lebenserwartung mit den Gesundheitskosten pro Kopf, liegen die USA weit abgeschlagen hinten in diesem Feld2. Auch die Episode von Obamacare hat an diesem Zustand wenig geändert.
Wie der Bericht des First Global Symposium on Health Systems Research aus dem Jahr 2010 feststellt haben 58 von 194 untersuchten Nationen eine allgemeine Krankenversicherungspflicht (Universal Healthcare). Sie sind dabei entweder als „Single-Player“ (ein einzelner Anbieter für alles), „Two-Tier“ (eine Pflichtversicherung plus optionale Zusatzversicherung) oder „Insurance Mandate“ (verschiedene Anbieter, Pflicht zur Wahl eines Anbieters) organisiert.
Deutschland führte als erstes Land bereits 1883 unter Otto von Bismarck eine allgemeine Krankenversicherungspflicht ein. Die Amerikaner hingegen standen dem Ausbau des Sozialstaates und insbesondere der Einführung einer Krankenversicherungspflicht stets kritisch bis ablehnend gegenüber. Das Hauptargument gegen eine Krankenversicherungspflicht war ist dabei noch heute die Annahme, dass „Universal Healthcare“ stets in Form eines Single Player Angebots stattfinden muss. Damit verbunden ist die Sorge, dass ein Single Player Angebot zu mehr Bürokratie, keinen Wahlmöglichkeiten und stark regulierten Versorgungswegen führt, die am Ende auch noch hohe finanzielle Mehrbelastungen verursachen.
Seit dem Jahr 1965 gibt es mit den Programmen Medicare (für Personen über 65 Jahre) und Medicaid (für Personen unter der Armutsgrenze) zumindest eine minimale Versorgung für ausgewählte, vor allem einkommensschwache Personenkreise. Bei etwa 320 Millionen Einwohnern in den USA sind viele jedoch über ihren Arbeitgeber krankenversichert. Unternehmen in den USA bieten private Krankenversicherungen oftmals als so genannte Benefits an. 154 Millionen Einwohner sind auf diesem Wege versichert.
Durch die Fokussierung auf den einzelnen Erwerbstätigen oder die individuelle Erwerbsvita erklärt sich die starke Fragmentierung des Marktes, weswegen Möglichkeiten fehlen, Kosteneinsparungen durch Mengenrabatte zu erzielen. Dies führt wiederum dazu, dass Prämien sehr teuer sind und Arztbesuche zum Teil nur vollständig übernommen werden, wenn Patienten einen Vertragsarzt der Versicherung wählen.
In den beiden wichtigen Bereichen der gesellschaftlichen Wohlfahrt, Rente und Gesundheit, ist festzustellen, dass das amerikanische Modell deshalb ineffizient ist, weil es die Schwierigkeiten eines nicht am Markt, sondern am Anbieter orientierten, wirtschaftlichen Handeln strukturell spiegelt. Der Gesamtmarkt oder die Nachfrage nach Renten- und Gesundheitsleistungen kann unter dem Primat des Angebotes preislich nicht umfassend gewährleistet werden.
Aber nicht nur die viel zu hohen Preise, die bereits für die Mittelschicht schon kaum zu erbringen sind, spiegeln das Strukturdefizit des amerikanischen Modells. Ein ebenso großes Problem ist die strukturelle Verknüpfung der Krankenversicherung an den Arbeitgeber. Die führt dazu, dass bei Verlust des Arbeitsplatzes man auch seine Krankenversicherung verliert. Ohne diese ist man in den USA den sehr hohen Behandlungskosten im Krankheitsfall ausgeliefert. In keinem anderen Land der Welt, führen hohe Behandlungskosten so häufig zur Zahlungsunfähigkeit der Patienten und damit in die Privatinsolvenz.
„Here in the U.S., one big reason for the confusion is that we’re the only (industrialized) country that doesn’t have UHC [Universal Health Coverage]. What we have here in the U.S. is called SHC – selective health coverage.“ (Forbes, 2013)3
Diese Single Health Coverage ist mehr, als ein struktureller Unfall im amerikanischen Modell. Wo immer auch die Möglichkeit besteht, Märkte aus der Sicht von Angebot vor Nachfrage zu interpretieren, folgt dem das amerikanische Modell; ja, das ist der Kern des amerikanischen Modells.
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[title]Begriffe – Anmerkungen – Titel – Autoren[/title]
Wealth Management – Family Offices – „Social Security System“ – „401(K)Plan“ – Gesundheitsmodell
1 Vgl. David Stuckler, Andrea B Feigl, Sanjay Basu, Martin McKee: The political economy of universal health coverage. Montreux, 2010 First Global Symposium on Health Systems Research.
2
Auch ein detaillierter Vergleich des Commonwealth Fund über verschiedene Aspekte der Gesundheitsversorgung von 11 westlichen Industrienationen führt zu einem schlechten Ergebnis aus Sicht der Vereinigten Staaten. Sie belegen den letzten Platz.
3 Forbes, 2013.
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