Nach dem theoretischen Ansatz der MMT ist staatliche Verschuldung algebraisch formuliert privates Vermögen. Wenn Geld ein Ordnungselement ist, muss es auch mit allen anderen Ordnungselementen in einer Beziehung stehen, die als eine Lehre von den Gleichungen bzw. als eine Theorie der Verknüpfungen mathematischer Strukturen ausgelesen werden kann. In dieser Struktur übernimmt der Staat gewissermaßen den Einkauf von Gütern und Dienstleistungen sowie von allen Arbeitsleistungen seiner Bürger und gibt diese in Geldwerten als Einlagen bei seiner Zentralbank aus.
Der Staat steht somit in einer doppelten Funktion im Ordnungssystem des Geldes, insofern er Leistungen einkauft und deren Geldwert nach seinem Ermessen in Umfang und Zeit ausgibt. Hätte der Staat nur die Steuereinnahmen und müsste damit allein haushalten, sähe es trübe aus wie bei der schwäbischen Hausfrau, die von ihrem Ehemann jeden Tag ein Taschengeld bekommt, davon aber den gesamten Haushalt bestreiten müsste. In einem Staat funktioniert das nicht. Da bekommen alle Leistungsträger ihr Geld auf ihrem Bankkonto gutgeschrieben und der Staat gleicht diese Guthaben bei seiner Zentralbank dadurch aus, dass er die entsprechende Summe dort als eine elektronische Forderung der Zentralbank gegen sich kontiert.
Die Privat- und die Geschäftskonten werden also wie in jeder doppelten Buchführung nun als Verbindlichkeiten geführt. Das klingt schwierig, ist aber relativ leicht zu durchschauen; jedenfalls bis hierhin. Ersetzt man Leistungsträger (Personen und Körperschaften) durch Konten, dann hat eine Geschäftsbank ein Konto bei einer Zentralbank wie ein Bürger ein Konto bei seiner Geschäftsbank hat. Die Bürger haben also Forderungen gegenüber ihren Instituten wie diese gegenüber ihrer Zentralbank, während diese wiederum ihre Einlagen als Verbindlichkeiten gegenüber einer Regierung kontiert bzw. kontieren müsste auf eine Art, die die Verbindlichkeiten auch in dem Maß als ‚vertragsgemäß‘ in einem Gläubiger-Schuldner-Verhältnis ausdrückt, dessen Einhalt auch gewährleistet ist; aber dies tut es fast nie.
Indem aber eine Regierung eine Verbindlichkeit gegenüber ihrer Notenbank eingeht, also dort ein Guthabenkonto für die Geschäftsbanken unterhält, damit diese die Leistungen der Leistungsträger bezahlen kann, hat sich die elektronische Bankbilanz gewissermaßen verlängert, oder, wie gerne zitiert wird, wurde Geld aus dem Nichts geschöpft. Während der Staat also seine Verschuldung erhöht, kommt es zu einer solcher Verlängerung der Kontenseite bei der Zentralbank und zugleich hat die Regierung jetzt weniger Forderungen als vorher gegenüber dem Institut, die also in dem Maße gesunken sind, wie die Verbindlichkeiten angewachsen sind und damit der Privatsektor zugleich auch über ein höheres Nettofinanzvermögen verfügt.
Das Ganze funktioniert also wie ein System der kommunizierenden Röhren, die von unterschiedlicher ‚Dicke‘ sind und so den Eindruck erwecken, da in den unterschiedlichen Röhrer unterschiedlich hohe Wasserstände bestehen, die auch bei Zugabe von Wasser unterschiedlich hoch ansteigen, als würde auch unterschiedlich viel Wasser in die Röhren zufließen; das ist eine Sinnestäuschung. In diesem Zusammenhang muss man also den Satz verstehen: „Staatliche Verschuldung ist privates Vermögen“1, insofern die Leistungsträger einer Volkswirtschaft (die Verkäufer) jetzt über mehr Geld auf dem Girokonto verfügen als vorher, zugleich aber keinem anderen Leistungsträger in der Volkswirtschaft die Menge an Giralgeld reduziert worden ist.
Es ist dies im Ansatz der MMT eine starke, direkte Verbindung von öffentlichen Schulden und privaten Nettofinanzvermögen, als jeder Euro, mit dem sich der Staat bzw. eine Regierung verschuldet, genau einen Euro an privaten Nettofinanzvermögen erzeugt. Wäre der Staat nicht so stark verschuldet, wären „wir“ nicht so vermögend (Ehnts ebenda).
Ein kurzer Gedanke muss hier hier eingestreut werden. Ohne auf die vielfältigen Bestimmungsschwierigkeiten an dieser Stelle genau eingehen zu wollen, muss aber der Unterschied zwischen einer Zahlungsbilanz und einer Leistungsbilanz kurz skizziert werden. Ist die Zahlungsbilanz einer Volkswirtschaft eine zusammengefasste Größe über alle zwischen dem In- und Ausland erfolgten Transaktionen, so ist die Leistungsbilanz eine, in der Zahlungsbilanz enthaltene Teilbilanz, in der die Exporte von Waren und Dienstleistungen den Importen gegenübergestellt werden. Meistens wird in ökonomischen Zusammenhängen von der Leistungsbilanz im Sinne des BIPs gesprochen bzw. geschrieben und damit die wirtschaftliche Leistung einer Volkswirtschaft in einem bestimmten Zeitraum adressiert, also eher als eine „Stromgröße“ verstanden.
Die MMT versteht in ihrer Grundkonzeption der doppelten Buchführung unter Staatsdefiziten oder -Guthaben keine „Stromgrößen“. Für sie ist es wichtiger der Frage nachzugehen: wer verdient was und wer zahlt wieviel an wen? Das hat den Vorteil, dass die hohe Zahl an ‚Unschärferelationen‘ im quantitativen Zahlenwerk der Ökonomik so weit wie es geht reduziert werden können und damit weniger auf die Ungleichheiten als Entitäten als auf deren Herkunft Wert gelegt werden kann.
So ist auch der Unterschied in der Vermögensverteilung der privaten Haushalte besser, da weniger ideologisch zu erfassen, wenn man erkennt, dass an einer steigenden Verschuldung eines Staates nicht alle Leistungsträger gleichermaßen partizipieren, gleichwohl die Verschuldung für alle gilt.
Neben den nicht-ökonomischen, was die Erfassung in quantitativen Größen angeht, die somit schwer zu erfassen sind, gibt es quantifizierbare Größen allenthalben. Eine davon ist z. B. die Steuerquote2. Für das Jahr 2019 rechnet das deutsche Finanzministerium damit, dass der Schuldenstand des deutschen Staates im laufenden Jahr erstmals seit langer Zeit wieder unter die Maastricht-Grenze von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) sinken wird. Bei der Bewertung der Steuerquote macht sich die gute Lage am Arbeitsmarkt genauso bemerkbar wie die deutlich gesunkene Zinslast im Staatshaushalt. „Die Zinsausgaben der öffentlichen Hand in Deutschland verringerten sich im Jahr 2018 auf nur noch 0,9 Prozent der Wirtschaftsleistung und damit auf den tiefsten Stand seit 50 Jahren“, heißt es in einem Bericht des Ministeriums. Dieser zeigt, dass ein durchaus signifikanter Anteil der staatlichen Steuereinnahmen zulasten der Steuerzahler ging. Denn die Steuerquote – also der Anteil der Steuern am Bruttoinlandsprodukt – so der o.e. Bericht, ist im vergangenen Jahr „auf ein Hoch von 23,7 Prozent gestiegen“, und das Ministerium rechnet im laufenden Jahr 2019 mit einer weiteren Zunahme auf 23,75 Prozent.
Nehmen wir die Position der MMT hier ein, dann hat die Bundesregierung die Leistungen der deutschen Leistungsträger bereits im letzten Jahr günstig eingekauft und will dieses Preisdumping auch fortsetzen.
Man erkennt daran recht deutlich, dass die Steuerquote ein wichtiger, quantitativer Gradmesser für die Analyse der Herkunft und der Größe (in Prozent) der Abschöpfung wirtschaftlicher Leistung ist. Steuern anzugeben in absoluten Zahlen ist also wenig sinnvoll wie Steuereinnahmen als Rekordeinnahmen oder – was selten vorkommt – als Steuerreform mit sinkenden Volumina zu vermelden wenig aussagekräftig sind. Dass ein Staat mehr einnimmt, wenn die Wirtschaft wächst, ist keine Überraschung und auch weder notwendig noch hinreichend. Wenn aber die Steuerquote steigt, macht das deutlich: Der Fiskus beansprucht von der gesamten Wirtschaftsleistung mehr für sich. Deshalb ist die Quote ein guter Indikator für die Belastung der Bürger und Unternehmen und gibt genau an, wer wen wie hoch belastet bzw. wer wieviel wem bezahlt.
Würde eine Regierung grundsätzlich steuergerecht Politik machen, müsste in wirtschaftlich guten Zeiten eigentlich die Steuerquote sinken. Im Jahr 2016 lag die Steuerquote in der BRD laut dem damaligen Stabilitätsprogramm bei 23,3 Prozent. Dann kletterte sie 2017 auf 23,5 Prozent, 2018 schließlich auf 23,7 und nun im laufenden Jahr voraussichtlich auf 23,75 Prozent. Was nach kleinen Abweichungen klingt, macht durchaus einen erklecklichen Unterschied in den Portemonnaies der Leistungsträger. Würde die Steuerquote wie politisch versprochen im Jahr 2019 nur von 23,75 auf 23,3 Prozent gesenkt, entspräche das einer Entlastung für den Steuerzahler von rund 15 Milliarden Euro.
Die Steuerquote kann also durchaus mit herangezogen werden zur Bewertung der finanzwirtschaftlichen Entwicklung eines Landes, weniger zur wirtschaftlichen Entwicklung selbst. Sie impliziert keinen Automatismus, sie impliziert als eine Kennziffer der Politischen Ökonomie das Verhältnis, dass eine Regierung zu ihren Leistungsträgern unterhält.
So ist es kein Zufall, dass die USA (19,8), Japan (18,6, 2015), die Schweiz (21,0) eine deutlich geringere Steuerquote ausweisen und mit Japan eins der höchst verschuldeten Länder weltweit darunter sich befindet.
Vergleicht man im Referenzjahr 2016 die Quoten der Schweiz und der USA mit denen Deutschlands, dann hätten die deutschen Leistungsträger mit der Steuerquote Schweiz etwa 100 Mrd. Euro, mit der der USA etwa 350 Mrd. Euro gespart. Vergleicht man Steuerquoten in einer Volkswirtschaft über mehrere Jahre oder mit denen anderer Volkswirtschaften, dann sagt das nicht, wie oben bereits vermerkt, etwas aus über die Frage, ob Steuerersparnisse auch gleich oder gerecht verteilt wurden; im Gegenteil. Gerade die Schweiz ist weltweit führend in der ungleichen Verteilung der Vermögen und die USA folgen da mit wenig Abstand.
Was wir unter der Steuerquote hervorheben möchten, ist die Beziehung zwischen öffentlichen Schulden und privaten Sparguten bzw. Nettofinanzvermögen. Wir bleiben im Bild der kommunizierenden Röhren und betonen an dieser Stelle noch einmal, dass jeder Euro an deutscher Staatsverschuldung im elektronischen Saldo genau einem Euro an privaten Nettofinanzvermögen entspricht. Geht man einen Schritt weiter im Gedanken, dann muss man einräumen, dass es wenig Sinn macht, gleichzeitig sparen zu wollen und Gewinne im Außenhandel erzielen zu wollen. Dass Deutschland das Land der Sparer und einer der Exportweltmeister ist, mag nun verwundern, widerspricht der eben notierten Einsicht nicht.
Geht man mit der Einteilung von privater Produktion und öffentlichen Schulden weiter an diese Salden heran, dann könnte der private Sektor der Produktion keine Außenhandelsüberschuss produzieren, würden die Leistungsträger einer Volkswirtschaft konsequent sparen; das ist leicht einzusehen und das haben wir ausführlich besprochen, inwiefern privates Investment, also die Liquidierung privater Vermögen zur Erwirtschaftung jeder Art von Gewinn notwendig ist.
Würde nun der Staat als Sektor der öffentlichen Produktion (nicht Verwaltung) die Stelle des „Sparers“ einnehmen, insofern er einen nachhaltig ausgeglichenen Haushalt anstrebt, würden also Staat und Leistungsträger zugleich sparen, dann, und nur dann würde man im Saldo Vermögensabbau und Deflation feststellen müssen. Das bezieht sich auf eine isoliert betrachtete Volkswirtschaft und gilt aus Sicht der MMT um so mehr, wenn es um Wirtschaftsräume von unterschiedlichen Volkswirtschaften wie etwa der Euro-Zone geht.
Volkswirtschaftlich betrachtet sind die saldenmechanischen Zusammenhänge zwingend, da Liquidierung von Eigentum einen Faktor der Verschuldung in der privaten Produktion freisetzt, Produktion, ohne diesen Faktor, der auch das Gläubiger-Schuldner-Verhältnis grundlegt, ein Nullsummenspiel ohne Gewinn (und Verlust) wäre. Das gleiche gilt strukturell auch für eine Regierung und den Staatshaushalt.
Die asymmetrische Struktur dieses Verhältnisses ist es, das Wachstum und Rezession, Armut und Reichtum in Gang hält. Und zwar auf beiden Seiten, der privaten wie der öffentlichen Produktion. Der Staat verausgabt private Produktion, auch die, die noch gar nicht fertig produziert worden ist und schafft eben durch diese staatlichen Ausgaben elektronische Einlagen für die Verwertung im Wirtschaftskreislauf. Hauptsächlich dort, aber auch im Sektor des Privatkonsums durch Steuererleichterungen und staatlich finanzierte Programme des Sozialausgleichs wie etwa die „Mütterrente“, das „gute Kitagesetzt“ (niedliche Bezeichnung) etc. akkumulieren sich Teile der Staatsausgaben somit eben da, wo in der Regel Einnahmen über Ausgaben liegen.
Per Saldo summieren sich also auch die Staatsausgaben in einem asymmetrischen Verhältnis bei den Unternehmensergebnissen (Profiten) und den privaten Nettoersparnissen, deren Schnittmenge man durchaus auch als Vermögensaufbau bezeichnen kann, da Unternehmen, Management, Angestellte wie Rentner, Arbeitslose wie in Ausbildung sich befindende Bürger davon profitieren, was wir deshalb auch als Wohlstand einer Nation in Abgrenzung zur Wohlfahrt einer Nation analysiert haben.
Vermögen sind also eine Schnittmenge gebildet aus privater und öffentlicher Produktion und keineswegs allein Sache privaten wirtschaftlichen Erfolgs. Vermögen so wie sie in Industriegesellschaften nun mal sind als der Saldo einer Verteilung von Einkommen privater und rechtlicher Körperschaften (Erwerbstätige und Unternehmen) sowie von Ersparnissen, wozu auch Einkommen aus nicht-erwerbstätiger Beschäftigung zählen, haben also nur indirekt und potenziell mit der Geldschöpfung zu tun. Meist ist ein wenig unternehmerisches Geschick wie privates Wissen über Anlageallokationen von wesentlicher Bedeutung dazu.
Wir sehen, lange bevor es Zentralbanken und staatliches Geld gab, waren die asymmetrischen Strukturen zwischen Einkommen und Vermögen sichtbar. Moderne Geldschöpfung und Verteilungsgerechtigkeit stehen in keinem Zusammenhang. Deshalb ist auch wenig hilfreich, wie bereits dargelegt, sich einer historisierenden Perspektive des Geldes zu bemühen. Stets aber gab es Löhne und Steuern und stets war damit auch ein Zusammenhang angesprochen, den wir Politische Ökonomie nennen.
„It is thus impossible to separate the theory of money from the theory of the state“3 hebt den Schleier vom Gesicht der Neoklassik, die nur allzu gerne Geld als einen neutralen Faktor und nicht als einen wesentlichen Träger der Politischen Ökonomie veranschlagen möchte. Diese apolitische, „neutrale“ Sichtweise verkennt nicht nur, dass eine Theorie des Geldes nicht von einer Theorie des Staates, Ökonomie nicht von Politik zu trennen ist. Und wie sehr beide verwoben sind, zeigt die Euro-Zone. Darin wird auch sichtbar, dass allein der Hinweis darauf, dass asymmetrische Strukturen länderübergreifend weder logisch noch finanzmechanisch zu verschleiern sind, dass Zahlungsbilanzüberschüsse, also Mehreinnahmen im Export gegenüber einem anderen Land zumindest auf mittlere Sicht qua Wechselkursanpassung „weg-arbitriert“ werden können. Wer dies glaub, befindet sich auf einen fatalen Holzweg und verklärt einen vergangenen Zustand, als Italien etwas schneller ‚arbitrierte‘ als Wechselstrom seine Spannung änderte.
Wechselkursanpassungen behalten stets das immanente Risiko und transportieren es weiter in die Zukunft. Außenhandel ist keine risikofreie Angelegenheit wie auch die Gründung und Finanzierung eines Unternehmens. Ohne Risiko geht es nicht und deshalb sind auch Außenforderungen, also Guthaben gegenüber einer anderen Volkswirtschaft keine risikofreie Angelegenheit. Sie stehen in den Büchern, in den Bilanzen als disponible Guthaben, aber wer glaub, er hätte dieses Geld bereits in der Tasche ist ein Träumer.
Das ist der intellektuelle Vorteil der MMT, die von buchhalterischen Kriterien wie Forderungen und Verbindlichkeiten und nicht von buchhalterischen Größen, also von Konteneinträgen als faktische Geldvermögen ausgeht.
Vordergründig erscheint es, als könnte man die Asymmetrie zwischen den Volkswirtschaften durch Wechselkursanpassungen weg-arbitrieren, also ausgleichen. Solche bilanz-disproportionalen Unterschiede wie etwa die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft, das Vertrauen der Märkte, das branchenübergreifend besteht, also so etwas wie ein „Goodwill“ eines Unternehmens u.a. können nicht ausgeglichen werden, indem man Geldwerte länderübergreifend annähert. Nur eine stark verkürzte Sichtweise war zufrieden damit, wenn in Europa und fast überall auf der Welt die Wechselkurse sich immer und wieder neu anpassten, sich aber in der Produktion, im Wettbewerb und bei allen anderen bilanz-disproportionalen Faktoren nicht geändert hat.
Dieser Unterschied wird deutlich sichtbar, wo Wechselkursanpassungen nicht möglich sind und ein zwar einheitlicher Währungsraum besteht, nicht aber eine in sich geschlossenen Volkswirtschaft mit einer gemeinsamen Politik, gemeinsamen Steuern und zentral gesteuerten Staatsausgaben wie in der Eurozone. Dort, so sehen wir tagtäglich, bestehen trotzt erheblicher, politischer Anstrengungen der Anpassung Ungleichgewichte, die so erheblich sind, dass lediglich von einem politischen Management dieser Ungleichgewichte die Rede sein kann; eine Lösung der Probleme aber in weiter Ferne liegt und durch die Rede von einer vermeintlichen Lösung durch Einführung von unterschiedlichen Währungen mit den Möglichkeiten der folgenden Wechselkursanpassungen nicht nur das Experiment der Europäischen Union beendet wäre, sondern auch mehr als erhebliche Zweifel übrig bleiben, ob denn dies Unterfangen überhaupt einen Sinn machte und theoretisch begründet wäre.
Was immer wieder in die Diskussion gerät und dort die größten Widerstände auslöst ist die Frage nach europäischen Staatsanleihen. Die Erfahrung der Euro-Zone lehrt, dass anscheinend eine Währung allein und eine Zentralbank für alle Euro-Staaten nicht ausreicht. Eigentlich geht die Diskussion schon seit der Einführung des Euros bis heute in einem krassen Pro und Kontra um diesen Punkt. So sind einige der Experten der überzeugten Auffassung, dass die Euro-Zone zügig sich aufmachen sollte, ein europäisches Finanzministeriums aufzubauen, das dann auch in der Lage sein sollte, europäische Staatsanleihen aufzulegen mit dem Ziel, so für ausreichende Beschäftigung zu sorgen; aber das war von Anfang an höchst umstritten.
Im europäischen Experiment wären ein Finanzministerium sowie ein neuer Markt an europäischen Anleihen nicht nur aufwendig und theoretisch unsicher in seinen Auswirkungen. Wenn es schief ginge, wie hoch wäre der Schaden und wer trüge die Verantwortung? Leichter ist es da mit der vergleichenden Analyse, ob denn überhaupt eine Beziehung besteht zwischen dem Arbeitsmarkt und den geldpolitischen Entscheidungen einer Notenbank?
Ausgangspunkt dazu ist die Erfahrung, dass nationale Regierungen in Zeiten abnehmender Kaufkraft oder abnehmender Nachfrage, die in Richtung einer Krise verlaufen, diesen, ganz im Sinne von Keynes durch Erhöhung der Staatsausgaben stabilisierend entgegenwirken können und schlussendlich dadurch Massenarbeitslosigkeit beherrschbar bzw. vermeidbar ist. Geldpolitische Markteinwirkungen frühzeitig angefahren haben zudem den Vorteil, dass damit präventive Wirkung erzeugt werde, da die Effekte auf den Arbeitsmärkten in relativer Verzögerung auftreten und auch einigermaßen gezielt beschlossen werden können, also steuerbar sind. Abwrackprämien haben das für die deutsche Automobilwirtschaft bestätigt.
Aber ist das wirklich so einfach? Eine Erhöhung der Staatsausgaben ist strukturell betrachtet ähnlich einer Abwertung der Währung. Macht eine Regierung die Produkte ihrer Leistungsträger billiger, wertet sie ab. Dieses Instrument der Krisenbekämpfung ist nur eins, das den Mitgliedern der Euro-Zone nicht zur Verfügung steht. Deshalb steht auch von Beginn der Euroeinführung an die leidenschaftliche Auseinandersetzung im Raum um die Frage, wie denn jene Staaten der Euro-Zone sich aus einer Krise befreien können sollen, wenn sie über keine, für sie selbst und von ihnen selbst einsetzbaren wirtschaftspolitischen wie auch geldpolitischen Instrumente verfügen?
Das politische Gießkannenprinzip einer durch die EZB allein verfügten Geldpolitik für die gesamte Euro-Zone könne gar nicht zeitlich, dem Volumen nach und sektorspezifisch wirken. Im Prinzip führte dieser Streit dazu, dass Länder zwar der EU, nicht aber dem Euro beitraten. So Großbritannien, Schweden und Dänemark. Schauen wir auf diese drei Länder, dann sehen wir, dass sie, die die Eurokrise innerhalb der EU aber außerhalb der Eurozone verbracht haben nur im Durchschnittsvergleich bessere Arbeitslosenquoten aufweisen. So lagen die Anfang 2017 bei 4,7% (GB) bzw. 6,8% (SE) und 5,7 (Den) gegenüber 9,1% in der Eurozone ist es schon methodischer Unfug, einzelnen Länder mit einem Durchschnittswert von 19 anderen Ländern zu vergleichen, so liegen auch alle Bewertungen und Schlussfolgerungen daraus auf dem gleichen intellektuellen Niveau.
Betrachtet man allein nur die drei Länder mit einzelnen anderen Ländern der Eurozone und dies zum gleichen Zeitpunkt wie auch über einen Zeitraum von 18 Jahren, dann wird man sehen (wir haben darüber ausführlich gehandelt), dass diese scheinbar logische Demarkation zwischen Euro- und Nicht-Eurozone nicht hinreicht. Eine ganze Reihe von Ländern standen mit ihren Arbeitslosenquoten besser da, als die drei Nicht-Euro-Länder4. Wenn also der Euro nicht prinzipiell einen Unterschied in der Arbeitslosenquote bedingt, wenn zudem die geldpolitischen Maßnahmen der EZB wie die geldpolitischen Maßnahmen der drei und aller anderen EU-Staaten strukturell zu ähnlichen Ergebnissen führten, nämlich dass einige Länder davon besonders, einige davon weniger profitiert haben, was macht dann den Unterschied aus, der ja sichtbar ist?
Da ist zuerst einmal die Einsicht, dass Notenbankpolitik, so sie überhaupt ursächlich ist für Arbeitsmarkteffekte und so sie auf unterschiedliche Volkswirtschaften einwirkt, auch innerhalb einer Wirtschaftsgemeinschaft, unterschiedliche Ergebnisse zeitigt. Es kommt eben auch hier zu den o.e. asymmetrischen Effekten, die sich nicht einfach weg-arbitrieren lassen. Nehmen wir also diese Effekte, dann schneidet die Eurozone gegenüber den drei EU-Mitgliedern, ohne den Euro gar nicht so schlecht ab.
Was Kritiker und Experten im Verein mit Populisten aus Politik und Medien gerne übersehen, ist, dass in Deutschland schon mit Prof. Lucke und Herrn Henkel, in Frankreich mit M. Le Pen, in Holland und anderswo unter Zuhilfenahme der Euro-Diskussion eigentlich einen anti-europäische Idee verfolgt wurde, deren nationalistische Ausprägung erfolgreich im Brexit und mit der Präsidentschaft von Donald T. sich realisierte, weitere populistische Parteien bis heute erstarken hilft.
Zu diesen politischen Auswirkungen und den akademischen Unbedachtheiten gesellte sich noch ein finanzwirtschaftlicher Effekt, nämlich die offensive Spekulation gegen die Euro-Krisenländer, zuletzt gegen Griechenland, die die als PIIGS (Portugal, Italien, Irland, Griechenland und Spanien) und neuerdings sogar als GIPSIZ (Griechenland, Irland, Portugal, Spanien, Italien und Zyperns) gebrandmarkten Wirtschaften obendrein noch für schuldig erklärten ob der geldpolitischen und arbeitsmarktpolitischen Krisen dieser Länder; wie nahe Politik und Geld sich mittlerweile gekommen sind, mag auch dieser Zusammenhang bestätigen.
Die so gebrandmarkten ‚Pigs und Gipsiz‘ legten den Grundstein für das Erstarken des Nationalismus, des Protektionismus und Unilateralismus gegen die vernetzten und kooperativen Formen der globalen Wirtschaft, schädigen nicht nur diese, sondern vor allem die Schwellenländer und Emerging Markets und nicht zuletzt sich selbst; ganz vorneweg GB und die USA. Aber was bleibt in der Sache?
Nicht viel. Die krude Behauptung, der Euro teilt die Staaten in hoch verschuldete und nicht verschuldete, kann nicht gehalten werden. Die schwedische Regierung kam, ohne in eine Finanzkrise zu rutschen, durch die schwierigen Zeiten nach der internationalen Finanzkrise. Schwedens Staatsverschuldung war 2008 mit 36,76 Prozent vom BIP nicht sonderlich hoch, stieg 2014 auf ihren Höchststand von 45,54 Prozent, um bis 2018 wieder auf 38,03 Prozent vom BIP zu fallen. Das bei diesen Proportionen auf den internationalen Finanzmärkten kein Zweifel an der schwedischen Zahlungsfähigkeit und -bereitschaft aufkam, wundert nicht. Und kann damit auch nicht als Argument gegen den Euro bzw. die Eurozone herangezogen werden; welch ein logischer Unsinn!
Ob nun Schweden in eigener oder in fremder Währung verschuldet ist, spielt auf den Finanzmärkten so überhaupt keine Rolle. Anders sieht es für GB aus. Hier stieg die Staatsverschuldung zwischen 2008 und 2018 von 49,92 auf 86,34 Prozent, blieb auch nach dem Brexit-Votum auf diesem Niveau und nahm sogar nominell kontinuierlich zu. Der Unterschied zu Schweden ist signifikant. Und auch für GB gilt, die Nicht-Zugehörigkeit zur Eurozone hat sich für GB über die letzten zehn Jahre nicht ausgezahlt; im Gegenteil. GB liegt sowohl über dem EU wie auch über dem Eurozonen-Durchschnitt und dabei sind die Länder Italien und Griechenland dort enthalten, was den Durchschnitt erheblich beeinflusst. Eine negative Beziehung zwischen Euro und Vertrauen der Finanzmärkte zu konstruieren, scheint doch ein wenig abwegig, zumindest so einfach nicht6.
GB ist ein Lehrbeispiel dafür, dass die Volkswirtschaften in Europa, was Zweifel an der Zahlungsfähigkeit und Zahlungsbereitschaft auf den internationalen Finanzmärkten angeht, besser darin beraten sind, einem größeren Wirtschaftsraum anzugehören. Und die Eurozone hat durchaus vergleichbare Schwierigkeiten bei der Staatenfinanzierung wie europäische Staaten, die nicht der Eurozone angehören. Eine Erklärung für positive wie negative Unterschiede muss also in einem erweiterten Zusammenhang zu suchen sein; einfache Erklärungen helfen dabei nicht.
Wir haben gesehen, dass Japan wie übrigens auch GB, gleichwohl wir von einer recht unterschiedlichen Größenordnung der Staatsverschuldung sprechen, insofern strukturell vergleichbar sind, also beide, die japanische Regierung wie die Großbritanniens in London in eigener Währung verschuldet sind, was sich für die Refinanzierbarkeit von Staatsschulden enorm günstig auswirkt.
Vergleichen wir die Politik der EZB mit der von nationalen Notenbanken, dann erkenn wir, dass beide strukturell fast identisch handeln. Nach traditioneller Lehrmeinung, was den Keynesianismus wie den Monetarismus betrifft, handeln nationale Notenbanken dann richtig, wenn sie im Krisenfalle bereit sind, Staatsanleihen ihrer Regierungen in unbegrenztem Maße aufzukaufen. Das tat Draghi ab seinem: „what ever it takes!“
Dieser Kauf von Staatsanleihen durch Notenbanken läuft natürlich bargeldlos indem Notenbanken den Verkäufern auf elektronische Art Einlagen auf ihren Konten bei sich gutschreiben. Das meint Geld schaffen aus dem Nichts, insofern es per Mouseclick bereits in einem Schritt vorher erzeugt wurde als eine Kontengutschrift einer Finanzagentur, die im Auftrag ihrer Regierung Staatsanleihen emittiert hat und sich dazu der Dienste einer Geschäftsbank bedient hat. Welchen Weg in den einzelnen Ländern auch die Emission von Staatsanleihen auch nehmen, stets wird eine Gutschrift einer Kontenverbindlichkeit gegenüberstehen; neues Konto, neues Geld. Und solange eine Finanzagentur oder ein ähnliches Institut im Regierungsauftrag, ob national oder europäisch, Konten eröffnen kann, solang sollte ihr Geld niemals ausgehen können, da sie es ja qua Mouseclick erzeugt.
Diese mysteriöse Konten- und Geldvermehrung wird und wurde von allen Seiten auf das härteste bekämpft und dabei wird aber zunächst einmal übersehen, dass auch mit den Finanzagenturen und in der Folge der Anleihen aufkaufenden Notenbankenkonten Gläubiger-Schuldner-Verhältnisse erzeugt werden, also nichts anderes als neue, rechtlich bindende Wirtschaftsvorgänge, die wie in der Realwirtschaft alle Marktteilnehmer wissen lassen, dass Verbindlichkeiten ausgeglichen werden. Hier, dass alle Marktteilnehmer, die Staatsanleihen kaufen, diese auch an die Notenbanken wieder zurück verkaufen können.
In diesem Rechtsverhältnis ist selbstverständlich der gesamte Marktmechanismus der westlichen Marktwirtschaften enthalten, also auch das Ausfallrisiko in einem begrenzten Maße sowie, ganz wichtig für Finanzmärkte, die Liquidität der Anleihen, also das Marktvertrauen. Staatsanleihen von Staaten ohne Marktvertrauen werden kaum gehandelt, sind also nicht marktgängig bzw. liquide. Wer solche Anleihen kauft, erhält in der Regel einen höheren Zins für das Risiko, das er mit dem Kauf auch rechtlich eingeht.
Was viele Marktteilnehmer bis zur Griechenlandkrise anscheinend glaubten war, eine westliche Volkswirtschaft kann nicht „Pleite gehen“, also einen Teil ihrer Verbindlichkeiten nicht ausgleichen; geirrt. Der Irrtum lag daran, dass durch die Mitgliedschaft in EU und Eurozone die Zinsen für Griechenland Durchschnittszinsen waren und also auf einem Niveau, welches den Marktteilnehmern nicht plakativ signalisierte: Vorsicht Risiko!
Wo kein Ausfallrisiko existiert, gehen selbst in Zeiten schwerer Krisen die Zinsen von Staatsanleihen mittlerweile kaum, und wenn, nur kurzfristig in plakative Höhen, in der Mehrzahl der Fälle aber nicht; im Gegenteil. In Krisenzeiten, wenn Staaten ihre „Titel“ emittieren, gehen die Zinsen sogar eher runter. Dann fallen auch die Renditen im Markt und die Kurse steigen in einem mittleren Zeithorizont, also je länger die Laufzeiten der Anleihen sind, sie sich also bereits auf dem Markt befinden.
Dieser Marktmechanismus gilt aber nicht nur auf staatlicher Ebene. Das wollen die vehementesten Kritiker der Eurozone den Märkten weismachen, dass nationale Währungssysteme gegenüber dem Euro-System, welches ja ein übernationales ist, deutlich überlegen sind. Aus dieser Annahme heraus argumentierten sie gegen den Euro und gegen die Eurozone mit dem Hauptargument, dass allein nationale Volkswirtschaften einen optimalen Währungsraum und damit Währungsstabilität bieten könnten. Und wie wir bereits vorher ausgeführt hatten, war es nicht verwunderlich, dass diese Kritik gerade aus den Lehrstühlen der US-Ökonomik lautstark vertreten wurde. Und auch nicht ganz zufällig erschien die Kritik auf der akademischen Bühne, als der Euro sich als Konkurrenzwährung zum US-Dollar entwickelte.
So standen und stehen bis heute zwei Lehrmeinungen gegenüber, die eine, die das Euro-System als hoffnungslos unterlegen sieht gegenüber nationalen Währungsräumen, die andere, die an die Effizienz der Märkte glaubt und daran, dass im Euro-System bei asymmetrischen Problemen, diese Länder auch in einer asymmetrischen Art und Weise betroffen sein werden und nicht die gesamte Wirtschaftszone.
Ehnts (2017), der die schöne Zusammenfassung der MMT formuliert hat, irrt sich in diesem Punkt doch gewaltig: „Die Basis dafür war die Theorie optimaler Währungsräume, auf deren Grundlage allerdings die US-Amerikaner den Euro ablehnten und die Europäer den Euro befürworteten. Im Nachhinein ist klar: die US-Ökonomen lagen richtig.“
Woran er dieses Urteilt knüpft, wird nicht ersichtlich. Und eigentlich hätte er es doch besser wissen können aus dem theoretischen Ansatz der MMT, den er doch so gut kennt.
Darin wird auch die Frage nach dem, was die Zinskosten auf den Kapitalmärkten bestimmt, gestellt und die Antwort fällt eindeutig aus: „Gelingt es aber, winkt die Belohnung in Form einer dauerhaft besseren Einschätzung des Landes auf dem Kapitalmarkt, also besserer Bonität, niedrigerer Zinskosten und im Gefolge stärkeres Wirtschaftswachstum, jedenfalls langfristig. Je härter dabei der Test, desto größer der Gewinn an Glaubwürdigkeit. Es ist gewissermaßen ein Aufstieg in eine höhere Liga des Finanzmarktvertrauens.“ (Paqué 2015)5
Weder Euro noch der Referenzzinssatz, weder BIP noch Steuerquote, nicht einmal die Staatsverschuldung nominell noch in Prozent vom BIP allein aber bedingen das Finanzmarktvertrauen, da Zinsen im Wirtschaftsprozess Kosten sind, Kosten auf einer Seite, nämlich der des Schuldners, auf der aber, weil dort Zinskosten anfallen, auch Kontogutschriften verzeichnet werden und diese Gutschriften in Höhe der Kreditsumme sind strukturell gleich wie „deficite spendings“, also Staatsausgaben, die ihren Weg über die Geschäftsbanken in die Realwirtschaft finden. Und dass die MMT gerade an diesem Punkt das japanische Beispiel ins Spiel bringt, wo die Staatsschulden etwa 238 Prozent vom BIP, die Zinsen für Staatsanleihen beinahe bei Null liegen und die Arbeitslosenquote bei lediglich 2,8%, also noch deutlich unter der Deutschlands und der USA, macht das Beispiel so plakativ.
Alle diese Werte wären nicht so, wäre das Vertrauen der Finanz- bzw. Kapitalmärkte in Japans Wirtschaft und Politik nicht so hoch. So hoch bedeutet, dass die Märkte keinen Anlass für ein Ausfallrisiko ihrer Investitionen sehen. Kapitalgeber haben eines gemeinsam, sie investieren für vorläufige Wirtschaftstätigkeiten, also im Voraus und damit auch in einer Zeit, die selbst in wirtschaftlich schlechten Zeiten auf eine Erholung oder Verbesserung setzt. Dieses vorlaufende Vertrauen kann man logisch und kategorial nicht bestimmen. Es bildet sich aus einer Vielzahl von einzelnen Elementen und Kapitalmarktdiskursen, bei dem nicht nur harte Wirtschaftsdaten eine entscheidende Rolle spielen.
Wir haben bereits die Wettbewerbsfähigkeit und die Bereitschaft und Fähigkeit zur technisch-technologischen Innovation erwähnt. Natürlich sind das Bildungssystem eines Landes von eminenter Bedeutung, die vorhandenen Infrastruktur wie natürlich auch das politische System und nicht zuletzt die kulturelle Entwicklung des Landes; wir kommen auf alles das zu einem späteren Zeitpunkt noch ausführlicher zu sprechen. Wir halten hier nur kurz fest, dass es Länder in Afrika gibt, die eine Staatsverschuldung vom BIP deutlich unter vierzig Prozent ausweisen, eine stabile wirtschaftliche Entwicklung und andere positive Kriterien, die aber doch kaum Zugang zu den Finanz- und Kapitalmärkten finden; zu Unrecht.
Wir haben an verschiedenen Stellen bereits ausgeführt, dass Zinsen auf unternehmerische Investitionstätigkeiten durchaus positiven wie negativen Einfluss ausüben können, je nachdem, ob sie steigen oder sinken. Zinskosten allein machen natürlich noch kein gutes Investitionsklima. Die Kritik der MMT an Paqué richtet sich entsprechend auch an die heute heftigst umstrittene These, ob niedrige nominale Zinskosten tatsächlich positiv auf das Wirtschaftswachstum und im Gefolge dessen auf die Arbeitsmärkten einwirken. Folgt man den Argumentationen pro und contra der These, wird man gewahr, dass es stets dabei um die Unabhängigkeit der Notenbanken geht. Genau gesagt geht der Streit um die Zinsen parallel mit dem Streit um die Beziehung zwischen Politik und Geld (Notenbank), also der Frage, wie nah diese Beziehung überhaupt sein sollte, sein darf.
Dass der derzeitige Präsident der USA lauthals und kontinuierlich niedrige Zinsen fordert und keine Scheu dabei entwickelt, sich öffentlich in die Belange der Fed bis hin zu Personalfragen einzumischen, ist nicht der Auslöser, aber eine Folge dieses akademischen Streits. Also ist es kein Zufall, dass am Sitz der weltweit einflussreichsten Notenbank und der weltweit einflussreichsten, akademischen Ökonomen sich die Frage nach den Zinsen als eine hoch politische Frage herausstellt.
In diesem Streit exponieren sich die Vertreter der MMT und der französische Ökonom Thomas Piketty wie vornweg die amerikanischen Notenbanken und Ökonomen Olivier Blanchard und Lary Summers. Ursache des Streits ist wie so oft, dass die Empirie sich fortentwickelt von bewährten Modellen der Ökonomie. Bewährt mein in diesem Zusammenhang einen Zeitraum von knapp dreißig Jahren, denn solange lediglich behaupten die wichtigsten Notenbanken der Weltwährungssysteme ihre Unabhängigkeit; längst aber nicht alle. In der Sache darf man die Geldpolitik der letzten dreißig Jahre auch als in die Krise geraten betrachten. Die Koordinaten der Geldpolitik, die Wirkungen der Referenzzinsen auf Wachstum und Arbeit haben sich sichtbar verschoben. Und dies nicht in den Schwellenländern, sondern geradezu im Herzstück der modernen Geldpolitik, in den entwickelten Volkswirtschaften.
Wir haben ausführlich beschrieben, wie schwer sich die Notenbanken, vor allem die Fed damit tut, überhaupt noch eine wirksame Geldpolitik zu formulieren in einer Welt, die zugleich aus niedrigem Wachstum, niedrigen Zinsen und niedriger Inflation besteht. Dieser, aus ökonomischer Sicht alogische Dreiklang ist zudem keine vorübergehende kurze, atypische Phase, sondern ein durchaus dauerhafter Zustand und kann somit nicht als sonderbares Ereignis, das vielleicht sogar als Ausnahme noch die Regel bestätigt in die akademischen Lehrbücher abgeheftet werden. Um eins vorweg zu nehmen, der akademische Diskurs scheint langsam zu der Einsicht zu kommen, dass er einer Theorie der Politischen Ökonomie nicht mehr ausweichen kann.
Während die MMT also in diesem Streit die Grenzen zwischen Finanz- und Geldpolitik ganz einreißen will, also eine Politische Ökonomie fordert, bei der nicht nur die Unabhängigkeit der Notenbanken zu Fall gebracht werden, fordern die o.g. Notenbanker und Ökonomen eine Art der Kooperation zwischen beiden Bereichen, Politik und Geld bzw. Finanz- und Geldpolitik. Eins scheint schon geopfert, die Trennung beider Bereiche und wie stets wird die Dialektik als neues Denken berufen, nun als eine Form der Kooperation zwischen Banken und Politik, die nicht ganz zu Unrecht von der MMT als Augenwischerei bereits tituliert wurde.
US-Ökonom Larry Summers, der prominenteste Vertreter dieser These von einer engeren Kooperation zwischen Geld- und Finanzpolitik kommt nicht umhin einzuräumen, dass der Staat allein deshalb mit seinen Ausgaben künftig eine größere Rolle spielen muss, weil es den Notenbanken bei niedrigen Zinsen im Verein mit niedriger Inflation und niedrigem Wachstum nicht mehr gelingt, viel, wenn überhaupt noch etwas auszurichten. Damit eröffnet er in der Kooperation zwischen Geld und Politik aber keinen Lösungsweg, sondern verkennt, dass er damit die bereits bestehende Verschränkung von Politik und Geld als praktisch wirkungslosen Versuch bestätigt.
Dem folgen Blanchard mit seiner Auffassung, dass Notenbanken, speziell in den USA und in Deutschland, also in Ländern mit einer aktiven Finanzpolitik oder einer aktiven Exportpolitik in einer Zeit niedriger Zinsen eine höhere Verschuldung riskieren sollten, deutlich höher als bisher (in Deutschland z.Zt. ca. 60% /BIP, USA ca. 90%). Und klang dies bis hierher schon wie MMT, dann bestätigt dies auch seine Auffassung, dass die steigenden Nettoverschuldungen der Staaten in dem Maße erfolgen sollen, wie der Überschuss privater Ersparnis aufzufangen in der Lage ist.
Nun da alle theoretischen Hemmnisse zur MMT gefallen sind, fragt man sich, wo ist denn nun noch der Unterschied zu der Auffassung, die Grenzen zwischen Geldpolitik und Finanzpolitik gänzlich freizugeben und dem japanischen Beispiel so weit zu folgen, die Staatsschulden mindestens bis zur Höhe der privaten Ersparnisse ansteigen zu lassen?
Piketty kehrt das Ganze einfach um und behauptet, das enorme Wachstum in Europa und den USA, das nach dem Zweiten Weltkrieg die entwickelten Industriegesellschaften beglückte, sei so wie so lediglich als eine Ausnahme in der Theorie zu betrachten, also als ein logischer Einzelfall und demonstriert damit, wie weit die Ökonomik noch von einer Theorie der Politischen Ökonomie entfernt ist.
Europa und die USA gründeten ihre Wachstumsraten nicht auf einen historischen Zufall; wer das glaubt, glaubt auch an den Klapperstorch. Ernst wird es, schaut man hinter die Kulissen dieser theoretischen Auffassungen. Sie glauben zunehmend mehr und lauthals, dass der o.e. Dreiklang von niedrigen Zinsen, Wachstum und Inflation sowie daraus folgender, drohender Massenarbeitslosigkeit heute aus dem Zusammentreffen einer überalterten Bevölkerung mit zu hohen Ersparnissen und zu geringen Investitionen durch den öffentlichen und den privaten Sektor bestehen, wobei die Sparsumme und die Alterspyramide die Investitionszurückhaltung bedingt. Fatale Erinnerungen werden dabei wach, geht es doch fast schon wieder Menschen, die zu lange leben und auch noch privates Geld der Ökonomie vorenthalten an den Kragen. Zynisch könnte man meinen, man nehme den Alten ihre Ersparnisse und gebe sie der Wirtschaft, dann erledigt sich auch mittelfristig die verkehrte Alterspyramide; verkehrt, weil ökonomisch ausgeschiedene Menschen auf dem Rücken ökonomisch aktiver existieren – Ökonomie als Lebensborn. Das ist bei weitem nicht das japanische Modell.
Natürlich nimmt man den Alten die Ersparnisse nicht einfach weg; dafür gibt es heute scheinbar sozial-verträglichere Methoden. Entwickelte Volkswirtschaften könnten doch, die Verschränkung von Geld und Politik vorausgesetzt, die Staatsschulden generell erhöhen und damit auch besonderen Druck auf jene Regierungen aufbauen, die sich in wirtschaftlich guten Zeiten mit sogar Minuszinsen bei Bundesanleihen, wie etwa Deutschland, den Investitionswünschen reserviert gegenüber zeigen. Druck, der spätestens dann sich dramatisch erhöht, wenn diese entwickelten Länder selbst in eine Krise geraten. Dann zieht auch nicht mehr das Argument einer Zinsfalle, also einer zur Gegenwirkung verschränkten Geld- und Finanzpolitik, die sich dann wie in Europa in steigenden Salden der Target-Konten niederschlägt – wir kommen darauf zurück.
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[title]Begriffe – Anmerkungen – Titel – Autoren[/title]
Nettofinanzvermögen – kommunizierende Röhren – Steuerquote
1 Ehnts 2017. S. 92
2 Die Steuerquote gibt rechnerisch das Verhältnis zwischen den Steuereinnahmen und dem Bruttoinlandsprodukt in Prozentpunkten an.
3 Wray, L. Randall (2000): What is money and where did it come from? In: Smithin, John (Hrsg.): What is Money? London: Routledge, S.42-66. S. 50
4 Vgl. Europa-Arbeitslosenquoten PDF.
5 Paqué, Karl-Heinz (2015): Die Rückkehr der Ideologien. In: Perspektiven der Wirtschaftspolitik 16 (3), S.302-321.
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Paqué, Karl-Heinz (2015): Die Rückkehr der Ideologien. In: Perspektiven der Wirtschaftspolitik 16 (3)
Karl-Heinz Paqué (* 4. Oktober 1956 in Saarbrücken)
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