Wir sehen in der Aufregung über drastisch sinkende Beschäftigung durch Automatisierung und Digitalisierung zur Zeit ein psychologisches Phänomen, das durch den wissenschaftlichen wie den öffentlichen Diskurs konstituiert wird. Die Angst vor Arbeitslosigkeit ist aber ein Sentiment und noch keine Tatsache. Besonders aus der Diskussion um die Künstliche Intelligenz (KI) wird diese sentimentale Sichtweise befördert.
Wir haben den Rahmen so eben eingegrenzt, aus dem heraus diese Sichtweise entsteht. Der tätigkeitsbasierte Ansatz sieht in der Technischen Entwicklung einmal die Substitution von menschlichen Routinetätigkeiten durch Automatisierung. Der Ersatz prekärer Beschäftigung durch Roboter und andere mechanische Vorrichtungen ist darin immanent. Daneben bewirken Computerarbeitsplätze arbeitseinsparende Effekte, die mittlerweile ebenso zu den prekären Beschäftigungen zählen, es sei denn, sie gehören zu den kreativen, kognitiven, abstrakten und interaktiven Tätigkeiten, die am anderen, oberen Ende der Lohnskala angesiedelt sind. Eine trennscharfe Unterscheidung zwischen manuellen und kognitiven Tätigkeit mag ja noch einigermaßen gelingen. Das aber gelingt wenig bis gar nicht, wenn es um die „Hierarchie“ der kognitiven Fähigkeiten selbst geht, die von der KI ersetzt werden sollen.
Trotzdem schein ausgemacht, dass Automatisierung und KI in den höher entwickelten Industriegesellschaften zu einem dramatischen Beschäftigungsverlust führen müssen, sowohl was den Bereich der manuellen Tätigkeiten am unteren und der kognitiven Tätigkeiten am oberen Ende der Lohnskala betrifft. Dieses U-Profil der Beschäftigung, diese Art der Polarisierung mit ihren ökonomischen und sozialen Folgen stellt das aktuelle Zeichen einer ökonomischen Krise dar.
Von der Hypothese der Polarisierung von Beschäftigung und Lohnstruktur abgeleitet werden milde, atypische Formen der manifesten Veränderungen, so die deutliche Zunahme geringfügiger Beschäftigung und die Zeitarbeit, die vor allem in gering entlohnten Teilbereichen des Dienstleistungssektors angestiegen sind und die befristete Beschäftigung, die auch in höher bezahlten Bereichen zugenommen hat.
Exzessive Praktika und alle möglichen Formen von Probe- und Teilzeitbeschäftigung bis hin zu den akademischen Formen von zeitlich efristeten Lehraufträgen im öffentlich-rechtlichen Sektor, den Akademien, Fachhochschulen und Universitäten, die schier an Selbstausbeutung grenzen, scheinen eine eindeutige Sprache zu sprechen. Und dies ist auch eine nicht zu relativierende Realität. Nimmt man aber nur ein anderes Kriterium, die Produktivität etwa hinzu, dann sieht man gesamtwirtschaftlich, dass, obwohl von 1960 bis 2010 das Arbeitsvolumen pro Erwerbstätigem um 31 Prozent, das Arbeitsvolumen pro Einwohner um 29 Prozent auf Deutschland bezogen (bis 1990: Westdeutschland; ab 1991: Deutschland) gesunken, die Lohnsumme aber stark angestiegen ist.
Was in der Ökonomik als Phänomen der strukturellen Arbeitslosigkeit gilt, wird oft mit dem bereits unprobaten Mittel einer Flexibilisierung des Arbeitsmarktes versucht zu parieren. Diese wirtschaftsliberalen Rezepte glaubten noch an eine nationale Kompensationstheorie, wonach man durch den Technischen Fortschritt hervorgerufene Arbeitslosigkeit und Polarisierungen am Arbeitsmarkt, inklusive deren atypische Ausprägungen in bestimmten Branchen durch Schaffung von Arbeit in anderen, am besten noch bildungsspezifisch angrenzenden Branchen begegen könnte.
Wie groß auch das Wort: liberal auf diese arbeitsmarktpolitischen Theorien geschrieben stand, sie alle wollten noch bis ins neue Jahrtausend die Arbeitsmigration aus einer in eine andere Volkswirtschaft vermeiden. Übrig geblieben von dieser Kompensationstheorie sind allenfalls Qualifizierungs-Ansätze und andere, arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, die vor allem am unteren Ende der Lohnskala prekären Beschäftigungen zu minimieren. War dies gegen die Polarisierung der Arbeitsnachfrage gerichtet, wollte man also dem wachsenden Grad an Automatisierung und Digitalisierung dadurch begegnen, dass aus prekären Beschäftigungen dauerhafte und höher qualifizierte in anderen Berufsfeldern würden; ein nachhaltiger Effekt konnt so allein nicht verzeichnet werden.
Berufliche Qualifizierungen und Nachqualifizierung, berufliche und betriebliche Weiterbildung, speziell auf Unternehmen zugeschnittene In-House-Schulungen und E-Learning-Angebote, Training on the job, Homeworking usw. sind nur ein paar wenige Maßnahmen, die sich in den letzten beiden Jahrzehnten auf dem Arbeitsmarkt schier inflationär ausgeildet haben. Fast jeder zweite deutsche Berufstätige nimmt an solchen Maßnahmen teil; nicht einmal im Berufsleben, sondern Jahr für Jahr.
Die Entwicklung des Technischen Fortschritts in der Wissensgesellschaft sowie die damit scheinbar verbundene Notwendigkeit eines lebenslangen Lernens bzw. einer berufliche Weiterbildung, scheinen es erforderlich zu machen, berufliche Fähigkeiten und berufliches Wissen auch nach der beruflichen Erstausbildung zu erhalten, anzupassen und zu erweitern. Neben dem technisch-technologischen Fortschritt ist die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit oberste Prämisse bei allen diesen Maßnahmen.
Was man bereits in diesem Stadium erkennen kann, ist, dass menschliche Arbeit in einer Form dauerhafter Anpassung an die Technische Entwicklung statt findet. Der entscheidenen Paradigmenwechsel zur KI besteht immanent in dieser theoretischen Maxime darin, dass nicht mehr Technik und Arbeit sich gegenseitig manipulieren, sondern Technik selbst zur Manipulation von Arbeit sich entwickelt. Manifest wird dies in der Robotik.
Robotik ist die Freisetzung manipulativer Intelligenz in die Arbeit. Roboter erbringen in einem hohen Grad und bereits in deutlicher Fertigungstiefe Manipulationen von menschlicher Arbeit wie etwa Lackieren, Schweißen, Nieten und eine schier unendliche Vielzahl an anderen Manipulationen. Gefährliche Tätigkeiten bei der Suche und Vernichtung von Minen bis hin zu militärischen Einsätzen werden heute durch Roboter und Drohnen verrichtet, aber auch Service- und Assistenzsysteme kommen zum Einsatz, die manipulative Arbeit leisten.
Gleichwohl wir hier noch im Bereich der sogenannten einfachen KI uns bewegen und nicht im Bereich der AI, also artificial intelligence, ist schon dieser Bereich prognostisch mit drastisch zunehmender Arbeitslosigkeit auf breiter Ebene wissenschaftlich verbunden. Die simple Frage: warum streben gerade Deutschland und China so vehement an, Weltmarktführer – neben den USA – im Bereich der einfachen KI zu werden, wo doch gerade diese Technologie zu Massenarbeitslosigkeit führen wird, muss gestellt werden?
Wir haben bereits besprochen, dass ein tätigkeitsbasierter Denkansatz hier wenig weiterhilft. Um diesem fast schon leidenschaftlich vorgetragenen Ansinnen von Deutschland und China auf die Spur zu kommen, reicht es auch nicht aus, dem die notorisch unterstellte Gewinnsucht kapitalistischer Unternehmen als Grund zu unterstellen. Weder die wissenschaftliche Intelligenz noch die technologie- und system-kritische Intelligenzia helfen hier weiter. Ein ganz anderer Ansatz ist vonnöten, um dem in diesem volkswirtschaftlich fast selbstmörderisch klingenden Ansinnen nach zu kommen, die Transformation der Weltwirtschaft durch Devisenbwirtschaftung.
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prekäre Beschäftigung – U-Profil der Beschäftigung – strukturelle Arbeitslosigkeit – Arbeitsmigration – Manipulation von Arbeit
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