Kreislauf der Devisenwirtschaft

Devisen erzeugen Importnachfragen. Exporteinnahmen führen zu Kapitalexporten in Form von Forderungsrechten in Staatsanleihen. Und diese wiederum finanzieren weitere Importnachfragen. Ob man nun das Anleihenkaufprogramm der EZB hier mit einreiht oder es nur aus der Sicht der US-Staatsanleihen betrachtet, sichtbar wird, dass zwischen Angebot und Nachfrage bzw. auf globaler Ebene zwischen Importen und Exporten ein Regierungssektor der Geldwirtschaft dazwischen geschaltet ist. Dieser Regierungssektor ist zu betrachtet wie ein Finanzakteur, wie ein aktiver Investor, der gewissermaßen in sich selbst investiert. Der Machterhalt einer Regierung, nebenbei vermerkt, hängt also nicht unwesentlich davon ab, in wie weit eine Regierung auf den globalen Märkten aktiv ist.

Aufgrund enormer Exporte und riesiger Investitionsprogramme ist es China gelungen, etwa eine Milliarde seiner Bürger aus der bittersten Armut zu holen. Den Bürgern der USA erlauben die nicht selten mit zweifelhaften Werten verbrieften Schuldpapiere einen viel höheren Lebensstandard, als ihn die US-Wirtschaft allein bieten könnte. Europäische Staaten, die trotz ihrer enormen Staatsverschuldungen weit über ihre Verhältnissen gelebt haben, erlauben die Gläubigerstaaten ein moderates „Weiter-so“.

Natürlich zahlen gerade die Bürger mit spürbaren Wohlstandseinbrüchen bis hin zu Armut die Hauptzeche, die am wenigsten von der Devisenwirtschaft profitiert haben. Insgesamt gesehen und dies könnte man am Beispiel Deutschlands paradigmatisch belegen, sind zwar die Lohnsummen und andere Einkunftsarten in Summe gestiegen, also der „Wohlstand der Nationen“ hat sich vergößert, trotzdem ist die nominelle Armut in Relation zum Reichtum gewachsen und das Armutsrisiko hat bereits den sog. Mittelstand erreicht.
Das liegt natürlich daran, dass die viel zitierte Schere zwischen Arm und Reich immer weiter sich öffnet, ist aber keine für uns hinreichende Erklärung.

Zentralbankbilanzen sind, anders als kurzlaufende Sichteinlagen, sehr geduldig. Die Zinsen und Tilgungszeiträume, die die EZB etwa Griechenland für die Rückzahlung der gewährten Liquiditätslinien eingeräumt hat, sind auf Jahrzehnte gerechnet und können, unter Annahme hochwahrscheinlicher Prämissen nicht nur als Schuldenvergemeinschaftung und -stundung auf ‚ewig‘, sondern auch als Entschuldung bzw. Schuldenprivatisierung beschrieben werden.

Betrachtet man die derzeitige politische Situation in den USA, dann vernimmt man jetzt schon die Sorge, dass der Kreislauf der Devisenwirtschaft empfindlich gestört werden könnte mit unabsehbaren Folgen. Die US-Steuerreform, ein Billionen Dollar Weihnachtsgeschenk an überwiegend „Reiche“, hat die Staatsverschuldung, die bereits hoch war, noch weiter erhöht. Weitere Ausgaben und vor allem die Drosselung der globalen Finanzströme, die durch die Einschränkungen des globalen Handels über Zölle entstehen, sind in Bezug auf das US-Haushaltsdefizit fatal.

Zu meinen, felix germania, ist es ebenso. Gerne wird wie in einer Backstube der steigende Absatz von Schrippen auf den gestiegenen Fleis der Bäcker zurückgeführt. Aber aus mikroökonomischen Annahmen, die schon in der Mikroökonomie selbst höchst zweifelhaft sind, wird keine Logik für die Makroökonomie, schon gar nicht im globalen Netz.
So erklärt sich der anhaltende Exporterfolg der deutschen Wirtschaft nicht durch zunehmenden Fleis, auch nicht, wie dies gerne geschieht, durch größere Effizienz und Produktivität. Der Exporterfolg ist auch ein Erfolg des Euro‘. Und weil der auf diesem niedrigen Niveau im Wechselkurs mit anderen Währungen, besonders zum Dollar hin, nun schon seit langen Jahren verharrt, ist die deutsche Wirtschaft von Preissteigerungseffeten verschont, die unweigerlich eingetreten wären, rechnete sie noch in D-Mark ab.

Die Aufwertung der D-Mark resp. des Euro verhindert der gemeinsame Markt, von dessen Gefälle die deutsche Wirtschaft über die Maßen profitiert. Eigentlich müsste der Wechselkurs des Yuan frei gegeben werden, woran aber in Chinas Machtzentrale niemand denkt. Und ebenso vernünftig wäre, wenn zwischen Deutschland und Italien oder Griechenland ein anderer als der feste Wechselkurs des Euro bestehen würde. Auch dieses Thema ist tabu.
Und dabei stellt sich nach und nach die Erkenntnis ein, dass an diesem Devisenwirtschaftssystem irgend etwas nicht stimmt. In der Ökonomik begreift man langsam, dass die gewünschten und die erwarteten Effekte aus den Handelsüberschüssen sich nicht einstellen; im Gegenteil. Das liegt daran, dass wir nicht nur den Goldstandard aufgelöst haben, der noch einen Handelsüberschuss als einen Wert an sich definiert hat. Vor den 68er Jahren bedeutet ein positives Ergebnis im Außenhandel einen entsprechenden Zufluss an Edelmetallen und mit diesem „Mehr“-wert an Edelmetallen stieg die verfügbare Liquidität innerhalb einer Volkswirtschaft. Dies bedingte einen Zuwachs an Geld, das von der nationalen Notenbank nun gedruckt werden konnte und einen Zuwachs an liquiden Mitteln für die Wirtschaft in Form von Investitionskrediten z.B., die von den privaten Geschäftsbanken vergeben werden konnten.

Heute müssen weite Teile der Erwerbsbeschäftigten nach und nach erkennen, dass unsere Exportwirtschaft zwar zu mehr Beschäftigung und auch zu noch mehr Arbeit für den Einzelnen führt, aber nicht zu einem realen Lohnzuwachs. Zumal, wenn man die reellen Rentenkürzungen, wie nur etwa die bescheuerte Riesterrente, die die Kürzungen bei der staatlichen Rente überhaupt nicht kompensieren, allenfalls verschleiern kann, die Mietenentwicklung und Abgabenhöhungen etc. hinzu zählt. Einige wenige Ökonomen verstehen, dass die Deutschen stolz sind auf ihre Handelsüberschüsse und dass darin selbstverständlich ein Beweis für die eigene Leistungsfähigkeit, die Leistungsfähigkeit der deutschen Exportwirtschaft insgesamt und im besonderen des Maschinen- und Anlagenbaus gesehen wird. Das ist ja nun auch der hörbare Tenor allenthalben, vorgetragen des öfteren von der Präsidentin des IWF, Lagarde, und anderen Repräsentanten europäischer Regierungen und Institutionen. Gleichwohl wissen alle, so ist jedenfalls zu hoffen, dass nicht der Überschuss, sondern der Export an sich die Qualität und Beliebtheit deutscher Exportwaren widerspiegelt.

Der Exportüberschuss verursacht allenorts wirtschaftspolitischen Ärger, steht ihm kein entsprechender Import gegenüber. In dieses Horn bläst auch gerne der US-Präsident, wohl wissend, dass am Exporterfolg an sich wenig auszusetzen wäre, zumal man ja einer Volkswirtschaft kaum empfehlen kann, von sich aus ihre Waren oder Teile ihrer Exporte wie etwa Automobile aus Freundschaft zu den importstarken aber exportschwachen Ländern solange zu verbilligen, bis der Handelsüberschuss abgebaut ist. Oder, alternativ dazu, schlechtere Waren zu verkaufen, bis keiner mehr sie haben will. So dümmlich solcherart Diskussionen klingen, so sehr werden sie in der Öffentlichkeit geführt. Nicht von Laien, von Experten.

Was in diesen Diskussionen notorisch übersehen wird, ist aber die Auswirkung einer, auf keine Referenzwerte mehr bezogenen Devisenwirtschaft, wie man dies am Beispiel der Target-2-Salden gut erkennen kann. Einige Ökonomen betrachten die, mittlerweile auf über 1 Billion Euro angewachsenen Target-2-Salden der Bundesbank als Ergenbnis einer Art Kapitalflucht, wie wir sie am Beginn der Griechenlandkrise vor ein paar Jahren erlebt haben. Andere Ökonomen sehen darin gewissermaßen den geradezu umgekehrten Fall eines großen Geldzuflusses durch die Anleihenkäufe anderer Notenbanken im Rahmen der EZB-Geldpolitik. Wieder andere sehen darin sogar eine Art Verrrechnungskonto von unkündbaren Überziehungskrediten; forschte man weiter, bekäme man gewiss auch weitere Thesen, die die Target-2-Salden fast beliebig mit etwas in der modernen Geldpolitik bzw. der modernen Geldwirtschaft in Relation bringen.

Und darin liegt dann auch die Schweirigkeit. Denn niemand weiss wirklich genau, welche Ursachen der unbestreitbar hoche Geldzufluss hat. Kennt man die Ursachen nicht, bleiben auch die Zwecke, die Absichten und die Motive, die mit diesen Salden verbunden sind, im theoretischen Dunkel.
Fakt ist, die Target-2-Salden sind Salden und keine Konten. Trotzdem wird über diese Salden der Zahlungsverkehr der Notenbanken im Euro-Raum abgewickelt. Das geht, ist aber nicht vergleichbar mit den sonst üblichen, kontengestützten Zahlungstransfers. Bei den Target-2-Salden bedeuten positive Salden Forderungen, negative Salden Verbindlichkeiten nationaler Notenbanken wie der Bundesbank gegenüber der Europäischen Zentralbank, und dies bedeutet, dass also unterm Strich sehr viel Geld in ein Land hinein- oder aus einem Land hinausgeflossen ist.
Und weiterhin Fakt ist, dass weil der Bundesbank-Saldo seit drei Jahren auf fast eine Billion Euro angestiegen ist, seitdem viel Geld nach Deutschland geflossen ist.

Man stelle sich vor, die schwäbische Hausfrau entdeckt ein Konto, auf dem binnen drei Jahren eine Summe von einer Billion Euro eingegangen ist. Sie wird wahrscheinlich eine Anfrage an ihre Bank stellen und herausfinden woillen, woher das Geld gekommen ist. Das ist jederzeit möglich. Wenn nun dasselbe in der Bundesbank geschieht, dort aber niemand genau weiß, woher die Gelder kamen und zu welchem Zweck sie verbucht wurden, macht die Angelegenheit viele nervös. Und so ist es auch. Selbst die Bundesbank wird die Anfrage der schwäbischen Hausfrau mit einer These beantworten, beantworten müssen, weil ja auch das Direktorium der Bundesbank keine Konteneinsicht hat, das es ja keine Konten gibt.

Die Bundesbank nun vertritt bezüglich ihrer Target-2-Salden die These, dass das Anschwellen in summa in erster Linie eine Folge der Anleihekäufe anderer Notenbanken im Rahmen der EZB-Geldpolitik ist. Dass lässt vermuten, dass andere Notenbanken über die Bundesbank Geld an internationale Banken, von denen viele ihren Sitz in Deutschland haben, also an die internationalen Verkäufer der Anleihen überwiesen haben. Das alles wäre nicht nervenaufreibend, wären die Salden nicht so wie sie sind und könnte die Bundesbank jederzeit intervenieren. Dem aber ist nicht so. Würde die Bank die Salden begrenzen, hätte das keinerlei Einfluss auf die Frage: wer steht denn hinter den Geldzuflüssen und gibt es mit den Zuflüssen auch Risiken und wen betreffen diese Risiken überhaupt?

Wir kennen also die Geldzuflüsse, kennen die Salden dieser Zuflüsse. Aber wir kennen weder den Nutzen noch das Risiko. Wir können eine These vertreten und uns danach verhalten, theoretisch natürlich nur, da ein praktisches Verhalten keinen Maßstab und damit auch keine Legitimität hätte. Nervenaufreibend allein ist, und das macht die Angelegehenheit nicht leichter, im Gegenteil enorm viel schwieriger, dass, wenn die These der Bundesbank richtig ist, es zur Zeit aus wissenschaftlicher Sicht weder einen Geschädigten noch eine Ursache für einen Schaden gibt. Haben die Salden also mit der EZB-Politik zu tun und ist ein Szenario vorstellbar, bei dem die Salden aufgelöst werden müssten, dann wäre dies der Zerfall der Euro-Zone. Dann bliebe die Bundesbank auf heute einer Billion Forderungen gegenüber anderen Notenbanken sitzen; wahrscheinlich lebt der Euro noch eine Weile und also werden die Salden deshalb auch weiterhin noch anwachsen.
Schlussendlich blicken wir hier auf die Marktwirtschaft als ein Spiel: Alles oder Nichts. Entweder funktioniert der Euro, oder Europa ist pleite, und nicht nur Europa. Die marktwirtschaftlich ultimative Logik des Wettbewerbs: The Winner Takes It All, bekommt nun eine neue Dimension. Hat die Marktwirtschaft alle Anstrengungen unternommen, um das Aufkommen von Monopolen zu begrenzen, entdecken wir monoplartige Strukturen nun in der staatlich verursachten Devisenwirtschaft, die in der Lage ist, als eigentlich kleine Sub-Ökonomie der privaten Geldwirtschaft, diese komlett zu beherrschen. Ein gruseliges Szenario.

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