Wissen steht einer Vermarktung im Wesen kontradiktorisch gegenüber. Wissen schließt eine Vermarktung mithin aus. Wir haben gesehen, was passieren muss, damit Wissen marktgängig wird: wir müssen Wissensträger personalisieren, müssen eine juristische Ebene zwischen Wissen und Diskurs schalten, das Privateigentum. Wir müssen im juristischen Sinn Privilegien schaffen, also Marktzugänge regeln und Marktformen bestätigen; hier das Monopol. Schlussendlich müssen wir Wissen als Allmende, als Form und Ergebnis eines transgenerativen und transkulturellen Diskurses aufheben.
Ist Wissen erst einmal kommodifiziert, also prinzipiell einer monetären Bewertung als Ware zugeführt, folgen die Marktmechanismen unverzüglich. Das sind vor allem Markt-Segmentierung als Folge einer Segregation von Wissen, Entwicklung der Marktsegmente durch investives Verhalten zum Zwecke der Kapitalisierung; d.h. in diesem Kontext die Umwandlung von Sachwerten in Kapital, also von nun monetär bewertbarem Wissen in kapitalisierbares Wissen.
Die Kapitalisierung auf den verschiedenen Kulturmärkten erfolgt wie bei jeder anderen Ware, hat aber durch die Monopolstruktur gerade für Investoren interessante Voraussetzungen. Dort, wo lukrative Märkte locken, fließen selbstverständlich auch die größeren Investments in den Handel sowie in in die Vermarktung.
Auf dem sog. Zweitmarkt der Kunstauktionen wurden von den letzten einhundert Verkäufen über 99% von zwei Aukionshäusern, Christie’s und Sotheby’s getätigt. Der Umsatz mit Kunstwerken belief sich im Jahr 2016 bei Sotheby’s auf 805,4 Millionen USD.
Christie’s, von James Christie im Jahre 1766 gegründet, ist heute mit großem Abstand weltweit führend auf dem Kunstmarkt, vor allem was Auktionen betrifft, und machte im Jahr 2015 einen Umsatz von 4,8 Milliarden Pfund/7,4 Milliarden US-Dollar.
Allein schon diese Zahlen belegen eine Marktdominanz, die in anderen Marktsegmenten ihres gleichen sucht. Fast den zehnfachen Umsatz zum Brachenzweiten auszuweisen, ist selten in anderen Segmenten und zeigt die monopolistische Struktur auf dem Auktionsmarkt. Ähnlich, aber nicht ganz so dominierend, ist die Situation auf dem Markt der Gallerien, wo einige wenige den Weltmarkt dominieren und mit erheblichen finaziellen Aufwendungen für Marketing und marketing-ähnliche Aktivitäten, oft über der Grenze von 1.0 Mio. USD auf dem Segment der zeitgenössischen Kunst, Künstler binnen kürzester Frist von Nobodies zu Weltstars mit entsprechenden Einkommen werden lassen.
So dominieren lediglich zwei zeitgenössische Künstler den Auktionsmarkt bei den teuersten unter den Hammer gekommenen Bildern lebender Künstler weltweit – drei Mal Koons, vier Mal Richter. Viel Platz für andere Namen bleibt da nicht. Jasper Johns und Ed Ruscha sowie Cui Ruzhuos finden gerade noch Platz in dieser Hitliste des Kunstmarktes mit Werken lebender Künstler1, die sich mittlerweile zu wahren Spekulationsobjekten entwickelt haben mit einem gewissen Beigeschmack aufgrund der doch arg kleinen und in sich abgeschlossenen Community von Insidern.
Bei den Preisen, die mittlerweile für Kunstwerke aufgerufen werden, tuen sich selbst große, staatlich geförderte Museen schwer mit Ankäufen. So belief sich der gesamte Kulturetat der BRD im Jahr 2009 auf etwas mehr, als der Umsatz von Christie’s in 20162. Der Markt also bestimmt hier, was Kunst ist, welchen Wert sie hat und wer bzw. wo man sie zu sehen bekommt. Und auch, wer als Künstler anerkannt wird.
Ein Diskurs, abseits von den einschlägigen, notorisch inhaltsleeren Aufzählungen von Verkaufspreisen und Rankings in den Medien – und das reproduzieren fast ausnahmslos alle Medien und Mediengattungen – findet kaum noch statt. Nähme man die bildenden Künste und vor allem die Malerei, dann wäre ein Urteil wie: Kunst als ein Gemeingut existiert nicht mehr nahe an der Wahrheit.
Während also einerseits die Kulturarbeit immer mehr unter die Mechnismen der Marktwirtschaft gerät, zeigt es sich, dass diese Mechanismen andererseits für das Feld der Kulturarbeit ungeeignet sind. Viel mehr Künstler müssten ein Auskommen durch ihre Arbeit haben, aber allein schon der Versuch, anstelle der Monopolstrukturen im Kunstmarkt oligopole Strukturen zu setzen, verfängt nicht. Wäre dem so, müssten zahlreiche Autoren und Kunst-Fotografen materiell erheblich besser gestellt sein.
Besonders Autoren hätten bei der Reproduktion ihrer Werke bessere Voraussetzungen, zumal mit den Neuen Medien und der Digitalisierung die Verbreitungskosten gegen Null gehen und so den Verlagen einen recht großen Spielraum der Preissetzung bzw- -findung gestatten.
Zwar gibt es eine zarte Diskussion, das vorherrschende Subskriptionsmodell durch ein Modell mit dem schönen Namen: Open Access zu ersetzen, ein global funktionierendes Preismodell jedoch ist nicht in Aussicht. Und ohne ein globales Modell funktioniert ein „freier Zugang“ zum Wissen nicht, da sonst die Unterschiede in den Geschäftsmodellen der verschiedenen Verlage, wissenschaftlicher wie nicht-wissenschaftlicher Autoren – schlussendlich wieder zu Wettbewerbsverzerrungen und Konzentration führen würde.
Die viel gepriesene „Marktrationalität“3 verfängt allein deshalb schon nicht, weil sich auf Allmende oder anders gesagt, auf kulturelle Güter die Marktmechanismen nicht anwenden lassen. Wir haben das in den zwei großen Bereichen, die uns als Illustration und Beispiele dienten, aufgezeigt: Im Bereich der produktiven, unbezahlten Arbeit und im Bereich Wissen. Allein diese beiden Bereiche machen schon einen erheblichen Anteil an der gesamten Wirtschaftsleistung einer Volkswirtschaft und auch in der globalen Ökonomie aus.
Wenn wir also Allmende ökonomisch bestimmen4 als gemeinschaftliches Eigentum mit gemeinschaftlichen Nutzungsrechten, dann entzieht sich dieser Produktionsfaktor dem Markt nachhaltig, um nicht zu sagen kategorial.
Gerade weil die Allmende nicht ökonomisch bestimmt ist, kann sie unter die ökonomischen Mechanismen gesetzt werden. Ökonomisch bestimmt könnte sich keine einzig Volkswirtschaft der Erde eine Vergütung von Haus- und Kulturarbeit auch nur in Ansätzen leisten. Als segregiertes Wissen, z.B. als Ingenierswissenschaften, betrieb es als wichtiger Produktionsfaktor die Industrialisierung der westlichen Ökonomien. Als Wissen in Form der Digitalisierung, was gerne und unzulänglich als Wissengesellschaft genannt wird, springt der selbe Produktionsfaktor nun gegen den Prozess der Deindustrialisierung mit erblicher Anziehungskraft auf Investitionskapital den westlichen Volkswirtschaften an die Seite, auch, um als Gegengewicht zu einem bereits verlorenen Wettbewerb vor allem gegen die chinesische Volkswirtschaft zu bestehen.
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[title]Begriffe – Anmerkungen – Titel – Autoren[/title]
Zweitmarkt der Kunstauktionen – Marktrationalität
1 Auf dem deutschen Kunstmarkt dominieren die Werke von Gerhard Richter, Georg Baselitz, Andreas Gursky, Thomas Schütte, Anselm Kiefer, Neo Rauch, Günther Uecker, Thomas Struth, Rosemarie Trockel und Albert Oehlen.
2 Kulturausgaben BRD 2009 – Grafik bitte klicken.
3 In der Wirtschaftssoziologie: Rationalitätsbegriff der liberalen Theorie, der von der Unmöglichkeit der Festlegung inhaltlicher Planziele ausgeht. Die Normierung eines sozialen Systems wird auf die Formulierung institutioneller Rahmenbedingungen und die Setzung formaler Spielregeln beschränkt, innerhalb deren sich das freie Spiel marktrelevanter, im weiteren Sinne aller systemrelevanten Kräfte, entfalten und eine optimale inhaltliche Lösung der Systemprobleme garantieren soll.(Wirtschaftslexikon)
4 Aus hermeneutischen Gründen. Nicht der Sache nach.
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