Rien de va plus

Der moderne Mensch weiß, dass sein Dasein vom Zufall bestimmt ist. Vom Zufall im ontologischen Sinne, sonst nicht. Der Zufall gehört qua Geburt und Tod zum Leben. Ob aber eine Wirtschaftskrise zufällig ist, daran bestehen doch erhebliche Zweifel, zumal die politischen Vertreter wie auch die Wissenschaft der Ökonomie ihre ureigenste Aufgabe darin sehen, den Unwägbarkeiten des wirtschaftlichen Geschehens mit Bedacht rechtzeit zu begegnen. In beide Richtungen, vor und nach einer Krise. Vor einer Krise heißt, sie rechtzeitig erkennen zu können, zumindest Anzeichen einer solchen festzustellen und geeignete Maßnahmen zur Abwehr oder Milderung der Folgen zu ergreifen.

Was aber ist, wenn eine Wirtschaftskrise gerade von denen, die zur politischen Krisenbewältigung bestimmt sind, selbst hervorgerufen wurde? Dies war geschehen, als die Finanzkrise 2007/2008 ausbrach. Denn diese Finanzkrise war hauptursächlich eine Immobilienkrise bzw. verursacht durch die Politik der US-Präsidenten Clinton und W. Bush, deren Folgen waren, dass immer mehr US-Bürger mit einem geringen Einkommen einen Kredit zum Kauf eines Hauses erhielten. Im Extremfall hatten diese Häuslebauer nicht mal einen Job, keine Versicherungsnummer, was in unserem Land einer Odachlosigkeit gleichkommt, und auch sonst kein Vermögen oder Liquidität, um den Kredit abzusichern. Dies waren dann die sogenannten Ninja-Kredite: No income, no job, no asset.

Der Kreditmarkt handelte oft mit schlecht informierten Kunden. Manchen wurden die Kredite regelrecht aufgedrängt, mit dem Versprechen, damit ein Vermögen machen zu können. Da auf dem Geldmarkt viel und vor allem billiges Geld vorhanden war, konnten die Banken auch viele Kredite vergeben.
Wie heute schon fast zum Standartrepertoire gehörend, verhielt sich FED-Chef Greenspan damals bereits und hatte demnach aus der sog. Dotcom-Krise nichts gelernt: bei jeder konjunkturellen Eintrübung sofort viel Geld in den Markt zu pumpen und das Zinsniveau dauerhaft tief zu lassen, um die toxischen Kredite nicht das ganze Bankenwesen am Ende zu vergiften; aber genau das geschah.

Als die Dotcom-Blase im Jahr 2000 platzte und die Technologiewerte an den Börsen in den Keller rauschten wurde der Markt mit billigem Geld geflutet. Solange die „Werte“, meist nur Ideen auf ein neues Geschäftsmodell, stiegen, war alles in Ordnung, der Neue Markt florierte, die Banken spielten Roulette. Keine acht Jahre später lag die Kugel wieder im Cylindre und die Chips flogen von allen Seiten wieder über die Doppeltische.

Die beiden Casinobesitzer machten wieder eine zeitlang ihre spielsüchtigen Wähler glücklich und da nun einmal in den USA für einen Präsidenten nur zwei Amtszeiten zur Verfügung stehen, hatte es sich auch nach acht Jahren ausgespielt; nun wäre es wieder an der Zeit für eine neue Weltwirtschaftskrise, sowohl durch die EU wie durch die US-Administration verursacht; man arbeitet sichtlich unter Volldampf daran. Und dem will und kann sich auch die chinesische Regierung nicht entziehen. Kaum erreicht sie die Drohung der USA, die Einfuhrzölle für chinesische Waren zu erhöhen, pumpt China erhebliche Summen in den Markt, allein um das Wirtschaftswachstum auf dem Status Quo zu halten. An die langfristigen Folgen dieser Schuldenpolitik denkt niemand.

Was heute in China als ein Teilaspekt nahender Krisen in verschiedenen Wirtschaftbereichen sich abzeichnet, wurde bereits Ende 2006 in den USA sichtbar: aus einer Immobilienkrise wurde eine Bankenkrise. Denn bereits damals konnten viele US-Bürger ihre Hypotheken-Raten nicht mehr bezahlen; die Immobilien mussten zwangsversteigert werden und den Banken drohte ein erheblicher Kreditausfall. So gingen sie immer höhere Risiken ein, um diesen zu kompensieren; den Handel mit amerikanischen Immobilienkrediten.

Wir haben bereits ausgührlich dazu gehandelt, wie dieser Kreislauf eines Kredithandels funktionierte. Die US-Investmentbanken übertrugen damals die Hypotheken guter, mittlerer und schlechter Bonität an Zweckgesellschaften, die aus diesen Paketen sogenannte Mortgage Backed Securities2 als handelbare Wertpapiere auflegten.

Diese Wertpapiere wurden wiederum in Fonds zu sogenannten Collateralized Debt Obligations (CDO) gebündelt, also zu größeren Einheiten, in denen forderungsbesicherte Wertpapiere mit anderen Finanzprodukten zusammengefasst sind. Dass mit diesen Bündelungen auch eine Verschleierung des Risikos mit eingeschnürt wurde, war Fachleuten bewusst und man ließ auch ganz bewusst die Käufer solcher CDOs glauben, dass durch die unterschiedliche Qualität der Kredite ein Risiko-Puffer existiere, der den Ausfall eines Kredits abfangen könnte. Wie wenig risikovers aber forderungsbesicherte MBS letztendlich waren, zeigte sich bald.

Und ein anderer Aspekt machte die neu geschaffenen Finanzprodukte hoch toxisch. Sie wurden ebenfalls wieder aufgeteilt und zu neuen Wertpapierpaketen geschnürt, die als dann weltweit verkauft wurden und in den Büchern von Banken, Unternehmen und sogar Sozialversicherungsträgern lagerten. Das führte schließlich dazu, dass kein Finanzinstitut mehr wusste, welche Papiere und damit Risiken sich in seinen Büchern befanden.

In den Diskurs ist diese Krise des politischen Sektors als Sub-Prime-Krise eingegangen und der Glaube, dass Politik nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung wirtschaftlicher Krisen ist, lebt – mit deutlichen Abstrichen – munter weiter, wenn es um Krisenbewältigung auf den Finanzmärkten geht. Dass unter der staatlichen Aufsicht seit 2009, also bereits vor dem Höhepunkt der Finanzkrise die Emissionen von CDOs vor allem in den USA wieder drastisch ansteigen, macht deutlich, dass wir auch heute überwiegend wenig bis uninformierte Marktteilnehmer in diesem Segement antreffen.

Wie man heute nicht mehr in der Lage ist, die enormen Finanzströme, die über die Finanzmärkte in die Wirtschaft fließen, einzudämmen, so würden heute ebenso rückläufige Regierungsausgaben ernsthafte Rezessionen auslösen. Die Rede von einer ausgeglichenen Handelsbilanz ist ablenkend und verschleiert deren wahren Sinn; die Ankurbelung staatlicher Investitionen und Ausgaben für ein schuldenfinanziertes Wachstum; gewissermaßen ein staatliches Kartell hauptsächlich westeuropäischer Industriestaaten um die USA als Zentrum.

Die „artifizielle“ Wirtschaftsform, also die Wirtschaftsform, die mit und aus dem politischen Sektor getrieben wird, hat seit den 68er Jahren in den USA eine Kreditexpansion von ca. $63 Billionen hervorgebracht mit stark zunehmender Tendenz. Allein der Gedanke, man würde heute die FED abschaffen und versuchen das US-amerikanische Haushaltsdefizit ausgleichen macht deutlich, welch‘ gigantische ökonomische Blase bis hierhin breits erzeugt worden ist.
Die Arbeitslosenquote würde auf über 25% steigen, der Immobilienmarkt zusammenbrechen, kaum eine Bank würde das überleben. Und die Ersparnisse der Bürger wie deren Altersversoge über die institutionellen Rentenfonds in den USA, die Sozialversicherung und der Medicare wären perdu.

Damit nicht genug. Der Welthandel würde ungeregelt zusammenbrechen, Hunger und Krankheit ausbrechen und nationaler Protektionismus, der historisch betrachtet die größten Konflikte zwischen den Staaten hervorgebracht hat, stünde wieder ganz oben auf der Agenda. Und diese Ängste sind ja nicht ganz unbegründet, erkennt man doch mehr als Anzeichen, die in diese Richtung führen. Dagegen steht aktuell fast allein noch ein Faktor, der wirtschaftliches Wachstum zum Erhalt des Status Quo ermöglicht: der Privatsektor. Die privaten Investitionen, so haben wir vorhin bereits dargelegt, aber können kaum allein für das Wachstum sorgen, das vor einer Rezession garantiert schützt. Deshalb haben wir uns den Regierungssektor angeschaut, der nun als Kompensationsfaktor eine zunehmende Rolle beim Wirtschaftswachstum spielt. Und mit dem Glauben an den Regierungssektor einher geht der Glaube, Technischer Fortschritt könnte jenes Wachstum erzeugen, das die Schuldenberge abzutragen in der Lage ist.

Da die USA ständig neues Geld braucht, greift sie in Zeiten wie diesen wieder zu einem äußerst probaten Mittel: sie erzeugt Unsicherheit auf den wichtigsten Märkten, in Europa und in China. Die Folgen von Unsicherheit auf wichtigen Märkten ist, Anleger ziehen Gelder besonders aus den Emerging Marktes ab und transferieren es in US-Staatanleihen. Das geschieht zur Zeit in erheblichen Ausmaß und schwächt besonders jene Staaten, die es schweiriger haben, auf den weltweiten Finanzmärkten ihre Refinanzierung zu sichern.
Ein anderes, wichtiges Mittel auf der doch sehr begrenzten Palette der politische Optionen, das Wirtschaftswachstum anzukurbeln und den Haushalt ein wenig freundlicher zu gestalten, ist die Währung bzw. der Umrechnungskurs des Dollars zu den Währungen der wichtigen Handelsnationen, wieder China und Europa.
Und die dritte Option ist die geldpolitische Nutzung einer umgekehrten Relation der kurzfristigen zu den langfristigen Zinsen. Diese inverse Zinsstruktur ist dann gegeben, wenn der Geldmarktzins höher als der Kapitalmarktzinssatz ist; wenn für kurzfristige Geldanlagen eine höhere Rendite als für langfristige Geldanlagen erzielt wird oder – anders ausgedrückt: wenn die Renditen von Wertpapieren um so niedriger ausfallen, je länger deren (Rest-) Laufzeit ist. Da der Geldmarkt mit seinen kurzen Laufzeiten strukturell also anders funktioniert als der Kapitalmarkt mit seinen eher langen Laufzeiten, ist er auch sensibler für Änderungen der monetären Rahmenbedingungen, also besonders sensibel gegenüber der Notenbankpolitik.

Kurzfristige Anlageformen reagieren schneller als langfristige, etwa festverzinsliche Wertpapiere. Für die Devisenwirtschaft des Verkäuferstaates hat das den Vorteil, dass länger oder langlaufende Staatsanleihen, also ein Investment in die eigene Wärhrungssicherheit der Käuferstaaten mit einer geringeren Rendite bezahlt werden muss. Der deutsche Staat etwa hat in den letzten Jahren Anleihen herausgegeben, deren langristiges Zinsniveau sogar einen negativen Saldo hatte, Anleger also für ihre Anlagen in deutsche Zinstitel sogar noch Geld bezahlt haben. Das möchten die USA natürlich auch nutzen. Aber selbst bei der Konstellation von Schulden und einer kaum vorhandenen Inflation sowie einer Rendite für 10-jährige US-Staatsanleihen von 1,9% wird das schwer. Einzig die Unruhe auf den Märkten treibt das Geld in die Arme der Federal Reserve.

Zur Konstellation gehört zugleich aber auch, dass die USA bzw. der Regierungssektor sich auch in Zukunft weiter verschulden kann, zumal wir uns in einer Zeitenwende befinden, in der offensichtlich steigende Regierungsausgaben nicht notwendigerweise mit einem Zinsanstieg Hand in Hand gehen müssen.

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Ninja-KrediteDotcom-KriseKredithandelMortgage Backed SecuritiesCollateralized Debt ObligationsSub-Prime-Kriseinverse Zinsstruktur


1 Englisch für: kein Einkommen, keine Arbeitsstelle, keine Vermögenswerte.
2 MBS: durch Hypotheken gesicherte Wertpapiere.
3 „Ein CDO (Collateralized Debt Obligation) ist ein Wertpapier, welches aus mehreren Tranchen von MBS (Mortgage Based Securites), also verbrieften Hypothekendarlehen besteht.
Die einzelnen CDO-Tranchen, die üblicherweise als Senior Tranche, Mezzanine Tranche und Equity Tranche bezeichnet werden, haben ein aufsteigendes Ausfallsrisiko und daher eine aufsteigende Verzinsung.
Die gesammelten MBOs werden in der Regel an eine Zweckgesellschaft verkauft, welche diese durch Emission von Anleihen mit unterschiedlichen Ratings bezahlt. Während Zins- und Tilgungszahlungen zuerst an die Senior-Tranche und zuletzt an die Equity-Tranche weitergereicht werden, werden Kreditausfälle genau umgekehrt behandelt. Aufgrund dieser Vorgehensweise, genießt die Senior-Tranche eine höhere Sicherheit.
Im Zuge der Finanzkrise entpuppten sich bestens-geratete (Triple A) CDOs als toxische Wertpapiere, deren Wert bei Null lag. Durch die leichte Handelbarkeit von CDOs lagen diese in den Büchern von Banken, Unternehmen und sogar Sozialversicherungsträgern auf der ganzen Welt, was – unter anderem – die anfangs amerikanische Immobilienkrise zu einer weltweiten Banken- bzw. Finanzkrise werden ließ.
Schuld am Wertverfall der CDOs war der Ausfall der Kredite, die in den MBOs standen. Bedingt durch Massive Verkäufe der Basiswerte dieser MBOs – also der Immobilien – brach der Immobilienmarkt in den USA zusammen. Die Kreditausfälle kamen zu beachtlichen Teil auch dadurch zustande, dass sie an nicht solvente Schuldner vergeben worden sind, den sogenannten Sub-Prime-Schuldner.“
(siehe diekleinanleger.com).


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