Die 68er Generation wird selbst heute noch vielfach besungen, ein wenig bewundert, aber auch ebenso oft entmystifiziert. Gänzlich vergessen scheint dagegen, was parallel zur sozialen Vedränderung aus dem Geiste der Musik mit Bretton Woods, USA, nach dem Zweiten Weltkrieg und in den sechziger- und siebziger Jahren passierte. Es begann mit der Schaffung eines Währungssystem, das die Vorteile eines flexiblen Wechselkurssystems mit den Vorteilen eines festen Wechselkurssystem vereinen sollte, der Dollar wurde Leitwährung, blieb aber am Goldstandard gebunden. Im Jahr 1968 hob die US-Regierung unter Lyndon B. Johnson den Goldstandard praktisch auf und 1973 beendete US-Präsident Richard Nixon mit einem einzigen Federstreich die Eintauschbarkeit von Dollar gegen Gold zum festen Preis von 35 Dollar je Unze und dekretierte so den Betrug an den Notenbanken in der ganzen Welt in Bezug auf ihre ihre Devisenreserven.
Mehr als das. Will man verstehen, was den Aufstieg Asiens und die Politik der asiatischen Zentralbanken bis heute bestimmt, dann schaut man besser zurück auf die 68er. Ebenso wird ohne diesen Rückblick die aktuelle Diskussion über die Bewertung von Handelsungleichgewichten, wie sie auch in ganz besonderem Maße zwischen den USA und China, resp. Deutschland bestehen, wenig hilfreich. Desgleichen gilt für für das Verständnis, was denn überhaupt entscheidend die weltweiten Devisenmärkte beeinflusst, dann ist die Entscheidung vor 45 Jahren, die Nixon damals traf, immer noch bedeutender als alle anderen Entscheidungen auf den Devisenmärkten im 20. Jahrhundert.
Die 68er war auch die Zeit des Vietnam Kriegs. Der kostete die USA mehr, als sie hatte und kurz bevor sie zahlungsunfähig zu werden drohte, strich Johnson die Deckung des Dollars in Gold. Die Zahlungsunfähigkeit war abgewendet, zweistellige Inflation die Folge, nachdem das Bretton-Woods-System kassiert worden und das vom teilweise goldhinterlegten US-Dollar als Ankerwährung bestimmt war.
Bis dahin kauften und verkauften die ausländischen Notenbanken Dollars, um den Wechselkurs innerhalb der vereinbarten Grenzen zum Dollar zu halten. Im Gegenzug verpflichtete sich die US-Notenbank, Gold in unbegrenzten Mengen gegen Dollar zu kaufen und zu verkaufen, und zwar zum festgesetzten Goldpreis von 35 Dollar je Unze.
Eine Folge war: Statt selbst Gold zu halten, sollten die ausländischen Notenbanken Dollar in ihren Tresorräumen bunkern. Die Dollar waren schließlich so gut wie Gold: Sie konnten jederzeit gegen das Edelmetall eingetauscht werden. So zumindest das Versprechen, das mehrere Jahrzehnte auch eingehalten wurde.
Doch die Eintauschbarkeit gegen Gold stellte sich immer mehr als Lüge heraus: Weltweit bestand ein immer größerer Bedarf an Dollar – um als Währungsreserven zu dienen, aber auch, um Handel mit den USA zu betreiben. Die USA erzielten im Handel mit dem Rest der Welt ein immer größeres Leistungsbilanzdefizit. Im Ausland sammelten sich immer größere Dollarbestände an, die weit größer waren als die US-Goldreserven. Es wäre also schlicht unmöglich gewesen, alle Dollar zum festgelegten Preis gegen Gold einzutauschen. Das Missverhältnis wurde mit der Zeit so groß, dass das Vertrauen in den Dollar immer stärker abnahm und eine Währungskrise drohte. Im Jahr 1968 wurde die Einlösbarkeit von Dollar gegen Gold bereits stark eingeschränkt: Nur noch Notenbanken durften bei der US-Notenbank Fed Dollar gegen Gold tauschen. Aber auch die Dollar-Reserven dieser ausländischen Notenbanken überstiegen die Goldreserven der US-Notenbank dramatisch: Die US-Notenbank verfügte nur noch über Goldreserven von 12 Mrd. Dollar, während die ausländischen Notenbanken Dollar im Wert von mehr als 50 Mrd. Dollar bunkerten.
Am 15. August 1971 verkündete US-Präsident Richard Nixon schließlich eine Entscheidung, die letztlich zum Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems führte: Nixon hob die Eintauschbarkeit des Dollars gegen Gold auf. Der Dollar konnte nicht mehr zum festgesetzten Preis in Gold umgetauscht werden.
Was eigentlich einer Bankrotterklärung der USA und des Bretton-Woods-Systems gleichkam, begründete Nixon mit einer angeblichem Stärkung des Dollars, obwohl die Entscheidung genau das Gegenteil, also eine Schwächung des Dollars, bewirkte. Die Schuld an der Vertrauenskrise des Dollars schob Nixon den „internationalen Geldspekulanten“ in die Schuhe mit Worten und Gedanken, die an die aktuelle Situation unter Trump stark erinnern lassen1.
Was aber tatsächlich passierte, was als eine vorübergehende Maßnahme angekündigt, aber bis heute nicht zuzrückgenommen wurde, war, dass die Leitwährung der Welt keine Wertreferenz außerhalb ihrer selbst mehr hatte. Der Dollar wurde zu einer sog. Fiatwährung2 wie dies heute alle Währungen sind, also zu einem bedruckten Stück Papier. Der Wert des Dollars wie der aller Währungen basiert seit dem Ende des Bretton-Woods-Systems nicht mehr auf irgend welchen Reserven oder Golddepots in den Notenbanken, sondern nur noch im Glauben der Menschen, Währungen hätten einen Wert.
Die Entscheidung zur endgültigen Aufhebung des Goldstandards machte die exorbitante Geldmengenausweitung in der ganzen Welt in den Jahren nach der Finanzkrise erst möglich. Die Entscheidung erklärt auch, warum für eine Unze Gold heute nicht mehr 35 US-Dollar wie damals, sondern rund 1.300 Dollar bezahlt werden müssen: Ein Dollar ist – gewichtet in Gold – heute nur noch rund 2,7 Prozent so viel wert wie zu Zeiten des Bretton-Woods-Systems.
Wir erkennen leicht, dass der Dollar zum Gold eine geradezu gigantische Inflation erlebt hat. Diese Inflation, die man durchaus als eine „virtuelle Inflation“ bezeichnen kann, hat die Transformation der Weltwirtschaft ermöglicht. Sie definiert einen bestimmten Zeitpunkt und eine neue Zeitrechnung in der Geldpolitik. Denn ab da wurde etwas möglich, was es vorher so nicht gab; niedrige Zinsen bei niedriger Inflation wurden real. Die Folge waren eine beliebige, also fast grenzenlose Ausweitung der Kreditvergabe, was die Weltwirtschaft ankurbelte. Und zugleich gab es keine Referenz mehr für die Staatsschulden, keine Begründung mehr für eine Obergrenze der Staatsverschuldung; mithin auch das Ende des keynesianischen Wirtschaftsmodells.
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[title]Begriffe – Anmerkungen – Titel – Autoren[/title]
Goldstandard – Leistungsbilanzdefizit – Bretton-Woods-System – Fiatwährung – Geldmengenausweitung
1 „Wir müssen die Position des US-Dollar als eines Stützpfeilers der Währungsstabilität überall in der Welt schützen. In den letzten sieben Jahren kam es durchschnittlich jedes Jahr zu einer internationalen Währungskrise. Wer profitiert von solchen Krisen? Nicht der Arbeiter, nicht der Kapitalanleger, nicht die wahren Produzenten von Vermögenswerten. Die Gewinner sind die internationalen Geldspekulanten. Weil sie von Krisen leben, helfen sie mit, Krisen zu schaffen. In den letzten Wochen haben die Spekulanten einen Krieg mit allen Mitteln gegen den amerikanischen Dollar entfacht. Die Stärke der Währung einer Nation beruht auf der Stärke ihrer Wirtschaft – und die amerikanische Wirtschaft ist die bei weitem stärkste der ganzen Welt. Dementsprechend habe ich den Finanzminister beauftragt, die zur Verteidigung des Dollars gegen Spekulanten erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Ich habe Finanzminister Connally angewiesen, vorübergehend die Konvertibilität des Dollar in Gold oder andere Reservemittel auszusetzen, ausgenommen bei Beträgen und unter Bedingungen, die als im Interesse der Währungsstabilität und als im besten Interesse der Vereinigten Staaten liegend angesehen werden. […] Diese Maßnahme wird uns keine Freunde unter den internationalen Geldhändlern einbringen, aber unsere Sorge gilt in erster Linie den amerikanischen Arbeitern und einem fairen Wettbewerb überall auf der Welt. […] Ich bin entschlossen, dafür zu sorgen, dass der amerikanische Dollar nie wieder ein Spielball in den Händen der internationalen Spekulanten sein wird.“
Vgl. Oliver Baron:Goldstandard: Der größte Betrug aller Zeiten?.
2 Fiatgeld (auch englisch Fiat money) ist ein Objekt ohne inneren Wert, das als Tauschmittel dient. Heutige Währungssysteme legen den Wert der Währung bzw. der Währungen untereinander nicht zu einer offiziellen Rate mit einem Rohstoff fest, also ohne einen Referenzwert. Stattdessen wird der Wert über die Macht der Regierung, die Währung als gesetzliches Zahlungsmittel vorzuschreiben gesichert (Vgl. Larry Allen: The Encyclopedia of Money, Greenwood Publishing Group, 2009, ISBN 978-1-59884-251-7, Introduction XIV). Durch eine gesetzliche Festlegung als Zahlungsmittel in einer Währungsverfassung alleine erlangt es aber nicht zwangsläufig die Eigenschaften von Geld (siehe Gregory Mankiw: Principles of Economics, South-Western College Publications, 5. Auflage, ISBN 978-0324589979, S. 659), sondern erst durch die allgemeine Akzeptanz von Handelspartnern (Zahlern, Beziehern) auch hinsichtlich Wert und Kurs der Währung.
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