Das Spiel mit den Devisen ist ein Spiel ohne Grenzen. In diesem doppelten Sinne: transnational und ohne Limit. Ist der Dollar stark, stehen die Währungen der sog. Schwellenländer und Emerging Markets unter Druck. Ihren Währungen setzen eine straffe US-Geldpolitik und zunehmende politische Instablität enorm zu, besonders in der Handelspolitik wie wir das derzeit (2018) erleben.
Die sog. BRICS-Staaten1 wie die Schwellenländer2 insgesamt sind, so wichtig wie sie auch für die Entwicklung und das globale Wirtschaftswachstum auch sein mögen, geradezu an den US-Dollar geknebelt. Sichtbar an den Veränderungen an den Devisenmärkten.
Dort ist der wichtigste Index, der MSCI3, binnen der letzten drei Monate um über 6% gefallen. Einzelne Währungen traf es besonders hart wie etwa den argentinischen Peso, der über 30% nachgab oder die türkische Lira, die um 20% verlor4. Die Tabelle zeigt recht deutlich, wie groß die Veränderungen gegenüber dem US-Dollar sind – und wie gering gegenüber dem Euro bzw. dem Yen. Und dass sich innerhalb kürzester Zeit die Verbindlichkeiten gegenüber den USA dramatisch vergrößert haben, zudem noch ein deutlicher Abfluss von Kapital aus den Aktienmärkten zu verzeichnen ist.
Letzteres deutet darauf hin, dass internationale Investoren zum US-Dollar kommen, aber gerade von den Märkten, die das Kpital dringend für ihre wirtschaftliche Entwicklung brauchen. Da diese Zu- und Abflüsse von Kapital sich teilweise in recht kurzen Abständen wiederholen können, ist an eine nachhaltige Wirtschaftsplanung und -entwicklung kaum zu denken. Unsicherheit gehört hier zum Wirtschaftsalltag wie dramatische Veränderungen bei der Inflation für die Menschen in diesen Ländern.
Die politischen Unsicherheiten, die von den USA z.B. in Handelsfragen ausgehen, erschüttern in diesen Ländern die Wirtschaft, die im Rahmen der Globalisierung zu immer enger vernetzten Epizentren der US-Wirtschafts- und Geldpolitik werden. Die FED hat mit ihren Ankündungen, die Leitzinsen in den USA schneller anzuheben, als die Märkte erwartet hatten, so ein zusätzliches Momentum in diesen Prozess gesetzt und mehr Kapital aus den Schwellenländern abfließen lassen, als es die angekündigten Handelsturbulenzen allein verursacht haben.
Für die besonders betroffenen Länder haben die Konjunkturrisiken aber noch einen weiteren Effekt. Für sich, also als Volkswirtschaft betrachtet, müssten gerade Indien, Mexiko und Indonesien jetzt den Kapitalabfluss durch Zinserhöhungen stoppen, was aber geradezu kontraindiziert wäre, würde das nun schwächelnde Wirtschaftswachstum sofort die Grenze zur Rezession überschreiten; also sehen wir hier einen klassischen ‚double bind‘.
Immer auf der Suche nach Innovation und Wachstumschancen hat das weltweite Kapital in den vergangenen Jahren seinen Weg in die Schwellenländer gefunden. Und das Kalkül der Investoren hatte durchaus eine Zinsänderung der US-Notenbank eingerechnet, nicht aber drei bis vier Zinsstufen und eine gigantische Steuererleichterung, hauptsächlich für Unternehmen und private Vermögen, gleichwohl dies alles vom US-Präsidenten mit langem Vorlauf so angekündigt war.
Solche massiven Veränderungen in den Devisensalden sind nicht vorhersagbar. Nimmt man noch dazu, was allenthalben auch an den Aktienmärkten passieren kann, wenn etwa binnen zwei Stunden am 25.07.2018 die Marktkapitalisierung von Facebook in der Spitze um etwa 200 Mrd. US-Dollar zurück ging, was soviel bedeutet, als wäre in Griechland oder Neuseeland die gesamte Produktion zum Erliegen gekommen, mag jeden Versuch einer Wirtschaftsprognose in seine Schranken weisen.
Nicht, dass man aufhören sollte mit Prognosen, nur ein wenig vorsichtiger damit umzugehen, wäre vernünftig. Schaut man aber auf die Bürger der westlichen Staaten, dann wird verständlich, wie schwierig eine Lebensplanung für viele geworden ist und in der Zukunft noch viel weniger sicher sie werden dürfte.
Ein Blick auf die chinesische Volkswirtschaft lässt die Risiken einer Rezession mit weltweit katastrophalen Auswirkungen für die Schwellenländer bis hin in weite Bereiche der Gesellschaften der Industriestaaten erahnen. Intellektuelle und sogar einige Wirtschaftsexperten, die man heute zu den Crash-Propheten zählen darf wie etwa Albert Edwards, Anlagestratege bei der Société Générale, wittern bereits „den ekelhaften Geruch von Rezession“. Manch einer baut sogar auf eine immanente Inflation von Blasen, je mehr und je schneller sie platzen.
Diesem übertriebenen Finanzmarkt-Pessimismus aber eigen ist eben die beschriebene Sichtweise, dass, solange sich die USA etwa zu einem Zinssatz von 1,9% Geld über einen zehnjährigen Zeitraum immer wieder neu zu verschaffen in der Lage ist, jede Haushaltsblase sich am langen Ende der Zinskurve selbst inflationiert.
Hinzu kommt, dass Regierungen weltweit darüber nachdenken, Bargeld nur noch elektronisch zu erzeugen, also durch Krypotwährungen o.ä. zu ersetzen, was zwei Vorteile hätte. Im Rahmen einer Prolongierung dieser Geldpolitik ist mit dem elektronischen Geld auch der völlige Durchgriff der Regierungen auf das Geld der Bürger gewährleistet, sowohl informell wie reell. Und diese Form der Digitalwährung, mit der dann Staatsanleihen gekauft würden, wäre gleichgesetzt mit einer Schuldenstornierung. Selbst Buchwerte wie wir sie heute kennen, die nichts weiter repräsentieren als Zahlen auf bedrucktem Papier und den Glauben, dass diese Zahlen Werte repräsentieren, wären getilgt. Es gäbe dann ja kein bedrucktes Papier mehr.
Aktientrader bzw. Akteure auf den Finanzmärkten kennen das; auf die Frage, wie hoch denn der Wert der Depots heute sei, kommt ehrliches Kopfschütteln. Da die Kurse schwanken, schwankt auch der Wert der Depots. Man hat kein Geld mehr. Man partizipiert an einem mehr oder weniger volatilen Marktprozess. Denn selbst in die artifiziellen Konten der Bürger müssten Zins- und Inflationsparameter eingerechnet werden und hätten allein deshalb schon nur noch wenig mit Konten zu tun, wie wir sie heute noch kennen. Und da der ‚Inhaber‘ eines virtuellen Kontos völlig transparent ist, und dies in Echtzeit, könnte sich die politische Finanzplanung ebenso in einer dezentralen Echtzeitdatenbank befindlich ständig mit den Geldströmen der Bürger abgleichen; wir kommen zu einem späteren Zeitpunkt auf diesen Kontext wieder zurück.
Das Weldtroulette des Regierungssektors müsste sich nicht ändern; im Gegenteil. Es könnte nun die aktuelle, monetäre Situation der Bürger in das Spiel mit einbeziehen. Währungskrisen wie wir sie in den 1930er Jahren und später in 2008 und folgende erlebt haben, wären so nicht mehr möglich. Lehman Brothers, AIG, die größte „US-Sparkasse „Washington Mutual“ und dann die fast gesamte US-Finanzbranche, aber auch die „Fortis“ in den Benelux-Staaten oder die isländische Kaupthing Bank, die deutsche „Hypo Real Estate“, die allein über 100 Mrd. Euro verschlang, nur um an die prominentesten Namen zu erinnen, zogen nicht nur eine weit in die Billionen Dollar reichende Banken- und Finanzkrise wie einen Kometenschweif hinter sich her.
Deutschland, die Vereinigten Staaten von Amerika und viele andere Industrieländer rauschten schnurstracks in eine Rezession, die größte nach dem Zweiten Weltkrieg.
Der Konsum weltweit, vor allem in den USA, ging stark zurück. Autos und andere Konsumgüter wurden nicht mehr gekauft, die Industrieproduktion brach massiv ein, in Deutschland um über 5 Prozent.
Da die deutsche Wirtschaft extrem exportorientiert ist, traf es sie besonders hart, vor allem die Bereiche Automobilindustrie und Maschinenbau. Mit Konjunkturprogrammen versuchten die Staaten weltweit die Folgen der Wirtschaftskrise einzudämmen. Alles das hätte wenig genützt, da die Finanzkrise in Europa sogleich in eine Währungskrise und damit in eine Staatsschuldenkrise überging. Und eben in dieser Phase erinnerten sich einige Staaten besonders gern und schnell an die Devisenwirtschaft und da das damalige Zinsniveau in der europäischen Währungsunion besonders niedrig war, liehen sich allen voran Portugal und Griechenland zu den guten Bedingungen bedeutend mehr Kapital als es ihre reale Wirtschaftskraft eigentlich zuließ.
Folgerichtig bewerteten die Ratingagenturen dieses Verhalten besonders negativ, da damit zu rechnen war, dass diese tour de raison von anderen, finanzschwachen Staaten kopiert werden und sich zudem noch negativ auf finanzstärkere Staaten auswirken könnte. Diese Verflechtung war den Kapitalnehmer-Ländern ziemlich gleichgültig, sahen sie sich ja nicht als Teil des Euro sondern als eine abgegrenzte Wirtschaft; quelle malheur.
Das Malheur verschärfte sich durch das Verhalten der Investoren, das nicht an sich, aber stets zum gegebenen Zeitpunkt, wenn es sich dann umkehrt, überrascht. „Die straffere Geldpolitik in den USA sorgt nun dafür, dass sie viel genauer auf die Risiken schauen.“5
Sind einmal Unsicherheit und eine straffere US-Geldpolitik auf den Devisenmärkten unterwegs, drohen langfristig negative Auswirkungen in den Schwellenländern mit einem positiven Effekt in den USA. Dieser seltsame Vorgang ist das Spezifikum der aktuellen Situation in der Devisenwirtschaft in der Folge von Bretton-Woods. Alle Staaten verlieren, die USA gewinnen; the winner takes it all!
Den Prozess selbst zu verstehen, ist nicht schwer. Warum das so sein muss, allerdings. Betrachtet man die Vorgänge über einen gewissen Zeitraum hinweg, wird man feststellen, dass Währungskrisen sich ankündigen. Signale sind dauerhaft hohe Defizite in der Handelsbilanz, also negative Salden im Handel einer Volkswirtschaft von Waren und Dienstleistungen mit dem Ausland.
Überraschend für viele ist, dass gerade diese Defizite mit einer Zunahme von Kapital aus dem Ausland einher gehen. Defizite in der Handelsbilanz sind für Unternehmen oder Privatleute aus Schwellenländern aber mitunter durchaus attraktiv, da sie auf der Grundlage von Verschuldung in Fremdwährungen entstehen, also auf gewährten Krediten in Fremdwährungen, die ein höheres Zinsniveau ausweisen als der Dollar.
Bleibt der Wechselkurs zwischen der Währung des Schwellenlandes und der Fremdwährung relativ stabil, profitieren die Schwellenländer von den Zinsdifferenzen nicht schlecht. Wertet eine Schwellenland-Währung aber ab, wie etwa seit Jahresbeginn 2018 die türkische Lira, kommen die Schuldner, also die Unternehmen und Privatleute schnell in Bedrängnis und mit ihnen auch die Landeswährung. Steigt also der Dollar, sind die Dollarschulden der Schwellenländer höher.
Wir dürfen also festhalten, dass die Betrachtung einer Volkswirtschaft aus der Sicht wirtschaftlicher Kennzahlen allein nicht sinnvoll erschein. Auch das Kriterium Wechselkurs, so wichtig es auch scheint, ist, hinzu genommen noch nicht hinreichend für eine Analyse. Politische Kalküle sind zu beachten. Und die sind oft versteckt in den plötzlich auftretenden Kursstürzen der Währungen von Schwellenländern.
Im Jahr 2013 war allein die Äußerung des damaligen FED-Chefs Bernanke, die massiven Anleihenkäufe der FED in den USA einzustellen, ein lapsus linguae, den Bernanke sich lange nicht verziehen hat, ausreichend, um einen dramatischen Kapitalabfluss aus den Schwellenländern zu provozieren. Die türkische Lira, der südafrikanische Rand oder die indische Rupie werteten darauf hin binnen eines Jahres um 10% bis 30% gegenüber dem US-Dollar ab.
Natürlich haben die USA kein vitales Interesse am massenhaften Bankrott von Schwellenländern, sind diese ja auch Absatzmärkte und strategisch auf vielfältige Weise mit den USA verbunden. Die Türkei ist Nato-Partner und gewissermaßen Gatekeeper zu einer der welt- und machtpolitisch schwierigsten Regionen der Erde. China ist mittlerweile als Handelspartner, Element der globalen Wertschöpfung und als finanzpolitischer „Stakeholder“ zu bedeutend, dass sich sogar ein unter Druck geratener Yen auch für die USA negativ auswirken könnte.
Richtig ist, dass allein schon der Beginn eines eskalierenden Handelsstreits zwischen den USA und China, China in eine gefährliche Lage bringt. Chinas Wirtschaft und Chinas Politik sind gleichermaßen von der Situation auf den Devisenmärkten abhängig und reagieren sensibel auf die Abwertungen des Yuan, der in kürzester Zeit gegenüber dem Dollar über fünf Prozent verloren hat. Eigentlich wäre die chinesischen Notenbank aufgefordert, eine straffere Geldpolitik zu fahren, sie tut das Gegenteil und schwächt damit den Yuan weiter. Was hat das für einen Sinn?
China hat weder ein Problem mit der Leistungsbilanz und die Notenbank verfügt über einen geradezu paradiesischen Zugriff auf die Währung des eigenen Landes. Aber Angriffe auf die Handelsbilanz aus den USA sind für China fast lebensbedrohlich. Eine direkte Gegenwehr, bei der China nicht als Verlierer aus dem Ring steigt, ist nicht in Sicht. Aber die chinesische Regierung hat, anders als die USA, die Vernetzung der im globalen Handel am stärksten vernetzten Wirtschaft als ihre Stärke und als die Schwäche der USA erkannt. Daher war es konsequent von der chinesischen Notenbank, durch eine ausgabenfreudige Geldpolitik den Abwertungsdruck auf den Yuan zu erhöhen.
Das setzt wiederum andere asiatische Währungen stark unter Druck, für die der Yuan als eine Art Ankerwährung funktioniert6. Diese Staaten also, die einen starken, florierenden Handel mit der Volksrepublik pflegen, wie etwa Singapur, Südkorea, Taiwan etc. müssen währungstechnisch gleichziehen und abwerten bzw. müssen einer Abwertung passiv begegnen. Dadurch, dass auch deren Währungen nun gegenüber dem Dollar verlieren, verteuern sich die Waren und Dienstleistungen der USA und wird der Wettbewerbsdruck auf die US-Wirtschaft erhöht. Und die Handelbilanz der USA wird durch die nun teueren Ausfuhren gegenüber den Importen noch ungünstiger.
Nebenbei erhöhen sich zwar die Dollar-Schulden der Schwellenländer, die aber durch ihre langfristige Ausrichtung unsensibel gegenüber den Kapitalmärkten sind, gleichzeitig aber werden für die gerade in den Dollar abgewanderten Investoren Anlageklassen wie Aktien und Anleihen der Schwellenländer wieder interessant, da diese zwar an Wert verloren haben, aber die Wirtschaft der Schwellenländer nach wie vor intakt und mit starken Renditeaussichten bewertet ist; so wird ein Ausverkauf verhindert und neues Kapital angelockt; encore, fait votre jeux!
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Rezession – Staatsschuldenkrise – Ankerwährung
1 Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika
2 Der Internationale Währungsfonds (IWF) kategorisiert 150 Länder als ‚Schwellenländer‘ (Emerging and developing economies), darunter Südafrika, Mexiko, Brasilien, Pakistan, die Volksrepublik China, Indien, die Philippinen, Thailand, Malaysia, Äthiopien, Ungarn, Polen, Litauen, Ukraine, Russland und die Türkei.
3 Emerging Markets Currency Index
4
5 IfW-Experte Hauber
6 Als Leitwährung (oder Ankerwährung) bezeichnet man eine Währung, die im internationalen Zahlungsverkehr über Währungsräume hinweg in bedeutendem Umfang als Transaktions- und Reservewährung genutzt wird, obwohl eine Zahlung in der Inlandswährung möglich wäre.
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