Seltsame Kampfgenossen

Wenn Homo oeconomicus mit der Theorie von Charles Darwin in Verbindung gebracht wird, erhĂ€lt der Gebildete uneingeschrĂ€nkten Beifall; in dieser Hinsicht sind die Reihen der Geisteswissenschaften einigermaßen geschlossen, sind sich die geisteswissenschaftlich Gebildeten weitgehend einig. Dies kommt von der AttraktivitĂ€t einer geteilten Ideologie, die daselbst ein Prinzip der Nutzenmaximierung darstellt, gewissermaßen das Nutzenprinzip kritischer Intellektueller. Sie vereint der Nutzen einer Gesellschaftskritik, die die Gesellschaft wie die Wirtschaft als deren wichtigster Teil ihrer Reproduktion unter Vorbehalt stellt. Dieser Vorbehalt ist die Idee einer herrschaftsfreien Gesellschaft wie die etwa des Kommunistischen Manifestes von Marx und Engels oder, in abgeschwĂ€chter, aber in gerade noch gebilligter Form die Idee vom herrschaftsfreien Diskurs, um nur zwei Positionen dieses Vorbehalts zu zitieren. Der Vorbehalt geriert sich im besseren Wissen gegen das Nutzenprinzip und das Herrschaftsprinzip, jenes des wirtschaftlich denkenden Menschen, dieses eines brutalen VerdrĂ€ngungswettbewerbs. Aber beide Prinzipien, Nutzen und Herrschaft, kommen in den beiden Bereichen gar nicht zum Ausdruck. Der Homo oeconomicus ist kein Brutalo, der im Sinne des Darwin’schen Survival of the Fittest auf das Herrschaftsprinzip der Ökonomie, die bedingungslose Maximierung des Eigennutzens des Kapitals ĂŒbertragen und angewendet werden kann.

Das Survival of the Fittest war bei der Besiedelung der Galapagos Inseln durch die lustigen Finken aus dem sĂŒdlichen Pazifikraum kein VerdrĂ€ngungswettbewerb. Den Finken stand es unserer Meinung nach fern, sich mit der Population auf dem von der Heimat fernen Archipel herumzuschlagen, da sind wir mit Darwin einer Meinung. Ihm ging es lediglich darum aufzuzeigen, dass je besser die Anpassung an neue Bedingungen gelingt – das meint „the fittest – auch der Nutzen fĂŒr die Arten resp. die Finken am grĂ¶ĂŸten ist, wobei am grĂ¶ĂŸten nichts mit GrĂ¶ĂŸe zu tun hat, sondern Anpassung als effektive, also bestmögliche Form beschreibt. Der Nutzen fĂŒr die Finken war ein neuer Lebensraum, c’est tout!

Die Gebildeten haben aus Darwins Survival of the Fittest auch wegen lexikalischer Anpassungsschwierigkeiten ans Englische, speziell aus „the fittest“ flugs die Übersetzung: die StĂ€rksten gemacht und damit den Sinn ins Gegenteil verkehrt. Wie man weiß, sind die StĂ€rksten mitunter die am wenigsten Angepassten und ĂŒbertragen auf das Wirtschaftsleben zeigt sich dann vollends das Übersetzungsdefizit auch als geistige SchwĂ€che. Denn hier in der Marktwirtschaft hat etwa bei den Lohnverhandlungen das Nutzenprinzips nichts mit StĂ€rke zu tun, weder auf der Seite der Arbeit noch des Kapitals. Und hier ein Herrschaftsprinzip auch diskursiv verankert zu sehen, zeigt lediglich die Blindheit der Ideologie und erhellt keineswegs etwas in diesen Verhandlungen Verborgenes. Lohnverhandlungen, und dieses Beispiel lag sozusagen grundlegend vor den Augen der Erfinder des Nutzenprinzips des Homo oeconomicus, sind nun mal im Kern marktwirtschaftliche Angelegenheiten und bestimmt durch zwei Seiten, die auf der Grundlage freier Verhandlungen miteinander um die je bestmöglichen Ergebnisse ringen. Kein Ringkampf, sondern ein individuelles Verhandlungsgeschick, ermöglicht bestmögliche Lohnfestsetzungen, indem man sich der Aufgabe am besten angepasst darstellen und so im GesprĂ€ch erweisen kann. Was also ErwerbstĂ€tige und Arbeitgeber verhandeln ist dasselbe wie wenn Lieferanten und Super-MĂ€rkte miteinander um die bestmöglichen Preise und Liefer- bzw. Absatzbedingen ringen. So ist Marktwirtschaft prinzipiell und da ist noch nicht von Herrschaft und StĂ€rke, Sieg und Niederlage die Rede, wenn man redlich bleibt; zum Thema „Marktmacht“ kommen wir spĂ€ter.

In einer Marktwirtschafts gibt es wenig Festes, alles wird verhandelt, deshalb heißt diese Wirtschaftsform auch Marktwirtschaft. Gegen die prinzipielle Grundlegung der Wirtschaft in Marktprozessen hat sich der Sozialismus als jene Form behauptet, wo nicht der Markt, sondern ein paar gebildete Kreise, die Partei mit ihren sklerotischen Aparatschicks allein bestimmen ĂŒber Lohn und Preise und alle weiteren, wichtigen Wirtschaftsangelegenheiten. Die Marktintelligenz hat ĂŒberzeugend bewiesen, dass sie nicht nur den Greisen ĂŒberlegen ist, sondern auch im Prinzip herrschaftsferner. Gegen Herrschaft ist daher auch nicht mit einem herrschaftsfreien Diskurs oder gar einer romantischen Vorstellung von Gleichheit ins Feld zu ziehen; ein herrschaftsfreier Diskurs, vollstĂ€ndige Gleichheit, was soll das sein in ökonomischen ZusammenhĂ€ngen? Die Frage ist zu wichtig, als dass sie in ideologischer Abwesenheit zum Sachverhalt verhandelt werden sollte.
Den Galapagos-Finken ging es um einen neuen Lebensraum, an den sie sich bestmöglich anzupassen wussten, um den grĂ¶ĂŸtmöglichen Nutzen daraus zu ziehen. Beim Homo oeconomicus, der in Lohnverhandlungen selbst oder durch seine institutionellen Vertreter ebenso eine bestmögliche Anpassung an seine Chancen im Erwerbsleben versucht, geht es zwar um schwierigere und vor allem und kurzzeitigere Anpassungschancen und -prozesse, gleichwohl liegt auch hierin beim Menschen der Nutzen und nirgendwo anders als im Geschick, das sich dem Momentum des Marktes optimal anzupassen und einen fairen, also den bestmöglichen Lohn zu bestmöglichen Bedingungen zu verhandeln. Den Nutzen also mit einer verborgenen Logik der StĂ€rke zu unterlegen und als Herrschaftsstruktur zu ideologisieren, mag die Gebildeten auf einer Seite gesellschaftskritischer Versammlung vereinen, allein weder stimmt es in der Logik, noch in der Sache.
In der Logik nicht, weil in der Sache eine Asymmetrie in die Verhandlungen erst kommt, wenn Ungleichheit struktureller Art ist und das Prinzip des Marktes außer Kraft gesetzt wird bzw. ist. Dann kann man aber rein logisch betrachtet die VorgĂ€nge auf den MĂ€rkten wie etwa den ArbeitsmĂ€rkten nicht fĂŒr etwas grundsĂ€tzlich verantwortlich machen, was erst durch eine Deregulierung der MĂ€rkte entsteht bzw. die Bedingung fĂŒr herrschaftssensible Asymmetrien zwischen Arbeit und Kapital z.B. voraussetzt. Man mag die Löhne als zu gering erachten, die Ausbildung prekĂ€rer ArbeitsverhĂ€ltnisse als ungerecht, der Homo oeconomicus aber ist jene Denkfigur, die die Marktteilnehmer in der bestmöglichen Situation mit dem grĂ¶ĂŸtmöglichen Nutzen vorstellt.

So seltsam ĂŒberraschend es auch fĂŒr jene klingen mag, deren erklĂ€rtes Ziel die Abschaffung der agitierten HerrschaftsverhĂ€ltnisse ist, der Homo oeconomicus steht gewissenmaßen Schulter an Schulter mit ihnen und ist theoretisch betrachtet schon da, wo die herrschaftskritische Agitation noch hinwill. Oder will jemand dem Erwerbsarbeiter weniger als möglich am Ende von Lohn- und Gehaltsverhandlungen gönnen? Will jemand das Prinzip der individuellen Verhandlung abschaffen? Die persönliche Vertretung der eigenen Interessen, Möglichkeiten und Chancen oder deren Übertragung an institutionelle Vertreter? Man mag kein Freund von Gewerkschaften sein, dann muss man aber ganz auf Interessenvertreter verzichten oder alternative Institutionen vorstellen.

Bliebe noch die andere Variante derselben Unlogik, der ungerechte, weil zu hohe Nutzen. Es gibt Situationen, die einer der beiden Seiten erlauben, mehr Nutzen als im Normalfall zu ziehen. Hier greift meistens das Prinzip der Knappheit, so dass Kapital und Arbeit, jedes fĂŒr sich, ungleich grĂ¶ĂŸeren Nutzen als in einer normalen Marktphase zu erreichen in der Lage sind. Auch dies ist im Konzept des Homo oeconomicus bereits angelegt. Abgesehen einmal von anderen Faktoren, die wir spĂ€ter ausfĂŒhrlich beschreiben werden, sind die Vertrags- oder Verhandlungspartner auf der Basis individueller Voraussetzungen in bestimmten Marktphasen oder Situationen sogar in der Lage extreme Ergebnisse besonders bei GehĂ€ltern und VergĂŒtungen zu erreichen, die weit ĂŒber das Normalmaß hinausgehen und tendenziell bei vielen Menschen die Akzeptanzschwellen ĂŒberschreiten. Aber wer will wo die Grenz ziehen, bis zu der VergĂŒtungen auf den ArbeitsmĂ€rkten gedeckelt werden sollen? Wer kann mit Sicherheit sagen, dass diese Deckelungen nicht gerade auch dort zu schĂ€dlichen Folgen fĂŒhren, wo man eigentlich den Schutz vor negativen Folgen gewĂ€hrleisten wollte? Gerade in prekĂ€ren BeschĂ€ftigungsverhĂ€ltnissen bewirken juristische Untergrenzen wenig. Die Beseitigung der Ursachen prekĂ€rer BeschĂ€ftigung und deren Auflösung bzw. Deregulierung und damit wieder Öffnung zum Prinzip des Homo oeconomicus verspricht da erheblich mehr an Nutzen fĂŒr die einzelnen ErwerbstĂ€tigen.

Der Homo oeconomicus ist ein Prinzip, kein Menschenbild. Das Prinzip ist gekennzeichnet durch grĂ¶ĂŸtmögliche SimplizitĂ€t, gleichsam ein Bottom-Up-Prinzip, der kleinste gemeinsame Nenner in der Formel fĂŒr menschliches Verhalten in wirtschaftlichen Kontexten; viele unserer Entscheidungen im Alltag fĂ€llen wir auch auf dieser Grundlage. Wenn wir uns zum Beispiel fĂŒr den schnellsten und gĂŒnstigsten Weg von A nach B entscheiden. Auch hier gilt, dass auch die Entscheidung fĂŒr den schnellsten, aber nicht den preiswertesten, sondern vielleicht den komfortabelsten Weg diesem Prinzip folgt, weil lediglich, aufgrund der grundlegenden Einfachheit des Prinzips, nicht notwendigerweise mehr als ein Kriterium ausreicht, um eine logische Entscheidung zu fĂ€llen.
Homo oeconomicus ist deshalb ein logisches Prinzip, bei dem nach Nutzen oder Zweck- rational entschieden wird. Das Modell ist also in sich einfach und logisch und ermöglicht es ganz simpel und rational Entscheidungen zu fĂ€llen und zu begrĂŒnden. Keineswegs liegt letztendlich alles in einem Kriterium, im Preis oder am Geld in dieser logischen Vorstellungswelt. In dieser logischen Vorstellungswelt verbinden sich zwei Möglichkeiten in einer logisch offenen Entscheidungssituation. Ob diese nun bei Lohnverhandlungen oder in Alltagsentscheidungen angetroffen wird, prinzipiell ist die Situation entscheidungs-offen und keine Herrschaftsangelegenheit. Bleiben wir bei Entscheidungen im Wirtschaftskontext, also im Bereich der Volkswirtschaft. Hier wurde das Prinzip als RationalitĂ€tsprinzip und Verhaltensmaxime eingefĂŒhrt im Kontext einer rationalen ErklĂ€rung der Beziehung zwischen Nachfrage- und Preisentwicklung. Dabei geht das Prinzip davon aus, dass im Rahmen menschlicher Entscheidungsprozesse eine nachvollziehbare Beziehung zwischen Nachfrage und Preis besteht, die zu rationalen Entscheidungen fĂŒhren kann, derart, dass steigende oder fallende Preise die Kaufentscheidungen bzw. die Nachfrage beeinflussen.

Nutzenmaximierung in diesem Kontext ist nicht nur, dass jemand bei gĂŒnstigen Preisen seine Kaufentscheidung nicht aufschiebt und zugleich sich zum Kauf fĂŒr eine fĂŒr ihn maximal gĂŒnstige Menge einer Ware jetzt entscheidet. Nutzenmaximierung als Verhaltensmaxime kann auch eine lenkende Funktion haben, wenn etwa der Umstieg vom Individualverkehr auf öffentliche Verkehrsmittel durch bessere VerfĂŒgbarkeit und Preise gelingt. Zweckrationales Verhalten im Sinne von Gewinn- und Nutzenmaximierung ist daher kein Herrschaftsprinzip, sondern durchaus ein Prinzip, das fĂŒr eine gerechtere Gesellschaft tauglich ist; mehr rationales Verhalten in vielen sozialen und wirtschaftlichen Kontexten ist weder schĂ€dlich noch untauglich, im Gegenteil.
Oft erweisen sich rationale Entscheidungen im Alltag wie in wirtschaftlichen Kontexten nachtrĂ€glich als fehlerhaft. Nicht immer ist das schnellste und/oder preiswerteste Verkehrsmittel, um von A nach B zu kommen, wirklich das schnellste und oder preiswerteste, wie auch der zupackende Griff ins Tomatenregal trotzt Sonderangebot sich auch preislich als wenig vernĂŒnftig herausstellen kann, gleichwohl viele dieser Entscheidungen aber doch fĂŒr uns sich als praktikabel erwiesen und so durchaus auch als vernĂŒnftig und von situativem Nutzen erscheinen.
Wir sehen an diesen Beispielen schnell, an welchem Punkt das Nutzenprinzip sich auch ganz allgemein als „irrational“, als in der Sache falsch herausgestellt hat. Selbst als in der Sache einfach, findet das Prinzip seine Grenze in der VerfĂŒgbarkeit und VerlĂ€sslichkeit der Information. Als Entscheidungsgrundlage muss man der Information hier und jetzt vertrauen können, als Verhaltensmaxime den Informationen, die meine Entscheidung hier und jetzt als richtig erweisen. Weiß ich nicht, dass die Tomaten morgen noch billiger und besser sind, ist auch meine Kaufentscheidung heute fĂŒr mich von geringerem Nutzen.

Aus diesem Kriterium hat selbst die Volkswirtschaftslehre dem Homo oeconomicus den Hals umgedreht, aber zu Unrecht. Denn meine Entscheidung fĂŒr die Tomaten heute ist nicht irrational und die Nachfrage wĂŒrde sich auch sehr schnell auf verĂ€nderte Informationen anpassen, wĂ€ren sie rechtzeitig verfĂŒgbar. Dass Arbeitgeber und SupermĂ€rkte prinzipiell nicht fĂŒr vollstĂ€ndige Markttransparenz und transparente Marktentwicklungen bĂŒrgen oder gar noch verantwortlich sind, weil auch auf der Kapitalseite viel öfter die Bedarfslage wie die Angebotslage sich verĂ€ndern, als es ihr lieb ist, so ist auch auf der Seite der Lohnarbeit und des Konsumverhaltens nicht alles von schöner Transparenz. Weder sehen ErwerbstĂ€tige ein, dass LohnkĂŒrzungen notwendig sein können, noch sind bei EinstellungsgesprĂ€chen die gegebenen Informationen bezĂŒglich Ausbildung und Lebensplanung immer von hohem Wahrheitsgehalt. Aber selbst bei unvollstĂ€ndigen Informationen, bei relativer Marktintransparenz, gibt es keine annĂ€hernd gute Entscheidungsgrundlage als das Prinzip des Homo oeconomicus. Es ist auch in diesen Situationen ein in sich schlĂŒssiges Prinzip, das sogar eine Vielzahl von logischen Ableitungen fĂŒr viele, spezifische Bereiche des Wirtschaftslebens erlaubt. Angebot, Preis und Nachfrage stehen in einer Marktwirtschaft selbst bei unvollstĂ€ndiger Datenlage in einem rationalen VerhĂ€ltnis und wer hier die sozialen und psychologischen Aspekte vermisst und dann diesen Sachverhalt beklagt, zieht den Homo oeconomicus mit einer Anklage wegen Unterlassung vor Gericht, fĂŒr die er nichts kann, weil er nichts unterlassen hat.
Man hat mehr oder weniger von allen Seiten, den Geisteswissenschaften wie der Volkswirtschaftslehre dem logischen Nutzenprinzip vorgeworfen, dass lediglich Nutzenmaximierung im monetĂ€ren Sinne und nicht zusĂ€tzlich in sozial-psychologischem Sinne zur Anwendung kĂ€me. Aber was wĂ€re gewonnen, wenn wir die Kauffreude bis hin zum Konsumwahn mit ins NutzenkalkĂŒl nĂ€hmen? Es war gerade dieses PhĂ€nomen, welches zum Nachdenken anregte, dass Kaufentscheidung wie auch andere im Wirtschaftsleben nicht immer rationale Angelegenheiten sind. Und dann hat man das Kind mit dem Bade ausgeschĂŒttet und aus dem Homo oeconomicus ein Menschenbild gemacht, hinter dem verborgen dazu noch eine Weltanschauung hervorlugt, die sich stets gĂŒtlich tut an der Vorstellung: der Mensch ist des Menschen Wolf.
Übertragen auf Darwin hat dessen Theorie der Anpassung das Verdikt des Kampfes aller gegen alle mit dem StĂ€rkeren als Sieger erleiden mĂŒssen und der Homo oeconomicus wurde zur Matrix fĂŒr herrschaftskonformes Verhalten. Herrschafts- wie auch alle anderen Formen der KonformitĂ€t sind im geisteswissenschaftlichen Vokabular extrem negativ belegt, Anpassung wird dort nicht als FlexibilitĂ€t im Umgang mit unterschiedlichen Situationen verstanden, sondern als inflexibles, unkritisches VerstĂ€ndnis einer Situation und somit schĂ€dlich. Und dass jede Form von Verstehen zunĂ€chst einmal intellektuelle Anpassung an eine Sache voraussetzt, bevor die Vorstellung darĂŒber hinaus zu gehen vermag, bleibt geflissentlich verschwiegen.
Der Homo oeconomicus hat sich historisch vom selbststĂ€ndig nach dem Nutzenprinzip entscheidenden Individuum zu einem verallgemeinerten Menschenbild gewandelt, das ein entscheidungsunfĂ€higes, zumindest in seinen Entscheidungen wenig brauchbares, da zu angepasstes, zu affirmatives Individuum vorstellt, das in weiten Kreisen von Politik und Wirtschaft die Beeinflussung von BĂŒrger, Kunden und Mitarbeiter legitimiert. Erst mit dem Homo oeconomicus als Modell eines angepassten Menschen legitimieren sich die vielfĂ€ltigen Einflussnahmen, Manipulationen und informellen Steuerungsmechanismen seiner Entscheidungen. Von der Idee der vollstĂ€ndigen Information hat sich Politik und Wirtschaft abgerĂŒckt, gilt es doch den BĂŒrger und Konsument zu seinem Nutzen und Wohle zu erziehen; man weiß es eben besser.

Im Management fĂŒhrte dieses pĂ€dagogisch modellierte Menschenbild zu einem FĂŒhrungsideal, bei dem jedem einzelnen Mitarbeiter der Nutzen und der Zweck seiner Arbeit lĂŒckenlos vorgegeben wurde. Was Arbeitsleistung ist, wurde vom Management definiert und in Halb- oder Jahreszielen operationalisiert. Leistung wurde so unter messbare Indikationen gestellt, die jeden Mitarbeiter unter das Maß brachte und jeden Mitarbeiter mit jedem anderen vergleichbar machte. Sie wurden so auch differenzierbar, in Gruppen von Hoch-, Mittel- und geringen Leistungen zusammenfasst, das berĂŒhmte 20-70-10-Prinzip des Jack Welch von General Electric. Dass heute General Electric auf Schrumpfniveau noch existiert, hat auch in diesem Menschenbild seine Ursache, fehlt darin ja doch alles, was moderne Unternehmen heute zu ihrem eigenen Nutzen von den Mitarbeitern brauchen und was von Automatisierung nicht ersetzt werden kann.
Der Homo oeconomicus hat seine individuellen FĂ€higkeiten verloren, seine intrinsische Motivation brachte keinen Nutzen mehr, weder fĂŒr ihn noch Ă  la longue fĂŒr das Unternehmen. Wozu noch Motivation, Entscheidungsfreude und Risikobereitschaft, wenn es auch im gekoppelten Dienst nach Vorschrift geht? General Electric und Microsoft mussten einsehen, dass sie das Nutzenprinzip so unkenntlich gemacht hatten, dass sie ihre Systeme der Gruppen-Differentiation wieder zur Rettung des eigenen Nutzens wieder abschaffen mussten. Heute kann man schon von einer großangelegten Renaissance des alten Modells des Homo oeconomicus sprechen, sowohl in der Gesellschaft wie in Unternehmen erfreuen sich rationale Entscheidungsprozesse und individuelle Verhaltensmaximen wieder grĂ¶ĂŸerer Beliebtheit.
Warf man dem Homo oeconomicus zu große SimplizitĂ€t vor, so hat sich herausgestellt, dass SimplizitĂ€t keineswegs sich nur und notwendig einer bequemlichen Persönlichkeit verdankt, im Gegenteil. Konzentration und Fokussierung auf das Wesentliche wurden zur Voraussetzung sogar fĂŒr KreativitĂ€t bis hin zur Disruption ausgedienter Ideen und GeschĂ€ftsmodellen. So wurde auch die unterstellte RationalitĂ€tsillusion entlarvt als Illusion ewig sich reproduzierender und wirtschaftlich bewĂ€hrender GeschĂ€ftsmodelle, die nun ihren Platz genau gegenĂŒber auf der Seite des Managements einnahm; welch eine Schande. So begann die Erosion in der alten Garde des Top-Managements und die ist bis heute noch nicht abgeschlossen. Man wehrte sich heftig gegen die verfrĂŒhte Degradierung, unterlies alles an technologischen Innovationen, die die eigene Position hĂ€tte in Frage stellen können und scheute sich auch vor keiner kriminellen Handlung, sei es durch Bestechung und Korruption, durch BilanzfĂ€lschung und Fake News, vor Betrug und anderen Unredlichkeiten.

Die Folge war die Erfindung des Compliance Managements . Damit wurden so auch die beiden weiteren Vorbehalte an den Homo oeconomicus niedergelegt, der Vorbehalt rationale Nutzen-Entscheidungen seien ideologiekonform und zu sehr auf soziale Akzeptanz gerichtete Entscheidungen und daran angeschlossene Verhaltensweisen. Wie wenig mit Regeln konforme Entscheidungen und an Regeln angepasste Verhaltensweisen will man hinnehmen, vor allem als ErwerbstĂ€tiger und Verbraucher? Anpassung ist nicht gleichbedeutend mit Unterwerfung; so ein Irrtum. Soziale Akzeptanz ist ebenso wenig ein Indikator fĂŒr kritiklose Bejahung, Affirmation, wie notorische Kritik noch keine wirkliche, in der Sache fundierte Infragestellung bedeutet, von fundierter Kritik mit öffnendem Charakter durch neue Sichtweisen ist dabei noch gar keine Rede; so ein weiterer Irrtum.
HĂ€tte Politik ein Compliance Management System etabliert, einiges wĂ€re den BĂŒrgern wahrscheinlich erspart geblieben. WĂŒrden die Berichte des Bundesrechnungshofes in der Politik sanktioniert, der Bundestag wĂ€re so leer wie heute, nur aus anderem Grund; viele wĂ€ren entlassen oder sĂ€ĂŸen im Knast. Im großen Stil verhĂ€lt sich die Politische Ökonomie in Form der europĂ€ischen, als Geldpolitik ausgegebene Fiskalpolitik zum Schaden von Millionen von BĂŒrgern in der Eurozone, ohne diese geldpolitischen Entscheidungen begrĂŒnden zu können, wie wir spĂ€ter auch an der Rechtsprechung des EuropĂ€ischen Gerichtshofes und des Bundesverfassungsgerichtes zeigen werden.

Insgesamt geht die Kritik am Homo oeconomicus fehl, weil in die falsche Richtung. Wenn wir bei Regen den Schirm aufspannen, dann ist dies simpel und rational richtig entschieden und ein Verhalten mit großem Nutzen. Es schont die Fönfrisur und den Pelz, den Business-Anzug kurz vor dem Meeting und die hĂŒbschen LackschĂŒhchen. Politische Entscheidungen, vor allem die kostspieligen sozialen Wohltaten, die nichts mehr mit den Vorstellungen vom Erfinder der Sozialen Marktwirtschaft zu tun haben, sind heute zunehmend nur noch vernĂŒnftig und nĂŒtzlich fĂŒr den Machterhalt der Regierung wie auch entsprechend viele Maßnahmen, Programme und Einzelentscheidungen im Wirtschaftsalltag wie z.B. Boni und Abfindungen wenig nĂŒtzlich fĂŒr das Unternehmen und den Markt, mehr fĂŒr die Entscheider selbst sind; aber nĂŒtzlich sind sie allemal fĂŒr jene.
Wenden wir den Blick von den einzelnen Entscheidern, fĂŒr die aber dieses Prinzip erdacht worden war, auf Entscheidung in wirtschaftlicher Absicht ganz allgemein, dann konstatieren wir, dass sowohl alle Entscheidungen in theoretischer Hinsicht innerhalb der Volkswirtschaftslehre bzw. der Ökonomik weltweit auf rationalen GrundsĂ€tzen beruhen; auf Mathematik und ihre wissenschaftlichen Derivate. Und wir werden sehen, dass auch alle anderen Entscheidungstheorien im Zusammenhang mit Verhalten in wirtschaftlichen Kontexten rationale Entscheidungstheorien sind, allen voran die hochgelobten sog. Spieltheorien.

Spieltheorien sind allesamt mathematische Entscheidungsmodelle, also hoch rational, nur nicht simple. Wer sich das VergnĂŒgen antuen möchte, kann einen ersten Eindruck davon bekommen, was unter diesem Begriff seit seiner Erfindung durch Cournot und Edgeworth gemeint ist ; Sie werden staunen. Aus Gesellschaftsspielen wie Schach, MĂŒhle und Dame hat sich eine rationale Entscheidungstheorie entwickelt, die besonders geeignet sein will in sozialen Konfliktsituationen, fĂŒr das VerstĂ€ndnis von politischen Entscheidungen und natĂŒrlich auch fĂŒr den Wirtschaftsalltag. FĂŒr alle Bereiche des Lebens hĂ€lt die Spieltheorie LösungsansĂ€tze vor, die das individuelle Verhalten in Entscheidungssituationen rational so zu strukturieren ermöglicht, dass der grĂ¶ĂŸte Nutzen fĂŒr den Beteiligten am Entscheidungsprozess gewĂ€hrt ist; so der Anspruch.

NatĂŒrlich; wĂŒrde man die Entscheidung, den Schirm bei Regen aufzuspannen oder sich besser unterzustellen o.Ă€. nach der Spieltheorie treffen, sĂ€he man wahrscheinlich auf der HĂ€lfte des Prozesses bereits aus wie ein nasser Königspudel. Noch schlechter sĂ€he es aus bei dominanten und inferioren Strategien und vor allem in Situationen mit unvollstĂ€ndigen Informationen, also bei fast allen; ein EinstellungsgesprĂ€ch wĂŒrde kein Bewerber ĂŒberleben. Ihm ginge es dann so wie dem griechischen Finanzminister Varufakis im EU-Finanzministertreffen zur Rettung Griechenlands; man wĂŒrde aus dem Saal gebeten. FĂŒr uns aber sind die situativen Phantasien im Zusammenhang mit der Spieltheorie nicht von zentralem Interesse. Wir betrachten diese Theorien als Etappen auf einem Weg vom Homo oeconomicus als Prinzip rationaler Entscheidungsfindung in Situationen, in denen die Entscheidung und damit Erfolg und Misserfolg einer Entscheidung nicht im Selbstbewusstsein des Einzelnen, sondern innerhalb der Interaktion mit anderen bedingt sind, hin zu deren mathematischer Methodik. Das Sprechen oder der Diskurs haben in der Hinwendung zu mathematischen Methoden so gut wie keine andere als eine formalisierte, formelgestĂŒtzte Bedeutung. Und hierin sehen wir den Kern der Transformation von diskursiven, hin zu mathematisch formalen Entscheidungsprozessen und, noch bedeutender als die Transformation selbst ist die Verfestigung eines Menschenbildes, welches anstelle menschlichen Verhaltens, ein mechanisch rationales Verhalten setzt, es ersetzt. Die ideale Wirklichkeit mechanisch rationalen Verhaltens ist der Computer, also der digitale Prozess.

Wir haben am Ende dieses zweiten Bandes der Philosophie menschlichen Daseins kurze Betrachtungen zum Homo oeconomicus deshalb vorgestellt, um den Weg in die nĂ€chsten BĂ€nde III und IV vorzubereiten. Auf diesem Weg werden wir nicht immer strikt geradeaus laufen, aber stets in einer Richtung orientiert, der Richtung in die Digitalisierung des menschlichen Daseins. Und wir sehen in der Entwicklung der Spieltheorien auch jene Schnittstelle zwischen Digitalisierung und Ökonomisierung des menschlichen Daseins. Wir werden uns nicht oder fast nicht mit den intellektuellen Mustern, Verfahren und Menschenbildern der kooperativen Spieltheorien beschĂ€ftigen, sondern mit den sog. nichtkooperativen Spieltheorien . Beide spieltheoretischen AnsĂ€tze nahmen ihren historischen Ausgangspunkt im Prinzip des Homo oeconomicus , welches in allen AusprĂ€gungen eine Antwort auf spezielle Fragestellungen wie z.B. der nach der Höhe eines Gehaltes, eines Preises, einer ‚best-price-relation‘, eines nicht monetĂ€ren Nutzen oder sozialen Zwecks usw. ermöglichte.
Wir haben gesehen, dass es nicht um ein Menschenbild ging, also im Nutzenprinzip keine anthropologische, sondern eine rationale Bestimmung erkannt werden muss. So ohne Transfer in ein allgemeines, alle Menschen verallgemeinernden Prinzips konnte natĂŒrlich auch keine Rede davon sein, dass das Nutzenprinzip ĂŒber seine individuelle Bestimmung hinaus zu einer allgemeinen Theorie der Analyse und Manipulation strategischer Interaktion werden könnte. Weg vom Individualprinzip zu einer allgemeinen Betrachtungsweise und Verhaltensoption entwickelte als erster Émile Borel 1921 jene allgemeinen, formalisierbaren Analysen, aus denen dann John von Neumann 1928 das sog. Min-Max-Theorem aufstellte, um darauf aufbauend dann zusammen mit Oskar Morgenstern die Anwendbarkeit der Spieltheorie auf wirtschaftliche Fragestellungen zu beweisen.

Nehmen wir also fĂŒr SpĂ€teres mit: die Spieltheorie entwickelte sich aus einem Zwei-Personen-Nullsummenspiel , in dessen Zentrum das Min-Max-Theorem stand, bis heute ĂŒber vielzĂ€hlige AusprĂ€gungen zu einer Mechanismus-Designtheorie, wobei die EvolutionĂ€re Spieltheorie eine entscheidende Rolle in der Entwicklung spielte. Und dieser Entwicklungsprozess spiegelt sich im Prozess der Digitalisierung vom einfachen, binĂ€ren Entscheidungs- bzw. Lösungsprozess spezifischer, formalisierbarer Fragestellungen hin zu einem Lösungsansatz der KĂŒnstlichen Intelligenz (KI), bei dem keine Lösungen mehr zu spezifischen Fragestellungen formalisiert werden, sondern zu vorgedachten bzw. bereits gewollten Ergebnissen entsprechende, rational formalisierte, also auf regelbasierten Prozessen aufbauende, offene „Spiele“ gespielt werden.

In dieser Umkehrung der Fragestellung des Homo oeconomicus imponieren einige der mit KI verbundenen, grundsĂ€tzlichen Neuerungen, die Menschen faszinieren. Gleichwohl in der KI nicht nach vorgegebenen, vorher bestimmten Regeln „gespielt“ wird, sondern Entscheidungen sich ihre bestmöglichen Regeln selbst suchen, ihre Lösungswege aus eine Vielzahl von Wegen selbst erfinden, bleibt stets der Ausgangspunkt eines Lösungsprozesses auf der Basis von Prozessen der KĂŒnstlichen Intelligenz den Ausgangsprozessen der Entscheidungsfindung des Prinzips des Homo oeconomicus vorgeordnet und ĂŒberlegen. Das ist die große, universelle Transformation, dass in der Mechanismus-Design-Theorie, Mechanismen-Entwurf genannt, die Spieler ausschließlich ihre eigenen Interessen verfolgen können, gleichwohl aber einer interaktiven Steuerung ihrer Entscheidungen unterliegen.

KI stellt gewissermaßen einmal mehr die Welt auf den Kopf. War das Min-Max-Theorem noch Ausdruck eines Nullsummenspiels, in dem jeder Beteiligte im Versuch, die Minimierung des maximalen Nutzens (Min) seines GegenĂŒber relativierte und somit auch die Minimierung des eigenen Schadens (Max) betrieb, was relativ leicht noch zu einer Begegnung in der Mitte, also im Kompromiss eines beidseitigen Nutzens (Nullsumme) fĂŒhren konnte, so ist der Nutzen in KI-Prozessen als Ausgangsbedingung fĂŒr alles weitere bereits festgelegt. Nur der Weg dorthin ist regeloffen, also optimal bzw. pareto-optimal, wie wir sehen werden. Um dies besser zu verstehen, erinnern wir kurz an die EvolutionĂ€re Spieltheorie, die das Bindeglied zwischen den bidirektionalen und den multidirektionalen Spieltheorien bildet.
Die EvolutionĂ€re Spieltheorie fokussiert nicht mehr wie die bidirektionale auf rationale EntscheidungskalkĂŒle, sondern auf wissenschaftlich messbaren bzw. formalisierbaren, kulturellen und genetischen Evolutionsprozessen, wie dies hauptsĂ€chlich die Wissenschaften der Soziobiologie und der evolutionĂ€ren Psychologie vorstellen. Dieser Ansatz geht also im Kern davon aus, dass nur die in der Geschichte der Menschheit am besten angepasste Strategie von Entscheidungsfindung sich durchgesetzt hat. So werden alle Entscheidungsprozesse wie Mutanten behandelt und die effektivste als die am besten angepasste und vice versa betrachtet. Wir dĂŒrfen also fortan zwei Erkenntnisse mit in das Weitere nehmen: erstens Entscheidungsfindung nach spieltheoretischer Auffassung wie auch nach Auffassung der Vertreter der KI ist am besten an die jeweilige Fragestellung angepasst, je effektiver sie zu Lösungswegen zu finden in der Lage ist. Anpassung ist demnach also eine Frage der EffektivitĂ€t und EffektivitĂ€t bedeutet, dass es keine, durch eine Alternativstrategie zu verbessernde Lösung gibt bzw. eine solche vorstellbar ist. Eine solche, an den Gedanken der Evolution angelehnte „Intelligenz“ ist als Lösungsstrategie stabil, also anderen Lösungsstrategien ĂŒberlegen. Eine solche Lösungsstrategie firmiert mittlerweile unter: EvolutionĂ€r stabile Strategie (ESS) und besagt, dass jeweils nur die am besten angepasste Strategie bzw. Mutante sich im praktischen Alltagseinsatz durchsetzen kann. Mittlerweile hat die Spieltheorie ihr ureigenstes Feld, das Spiel, verlassen und wir entdecken ihre Anwendung bereits und zunehmend in den Bereichen Gesellschaft und Wirtschaft.

Zweitens, angewandt auf individuelles sowie Gruppenverhalten im sozialen Raum wie auch in der Wirtschaft, unterstellen ESS und Mechanismus-Design der menschlichen RationalitĂ€t einen fundamentalen Mangel, also eine in jedem Menschen vorfindbare, kognitive BeschrĂ€nkung, die Menschen kein perfekt rationales Verhalten ermöglicht. Denken im Sinne der Abbildung von Wirklichkeit ist gegenĂŒber mathematischen, nun algorithmischen Verfahren in KĂŒnstlicher Intelligenz unterlegen, menschliches Verhalten, das darauf aufbaut, steht in einem instabilen VerhĂ€ltnis zur Wirklichkeit, ist semi-optimal angepasst, im Zustand des Ungleichgewichts. Dieses Menschenbild einer evolutionĂ€ren Mechanismus-Design Vorstellung hat nun nichts mehr gemein mit dem Homo oeconomicus. Der kommt, daran gemessen, unversehens in den Rang eines ungenĂŒgenden Mutanten, einer nutzlosen Alternativstrategie, gemessen an KI.

Nehmen wir nur den Homo oeconomicus als Beispiel, dann erkennen wir paradigmatisch wie im Prozess der Tradierung, also in der Weitergabe der Sachverhalte, sowohl die kritischen DenkansĂ€tze wie auch die rein immanenten der Ökonomik die Sache verunstaltet haben. Tradition im Sine des lateinischen „tradere“: weitergeben, kann also eine Sache ĂŒberschreiben oder so sehr umschreiben, dass sie kaum noch sichtbar ist und allein in der ĂŒberschriebenen Bedeutung fĂŒr das wissenschaftlichen Denken imponiert. Wenn wir uns daher gegen die Tradition wenden und den Prozess des Homo oeconomicus in seinen historischen Kontexten rĂŒckwĂ€rts lesen, dann befreien wir uns nicht der Tradition, sondern versuchen sie neu zu wĂŒrdigen. Wir werden das Menschenbild der Ökonomie freilegen und dabei dessen Überzeichnungen und Umschriften freilegen und so dessen ehemaligen Bedeutungen und dessen Sinn wĂŒrdigen, natĂŒrlich kritisch, vielleicht sogar aufs Neue erhellend.
Also gehen wir in Band III zurĂŒck zum Begriff der Marktwirtschaft, zum Geld in seinen verschiedenen Erscheinungsformen und Funktionen und zeichnen einen Prozess nach, den wir als Marktanomalien erhellen. Wir werden dabei deutlicher sehen, inwiefern die Wirtschaft nur bedingt handlungsfĂ€hig ist, Anomalien und Krisen zu bewĂ€ltigen, die sich außerhalb der Wirtschaft zunehmend ausbreiten. Aber da sie nun einmal gefangen ist in ihrem eigenen Credo, dass sie selbst fĂŒr externe Krisen verantwortlich zeichnet und ihren Beitrag zur BewĂ€ltigung leisten muss, bleibt ihr nichts anderes ĂŒber, als einer umfassenden Transformation ihrer selbst, also der Marktwirtschaft, beizupflichten, mehrheitlich zwar contre Coeur, gemeinschaftlich aber ohnmĂ€chtig gegenĂŒber einer aufziehenden „Konkurrenz“ in dieser Sache, der neuen Politischen Ökonomie.